Norah Jones: Neues Album nach überraschend kurzer Atempause
Normalerweise hat Norah Jones sich immer 2-3 Jahre Zeit gelassen, um ein neues Album auf den Markt zu bringen. Vor allem nach dem 2016er Erfolg „Day Breaks“ musste sie lange verschnaufen und lieferte vor einem Jahr ein neues Werk, das wohl eher EP-Charakter hatte. Aber es ist wohl tatsächlich so, dass wir uns nach und nach von den klassischen Albumlängen verabschieden müssen. Immer häufiger erreichen mich Releases, die in einer halben Stunde auf den Punkt kommen: Der Künstler liefert sein neues Material im digitalen Zeitalter dann, wenn es fertig ist. Ohne Rücksicht auf LP-Seiten und CD-Längen.
„Pick Me Up Off The Floor“ – der neue Release von Norah nach nur einem Jahr Pause – vermittelt immerhin elf Tracks in ordentlicher Länge. Also da gibt es nichts zu Meckern.
Wie es zu der schnellen Neuaufnahme kam, beschreibt die Songwriterin so: “Bei jeder Session entstanden Aufnahmen, die nicht veröffentlicht wurden. Und in den vergangen zwei Jahren hatte sich da so einiges angesammelt. Weil ich die Rough-Mixes auf meinem Smartphone hatte und sie immer hörte, wenn ich mit meinen Hund Gassi ging, habe ich mich wirklich in diese Songs verliebt. Sie gingen mir nicht mehr aus dem Kopf, und irgendwann merkte ich, dass sie wie von einem surrealen Faden durchzogen waren. Es kommt mir wie ein Fiebertraum vor, der sich irgendwo zwischen Gott, dem Teufel, dem Herz, dem Land, dem Planeten und mir abspielt.”
Aber keine Bange, “Pick Me Up Off The Floor” ist alles andere als eine zusammenhanglose Song-Collage geworden. Die Aufnahmen passen tatsächlich wunderbar zueinander, wobei der raffinierte Groove des Klavier-Trios als verbindendes Element dient. In den Songtexten geht es um Verlust und Hoffnung. Die Grundstimmung ist zunächst ein wenig düster, hellt sich aber schließlich auf. So wie in diesen Liedern die Klangfarben von Blues, Soul, Americana und verschiedenen Schattierungen des Jazz verwischt werden, verwirbelt Norah Jones in ihnen thematisch Persönliches und Politisches, spezifischen Schmerz und gesellschaftliches Trauma zu einem lebhaften Gesamtkunstwerk.
Bildlich stelle ich mir vor, wie sie auf dem Boden sitzt und ihre Songsammlung durchstöbert. Und ehrlich: Eigentlich will man sie gar nicht stören, sondern einfach nur weiter zuhören.