Was auch immer man sich hierzulande unter dem Namen Kakkmaddafakka vorstellen mag, die Norweger selbst behaupten er sei ihrer Phantasie entsprungen und bedeute in etwa soviel wie “Party Animal”. Zumindest was ihre Musik betrifft, eine Mischung aus Indie und Pop mit massivem Mitsing- und Feier-Potential, trifft das zweifellos zu. Womit im Groben auch schon das Konzept ihrer Konzerte erklärt wäre. Aber der Reihe nach.
Kaum eine andere Band arbeitet so rastlos wie Kakkmaddafakka. Nach dem letzten Album “Hus” von 2017 ging das Kollektiv aus Bergen quasi nahtlos an die Arbeit für das nächste Werk. Völlig egal, dass nebenbei noch Konzerte, Touren und Festivals anstanden, dass Sänger und Gitarrist Pål Vindenes unter dem Namen Pish ein Soloalbum produzierte und damit unterwegs war und dass die sechs Jungs auch noch so etwas wie Freunde und Familie haben. Ende März erschien schließlich ihr sechstes Album “Diplomacy” und nach eigener Aussage ist es “das innigste und ehrlichste Album, dass sie bisher aufgenommen haben”. In Köln treten Kakkmaddafakka heute den lebenden Beweis an.
Wenn man in der Kölner Innenstadt wohnt, dann ist die Fahrt zur Kantine fast wie eine Expedition zum Ende der Welt. Noch dazu ist es für mich heute der erste Besuch, obwohl der Club bereits seit über zwanzig Jahren fester Bestandteil der hiesigen Konzertszene ist. Klingt komisch, ist aber so. Das Prunkstück der Kantine ist sicherlich das sogenannte “Freideck”, ein 2.500 Quadratmeter großer Outdoorbereich, der angesichts der wenig einladenden Temperaturen heute abend allerdings verwaist bleibt. Nachdem wir an den höflichen Türstehern vorbei sind erwartet uns im Inneren eine Konzertlocation, die uns aufgrund ihrer Übersichtlichkeit und dem netten Ambiente sicherlich nicht zum letzten Mal gesehen hat. Das Publikum könnte direkt von einer Studentenparty hierher gepilgert sein. Nur ein Junggesellinenabschied mit Herzluftballons und blinkenden Stirnbändern scheint sich irgendwie verlaufen zu haben.
Nachdem alle die “Vorband” Egge – zwei pausbäckige Jungs die zur Musik vom Band ihre Körper verrenken und dabei abwechselnd in ein Mikrofon “singen” – mit Würde ertragen haben, ist die gefühlt ausverkaufte Kantine mit dem Auftritt von Kakkmaddafakka vom ersten Ton an im Partymodus. Axel und Pål Vindenes, Bassist Stian Sævig, Pianist Sebastian Kittelsen, Schlagzeuger Kristoffer van der Pas und Perkussionist Lars Helmik Raaheim-Olsen brennen ein Feuerwerk ab und die Kölner tanzen, hüpfen und singen mit. Zwischendurch muss Axel Vindenes die Fans dazu auffordern im Mosh-Pit vor der Bühne gut aufeinander und besonders auf die Mädels aufzupassen (“We are party people. We mosh nicely.”). Lars Helmik Raaheim-Olsen rennt mit einer überdimensionalen Kakkmaddafakka-Fahne über die Bühne und wird dafür mit KMF-Chören gefeiert. Als sich Axel Vindenes dann sogar seines T-Shirts entledigt gibt es in den vorderen Reihen die ersten Ohnmächtigen. In der Setlist legen Kakkmaddafakka den Schwerpunkt natürlich hauptsächlich auf die Songs des neuen Albums aber auch ältere Sing-Alongs wie “Your Girl” oder “Restless” kommen zu ihrem Recht. Es ist ein Abend wie aus einem Überraschungsei: Mit Spass, Spannung und was zum Spielen. Als die verschwitzte Partymeute nach gut zwei Stunden wieder in die kühle Kölner Nacht entlassen wird, ist niemand darunter, der hier und heute nicht zu seinem Recht gekommen wäre. Und wer immer noch nicht genug hat, der zieht weiter ins Kölner Luxor, wo ab 23 Uhr die Aftershowparty stattfindet.
Kakkmaddafakka sind noch eine Woche lang in Deutschland unterwegs und alle die Lust auf eine Vollbedienung aus Indie, Pop und kollektivem Abtanzen haben, sollten sich schnellstens mit einem Ticket für eines der noch folgenden Konzerte versorgen. Es lohnt sich!
Es scheint mittlerweile ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass in jedem Jahr erneut der Name zum Programm wird, denn auch heute macht das Wetter allen bereits am Hauptanreisetag des 21. Hurricane Festivals am Eichenring in Scheeßel schwer zu schaffen. Schon am Mittag zeichnet sich eine Art Weltuntergangsstimmung am Himmel ab, heftiger Sturm und Starkregen mit tosenden Gewittern lassen ebenfalls nicht lange auf sich warten. Vorerst muss sogar die Öffnung der Campingplätze leicht verschoben werden, um die Anreisenden nicht in Gefahr zu bringen, die währenddessen natürlich bekanntermaßen in ihrem sicheren Auto verweilen sollen. Wegen Baumschäden in den Oberleitungen muss sogar der Zugverkehr im Norden komplett eingestellt werden, offiziell wird seitens des Veranstalters deshalb darum gebeten, die Anreise auf den Freitag zu verlegen und möglichst Fahrgemeinschaften zu bilden. Trotzdem sind die katastrophengewohnten und hartgesottenen Hurricane Besucher noch guter Dinge und harren bis zur offiziellen Freigabe der Campingflächen in ihren Autos aus, sofern sie aufgrund der immensen Staus auf allen Zufahrtswegen in Richtung Scheeßel überhaupt schon am Gelände angekommen sind. Glücklicherweise kann dann am Abend wie geplant die energiegeladene Warm-Up-Party in der White Stage beginnen, wo u.a. die unterhaltsamen Blaskapellen-Rapper von Moop Mama oder die Hamburger Punk-Rocker von Montreal mächtig Stimmung machen.
Der Freitag startet mit einer ganz besonderen Festivaleröffnung (14:15 Uhr Green Stage), das #hurricaneswimteam feiert noch einmal zusammen mit zahlreichen Hurricane Mitarbeitern und dem Sänger Christoph Karrasch von CampFM die Festivalhymne aus 2016 “Am sichersten seid Ihr im Auto”. Viele sind in dem schwarzen Hurricane Swim-Team T-Shirt zur Green Stage gekommen, um die verrückten Ereignisse des Vorjahres Revue passieren zu lassen. Dabei blinzelt sogar die Sonne ein wenig durch die Wolken…
Im Anschluss präsentieren uns die sechs Briten von Skinny Lister (15:00 Uhr Green Stage) viele punkige Folksongs ihres dritten Studioalbums “The Devil, The Heart & The Fight”. Sängerin Lorna Thomas heizt ihren Fans schon ordentlich ein, während sich das gesamte Gelände rundherum erst langsam zu füllen beginnt.
In der Zeltbühne geht es ebenfalls folkig zu, der junge Künstler aus Liverpool namens Louis Berry (16:00 Uhr White Stage) performt hier zusammen mit seiner fünfköpfigen Band rockige Songs im Stil von Frank Turner und bringt das Publikum direkt zum mittanzen. Louis Berry´s charakteristische Stimme sowie auch seine mitreißenden Rock’n Roll Songs erinnern stark an Vorbilder wie Johnny Cash und Jerry Lee Lewis und lassen kein Tanzbein mehr ruhig stehen.
Schon perfekt aufgewärmt folgen wir weiter dem Musikgenre zu eben genanntem sympathischen Folkrocker Frank Turner & The Sleeping Souls (17:10 Uhr Green Stage), der uns zunächst auf perfektem Deutsch begrüßt und direkt mit seinem antreibenden Song “Get Better” los legt. Vom ersten Moment feuert er seine Fans an, es bilden sich sogar erste Circle-Pits, in denen wild gepogt wird. Durch seine spürbare Spielfreude und seine ungeheure Präsenz auf der Bühne sind seine Fans vom ersten Moment an bei ihm. Der 40.Geburtstag seines Crew-Mitglieds wird mit einem Stage-Dive und der Unterstützung des Publikums gefeiert, die ihm noch ein kleines Ständchen singen. Bei Frank Turners Aufruf zur “Wall of Hugs” machen alle begeistert mit, und schon liegen sich völlig fremde Menschen in den Armen, tolle Aktion! Natürlich dürfen auch die Gassenhauer wie “Recover” und “Still Believe” in der Set-List nicht fehlen, denn jeder hier will dazu tanzen und singen! Das war wieder einmal ein fantastischer Auftritt, bei dem kein Wunsch offen blieb und das Publikum sogar vergeblich noch eine Zugabe fordert.
Foto: Rainer Keuenhof
Während sich der Himmel zusehends verdunkelt und es leider tatsächlich zu Nieseln beginnt passt der Auftritt der irischen Erfolgsband Kodaline (18:15 Uhr White Stage) aus Dublin prima in unseren Programmablauf. Mit leichter Verspätung und dem Opener “Ready” starten auch ihre Fans textsicher mit regelrechten Chorgesängen und klatschen fleißig mit. Frontmann Steven Garrigan berührt mit seiner großartigen Stimme, seinen Künsten am Piano bei “High Hopes” und überzeugt seine vorwiegend weiblichen Fans mit seinem durchaus charmanten Auftreten. Sowohl die tanzbaren Songs wie “Brand New Day” oder “Way Back When” von ihrem Debütalbum “In A Perfect World”, als auch die wunderschönen Balladen wie “One Day” oder “All I Want”, verwöhnen unsere Ohren mit wundervoller Musik, praktisch jeder Song hat Ohrwurmqualitäten. Bei Kodaline gibt es einfach jedes Mal Gänsehautstimmung, leider ist nur der Sound im vorderen Zeltbereich etwas dürftig, so dass man lediglich im hinteren Bereich die einfühlsamen Melodien in vollen Zügen genießen kann.
Gespannt erwarten wir das Konzert des australischen Singer-Songwriters und Multi-Instrumentalisten Xavier Rudd (19:30 Uhr White Stage), der in diesem Jahr eine willkommene Abwechslung zu den Mainstream-Bands darstellt. Der Ausnahmemusiker spielt zum ersten Mal beim Hurricane Festival und spielt diesmal mit Band hier auf. Vielen Hurricane Besucher scheint der Name offensichtlich kein Begriff zu sein, denn das Zelt ist nur etwa halb gefüllt. Der mittlerweile 39-jährige durch und durch
Foto: FKP Scorpio Presse / Dennis Haas
sympathische Musiker und Surfer setzt sich nebenbei weltweit für Frieden, Menschenrechte, Umwelt und Soziales ein, dies spiegelt sich auch in seiner Musik und seinen Texten wieder. In den Songs finden sich Einflüsse aus Rock, Reggae, Folk und Weltmusik, zu denen seine Fans hier beschwingt tanzen. Zu seinen kraftvollen Songs mit Percussion und Didgeridoo werden hier alle zum Tanzen gebracht, auch zu den wundervollen warmherzigen Songs mit Mundharmonika und Gitarrenbegleitung wie “Come let go” oder “Let Me Be” wippen und singen seine Fans mit einem breitem Lächeln im Gesicht mit. Eine herrlich friedliche Stimmung macht sich in der White Stage breit. Beeindruckend sind die ausgeprägten Didgeridoo Sessions inmitten der Songs, die Xavier Rudd´s enge Verbundenheit mit den australischen Aborigines zeigen. Zum Abschluss des großartigen Konzerts hören wir noch ein tolles tanzbares Avicii-Cover von “Wake Me Up”, bei dem die Stimmung noch einmal zum Höhepunkt kommt.
Foto: FKP Scorpio Presse / Christoph Eisenmenger
Ein klares Highlight sind die erstmalig auf dem Hurricane Festival auftretenden US-Punk-Rocker von Green Day (22:00 Uhr Green Stage), die auf ihren zugeteilten 2 1/2 Stunden eine klasse Show abliefern. Der tanzende Hase im Vorwege hat das Publikum schon mit dem Ramones Song “Blitzkrieg Bop” und den “Hey ho let´s go” -Gesängen gut angeheizt, sodass Frontmann Billie Joe Armstrong die Fans von Anfang an fest im Griff hat. Mit “Know Your Enemy” hat die Stimmung sofort den Höhepunkt erreicht, die Fans toben, klatschen und singen lauthals mit, und auch gesamte Bühnenshow wird den Headlinern an diesem Abend absolut gerecht. Für seine Fans das absolute Highlight: drei Personen dürfen nacheinander zusammen mit Green Day performen und als Dankeschön ihren Auftritt mit einem Stage Dive beenden. Für die tolle Performance des Gitarristen gibt es sogar eine Gitarre geschenkt, das ist schon sensationell. Natürlich dürfen auch die Kracher wie “Holiday”, “When I Come Around” und “American Idiot” in der Zugabe nicht fehlen, zum Ende hin gibt es noch eine schöne Akustik-Einlage mit “Ordinary World” und der wunderschönen Ballade “Wake Me Up When September Ends” und “Good Riddance” als Abschluss. Bis auf die etwas in die Länge gezogenen Songs mit den ewigen Hey-Ho-Singsang-Spielchen liefert Green Day eine wirklich großartige Show ab, die den ersten Festivaltag für uns perfekt beendet.
Der Samstag beginnt leider wieder einmal mit Regen, hässlichem Sprühregen, also Schietwetter wie man im Norden zu sagen pflegt. Dementsprechend matschig geht es mittlerweile nicht nur auf den Park- und Campingplätzen, sondern auch auf dem Gelände zu. Bei leichtem Regen und leider noch nicht so üppigem Publikum geht es los mit der Bostoner Indiefolk Band Tall Heights (13:15 Uhr Blue Stage), die vorwiegend Songs aus dem 2016 erschienen zweiten Album “Neptun” für uns spielen. Ihre vorwiegend ruhigen, harmonischen Folksongs sind mittlerweile elektronisch hinterlegt, obwohl der Gesang des Gründungsduos Tim Harrington/Gitarre und Paul Wright/Cello weiterhin im Vordergrund steht und wunderschön anzuhören ist.
Zwar blinzelt die Sonne durch die Wolken, trotzdem finden wir uns im Zelt bei den Berlinern von Pictures (14:30 Uhr White Stage) ein. Die um Frontmann Maze Exler schon 2014 gegründete Band, der es zuvor mit der Alternative/Grunge Band Union Youth bereits zu einiger Bekanntheit gebracht hatte, präsentiert uns mit ihrem aktuellen Debutalbum Songwriter-Rock mit Britpop Vorbildern auf höchstem Niveau. Man merkt sofort, dass die Band kein unbeschriebenes Blatt mehr ist, so konnten sie schon 2015 zwei Songs zum Soundtrack des Films “About A Girl!” beitragen. Sie starten natürlich auch direkt mit dem Ohrwurm “Here I Come”, aber auch andere Songs wie “Fall” und “Down Under The Hill” machen richtig gute Laune und verleiten das Publikum zum mitschwofen. Schade dass nur so wenige den Weg zu dem mittäglichen Konzert gefunden haben, es hat sich definitiv gelohnt! Wer die Jungs noch mal hören und sehen möchte, kann sie im Vorprogramm von Paul Weller im September live erleben.
Foto: Rainer Keuenhof
Zu dem britischen Singer-Songwriter und Alltime-Liebling des Publikums Passenger (15:30 Uhr Blue Stage) braucht man eigentlich nicht mehr viele Worte verlieren. Diesmal kommt er jedoch nicht mehr als Solo-Künstler, sondern mit vierköpfiger Band zum Hurricane. Kaum erklingen die ersten Töne seiner wundervoll leidenschaftlichen Songs erwärmen sich die Herzen der Fans auf der Stelle, wobei sich passend zu Beginn seines Auftritts die Sonne zeigt. Mike Rosenberg versteht es auf eine intuitive Art das Publikum zu unterhalten, mit kleinen Geschichten erzählt er aus seinem Leben und verbindet mit diese mit seiner handgemachten und ehrlichen Musik. “27” widmet er jedem Einzelnen im Publikum und heizt die Stimmung noch mal ordentlich an. Nicht nur bei seinem Erfolgssong “Let Her Go” oder “I Hate” singt das gesamte Publikum textsicher mit, auch bei seiner Interpretation des Simon & Garfunkel Klassikers “Sound Of Silence”. Einmal mehr hat sich der sympathische Brite heute in die Herzen seiner Fans gespielt und jeden Zuhörer für den Moment verzaubert.
Ein kurzer Abstecher führt uns zu dem aktuell schwer gehypten britischen Rock Duo Royal Blood (17:45 Uhr Green Stage), die mit ihrem Sound aus rotzigem Bass und kräftigen Drums stark an die White Stripes erinnern. Mike Kerr und Ben Thatcher haben auf jeden Fall den nötigen Biss für den Auftritt auf großen Bühnen und können das Publikum mit einem fetten Beat und einer mitreißenden Performance wie bei “Figure It Out” komplett mitnehmen. Da kann man gespannt sein, was von den Jungs noch zukünftig noch so kommt.
Besonders freue ich mich auf das Konzert der achtköpfigen Combo um den in Deutschland geborenen Frontmann Nathaniel Rateliff (19:30 Uhr White Stage) aus Denver, der mit seiner musikalischen Ausrichtung in Richtung Blues-/Folk Rock, Americana und Soul eine der wenigen musikalischen Ausnahmen auf dem diesjährigen Hurricane ist. Den adrett gekleideten Herrschaften mit ihren Hüten ist ihre amerikanische Herkunft absolut anzusehen, dabei wird dem Publikum mit voller Spielfreude schwungvolle handgemachte Musik präsentiert, die kein Tanzbein mehr ruhig stehen lässt. Ein tolles Konzert mit guter “Charakter-Musik”, die richtig Spaß macht und dementsprechend eine sehr ausgelassene Stimmung in der White Stage hervorruft.
Foto: FKP Scorpio Presse / Malte Schmidt
Völlig positiv überrascht bin ich von dem erfrischenden Auftritt des deutschen Newcomers Joris (20:15 Uhr Red Stage), der erstmal 2015 mit seiner Single “Herz über Kopf” für große Aufmerksamkeit sorgte und gleich mehrere Preise abräumte. Er performt auf der Bühne, als wenn er noch nie etwas anderes in seinem jungen Leben gemacht hätte und zieht das Publikum, ob jung oder alt, komplett in seinen Bann. Ob mit einer Klavierballade oder mit seinen treibenden Popsongs wie “Sommerregen” und “Bis ans Ende der Welt” sorgt Joris nicht nur für gute Stimmung, sondern auch für musikalische Abwechslung, indem er seine Songs in verschieden Musikstile taucht, mal als Reggae, mal mit Technobeats, seine Band beherrscht das volle Repertoire. Joris überzeugt auf ganzer Linie, seine Fans sind regelrecht aus dem Häuschen, klatschen und singen lauthals mit. Den krönenden Abschluss des fantastischen Konzerts bildet sein persönlicher Appell gegen den Terror und sein Radio-Hit “Herz über Kopf”, wo die Stimmung schließlich zum Höhepunkt kommt. Nach dem Konzert zeigt sich der sympathische Musiker publikumsnah, gibt Autogramme und macht ausgiebig Selfies mit seinen Fans.
Die Indierocker von Maximo Park (21:45 Uhr Red Stage) beehren uns mit der gewohnt perfekten Inszenierung und einem runden Arrangement aus einer Reihe älterer Songs, sowie einiger Songs ihres brandneuen Albums “Risk To Exist”, welches gerade erst im April erschienen ist. Auf Frontmann Paul Smith ist wie immer Verlass, er bringt seine Fans zum tanzen, springen und mitsingen, alle feiern ausgelassen und werfen fröhlich mit dem vor der Bühne ausgelegten Stroh. Wie immer ist bei dieser großartigen Band eine tolle Stimmung und das Wetter spielt diesmal auch noch mit, geradezu perfekt!
Foto: Rainer Keuenhof
Leider muss man bei Festivals ja stets Entscheidungen treffen, diese ist heute für die Editors (22:15 Uhr Blue Stage) und gegen Linkin Park (23:00 Uhr Green Stage) gefallen, was ich aus den später folgenden Ereignissen tatsächlich noch bereuen würde. Aber die Editors sind fest gesetzt, da sie mich mit ihrer Wahnsinns-Performance jedes Mal wieder vom Hocker reißen. Auch am heutigen Abend bin ich von Tom Smiths Inszenierung regelrecht geflasht, er sieht einfach großartig aus, wenn er sich quer über´s Klavier räkelt und dabei seine Songs noch perfekt performt. Mit expressiver Leidenschaft in Gestik und Mimik sowie absoluter Perfektion lebt er seine düster gewaltigen Synth- und Post-Punk Hymnen, sodass auch im Publikum ordentlich abgerockt wird. Sei es zu “Munich”, “An End Has A Start” oder auch “The Racing Rats” wird mit voller Energie gesprungen und getanzt was das Zeug hält. Den Abschluss dieses unglaublich energetischen Konzerts bildet fast schon aus Tradition einer der großartigsten Editors-Songs “Papillon”, der überraschend mit fetter Pyro-Show endet und frenetisch gefeiert wird. Was ein großartiger Abschluss des zweiten Festivaltages!
Den verregneten Auftakt des letzten Festivaltages am Sonntag bildet für uns der Auftritt der norwegischen Indie-Pop Band Kakkmaddafakka (13:30 Uhr Blue Stage), die mittlerweile schon Dauergäste auf dem Hurricane sind. Ihr aktuelles Album “KMF” ist nun auch schon wieder gut ein Jahr alt, dafür stellen sie uns aber ihre erst vor zwei Tagen erschienene Single “All I Want To Hear” vor. Trotz des bescheidenen Wetters verkünden Sie in ihrer fröhlichen Art, dass sie heute mit uns den Sommer feiern wollen, wonach der Song auch wirklich klingt. Frisch, frech, fröhlich und poppig, bei so viel positiver Energie und guter Laune können sogar die Securities nicht anders als bei “Your Girl” mitzutanzen, so macht nämlich ein Festival auch den Mitarbeitern richtig Spaß! Und Schwupps kommt auch schon die Sonne etwas durch die Wolken… Das Sextett animiert ihre Fans fleißig zu Singspielchen und zum Tanzen, als Finale kommen dann noch zwei ihrer wohl bekanntesten Top-Hits “Restless” und “Forever Alone”, zu der die Stimmung noch mal sichtbar steigt.
Da sogar noch etwas Zeit übrig ist, gibt´s noch einen Song mehr, wobei wir uns aber schon zu dem Ausnahmemusiker Seasick Steve (14:00 Uhr Green Stage) verabschieden, der gerade ein junges Mädel zu sich auf die Bühne eingeladen hat. Der Deep-Blues-Musiker setzt neben seinem Begleitschlagzeug Instrumente wie eine aus einem alten Waschbrett zusammengebauten Gitarre ein und rockt mit einer guten Prise Humor und einer durchaus liebenswerten Art die Green Stage. Auch wenn man ihm seine turbulente Vergangenheit schon ein wenig ansieht, lockt er jeden hier aus der Reserve, denn das hier ist Musik die einem unter die Haut geht. Ab und zu ein guter Schluck Wein aus der Flasche zwischendurch, Sonnenschein und ein Publikum, das ihn regelrecht abfeiert. Ein wunderbar herzlicher Auftritt mit viel Charme und handgemachter, geschichtenerzählender Musik, das gefällt auch seinen Fans, die ihn nach dem Konzert noch mächtig für Autogramme und Fotos umlagern.
Anschließend sehen wir uns erstmalig die US-amerikanische Sängerin mit italienischen Wurzeln namens Laura Pergolizzi alias LP (16:15 Uhr White Stage) an, von der mir bisher überhaupt nur der Titel “Lost On You” ein Begriff ist, mit dem sie 2016 ihren internationalen Durchbruch hatte. Ihre einprägsame aber auch zugegebenermaßen etwas anstrengende Stimme ist gewöhnungsbedürftig, dennoch spielt die Songwriterin, die im Hintergrund auch für andere Künstler tätig ist, durchaus kraftvollen Indie-Pop/Rock, der sich hören lassen kann.
Foto: Rainer Keuenhof
Wir bleiben in der Zeltbühne, da hier gleich im Anschluss aus London stammende Band Archive (17:30 Uhr White Stage) mit einer spannenden Mischung aus elektronisch-psychedelischem Post-Rock und Trip-Hop aufspielt.
Die Gründer Darius Keeler und Danny Griffiths lassen sich immer wieder innovative Beats und Song-Kompositionen einfallen, hierzu gibt es heute aufwändige bewusstseinserweiternde Visuals, die ihre teils wilden Kreationen bestens untermalen. Durchdringende Elektrobeats werden experimentell mit tiefen Basslinien und Bassdrums sowie sphärischen Klängen kombiniert, die richtigen Fans sind jedenfalls begeistert und zu den Beats stets in Bewegung.
Tatsächlich bin ich ein bisschen gespannt, wie sich die ehemaligen Schwedenrocker von Mando Diao (18.15 Uhr Green Stage) nach dem Ausscheiden von Sänger und Gitarrist Gustaf Norén live so machen werden. Aus einer Phase der Neuorientierung ist erst kürzlich ihr im Mai veröffentlichtes Album “Good Times” hervorgegangen, mit dem sie derzeit auf Tour sind. Sie starten energetisch mit dem Opener “Down In The Past” und den ebenfalls recht rockigen “All The Things” vom aktuellen Longplayer. Merkwürdigerweise muss sich Björn Dixgard hier mächtig ins Zeug legen, um die Stimmung im Publikum zum Brodeln zu bringen, an der Performance selbst ist nämlich nichts auszusetzen. Der 70-iger Jahre beeinflusste Songs “Money” oder der aus dem Radio bekannte Hit “Shake” lassen dann doch das Publikum etwas lockerer werden. Als Frontmann Dixgard schließlich das Konzert oberkörperfrei fortsetzt, hebt dies die gesamte Stimmung noch etwas an, obwohl mein Eindruck eines zurückhaltenden Publikums bestehen bleibt. Als Highlight ist der vom ersten Album stammende wundervolle Song “Mr. Moon” zu erwähnen, damit hatte ich heute nicht gerechnet. Als dann jedoch eine Art Elektro-DJ-Set Einlage der Band am Mischpult kommt, bricht der Faden zu den Fans irgendwie vollständig ab. Zum Glück kann die Stimmung dann mit “Dance With Somebody” wieder aufgefangen werden, zu dem dann wirklich auch alle tanzen, singen und die guten alten Hits abfeiern.
Für uns endet das diesjährige Hurricane Festival mit Alt-J (19:15 Uhr Blue Stage), die gerade mit ihrem aktuellen Album “Relaxer” auf Tour sind. Sie tauchen von Anfang an mit “3WW” in ihre neuen Klangwelten ein, die für mich jedoch nicht annähernd an ihre alten glänzenden Songs ihres Debuts “An Awesome Wave” anknüpfen können. Schön, dass wenigstens “Something Good” und “Tesselate” direkt zu Beginn gespielt werden, obwohl auch die live nicht mehr ganz so gut wie früher rüber kommen, da sie musikalisch stark modifiziert wurden. Der aktuell vorherrschende breite Sound wirkt auf mich eher langweilig, da sind mir die ursprünglichen Versionen von “Breezeblocks”, “Matilda” und “Fitzpleasure” einfach lieber. Letztlich fehlt dem Sound eindeutig der zweite Gitarrist Gwil Sainsbury, der 2014 offiziell die Band verließ, dessen Lücke seitdem ausschließlich mit Keyboards aufgefüllt wird. Trotzdem ist ihr Konzert doch ein schöner Abklang eines abwechslungsreichen musikalischen Festivalwochenendes.
Die Besucher konnten aufgrund des doch recht passablen Wetters während des Festivals in diesem Jahr bei 100 Bands der Genres Rock, Indie, Punk, Hip Hop, Alternative bis hin zu einzelnen EDM- und Electro-Künstlern wundervolle Konzertmomente erleben, lediglich der Auftritt von Haftbefehl musste aufgrund einer Flugverspätung und Stau abgesagt werden. Besonders erwähnenswert sind hierbei die herausragenden Konzerte der Nicht-Mainstream-Bands wie Seasick Steve, Xavier Rudd und Nathaniel Rateliff. Für das kommende Jahr wünschen wir uns lediglich noch etwas mehr Rückbesinnung auf die alten Hurricane Tage, wo es ein wesentlich breiteres Angebot von jungen aufstrebenden Bands aus den verschiedensten Musikstilen gab, die das Hurricane Festival einst so besonders machten. Da braucht man nur in die Line-Ups der Festivals aus den benachbarten europäischen Länder schauen, wo wesentlich mehr internationale Diversität geboten wird.
Die starken Regenfälle des Donnerstag setzten zwar dem Gelände sehr zu, jedoch hat der Veranstalter alle erforderlichen Maßnahmen getroffen, um den Boden schnell wieder zu befestigen, sei es mit Schotter, Stroh o.ä. Alles in allem gab es laut der Behörden in Scheeßel und der Polizei keine weiteren nennenswerten Zwischenfälle, wahrscheinlich auch aufgrund des komplett überarbeiteten Sicherheitskonzepts der Veranstalter, denen wir an dieser Stelle ausdrücklich für die Durchführung eines durchweg sicheren Festivals danken möchten. Nicht nur eine erstmalig installierte Sirene auf dem Gelände, sondern auch die Einrichtung “Wo geht´s nach Panama” gab allen Festivalbesuchern ein zusätzliches Sicherheitsgefühl, was in diesen Tagen wirklich viel wert ist auf Veranstaltungen dieser Größenordnung.
Die Aftermovies zum Hurricane Festival 2017 könnt Ihr Euch auf dem offiziellen Youtube Kanal noch einmal hier anschauen.
Das 22. Hurricane Festival wird vom 22. bis 24. Juni 2018 auf dem Eichenring in Scheeßel stattfinden. Der Vorverkauf hat bereits am Montag den 26. Juni 2017 mit einem limitierten Kontingent an Frühbuchertickets begonnen. Tickets sind derzeit nur auf www.hurricane.de erhältlich.
Das Wetter am Samstagmorgen beginnt wechselhaft, viel Wind, mal Sonne, mal ein bisschen Regen, zeitweise schieben sich dunkle Wolkenfelder über den Himmel des Festivalgeländes. Alles das wäre ja gar nicht so schlimm, wenn…ja wenn da nicht die kilometerlangen Warteschlangen vor den Toiletten auf dem Womo-Platz wären. Bei allem Lob an das Hurricane-Team muss man an dieser Stelle einfach mal sagen, das ist ein echtes “No Go” liebe Organisatoren. Wer so bestrebt ist die Natur rund um das Festival zu schützen, ist irgendwie auch verpflichtet, das Grundbedürfnis des Menschen ausreichend zu bedenken. Ich hoffe wirklich, dass das im nächsten Jahr deutlich verbessert werden wird.
Mein Zeitplan gerät durch diese furchtbar quälende halbe Stunde Wartezeit vollkommen durcheinander, da ich bereits zum Eröffnungsgig der aufstrebenden Hamburger Indie-Band In Golden Tears (12:00 Uhr Red Stage) auf dem Festivalgelände sein möchte. Schon auf dem Dockville Festival 2011 war mir das talentierte Quintett um Frontmann Patrick H. Kowalewski mit ihren atmosphärischen Hymnen positiv aufgefallen. Im Mai bespielten sie noch das kleine Turmzimmer im Uebel & Gefährlich, heute stehen sie schon auf der drittgrößten Bühne des Hurricane Festivals. Zwar haben es die großen Massen nicht zu dem so früh angesetzten Slot geschafft, zwölf Uhr ist tatsächlich eine echte Herausforderung, aber der Bereich bis zur Absperrung ist trotzdem richtig gut gefüllt. In dezent schwarzem Outfit lassen sie ihre Musik für sich sprechen, schon der Opener “Hollows” wirkt voluminös und episch, ihre Musik scheint regelrecht prädestiniert für große Bühnen zu sein, finden wohl auch die bereits mitwippenden Zuhörer und applaudieren enthusiastisch, während erste Seifenblasen über die Zuschauer fliegen. Immer wieder wird zu den gewaltig angelegten Melodien mit dramatischen Piano- und Synthieklängen, dem melancholisch-klaren Gesang und dem stets präsenten Schlagzeug kräftig mit geklatscht und gejubelt, später dann sogar mitgesungen. Die Highlights in ihrem leider viel zu kurzen Set sind ihre erste und ihre brandaktuelle Single “Urban Emotions” und “Underneath The Balance”, mit der sie pures Gänsehautfeeling aufkommen lassen. Für diesen Auftritt geht von meiner Seite ein richtig großes Kompliment an die jungen Hamburger Musiker!
Das erste Konzert des Samstags war also schon mal Spitzenklasse und auch das Wetter wird immer besser. Die Atmosphäre lädt heute dazu ein, sich einfach über das Festivalgelände treiben zu lassen, um das Geschehen zu beobachten und hier und da mal ein paar Songs an den Bühnen aufzuschnappen. Rechtzeitig finde ich mich daraufhin an der White Stage ein, um mir die wundervolle US-Band Eastern Conference Champions (14:30 Uhr White Stage) anzuhören, deren Song “Hurricane” letztes Jahr in den Pausen an der Red Stage vom Band lief. Ihr zweites Album “Speak-Ahh” brachten sie bereits vor einem Jahr heraus und sind seitdem permanent auf Tour. Das Indie-Rock Trio bestehend aus Frontmann Joshua Ostrander, Melissa Dougherty und Greg Lyons hat sich mittlerweile um John Tukker am Bass erweitert, was definitiv ihrem Sound zugute kommt. Die White Stage ist um diese Uhrzeit nicht einmal komplett gefüllt, was der positiven Grundstimmung des Publikums aber keinen Abbruch tut. Sie eröffnen ihr Set zunächst mit dem gut tanzbaren “Bull In The Wild”, um dann mit dem etwas düsteren “How Long” fortzufahren. Ihre Performance ist wieder mal großartig, vor allem wie aktiv Melissa an der Gitarre mitgeht und auch immer wieder an der Floor Tom den satten Sound der Drums unterstützt. Bei “Hurricane” animiert Ostrander das Publikum, das jetzt endlich fleißig mitgeklatscht. “Attica” und ihr Song “A Million Miles An Hour” aus dem Twilight Soundtrack bilden den atmosphärischen Höhepunkt ihres halbstündigen Sets, sowie der großartige Drum-Part, bei dem die gesamte Band auf das Schlagzeug eindrischt und welcher mit begeistertem Applaus und Jubelrufen von ihren Fans honoriert wird. ECC hat nach diesem nahezu perfekten Auftritt sicher so einige Fans hinzugewinnen können.
Heute geht es mit den Konzerten Schlag auf Schlag, also begebe ich mich direkt zur Blue Stage, wo die allseits beliebte norwegische Combo von Kakkmaddafakka (16:00 Uhr Blue Stage) ihren leider mit Tonausfällen durchzogen Auftritt absolviert. Die Stimmung im Publikum ist trotz der immer wiederkehrenden Aussetzer prima, so wird in den hinteren Reihen fröhlich “Mein Hut der hat 3 Ecken” im Chor gesungen, und auch die Band tanzt und hüpft in gewohnter Aerobic-Manier über die Bühne, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Die lustigen Indie-Popper bringen die versammelte Fan-Base zum Tanzen und Singen, vor allem zu den locker-luftigen Gitarrenklängen ihrer Top-Hits wie “Your Girl” und “Restless” verbreiten Kakkmaddafakka einfach nur gute Laune, wobei die Fans all ihren Wortspielen lautstark folgen. Sie zeigen uns wieder einmal eine frische, sportliche Performance, die leider zeitweise nur in den vorderen Reihen zu hören ist.
Gleich nebenan spielen bereits die kreativen Musiker aus Oklahoma Other Lives (16:45 Uhr Red Stage). Die 2004 gegründete Band um Sänger Jesse Tabish hat unter diesem Namen erst 2011 ihr zweites Album “Tamer Animals” herausgebracht. Für manch einen mag ihr Sound etwas schwermütig oder melodramatisch wirken, wie z.B. in “Desert” oder in dem wundervoll atmosphärischen “Tamer Animals”, jedoch bietet die fünfköpfige US-Band eine durchweg spannungsreiche Komposition aus mehrstimmigen Gesängen, akustischen Streichinstrumenten, Mundharmonika, Piano, Trompeten, Schellen, Xylophonen, Rasseln, Glocken, Synthies und Drums, welche die Zuhörer regelrecht fesselt und den ein oder anderen in Trance-Stimmung versetzt. Auch zu den etwas ruhigeren, experimentellen Klängen tanzt das Publikum hier mit, welches sich im übrigen gänzlich von den jungen Feierwütigen an der Blue Stage unterscheidet. Das dankbare Publikum verabschiedet die eher schüchtern wirkende Band und ihr reichhaltiges musikalisches Gesamtkunstwerk mit reichlich Applaus und Sonnenschein.
Um bei Oasis-Legende Noel Gallagher ganz vorne mit dabei zu sein, muss man in den sauren Apfel beißen und sich schon frühzeitig, nämlich während des Auftritt der sagenumwobenen Florence Welch von Florence & The Machine (19:00 Uhr Blue Stage), in die Schlange für die erste Welle sitzend einreihen. Seit dem Erfolg ihres Albumdebüts “Lungs” 2009 ist sie von den Festivalbühnen nicht mehr wegzudenken, denn der Sound ihrer Musik entfaltet sich erst auf großen Bühnen zu wahrer Größe. Von Beginn an schwebt und tänzelt sie mit ihrem flatterndem Kleid von einem Ende der Bühne zum anderen, mit ausgebreiteten Armen und einer ordentlichen Portion Theatralik, was die Publikumsmassen an der Blue Stage in wahre Euphorie versetzt. Schon zu “What The Water Gave Me” tobt und tanzt die Menge mit hoch gestreckten Armen zu Florence prägnanter Stimme, dem preschenden Schlagzeug und den gekonnt eingestreuten Harfenmelodien, und singt in den Refrains im Chor mit. Mit ihrer leicht entrückten aber durchaus liebevollen Art und einem schrägen Lachen fordert sie bei “Rabbit Heart” die Fans auf, möglichst viele Leute auf die Schultern zu nehmen, auch in den folgenden Songs setzt die sympathische Florence auf die direkte Kommunikation mit dem Publikum. So richtig abgefeiert wird dann zu “Cosmic Love” und natürlich zu “Shake It Out”, ihr fulminantes Set beendet sie schließlich mit “No Light, No Light” vom aktuellen Album “Ceremonials” unter lauten Jubel- und Zugabe-Rufen. Ein bisschen verrückt ist sie ja schon diese Florence, aber live einfach unverwechselbar großartig.
Die vorzeitige Ansteherei hat sich in der Tat gelohnt, zügig wird die nachrückende Festivalmenge relativ drängelfrei in den abgesperrten Bereich durchgelassen. Mit Spannung wird hier die Performance von Noel Gallagher´s High Flying Birds (20:45 Uhr Blue Stage) erwartet. Auch ich bin voller Erwartung, ob Noel in der heutigen Bandkonstellation noch die alten Oasis-Fans begeistern kann, spielte er doch seine Tour in 2011 ausschließlich in ausverkauften Hallen. Im Oktober letzten Jahres veröffentlichte Noel sein erstes selbstbetiteltes Solo-Studioalbum seit der Oasis-Trennung 2009 und schnellte mit seinem stilistisch stark an Oasis angelehnten Britpop/Alternative direkt auf Platz eins der UK-Charts. Zunächst startet er sein Set mit dem Oasis-Song “To Be Free”, anschließend konzentriert er sich hauptsächlich auf seine eigenen Songs wie das gesanglich starke “Everybody´s On The Run”, den wunderschönen ruhigen Song “Record Machine”, das rhythmisch unbeschwerlich wirkende “The Death of You and Me” und natürlich seinen fantastischen Erfolgssong “If I Had A Gun” mit Pianobegleitung. Das Gelände ist absolut proppenvoll, seine Fans feiern Noel Gallagher frenetisch mit zur Bühne gestreckten Armen und singen stets textsicher mit. Seinen wirklich starken Auftritt beendet er mit dem von ihm geschriebenen Oasis-Klassiker “Don´t Look Back In Anger”, zu dem kollektiv alle mitsingen und in große Oasis-Nostalgie verfallen. Abschließend muss man sagen, dass ihm diese Solo-Rolle perfekt steht und an Qualität und Coolness kaum zu übertreffen ist. Die Performance eines durchweg sympathisch auftretenden, kommunikativen und präsenten Noel Gallaghers ist definitiv ein weiteres Highlight an diesem Festivalsamstag.
Mit einem freundlichen “Guten Tag” begrüßt uns Marcus Mumford, Frontmann der 2007 gegründeten Folk-Rock Band Mumford & Sons (20:45 Uhr Blue Stage), der wegen seiner gebrochenen Hand eigens einen zusätzlichen Gitarristen als Ersatz mitgebracht hat. Nach einem ruhigen Einstieg in ihr Set müssen wir gar nicht lange auf den von allen heiß ersehnten Chartstürmer “Little Lion Man” von ihrem Debütalbum “Sigh No More” 2009 warten, die Menge kann sich zu den treibenden Folk-Rhythmen gar nicht mehr halten, sie tobt und klatscht voller Enthusiasmus zu den großartig vielfältigen, vorwiegend akustischen Arrangements der heute zehnköpfigen Band. Die Variabilität ihres Sounds durch die Vielzahl an Instrumenten wie Klavier, Cello, Banjo, Pauke, Blasinstrumente etc. zieht den Zuhörer komplett in ihren Bann. Außerdem haben sie noch drei Bläser und zwei Streicher mit auf der Bühne, welche ihre Darbietung wirklich hochklassig macht. Die Spannung zwischen ruhigen und explosiven Parts verleiht dem ganzen Set eine Art Dramaturgie, der sich keiner der Festivalbesucher hier entziehen kann. Manchmal möchte man fast weinen, wie zu dem melancholischen “Winter Winds”, “White Blank Page” oder dem A Capella Stück “Timshel”, wobei ihre sanften Songs aber in ihrer Harmonie stets auch kraftvolle und faszinierende Momente haben, in denen vor allem die tiefen Bässe und kräftigen Drums ordentlich Spannung erzeugen. Nach einer sehr lustigen “Heute ist (nicht) Teds Geburtstag” -Geschichte feiert und springt das gesamte Publikum abschließend euphorisch zu “The Cave” und honoriert diesen großartigen Auftritt von Mumford & Sons mit nicht enden wollenden Applausstürmen. Neben fast allen Songs aus ihrem Debütalbum präsentieren sie uns auch den ein oder anderen neuen Titel des im September erscheinenden zweiten Studioalbums. Für viele ist ihr Auftritt sicherlich eines der besten Konzerte auf dem gesamten Festival, auch ich bin zutiefst beeindruckt und verlasse zusammen mit tausenden von Fans gegen Mitternacht voller Glücksgefühle die Blue Stage.
Während ich mich auf den Weg in den Pressebereich mache, um eine kurze Pause einzulegen, bricht auf der Green Stage ein wahres Blitzlicht-Stroboskopgewitter bei Blink 182 aus. Jedoch kann ich nach diesen melodisch wertvollen Perlen davon irgendwie nichts mehr aufnehmen. Wie es der Zufall so will lande ich letztendlich doch noch bei dem letzten Konzert des Tages von Garbage (01:00 Uhr Red Stage). Nach einer etwas längeren künstlerischen Pause ist die US-Alternative/Grunge Band um die schottische Sängerin Shirley Manson mit ihrem im Mai erschienenen Album “Not Your Kind of People” weltweit auf die Festivalbühnen zurückgekehrt. An der Red Stage ist es krachend voll, die Publikumsmassen werden von der stark elektronisch angehauchten, durchweg tanzbar-rockigen Performance komplett mitgerissen. Alle sind hier am Springen, Klatschen und Jubeln, vor allem bei dem Garbage-Klassiker “Only Happy When It Rains” oder auch bei “Automatic Systematic Habit”.
Ich für meinen Teil habe jedoch nach dieser Vielzahl an unglaublich guten Konzerten mittlerweile meine Aufnahmekapazität erreicht und verlasse vorzeitig das Festivalgelände, um auch am letzten Festivaltag noch mein geplantes Konzertprogramm durchziehen zu können. Heute geht ein wirklich spektakulärer Tag zu Ende, an dem sogar das Wetter mitgespielt hat. Rundum glücklich aber irgendwie total erledigt von dieser Masse an musikalischem Input versinke ich schließlich in meinem provisorischen Festivalbett.