Kein Licht ohne Schatten – ARCHIVE zwischen Frust und Aufbruch

Wow. Beim ersten Anhören schwere Kost. Nicht immer folgt ein Refrain auf eine Strophe. Der Songaufbau entspricht weder einem Pop- noch Rockalbum, was das neue Meisterwerk von Archive auch gar nicht sein will. 104 Minuten reist die Band durch 17 Songs und Klangwelten durch dieses – ist es überhaupt ein Konzeptalbum? Da bin ich mir nicht sicher. Kein Song ähnelt dem anderen, so dass der seidene Faden wie ein Axiom fehlt.

Einer der Frontmänner der zehnköpfigen Band, Darius Keeler, nennt als Referenzwerk das Album „Mellon Collie and the Infinite Sadness“ von den Smashing Pumpkins. Die inhaltliche Ausrichtung spannt jedoch einen weiten Bogen von ausgetüfteltem Progrock der Achtziger über Indierock zur Elektronikmusik. An manchen Stellen kommen mir auch Radiohead oder die Sparks in den Sinn. Als Beispiel für Letztere hält „Freedom“ her, womit die zweite CD beginnt.

Fotocredit: Paul Spencer

Dieses Album ist eine Reise. Die dunkle Unterströmung treibt von Anfang an an und baut sich mit einer progressiven, absorbierenden Dynamik auf, die dann in eine wunderschöne Einfachheit umschlägt und dem Album einen unwiderstehlichen Kontrast verleiht, der uns an die tieferen, dunkleren Zeiten erinnert, aber auch an die Momente der Ruhe, die uns oft durch die harten Realitäten aufgedrängt werden! Eine seltsame, zuweilen beunruhigende Inspiration. Hier wird Musik zur Kunst erhoben. Es scheint, dass es Licht am Ende des Tunnels gibt, aber es gibt immer Schatten in diesem Licht. Paradies und Hölle liegen eng beieinander. Ein aktueller Bezug eröffnet sich mit dem Krieg in der Ukraine und zu Corona (Lockdown), wobei Ersteres bei Fertigstellung des Albums noch eine Utopie war. So wie die Songs an manchen Stellen frustrieren, so sorgen sie an anderer Stelle für Aufbruchstimmung.

Die Veröffentlichung von „Shouting Within“ folgt auf die Veröffentlichung des über 14-minütigen (!!!), epischen und doch eindringlichen „Daytime Coma“, der ersten Single des Albums. Die Band schielt keinesfalls auf die Charts, mit einer fast viertelstündigen Single gleicht das eher einer Kampfansage dem Mainstream.

Nach mehrmaligem Hören erschließt die Reihenfolge der Songs einen Sinn. Sie sind nicht zufällig so platziert. Einige Songs entfalten ein an Sonic Youth erinnerndes Staccato, ohne zu kopieren.

Das Album erweckt bei mir den Eindruck, über zwei Stunden lang zu sein. Trotzdem ist es kurzweilig und vor allem abwechslungsreich. Wer Musik abseits ausgetretener Pop- und Rockpfaden sucht, ist mit „Call to Arms and Angels“ bestens bedient. Nicht grundlos wurde das Album von der Musikzeitschrift eclipsed zum Album des Monats April 2022 gekürt.

Das inzwischen 12. Album von Archive, „Call to Arms and Angels“, ist mein absolutes Lieblingsalbum der Band, allerdings brauchte es dazu ein dreimaliges Anhören.

Anspieltipps: „Mr Daisy“, „Numbers“, „Daytime Coma“, „Shouting within“, „Freedom“, „We are the same“, „Alive“ und „Gold“.

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Shows 2022:

15.10.2022 Berlin – Columbiahalle
16.10.2022 Hannover – Pavillon
17.10.2022 Hamburg – Markthalle
18.10.2022 Dortmund – FZW
19.10.2022 Köln – E-Werk
26.10.2022 Stuttgart – LKA Longhorn
27.10.2022 Wiesbaden – Schlachthof
31.10.2022 München – Muffathalle
02.11.2022 Erlangen – E-Werk
03.11.2022 Dresden – Alter Schlachthof’
06.11.2022 Wien (A) – Arena Wien