Konstantin Wecker liefert „Poesie in stürmischen Zeiten“
Konstantin Wecker gehört sicherlich zu den umtriebigsten Künstlern in diesen unseligen Corona-Zeiten. Ganze drei vollständige Livekonzerte hat er in den letzten Wochen aus seinem Münchner Tonstudio gestreamt, die noch immer über YouTube abrufbar sind. Aus dem Erlös der virtuellen Ticketverkäufe unterstützt er die Künstler seines Labels „Sturm und Klang“. Nebenbei engagiert er sich wie gewohnt gesellschaftspolitisch, beispielsweise mit der Aktion „Break Isolation“ bei der es darum geht, die Bewohner von Alten-, Pflege- und Flüchtlingsheimen aus ihrer Isolation zu holen, die durch die strikten Besuchsregeln und Ausgangssperren entstanden ist. „Leave No One Behind“ ist ein Motto, das auch Konstantin Wecker mit aller Kraft verfolgt.
Konstantin Wecker, Fany Kammerlander und Johannes Barnikel bilden das bewährte Trio – und es ist wirklich ein Genuss, ihnen zuzuhören. Nachdem der Liedermacher Ende letzten Jahres noch mit großem Orchester auf Tour war, reduziert er die Musik hier wieder auf das Wesentliche: Piano, Cello und Gesang. Auch wenn kein Publikum anwesend und hörbar ist, macht es doch große Freude Konstantins Ansagen zu hören, die sich an die Zuschauer am Bildschirm richten und in denen er zu Solidariät in diesen schweren Zeiten aufruft. Natürlich nicht ohne dass Populisten und Fanatiker, die aus der Krise ihren Profit ziehen wollen und auf Menschenfang gehen, ihr Fett abbekommen.
Schon der Anfang ist wunderschön und das perfekte Motto: „Ich singe, weil ich ein Lied hab'“. Dazu Konstantins wundervolle sonore Ansagen, in denen er erzählt, was ihn bewegt. Von Gedichten, die wie Küsse sind – in einer Zeit, da man Abstand halten soll. Es gibt anderes, an dem man sich festhalten kann! Der berühmte „Willy“ bekommt eine Neuinterpretation. Im Sprechgesang lamentiert Wecker über die Beschneidung seiner Freiheit. Und dass wir aufpassen müssen, damit die Restriktionen nicht zur Gewohnheit werden. Er ruft dazu auf, solidarisch zu sein, den Schutzsuchenden aus aller Welt unsere Luxushotels zu öffnen. Von der Vehemenz dieser Forderungen und der grundehrlichen Haltung bekomme ich Gänsehaut.
„Stürmische Zeiten mein Schatz“ passt natürlich wie die Faust aufs Auge. Und er denkt an die Kinder, wenn er ihnen seine Lieder widmet. Konstantin erzählt, belehrt, sucht nach neuen Wegen. Er spricht von Poesie als dem einzig wahren Widerstand und liest Gedichte „Über die Zärtlichkeit“ und „Gelebtes Leben“.
Als Gast ist die Liedermacherin Sarah Straub mit im Studio, die unlängst ein Album mit ganz eigenen Wecker-Interpretationen veröffentlicht hat, unfd singt mit ihm im Duett „Niemand kann die Liebe binden“. Es gibt die altbekannten ideologischen Songs, die leider nichts an Aktualität eingebüßt haben: „Den Parolen keine Chance“, „Sage Nein“ und „Was keiner wagt“. Zum Schluss bedankt sich Konstantin Wecker wie so oft mit „Gracias a la Vida“ beim Leben, das ihm, das uns so viel geschenkt hat – und ich bin dankbar, solche Momente mit erleben zu dürfen.
Auch mit fast 73 Jahren bleibt Konstantin unermüdlicher Kämpfer gegen Ungerechtigkeiten und für eine neue Weltordnung. Er ist stolz darauf, ein „Gutmensch“ zu sein und fordert die Menschen auf, mit dem Herzen zu denken. So ist auch diese live-CD ein wundervolles Zeitdokument. Es gibt die CD in physischer Form nur auf der Homepage www.wecker.de, aber als Download auch auf vielen legalen Portalen. Mit 5 Euro pro verkauftem Album unterstützt man die Musiker seines Labels.
„Für Johann Wolfgang Goethe waren Gedichte Küsse, die man der Welt gibt. In diesem Sinne wollen wir mit den 18 Liedern und Gedichten, in Zeiten, die eine körperliche Nähe ausschließen, die Menschen umarmen. So viele Konzerte mussten wir bereits absagen und verschieben und all jenen, die gerne zu uns gekommen wären, können wir hiermit eine Freude machen“, so Konstantin Wecker. Dem ist nichts hinzufügen.