Für Freunde künstlerischer Vielfalt
Bryan Ferry und Brian Eno – das waren zwei Namen, die die Popwelt revolutionieren sollte. 1971 gründeten sie die Artrock-Band Roxy Music und schon zwei Jahre später dividierte ein Streit sie auseinander. Der Rest ist Geschichte: Eno ging als Solomusiker und kongenialer Produzent in die Pop-Historie ein, Ferry führte das Erfolgsprojekt Roxy Music weiter und ist ebenfalls ein geachteter Solokünstler. Bryan Ferry ist mittlerweile 79 Jahre alt und auch heute noch solo unterwegs. Sein vibratolastiger Gesang ist ein Alleinstellungsmerkmal – und man wird die Ohrwürmer einfach nicht los, wenn man seine Songs im Radio hört.
Seine letzten Soloalben erschienen 2014 und 2018, danach die hervorragende „Retrospective“ aus dem Jahr 2024. Doch auch mit 79 Jahren ist er noch für eine Überraschung gut und veröffentlicht ein neues Album. Allerdings, bis auf kurze Soundschnippsel, ohne seine wundervolle Stimme, was viele Fans sicher ein wenig verstören wird.
„Loose Talk“ entstand zusammen mit Amelia Barratt, einer Künstlerin, die für ihre Spoken-Word-Performance bekannt ist. Die Sounds und Formen, sowie die gesprochenen Worte, auf die sie eingestellt sind, unterscheiden sich von jedem vorherigen Bryan Ferry Album. Es ist das erste Mal, dass Ferry neue Musik für einen anderen Autor kreiert hat. Das Album besteht aus elf Texten, geschrieben von Amelia, die faszinierende Mikrofiktionen schaffen, gleichzeitig fragmentarisch und in sich geschlossen. Daher auch der kryptische Titel. Barratt sagte: „Loose Talk ist ein Gespräch zwischen zwei Künstlern: ein gemeinsames Album von Bryan Ferry mit gesprochenen Texten von mir.“
Das Ergebnis ist (ich will mal so sagen) gewöhnungsbedürftig. Ruhig, experimentell, vielleicht sogar ein wenig weltfremd. In der Musik liegt viel Melancholie – und darüber legt Amelia ihre dominante Stimme, die mich an Joolz erinnert, die Muse von New Model Armys Justin Sullivan.
Man muss sich einlassen wollen auf diesen Monolog, der mit Ferrys sphärischer Musik irgendwie auch zum Dialog wird. Zwei spannende Künstler*innen mit einem Projekt, das ungewöhnlich ist, aber dem man eine Chance geben sollte. Nicht unbedingt für Fans von Roxy Music, aber für Freunde künstlerischer Vielfalt.
