„Beethoven X – The AI Project“: ein ungewöhnliches Musikexperiment

Beethovens 10. Symphonie kennt man auch als „Die Unvollendete“, da der Komponist zwar vor seinem Tod daran arbeitete, jedoch nur unvollständige Skizzen dazu hinterließ. Aus Anlass seines 250. Geburtstages im Jahr 2020 wagte die Deutsche Telekom gemeinsam mit einem Team von Musikexperten und Wissenschaftlern das Experiment, diese Symphonie zu vollenden. Sie nutzten dazu die Methoden der künstlichen Intelligenz, indem sie einen Computer auf der Grundlage von Beethovens bekannten Werken und seinen Entwürfen zur 10. Symphonie Vorschläge für mögliche Kompositionen machen ließen, die dann u.a. von Walter Werzowa zu einer finalen Partitur verarbeitet wurden.

Das Ergebnis dieses Experimentes wird nun in einer Einspielung des Beethoven Orchesters Bonn unter Leitung von Dirk Kaftan erstmals veröffentlicht. Vorangestellt ist dem neuen Werk die Symphonie Nr. 8 in F-Dur, wohl um noch einmal in die Klangwelt des Komponisten einzuführen. So kann auch der in der Klassik nicht so bewanderte Hörer direkt die Ähnlichkeiten der Kompositionen erkennen – denn die neue Symphonie klingt wirklich nach Beethoven!

Leider sind auf der CD nur die Sätze III und IV zu hören – wahrscheinlich, um der Uraufführung am 9.10. 2021 nicht komplett vorzugreifen. Der 3. Satz – Scherzo. Allegro – Trio beginnt im Wechsel mit kraftvollen Streichern und tänzerischen Bläsern und führt diesen Dialog durch die unterschiedlichsten Stimmungen bis zu einem entschiedenen Schlusspunkt.

Im abschließenden Rondo finden sich eindeutig sakrale Anklänge – die in den Notizen Beethovens geäußerte Absicht, einen kirchlichen Choral zu vertonen, wird hier umgesetzt. Zudem ist eine Orgel, gespielt von Cameron Carpenter, zu hören. Dieses Instrument wurde normalerweise nicht in klassischen Symphonien eingesetzt, aber solch ein Überraschungsmoment wäre Beethoven durchaus zuzutrauen gewesen. Schließlich ließ er in seiner 9. Symphonie ja auch erstmals einen Chor im Schlusssatz erklingen.

Man kann darüber streiten, ob dieses Experiment nun einer „echten“ Komposition ebenbürtig ist. Aber auch wenn das Ergebnis wahrscheinlich ein anderes ist, als wenn Beethoven diese Symphonie selbst vollendet hätte, so ist „ Beethoven X – The AI Projekt“ auf jeden Fall spannend und hörenswert!