Adel Tawil mit „Alles lebt“ in der Arena Trier – Bericht vom 28.1.2020

Die Arena Trier war nur zur Hälfte gefüllt und mit einem schwarzen Vorhang abgetrennt. Eigentlich ein schlechtes Zeichen: Adel Tawil scheint nicht mehr so angesagt zu sein wie vor einigen Jahren, als der Übersong „Lieder“ noch in aller Munde war und er locker das Amphitheater in Deutschlands ältester Stadt füllte. Doch ist das ein Problem? Wie zum Trotz legte der Berliner Songwriter und Produzent einen fantastischen Auftritt hin und begeisterter das Trierer Publikum.

“Alles lebt” ist das dritte Album nach dem Ende von Ich + Ich. Während die bisherigen Alben sehr leichtgängig waren, experimentiert Adel jetzt mit Rap und Weltmusik und hat mit “Tu m’appelles” eine aktuelle Single mit Duettpartnerin Peachy am Start. Diese durfte dann auch das Konzert mit einem 20minütigen Set eröffnen. Auf der Bühne: Nur ein DJ am PC-Set und dazu die Sängerin, die Stücke im Stil von Namika zu Gehör brachte und mit der aktuellen Single „Sans Sousi“ endete.

Adel Salah Mahmoud Eid El-Tawil betrat schon recht früh um 20.15 Uhr die Bühne und los ging es mit einem gut zweistündigen Konzert, das voller Hits und Atmosphäre war.

Zu „Liebe to Go“ waren die Bandmitglieder hinter einem durchsichtigen Vorhang versteckt und setzten sich auf Laufbändern in verschiedene Richtungen in Bewegung. Ein sehr cooler Effekt, der dem Auftritt von Anfang an Dynamik brachte. Mit „Katsching“ fiel der Vorhang und der große Bühnenaufbau wurde auf die Bühne gefahren.

Schon an vierter Stelle gab es mit „Vom selben Stern“ ein erstes Highlight der Ich + Ich Phase, dem später auch noch das wundervolle „Stark“ folgen sollte. Seine Songs im Duett mit Annette Humpe sind nicht vergessen und wurden vom Publikum begeistert aufgenommen.

Doch auch die Solostücke entfalteten ihre Wirkung. Für „Zuhause“ brachten die Zuschauer mit ihren Handylichtern „die Welt zum leuchten“. „Ist da jemand“ wirkte als Frage in die Dunkelheit, die mit großem Jubel beantwortet wurde. Adel erzählte offen von Katastrophen in seinem Leben. Auch von einem Fehlalarm auf Hawai, der ihm 18 schreckliche Minuten bescherte, da eine Atombombe avisiert wurde. Die Panik und die Gedanken dazu inspirierten ihn zum gleichnamigen Lied.

Zu Songs wie „Wind“ hatte Adel eine hervorragende Backgroundsängerin dabei, die manche Stücke auch mit Violinen-Klängen veredelte. Das alles führte zu einem sehr atmosphärischen Konzerterlebnis – zu wechselweise lauten und ruhigen Klängen.

Sehr stark fand ich “Wohin soll ich gehen”, das sich mit den neuen Formen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland auseinandersetzt – aus der Sicht eines Menschen, der hier von Geburt an seine Heimat hat aber fremdländisch aussieht. Adel Tawil hat das seltene Glück, über eine Stimme zu verfügen, mit der er über all diese Dinge sprechen kann und ihm die Leute zuhören. Er kann seinen Schmerz in Melodien packen und so die eigene Verletztheit verarbeiten.

„Ich will nur dass du weißt“ gab es in der Version, die man von der Band SDP featuring Adel Tawil kennt. Dicht gefolgt von der gesungenen Biographie „Lieder“, die immer noch jeder mitsingen kann. Es folgte der Ich + Ich Titel „So soll es bleiben“ und schließlich das aktuelle “Tu m’appelles”, natürlich stilecht mit Sängerin Peachy.

Zwischendurch fielen Adel zwei Kids im Publikum auf, die noch recht jung waren (10-11 Jahre alt), aber schon ordentliche Tanzmoves hinlegten. Er holte sie auf die Bühne und zog die Dance-Show gemeinsam mit ihnen durch. Großer Applaus, zumal auch noch ein Geburtstagsständchen fällig war: Einmal für Elias (eins der Kids) und für Lichtmann Ingo.

Der Zugabenblock begann gegen 22 Uhr und lieferte unter anderem „Pflaster“ (ihr wisst schon: der Song mit dem tobenden Hamster). Es war ein herausragendes Konzert, fanfreundlich mit Ausflügen des Künstlers in die Menge. Er mag den Spitzenplatz der Charts nicht mehr sicher haben, aber er versteht sein Handwerk. Und allein der Backkatalog sorgt für ein Feuerwerk an Hits.