Die Schubladen sind gut gefüllt
In Deutschland wurde der US-amerikanische Singer/Songwriter Richard Marx vor allem durch seine Ballade „Right Here Waiting“ im Jahr 1989 bekannt. Ein typischer Kuschelrock-Song, der den Nerv des europäischen Publikums traf. Zu dieser Zeit hatte Marx in den USA schon Geschichte geschrieben: Er war der einzige männliche Künstler, dessen erste sieben Singles die Top 5 der Billboard-Charts erreichten.
Der mit einem Grammy ausgezeichnete Sänger, Songwriter, Produzent und Bestsellerautor ist eine kulturelle Messlatte und sein Einfluss ist in der Popkultur ist bis heute ungebrochen. Doch nicht nur das – auch in anderen Genres fühlt er sich zuhause. “I’ve had such an amazing opportunity in my songwriting career to write all kinds of songs with, and for, all kinds of artists,” sgt er. “It finally occurred to me that there was no reason not to record an album of my own that touches on multiple genres I love.”
So ist sein aktuelles Album „Songwriter“ gleich in vier Kapitel mit jeweils fünf Songs aufgeteilt. Von Pop über Rock und Country bis hin zu den heiß geliebten Balladen. An allen Stücken hat er selbst mitgeschrieben, holte sich aber Unterstützung von Genremeistern wie Burt Bacharach, Keith Urban und David Hodges (Evanescence).
Der Pop-Teil startet smart mit „Same Heartbreak Different Day“. Elektronisches Arrangement und Richards sanfte Stimme, die auch im Alter von 59 Jahren noch sehr gut klingt und entsprechende Höhen erreicht. „Anything“ wartet mit einem hymnisch-mitreißenden Rhythmus auf und auch „Believe In Me“ könnte sich schnell in die Radio-Playlisten einfügen. Der Fünferblock Pop ist also gelungen und mit eingängigen Songs gefüllt. Als Co-Songwriter war teilweise sein Sohn Lucas mit an Bord.
Ab „Shame On You“ dominiert eine harte Rockgitarre im Stil von Bryan Adams und Bon Jovi. Auch hier bleibt einiges in der Familie, da der andere Sohn Jessie zum Co-Songwriter bei manchen Tracks wurde. Richard singt mit rauer Stimme durch das geheimnisvolle „My Love, My Enemy“, den potentiellen Stadionkracher „Just Go“ und das laut nach vorn treibende „We Are Not Alone“. So habe ich Richard Marx – ehrlich gesagt – noch nicht erlebt und bin überaus überrascht von der stimmlichen Vielfalt und der Rockattitüde.
Jetzt beginnt mit „Everything I’v Got“ das Country-Instrumentarium zu schrammeln und wieder ändert sich Richards Stimmfarbe ein wenig. Die Legende Keith Urban wirkt bei „One Day Longer“ mit und David Hodges bereichert das ruhige „Breaking My Heart“. Besonders stark finde ich das nostalgische „We Had It All“ mit epischen Gesangs- und Instrumentalpassagen.
Im letzten Block wird dann der Songwriter sichtbar, wie man ihn in Deutschland am ehesten kennt. Die Pianoballade „Always“ macht den Anfang. „Still In My Heart“ und „As If We’ll Never Love Again“ bringen dezente Streicher mit ein und „Maybe“ wirkt als akustischer Gitarrensong.
Das Album bietet 70 Minuten voller musikalischer Vielfalt. Richard Marx ist definitiv mehr als der Balladenrocker, den man aus dem letzten Jahrtausend im Ohr hat. Seine Songwriter-Kommode hat viele gut gefüllte Schubladen!