Die zwei vorab veröffentlichten Singles „Last Man Standing“ und „Best Time“ wurden bereits bis zu acht Monaten vor Erscheinen des Albums auf den Markt geworfen. Es geht hart zur Sache, wie man es von einer Metal-Band gewohnt ist. Im Großen und Ganzen nehmen mich die Songs mit, aber immer wenn der Leadsänger durch den grölenden Backgroundsänger verstärkt wird, nimmt meine Begeisterung ein jähes Ende – so im Opener „Last Man Standing“. Die zweite Single „Best Times“ weist nach meinem Befinden Ähnlichkeiten zu Linkin Park auf. Auch bei anderen Titeln kommt mir diese Band in den Sinn.
Die Texte sind überwiegend pessimistisch, nur ab und zu blitzen Hoffnungsschimmer auf wie zum Beispiel in „Life goes on“. In „Disorder“ wird mächtig auf das Schlagzeug eingeprügelt. Der Powerbeat treibt den Puls hoch, doch sobald wieder das Hintergrundgegröle einsetzt, sägt er nur noch an meinen Nerven. Die Ballade „Thanks for nothing“, die darauf folgt, wirkt dagegen geradezu versöhnlich.
Mein Favorit ist „Tear down the Walls“, wenn er auch wieder an Linkin Park erinnert. Das Gleiche gilt für die weitere Ballade „Down the Spiral of a Soul“. Der Titelsong beschließt das Album. Ein Ausreißer ist das Cover des Popsongs „Send me an Angel“ von Real Life aus den Mittachtzigern.
DasAlbumcover, das wohl die Abwärtsspirale der Seele darstellen soll, bringe ich eher mit einem Auge in Zusammenhang. Die elf Songs (48 Minuten) bewegen sich „radiotauglich“ zwischen dreieinhalb und fünf Minuten. Meine Favoriten: „Life goes on“, „Thanks for nothing“ und „Tear down the Walls“.
YES waren im Reigen meiner Allzeit-Favoriten stets ganz hoch im Kurs und das aktuelle Album „Mirror To The Sky“ bestätigt mal wieder, dass ich recht hatte, mich auch in der Inkarnation ohne Jon Anderson nicht von der Band abzuwenden. Die aktuelle Besetzung mit Steve Howe, Geoff Downes, Jon Davison, Billy Sherwood und dem neuerdings festen Mitglied Jay Schellen am Schlagzeug kann hier absolut überzeugen und liefert für mich bessere Kost als bei „The Quest“. Und auch sonst ist alles stimmig mit dem starken Artwork von Roger Dean, das sich durch den ganzen Digipack und das Booklet zieht. Gewidmet ist das Album übrigens Alan White, was als nostalgische Reminiszenz absolut berührt.
Schon der Start mit „Cut From The Stars“ bildet ein krasses Statement mit vertrackten und verjazzten Songstrukturen. Steves hoher Gesang wird um einige mehrstimmige Passagen ergänzt und den Soli räumt man – wie gewohnt – viel Platz ein. Steve ist das dienstälteste Bandmitglied und bezeichnet den Release als sehr wichtige Album für die Band. Mit Recht! Es sind energiegeladene, komplexe und vielschichtige neue Songs, die bisweilen üppig auffahren. Und das mit einer Gesamtlänge von über einer Stunde.
Jon Davison betont, dass man menschlich gut miteinander auskommt. Dazu passen die Balladen ohne Klischees. „All Connected“ mit erzählender Gitarre und starken Vocals, „Luminosity“ ohne großen Schnickschnack bereichert durch chorische Elemente. Danach wird es rockig mit dem kurzen rhythmischen Track „Living Out Their Dream“.
Absolut großartig finde ich den 14minütigen Titeltrack, der episch auffährt mit umwerfenden Gitarren und tadellosem Keyboard-Sound. Mit cineastischer Eleganz werden die Nostalgiker bestimmt mitgerissen und ihre Herzen können aufblühen, denn das ist YES-Musik, wie sie sein soll. Und zum Runterkommen darf dann „Circle Of Time“ mit A-cappella-Einstieg und akustischer Ausrichtung ein nahezu perfektes Progalbum beenden.
Mir liegt zur Review übrigens die Doppel-CD mit Bonussongs vor. Der zweite Silberling ist zwar recht kurz, hat aber drei gute Stücke zu bieten: „Unknown Place“ wirkt bluesrockig mit fulminanten Soli, vor allem an den Keys, „One Second is Enough“ kommt sehr eingängig daher und „Magic Potion“ bietet smarte Vocals zu vertrackten Instrumentals. Alles in allem also ein gelungenes Werk der alten Recken!
Seine Band Leprous kenne ich nicht näher, daher kann ich nicht beurteilen, ob sich das Soloalbum des Sängers Einar Solberg allzu sehr vom Leprous-Stil unterscheidet.
Die elf Stücke (Spielzeit 70 Minuten) klingen sehr melancholisch, zuweilen elegisch. Beispiel: der titelgebende Eröffnungstrack, mit 7:43 der zweitlängste Titel auf dem Album. Weiter geht es mit „Remember me“, das mich an Riverside erinnert. Manchmal blitzt auch eine Ähnlichkeit zu Morten Harket von a-ha durch. Die elektronischen Passagen würden zudem Depeche Mode gut stehen. Zu guter Letzt erinnert mich „Over the top“ an Blackfield. Die abwechslungsreichen Songs entfesseln ein Kopfkino, in dem der geneigte Hörer möglicherweise ganz andere Parallelen entdeckt.
Es bleibt emotional, viele Songs steigern sich in Dynamik. Einars Stimme prägt die Songs. Er schreibt über seine Zeit als Teenager (daher der Titel 16), aber auch über die Anfänge als Musiker. Mit dem längsten Titel, The Glass is empty (11:09) endet das schwermütige Album.
Anspieltipps: Remember me, Metacognitive, Grotto, Splitting the Soul und Over the top. Das Album erscheint am 2. Juni 2023!
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Du glaubst du kennst Arjen Lucassen? Den überragenden niederländischen Prog-Rock-Polymath? Den Mann hinter dem supererfolgreichen Prog-Rock-Konzept Ayreon? Riesige, übergreifende Konzeptalben über Raum und Zeit, vollgepackt mit besonderen Gästen, die sich wie das Who’s Who des modernen Progressive Rock lesen? Arjen Lucassen? Nun, denk noch einmal nach…
Supersonic Revolution, die Band hinter „Golden Age Of Music“, sind einfach fünf Männer: Arjen am Bass, sein langjähriger Keyboarder Joost van den Broek, Gitarrist Timo Somers, Schlagzeuger Koen Herfst und Sänger Jaycee Cuijpers. Fünf Männer, die abrocken und dabei einen Heidenspaß haben.
Das ganze Projekt entstand aus einer Anfrage, einen Track für eine Cover-CD des deutschen Musikmagazins Eclipsed zu liefern. „Sie fragten mich, ob ich irgendwelche Coverversionen herumliegen hätte“, erinnert Arjen sich. „Ich sagte: ‚Nein, aber ich nehme gerne eine für euch auf‘. Also gaben sie mir eine Liste von Bands und ich sah einen ZZ Top-Song ‚I Heard It On The X‘, den ich sehr mag. Ich sagte, ich könnte ihn für sie aufnehmen, aber dann sagten sie mir, er müsse in einer Woche fertig sein. Ich dachte ‚Oh mein Gott!‘. Ich habe meine Lieblingsmusiker in Holland über WhatsApp kontaktiert und buchstäblich innerhalb von 30 Minuten hatte ich fünf Leute zusammen. Im Grunde eine Band. Von da an war der Samen in meinem Kopf gesät. ‚Ich will eine Band gründen. Und ich will einfach nur Spaß haben“.
Fotocredit: Lori Linstruth
„Wie jeder weiß, bin ich ein Perfektionist, deshalb schicke ich den Musikern immer ihre Parts zurück und bitte sie, etwas zu ändern“, räumt er ein. „Aber das hier war einfach genial. Wir hatten Spaß, riefen die ganze Zeit an und schrieben WhatsApp, und innerhalb einer Woche hatten wir ein komplettes Produkt. Außerdem wollte ich ein optimistisches, positives Projekt haben.“
„Ich dachte mir, lass uns eine Band gründen und Songs im Stil der 70er Jahre schreiben, und die Texte sollten all die denkwürdigen Dinge aus dieser Zeit feiern, denn das waren meine prägenden Jahre“, schwärmt er. „Aber ich wollte nicht, dass es wie die 70er Jahre klingt, denn das wurde schon gemacht, und ich kann es nicht besser machen als Rainbow mit ‚Stargazer‘ oder Led Zeppelin mit ‚Kashmir‘.“
Das Endergebnis sind 11 energiegeladene Heavy Rock Tracks, die mit einem Groove a’la Deep Purple Anfang/Mitte der 70er daher kommen. „Dieses Album ist kein typisches Prog-Album. Es ist nicht Yes oder Genesis. Aber es ist auch kein Metal-Album. Es gibt ein Stück namens ‚Burn it Down'“, so Lucassen, „es basiert komplett auf ‚Smoke On The Water‘, ist aber aus der Perspektive des im Originaltext erwähnten ‚Dummkopfs mit Leuchtpistole‘ geschrieben.”
Als Bonustracks enthält das Album außerdem Cover einiger legendärer Songs, die von Arjen Lucassen bearbeitet wurden: „Children of the Revolution“ von T-Rex, „Heard It On The X“ von ZZ Top, „Fantasy“ von Earth Wind and Fire und „Love Is All“ von Roger Glover.
That, Ladies and Gentlemen, is the real Arjen Lucassen. Job done. Having fun.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Ein ums andere Mal erinnert mich die Band EMPYRE an Haken, die ich kürzlich gehört habe. Der Sänger interpretiert die Songs sehr leidenschaftlich. Der Opener, der Titeltrack „Relentless“ beginnt recht zackig und wird von einem Instrumental begleitet und berührt emotional.
Im weiteren Verlauf scheinen sich die Ideen zu wiederholen und der Wiedererkennungwert sinkt. Die Songs wollen sich nicht einprägen. Die Atmosphäre der Songs wird zunehmend düsterer, die Stimme des Sängers wird mir mit der Zeit allzu penetrant.
Die Songs bieten die Bandbreite von Melancholie bis Hoffnungslosigkeit. Etwas mehr Abwechslung hätte ich befürwortet.
Die zehn Titel laufen 49 Minuten. Meine Anspieltipps sind „Relentless“ und „Road to Nowthere“.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Bereits seit 1990 existiert die Progressive Rockband Ricochet, die ihre Wurzeln bei der Musik von Marillion hat (der Bandname entstammt dem Marillion-Song „Jigsaw“), inzwischen aber eher in Richtung Progmetal nach Art von Dream Theater und Threshold tendiert. „Kazakhstan“ ist erst der dritte Longplayer in drei Jahrzehnten. Interessant ist sicher die Tatsache, dass die Band 1994 in einer Folge der Serie „Großstadtrevier“ mitspielte. Das Debütalbum „Among the Elements“ erschien 1996. Neun Jahre später gab es dann ein Konzeptalbum namens „Zarah – A Teartown Story“ über den Missbrauch an einem jungen Mädchen.
Das Albumcover des aktuellen Werks zeigt einen Surfer, der vor einem ausgetrockneten See steht. An dem Surfer zeigt sich der Widerspruch zwischen Resignation und Hoffnung. Ob er ein heilloser Optimist, ein unbedarfter Naivling oder ein unverbesserlicher Rebell ist, kann jeder für sich selbst entscheiden. Zumindest eröffnet sich damit wieder ein thematisches Konzept, auch wenn das Album keine durchlaufende Geschichte erzählt.
Mit metallischen Krachern wie „The Custodians“ und „King of Tales“ geht es direkt in die Vollen. Hier herrschen zunächst Progmetal und AOR, wobei vor allem der Opener – passend zum Albumtitel – auch weltmusikalische Elemente verbucht. Mit „Farewell“ und „Interception“ geht es dann stärker in Richtung Melodic Rock. Ausufernde Keyboards und elegische Gitarrensoli spielen durchaus eine Rolle.
Sänger Michael Keuter ist seit zehn Jahren dabei, somit ist dies sein erstes Album mit der Band. Er hat eine ordentliche Rockröhre, die gut zur Musik passt. Nicht gerade fein, aber rau und kraftvoll. Er hat zuvor für lange Zeit in einer Uriah Heep Coverband mitgewirkt, was ich sehr passend finde.
„Waiting For The Storm“ glänzt wieder mit verspielten Synthieklängen, die einen passenden Kontrast zu den Gitarrenriffs bilden. Vielseitig geht es mit „Beyond the Line“ weiter, einer Ballade aus dem AOR-Bereich. Sanfter wird es zu Beginn von „Losing Ground“ und „On a Distant Shore“ ist dann eine echte Ballade mit viel Gefühl, die den Hörer zur Ruhe kommen lässt, bevor er mit dem Titeltrack ein letztes Mal gefordert wird.
Das fast einstündige Album hat für Freunde gepflegter Rockmusik viel zu bieten und endet mit einem grandiosen Burner, der sich von orientalischen Klängen hin zu einem perfekten Metalsong mit harter Klangfarbe à la Led Zeppelin bewegt und in einem langen Keyboardsolo endet. Soundtüftler Jens Lück hat dafür gesorgt, dass das Album stark durchproduziert ist und bis zum Ende trotz seiner Vielseitigkeit sehr homogen klingt. Ein starkes Rockalbum, das auch Freunden des modernen Prog durchaus gefallen dürfte. HIER gibt’s die Musik.
Schon krass, dass Jens Lueck und sein Projekt Single Celled Organism immer noch weitestgehend unterm Radar laufen. Liefert er doch mit „Event Horizon“ schon das dritte ausufernde Konzeptalbum in Folge – bei gleichbleibend fantastischer Qualität.
Der Wahl-Hamburger Lueck hat als Produzent, Engineer, Komponist und Musiker für Isgaard und diverse Bands im Progressive Rock gearbeitet. Kein Wunder, dass er sich musikalisch an Größen wie Pink Floyd und Porcupine Tree anlehnt. Und das ist nicht nur so daher gesagt: Er schafft es, mit seinen Mitstreitern eine floydeske Atmosphäre zu schaffen und die Produktion muss sich in Sachen Perfektion nicht hinter Steven Wilson verstecken.
Das Konzept der ersten Alben „Splinter In The Eye“ und „Percipio Ergo Sum“ wird hier nahtlos wie bei einer großen SF-Saga fortgeführt.Im Zentrum der Geschichte steht die Begegnung der beiden ungleichen Protagonisten, die den Untergang und Wiederaufbau der Zivilisation erlebt haben. Während Dr. Abbott Barnaby all seine Vorsätze über Bord wirft, konfrontiert er das „TV-Girl“ Tella mit der Wahrheit – das hat schwerwiegende Folgen: Ihre mühsam erarbeitete innere Stabilität und ihre Hoffnung auf inneren Frieden werden mit einem Schlag zerstört und sie gerät völlig aus der Bahn.
Das Album thematisiert am Beispiel der beiden Hauptcharaktere den Ereignishorizont – nicht im physikalischen Sinn, sondern in Bezug auf die menschliche Psyche – und die individuellen Vorstellungsgrenzen. In Zeiten von Klimakrise, Verschwörungstheorien und dem Angriff Russlands auf die Ukraine wird überdeutlich, wie wichtig es ist, die Grenzen des Denkens zu verschieben, die eigene Wohlfühlsphäre zu verlassen und das jeweilige Gegenüber sowie das globale Miteinander im Blick zu behalten.
Musikalisch ist das Geschehen mal wieder so groß wie die angeschnittenen Themen. Es gibt quirligen Prog mit dominanten Gitarren im Wechsel mit elegischem Artrock. Jens Lueck trägt breite Keyboardflächen bei. Die Vocals liefert er oft im Duett mit seiner Partnerin Isgaard, was einen feinen Kontrast erzeugt. Ein Team von Gast- und Studiomusikern unterstützt die beiden dabei.
Am Ende gibt es wieder große Gefühlsverwirrungen unter den Protagonisten und einen offenen Schluss. Man darf also gespannt sein, ob das Projekt als Trilogie hier endet oder noch weiter fortgeführt wird. Die Ideen scheinen Jens zumindest nicht auszugehen – weder musikalisch noch konzeptionell.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Der Sound ist typisch Haken, obgleich sich ihre Alben (zum Glück) alle voneinander unterscheiden. Die Modern-Prog-Rocker haben wieder zugeschlagen und machen diesmal die Tierwelt zum Thema ihres Albums. So ziert das Cover ein Affe im feinen bordeauxroten Anzug in einem ebenso feinen Salon und an der Wand hängt ein Foto des „Elefantenmenschen“.
Fotocredit: Max Taylor Grant
Treibende Hooks wechseln sich ab mit schrägen Riffs und extravaganten Keybordpassagen und experimentellen Tönen. Furios endet das Album mit dem Song „Eyes ofEbony“. Tiere spielen in den meisten Songs die Hauptrolle, einige Songs sind darüber hinaus aber auch Anspielungen auf die aktuelle Weltlage, zum Beispiel den Krieg in der Ukraine. Ebenso prägnant ist der Opener „Taurus“. Hier bestechen der zackige Rhythmus und der melodische Gesang.
Mit diesem Album halten Haken ihre Fans auf Trab. Die neun Titel haben eine Spielzeit von 63 Minuten. Anspieltipps: „Taurus“, „Islands in theClouds“, „Eyes ofEbony“.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Diese Band bzw. dieses Duo ist eine Neuentdeckung, deren weitere Biografie ich mit Sicherheit verfolgen werde.
Das Cover zeigt ein futuristisches Gebäude und nicht nur der Bandname, sondern auch das Intro des Einstiegssongs, „eMolecule“, der mit 10:43 Minuten der längste Track auf dem 70 Minuten langen Album (elf Titel) ist, lassen zunächst vermuten, dass es sich eher um ein Electronic-Album handelt, aber dann wird abgerockt und der Gitarre werden Töne entlockt, die sich gleich in den Gehörgängen festsetzen.
Dieses intensive, schwere Gitarrenspiel in Verbindung mit dem Schlagzeug erzeugt tiefe, atmosphärische und gefühlsbetonte Arrangements. Der Gesang ist von Beginn an fesselnd und erinnert mich an manchen Stellen an Steven Wilson. Dynamische Gitarren machen nicht nur das epische „eMolecule“ zu einem Hörgenuss. Das Niveau wird auf dem kompletten Album gehalten und findet mit dem Schlusssong „Moment of Truth“ einen kraftvollen Höhepunkt.
Anspieltipps: eMolecule, Mastermind, The Turn, My You, Moment of Truth
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Der Bandname Insomnium ist wohl von Insomnia abgeleitet, dem Begriff für Schlaflosigkeit. Das passt, denn wenn diese Musik ertönt, ist an Schlaf nicht zu denken. Die Band stammt aus Finnland, der Hochburg des Doom-Metal oder wie auch immer man diese Musik bezeichnen mag.
Es ist mir ein Rätsel, wie man die an sich hörenswerten Melodiebögen derart mit dem grölenden Gesang zerstören kann. „Anno 1696“ handelt von einer düsteren Zeit, in der Hexen, Magier und Werwölfe herrschten. Der röchelnde Sänger erzeugt Bilder von Wahnsinn und Blutlust, von Gesang wage ich nicht zu reden. Wer sich für den Inhalt der Songs interessiert, muss das Booklet zur Hand nehmen, da der Text kaum zu verstehen ist.
Die meisten Titel beginnen vielversprechend mit Keyboard, Gitarre oder Piano, aber schon nach wenigen Sekunden setzt der „Gesang“ ein, der jedwede Harmonie killt. Als Instrumentalalbum hätte ich fünf Punkte vergeben, so bleibt es bei dem Mindestpunkt.
Die 8 Titel bringen es auf eine Spielzeit von 51 Minuten.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
In ihrem neuen Album suchen Riverside eine Antwort auf die Frage nach ihrer eigenen Identität. Nach den beiden ersten Hördurchgängen findet man nur noch wenige Gemeinsamkeiten zu den ersten Alben. Riverside machen eine Entwicklung durch, überraschen im Opener auch mit elektronischen Klängen.
In 54 Minuten nehmen sie den Hörer auf eine Klangreise mit, singen über diese seltsamen Zeiten, in der wir uns alle gerade befinden. Sind wir noch authentisch oder spielen wir eine Doppelrolle?
Das Album selbst hat Live-Charakter, obwohl es sich um ein Studioalbum handelt. Dennoch ist die Dynamik ihrer Liveshows spürbar. Die Band nimmt aber Abschied von der Traurigkeit und Melancholie, welche die vergangenen Alben bestimmt hat. Das neue Album ist definitiv der Beginn eines neuen musikalischen Weges.
Die Band hat sich offensichtlich erholt vom Tod ihres Gitarristen Piotr (er starb 2016). Der bandtypische Rock-Metal-Klang ist zwar noch vorhanden, aber in einer überarbeiteten und dynamischeren Form. Die Band klingt auf dem neuen Album selbstbewusster, was dem Konzept und den Texten geschuldet ist.
Auffallend ist auch das neue grafische Design, das Cover erinnert an ein Graffiti. Es präsentiert perfekt das neue Konzept der Band und repräsentiert gleichfalls den früheren Stil der Band. Meine Anspieltipps: „Friend or Foe?“, „I’m done with you“. Das Album erscheint am 23. Januar 2023.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
In der CD-Ära, die inzwischen von der Streaming-Ära verdrängt wird, wurde der Abstand zwischen zwei Alben des gleichen Künstlers immer größer (wohl auch, weil man auf einer CD mehr Material als auf 2 LP-Seiten unterbringen kann), aber nicht so bei Steve Hackett. Er wirft mindestens eine neue CD pro Jahr auf den Markt, und wenn es mal nichts Neues gibt, dann werden eben die Genesis-Geschichten wieder neu zubereitet. Im Gegensatz zu Peter Gabriel, zu dem die obligatorische Bezeichnung Ex-Genesis-Singer schon lange nervt, ist der Verweis bei Steve Hackett, obgleich auch schon rund 45 Jahre Geschichte, sehr wohl angebracht, gehören doch die frühen Genesis-Werke zum festen Bestandteil seiner Werke.
Die Frage, ob man als Fan der frühen Genesis, eine Neuauflage des Live-Klassikers Second out braucht, stellt sich mir nicht. Das Original ist meine Lieblings-LP dieser Genesis-Ära und der nahezu 1:1 gelungenen Umsetzung von Steve Hackett und seiner Band ist es zu verdanken, dass mir dies erstens wieder bewusst wurde und zweitens, dass ich mir die verstaubte Original-LP (nur das Cover verstaubt!) wieder auflegte.
Bevor sich Hackett „Seconds Out“ widmet, stehen 6 Titel aus seinem Solowirken, die es ebenso gut auf ein damaliges Genesis-Album hätten schaffen können („Every Day“ oder „Shadowofthe Hierophant“). Letzteres ist mit 11:02 nur unwesentlich kürzer als die „Cinema Show“. Aber dann geht es los, genau in der Reihenfolge, wie das Original-Album „Seconds Out“ 1977 erschienen ist, mit einer Ausnahme: Zwischen „The Cinema Show“ und „Dance on a Volcano“ fügt Hackett das Stück „AisleofPlenty“ ein, mit 1:32 das kürzeste Stück auf der Doppel-CD mit einer Laufzeit von 2 Stunden und 19 Minuten. Mein absoluter Favorit ist unverändert das über 25-minütige Supper’sReady“.
Was bringt es dem nicht unbedingten Fan dazu, sich dieses Album zuzulegen? Nun, auch wenn Hackett nahezu originalgetreu „Seconds Out“ aufführt, findet man dennoch einige Veränderungen bei genauem Hinhören. Zum Beispiel sind mehr Bläsereinsätze zu hören, ebenso weichen ein paar Soli vom Original ab oder werden zusätzlich eingestreut. Bei „Fifthoffifth“ wird auch das Intro mit dem Piano mitgeliefert und mein absoluter Lieblings-Genesis-Song „CarpetCrawlers“ (welcher auf meiner Original-Genesis-LP als „Carpet Crawl“ bezeichnet wird) wird komplett mit der ersten Strophe gespielt und das bereits weiter oben erwähnte „AisleofPlenty“.
Für mich ist diese Hackett-Werk kein Remake, sondern wie der Name „Revisited“ sagt, eine Rückkehr in die Zeit, als ich mich – auch von der Musik von Genesis inspiriert – für Musik zu interessieren begann. Ein melancholischer Farbtupfer, aber Hand aufs Herz: so oft wie sich „Seconds Out“ auf meinem Plattenteller drehte, wird es „Revisited“ niemals schaffen.
Bei dem Bandnamen „For Absent Friends“ kam mir auf Anhieb „Dinner ForOne“ in den Sinn. Und der Titel „Disappear“ passt thematisch auch zum Namen dieser holländischen Band, von der ich zum ersten Mal gehört habe.
For Absent Friends are:
Edwin Roes – guitars, keyboards
Hans van Lint – vocals, piano, keyboards
Ed Wernke – drums & percussion
Clemens Steenweg – piano, keyboards, organ, backing vocals
Jan Nieuwenhuis – bass guitars, bass pedal, backing vocals
Der Musikstil erinnert mich ein wenig an die alten Genesis, der Gesang teilweise an Rush (bei den hohen Tönen). Bei den Songs dominiert die Gitarre neben dem Gesang des Leadsängers. Einige Songs sind sehr folkig, eignen sich für das Durchfahren einsamer Präriestraßen vor der Kulisse eines Wim-Wenders-Filmes. Der Wechsel zwischen bzw. die Mischung aus Balladen und Rocksongs machen das Album aus. Jeder, der auf melodiöse Songs steht, dürfte an diesem Album seine helle Freude haben.
Meine Anspieltipps sind „Random Draw“ und „Keytar“, gefolgt von „58 People“, dem Titelsong „Disappear“ und „Dreamer“. Die Laufzeit der neun Songs beträgt 47 Minuten.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Als „Take My Head“ im Jahr 1999 erschien, liefen Archive noch völlig unter dem Radar. Die Band ist 1994 von Darius Keeler und Danny Griffiths gegründet worden und war zu Beginn ganz vom Style der Trip-Hopper Massive Attack beeinflusst. Die Mischung aus Rap und Alternative Rock erschien auf dem Debüt „Londinium“ ganz gefällig, konnte sich aber nicht durchsetzen. Das zweite Album sollte dann viel melodischer und auch poppiger ausfallen als der Erstling.
Als Sängerin wurde Suzanne Wooder verpflichtet, die den Sound mit ihrer traditionellen musikalischen Ausbildung und ihrer melodischen Ausrichtung sehr harmonisch gestaltete. Hinzu kamen spannende sinfonische Elemente.
Dem Album war damals kein kommerzieller Erfolg beschieden. In Anbetracht der fantastischen Entwicklung, die das Soundkollektiv in den letzten Jahrzehnten gemacht hat, ist es aber ein wichtiger Grundstein. Postrock, der virtuose Melodic Rock und die psychedelischen Elemente späterer Meisterwerke spielen auf „Take My Head“ noch kaum eine Rolle und finden nur andeutungsweise statt. Doch es wäre zu kurz gegriffen, das Werk als reines Popalbum zu beschreiben – dafür ist es zu komplex.
Man nehme nur den dialogischen Start mit „You Make Me Feel“. Hart rockende Passagen und sanfter polyphoner Gesang geben sich die Klinke in die Hand. Allein die Mehrstimmigkeit in den Vocals gibt dem Song ordentlich Drive mit. „The Way You Love Me“ hätte als Ballade funktionieren können, war aber alles andere als eingängig. „Brother“ ist dann das erste Highlight, weil die Pianoakkorde Suzannes Vocals genügend Raum zur Entfaltung lassen.
„Well Known Sinner“ hat eine sehr elektronische Seite, „Cloud In The Sky“ driftet hingegen ins Orchestrale ab. Der Titeltrack „Take My Head“ startet mit einem genialen Orgel-Stakkato, das in roboterhaft wiederholten Vocals aufgegriffen wird. Ein Song, der nervös machen kann, aber irgendwie auch genial rüberkommt. Die Vocals werden im Loop wiederholt und bauen ein Soundgemälde auf, dass sich in krachenden Instrumenten entlädt.
Mit „Love In Summer“ und „Rest My Head In You“ gibt es einen versöhnlichen, emotionalen Abschluss, der in den zweiminütigen Hidden Track „Home“ mündet.
Für sich allein genommen ist „Take My Head“ ein spannendes und innovatives Popalbum, das in weiten Teilen ganz auf Suzanne Wooders Stimme zugeschnitten ist. Im Backkatalog von Archive nimmt es aber nur eine untergeordnete Rolle ein. Trotzdem cool, dass es erstmals seit der ersten Veröffentlichung wieder auf Vinyl erhältlich ist. Die Platte wurde auf 180-Gramm-Vinyl in audiophiler Qualität gepresst.
2020 stiegen die Progmetaller CONCEPTION aus Norwegen nach über zwanzig ruhigen Jahren wie Phönix aus der Asche. Der neue Longplayer “State of Deception” hielt die für CONCEPTION typische Weite progressiver Sounds perfekt fest, vom symphonischen Melodrama bis zur Rockriff-Utopie. Die Euphorie war im Nachgang des aktuellen Albums so groß, dass Noise Records jetzt auch die vier genialen Alben aus den 90er Jahren neu auflegen – als CD Digipacks, auf Vinyl, jeweils mit bisher unveröffentlichten Bonustracks. Ein Fest für jeden Fan!
CONCEPTION wurde 1989 in Norwegen vom Dag Østby (Vocals), Tore Østby (Gitarre), Werner Skogli (Drums) und Freddy Samsonstuen (Bass) gegründet. Schon nach einem Jahr stieg Sänger Dag noch vor Erscheinen des Debütalbums aus und der kongeniale Roy Khan kam mit seiner Opernstimme ins Spiel, der nach dem Ende von CONCEPTION bei den US-Metallern KAMELOT tätig wurde.
Zunächst wollte man die aufkommende Thrashmetal-Welle reiten, doch nach und nach kristallisierte sich heraus, dass es in eine ganz andere musikalische Richtung gehen sollte. Das Line-Up wurde an den sich entwickelnden Musikstil angepasst und die lokalen Talente Arve Heimdal am Schlagzeug und Ingar Amlien am Bass verliehen der Band eine solide, groovy und einzigartig klingende Rhythmus-Fraktion. Zudem hatte man mit Roy jetzt einen Vokalisten, der kraftvoll und melodisch interpretierte und Bombast sowie Pathos den Boden bereitete.
„The Last Sunset“ war das Debüt und erschien mit altertümlichem Bandfoto-Cover auf eigenem Label. Nach ersten Erfolgen wurde es von Noise Records mit alternativem Cover neu veröffentlicht. Das Album wartete noch mit einem sehr harten Sound auf, der die Wurzeln im Thrashmetal deutlich machte. Roy brachte aber schon seine persönliche, sehr melodische Note mit ein. Und gerade diese Mischung sorgte für Aufsehen und machte das Album so einzigartig.
Nach dem Intro „Prevision“ liefert „Building a Force“ den perfekten Einstieg, der ebenso machtvoll klingt wie es der Songtitel andeutet. „Bowed Down With Sorrow“ und „Fairy’s Dance“ bestechen durch ihre energische Dynamik. Es gibt aber auch akustische Gitarren und gar Flamenco-Einlagen von Tore Østby. Der Grundstein für einen ganz eigenen Sound war gelegt. Während Grunge langsam aber sicher die rockigen Charts beherrschte, gingen CONCEPTION einen ganz anderen Weg und schufen sich ein melodisches Alleinstellungsmerkmal.
Als Bonus gibt es mit der Neuauflage drei Demoversionen, die es nicht zur Songreife geschafft haben.
Das erste reguläre Album bei Noise Records war „Parallel Minds“. CONCEPTION hatten sich inzwischen zur formidablen Liveband entwickelt und gossen ihre Energie in neue Songs. Khan und Østby hatten sich endgültig als Songwriter-Duo gefunden, da der Sänger jetzt alle Lyrics lieferte.
Es ist ein druckvolles und zugleich melodisches Album in der Tradition des Powermetal. Zudem machte die instrumentale Brillanz es auch für Freunde von Progressive Rock und Progmetal gut hörbar. Die Gesangs- und Melodielinien variieren von majestätisch bis leidenschaftlich. Ein sporadischer Einsatz von Keyboards rundet den endgültigen Klangkosmos ab, mit dem sich CONCEPTION in der Szene etablieren. Vom rockigen „Roll the Fire“ bis hin zum hymnischen Titelsong ist alles möglich.
Im Bonusbereich gibt es das Demo von „Silent Crying“ und die genannten Stücke „Roll the Fire“ sowie „Parallel Minds“ in fulminanten Liveversionen.
Das dritte Album bietet wie der Vorgänger ein fantastisches Cover, das man sich am besten im LP-Format anschaut. Es ist komplexer und progressiver als die Vorgänger und orientiert sich hörbar an Bands wie Queensrÿche sowie den komplexeren Werken von Iron Maiden. Dabei ist es immer Khans Ausnahmestimme, die den Tracks einen besonderen Drive mitgibt.
“Missionary Man“ und „Some Wounds“ schaffen eine recht mystisch-geheimnisvolle Atmosphäre, während „A Million Gods“ als Achtminüter sehr komplex und mit monumentaler Stärke daherkommt. Insgesamt ist „In Your Multitude“ ein wirklich episches Album mit komplexen Songstrukturen, das man keineswegs auseinanderreißen darf und immer am Stück hören sollte.
Ergänzt wird der neue Release wieder von zwei Demoversionen, darunter der Titelsong, und vom Stück „Gravity“, das sich ursprünglich als Bonus auf der japanischen Fassung fand.
Bis zum vorläufigen Ende haben CONCEPTION konsequent den Zweijahresrhythmus eingehalten und so erschien auch „Flow“ pünktlich im Jahr 1997. Doch musikalisch war plötzlich alles ganz anders, was man schon dem futuristischen Albumcover ansehen konnte. Plötzlich mischten sich elektronische Beats in die Tracks, ohne dass dies aber dem Hörgenuss schadete.
Schon der Opener „Gethsemane“ kommt mit sphärisch sterilen Klängen und läutet damit das moderne Albumkonzept ein. Erst wenn Gitarre und Vocals einsetzen, hört man wieder den typischen CONCEPTION-Sound. Roy Khan hat dabei eine sehr erzählende Ausrichtung, die dem Album keineswegs schadet. Mit “Tell Me When I’m Gone” und “Would It Be The Same” geht es dann auch wieder in hart rockende Gefilde. Geheimnisvoll mit einer Mischung aus Synthesizerklängen und starken Riffs war das vorerst letzte Album der Band ein respektablrer Parforceritt, der das Ende der Band umso schmerzvoller machte.
Im Bonusbereich finden sich diesmal das Demo von „Cry“, der Song „Hand on Heart“ von der japanischen Pressung und „Sundance“, das ursprünglich ein Bonus auf der „In Your Multitude“ LP war.
Fotocredit: Larsen Lanhed
Zur Neuauflage kommen die genialen Macher nochmal selbst zu Wort:
Tore: “Die Band zusammenzustellen und sich gemeinsam auf diese musikalische Reise zu begeben war ein wahres Abenteuer. Mit einem gemeinsamen Drang zu entdecken und uns selbst und unsere Musik weiterzuentwickeln zeigt jedes Album ganz klar die verschiedenen Phasen, die wir von Album zu Album durchlaufen haben. Wir sind heute genauso stolz auf jedes Album wie an den Tagen, als wir die Arbeit an ihnen abgeschlossen haben.”
Roy: “Es hat über die Jahre eine wachsende Nachfrage nach unseren ersten Alben gegeben und wir sind sehr froh, sie in Kooperation mit BMG endlich verfügbar machen zu können. Außerdem freuen wir uns sehr, in diesem Paket auch einige sehr alte Demos und bisher unveröffentlichte Songs aus den absoluten Anfangszeiten von Conception zu veröffentlichen. Diese frühen Demos demonstrieren noch eindeutiger die Reise und Entwicklung der Band vom Anfang bis dahin wo wir heute stehen. Viel Spaß damit!”
Alle vier Alben aus den 90ern seien versierten Metallern ans Herz gelegt. Wer CONCEPTION bisher noch nicht entdeckt hat, sollte jetzt schleunigst zuschlagen. Skandinavische Bands waren schon immer eine Wucht und sind es bis heute.
Long Distance Calling aus Münster ist keine Band, die dem Zeitgeist hinterherläuft – im Gegenteil. Ihr siebtes Album „How Do We Want To Live“ entstand vor der Pandemie und nahm fast schon prophetisch vorweg, was uns die nächsten Monate und Jahre beschäftigen sollte. Mit düsterem, instrumentalem Postrock ist das Quartett aus David Jordan und Florian Füntmann an den Gitarren, Jan Hoffmann am Bass und Janosch Rathmer am Schlagzeug seit Jahren an der Speerspitze progressiver Rockmusik aus Deutschland präsent. Zwischenzeitlich gab es immer mal wieder vokale Beimischungen und über einige Jahre gar einen Sänger, doch in den letzten Jahren hat man sich ganz der instrumentalen Musik verschrieben. Manche mag das abschrecken, doch ich kann euch versichern: Man vermisst weder Vocals noch Texte. Die eindringlichen Stücke sprechen für sich und die Themen ergeben sich aus Songtiteln, Melodien sowie strukturellen Elementen.
„How Do We Want To Live?“ erreichte 2020 aus dem Stand Platz 7 der deutschen Album Charts. Da die Band aus bekannten Gründen nicht in der Lage war, ihre neue Musik direkt unter die Leute zu bringen, beschloss man stattdessen, sich erneut in den kreativen Prozess zu stürzen. Zunächst entstand in einem abgelegenen Landhaus die Jam EP „Ghost“, die 2021 über das bandeigene Label Avoid The Light Records erschien und physisch nur exklusiv im Bandshop erhältlich war. Dafür startete die Band eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne, um die Produktion zu finanzieren. Das Konzept folgte der Idee der 2014 erschienen „Nighthawk“ EP: Keine Vorbereitung, kein doppelter Boden. Nur eine Band, die zusammen aus dem Nichts Musik entstehen lässt, indem sich die Musiker in einer dreitägigen Jamsession Ideen zuwerfen, um damit zu spielen und diese direkt für die Ewigkeit festzuhalten. Experimentierfreude führte zu voluminösen Soundmalereien.
Und die Ideen gehen nicht aus. 2022 erscheint mit „Eraser“ endlich wieder ein vollwertiges Album. Das Endergebnis der neuen Kreativität ist sicherlich dazu bestimmt, eine der großen progressiven Platten des Jahres zu werden. Das achte Album von Long Distance Calling widmet sich erneut einem brandaktuellen Thema, als habe man die gegenwärtige gesellschaftspolitische Diskussion um Klimawandel und Zerstörung der Natur vorweg genommen. „Eraser“ ist eine direkte und herzliche Hommage an die allmähliche Erosion der Natur. Das auslöschende Element ist nicht – wie in so vielen SF Filmen – eine von außen kommende Katastrophe oder gar eine außerirdische Invasion, sondern natürlich der Mensch selbst, wie im letzten Track des Albums dargestellt.
Fotocredit: Andre Stephan
Die Band hat das Album den gefährdeten Tierarten der Welt gewidmet, wobei sich in jedem Song musikalische Elemente wiederfinden, die auf ein vom Aussterben bedrohtes Lebewesen Bezug nehmen. Man nehme nur die Trägheit des Faultiers im psychedelischen „Sloth“, den Vogelflug im hymnischen „Giants Leaving“ und die hektisch wirbelndenen Honigsammler in „Blood Honey“. Vom majestätischen Raubtier in „Landless King“ ganz zu schweigen. Die Ideen sind einfach genial umgesetzt.
Während das in Ansätzen recht poppige „How Do We Want To Live“ mit sphärischen Klangteppichen und einem elektronischen Wall of Sound ausgestattet war, geht es auf „Eraser“ in eine hart rockende Richtung. Endlich wieder! – so möchte man sagen. Dominante Gitarren, starke Riffs und ein fetter Groove bereiten handwerklich perfekt den Boden für 57 eindringliche Minuten, die dem geneigten Hörer die Ohren schlackern lassen. Vom Konzept her erinnert die Idee an ein Klassik-Album wie „Karneval der Tiere“ (Camille Saint-Saëns) wobei die Vielfalt der Instrumente bei Long Distance Calling durch einen extrem vielseitigen Klangkosmos ersetzt wird.
Das kurze Intro „Enter: Death Box“ kommt mit einer melancholischen und zu Herzen gehenden Pianomelodie. „Blades“ ist dem Nashorn gewidmet und bietet ein Riffgewitter mit polyrhythmischem Schlagzeug und starken Akzenten im Bass. So geht es weiter zu anderen Tierarten wie dem Gorilla, dem Grönland Hai, Faultier, Albatros, Biene und Tiger. Zwischenzeitlich durchbrechen melodische Elemente die bedrohliche Kulisse. Jojo Brunn ist mit Pianoklängen am Start, auch Violine, Cello, Posaune und Trompete treten akzentuiert in Erscheinung. So entsteht eine emotionale Standortbestimmung der Extraklasse. Das epische Ende bildet natürlich der „Eraser“, der Mensch. Hier wird nochmal alles an Klangfülle, Bedrohlichkeit und Zerstörungskraft zusammengefasst, um einen wahrlich cineastischen Showdown zu ermöglichen, der aber auch die Melancholie der genannten Streichinstrumente impliziert. Alles in allem haben Long Distance Calling eine wild beschwörende und vielfältige Sammlung von Songs geschaffen. Knisternd vor Live-Energie, aber so nuanciert und atmosphärisch wie alles in ihrem Katalog, ist das Album ein weiterer kühner Schritt für diese höchst eigenwillige Band.
Ganz konsequent verfolgen Band und Label auch für die Vinylproduktion ein umweltfreundliches Konzept. Das Album ist als „Recycled Vinyl“ erhältlich, hergestellt aus 100% recyceltem Farbvinyl – jede LP ist somit ein Unikat und ich kann euch versichern, dass die „Clear Blue“ ein echtes Kunstwerk ist und wunderschön aussieht! HIER kann man diverse Formate vorbestellen. Das Albumcover zeigt eine nachempfundene „Earth’s Black Box“. Die Earth’s Black Box – von australischen Wissenschaftlern der Universität von Tasmanien zusammen mit Künstlern und Architekten entwickelt – sammelt Umweltdaten zur Klimakrise auf einer riesigen Festplatte. Aus diesen Daten sollen zukünftige Generationen bei einem Umweltkollaps der Erde lernen. Wäre vermutlich auch sinnvoll, dieses geniale Album digital hinzuzufügen und für die Nachwelt zu erhalten.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Ein gelungenes Solowerk hat der als Keyboarder bei „Spocks Beard“ bekannte RyoOkumoto mit „The Myth oft he Mostrophus“ vorgelegt. Freunde der Prog-Musik dürften voll auf ihre Kosten kommen, zumal namhafte Musiker an dem Album mitgewirkt haben und zu hören sind, wie Steve Hackett (Genesis) und unverkennbar Michael Sadler (Saga).
Die sechs Titel der knapp über eine Stunde dauernden CD, auf deren Cover ein feuerspeiender Godzilla durch eine postapokalyptische Landschaft trampelt und jedem Zweifelnden klarmacht, dass es sich bei RyoOkumoto um einen Japaner handelt, machen Hoffnung auf einen Klangkosmos mitreißender Longtracks. Da ist bei Weitem kein Song in Sicht, der an die radiotauglichen dreieinhalb Minuten heranreicht. Mit 6:25 ist „The Watchmaker“ noch der kürzeste Track auf dem Album. Über ein Drittel der Spielzeit geht auf das Konto des Schluss- und Titeltracks „The MythoftheMostrophus“.
Diese CD voll sattem, dynamischem Sound und einprägsamen Synthiepassagen kann man gerne mehrmals hintereinander hören und entdeckt bei jedem Durchgang neue Nuancen. Der Schlusssong, gleichzeitig auch mein Lieblingssong, wartet mit eingestreuten Akustikgitarren auf, außerdem erklingen Violinen, ein Saxophon und ein Piano.
Beim Versuch „Mostrophus“ zu googeln, fand ich keinen Hinweis außer dem Verweis auf dieses Album. Wahrscheinlich entstammt „Mostrophus“ nicht der griechischen Mythologie, sondern fußt auf der Idee des Künstlers bei der Schaffung einer Godzillaähnlichen Kreatur.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Tim Bowness ist Mitglied der Band No-Man, welche stark mit Steven Wilson verbandelt ist, und so verwundert auch nicht, dass „Butterfly Mind“ von Wilson produziert wurde und seine Handschrift trägt.
Das Cover, finde ich, hat eher Ähnlichkeit mit einer Panzersperre als mit einem Schmetterling. Sperrig ist das Album jedoch keineswegs. Die Texte von Bowness‘ Soloprojekt sind tiefgründig. Unterstützt wird er von zahlreichen namhaften Gastmusikern.
Herausgekommen sind epische, gefühlvolle Balladen mit teils cineastischen Breiten. Was mich stört, ist der Anteil von Elektro in den Songs. Tim Bowness hat für meinen Geschmack auch nicht die Stimme, der man länger zuhören möchte. Er singt seine Songs nicht, sondern er spricht sie mehr. Vielleicht auch deshalb war ich nicht enttäuscht, dass die elf Songs in 44 Minuten durchgehört waren.
Mit den Texten muss man sich näher befassen, die Songs selbst eignen sich zum Hören als Hintergrundmusik. Mir fehlen hier echte Höhepunkte oder musikalische Spannungsbögen.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Wieder eine neue Heavy Metal Band aus Schweden. Ein wenig erinnert sie mich an Europe, wobei der Sänger in einem atemberaubenden Tempo singt, als sei die Viper persönlich hinter ihm her. Songs wie „Slow me down“, „Straight for the Kill“, „Danger“ oder „Cold as Ice“ sowie der Albumtitel „Eat your Heart out“ geben die Richtung vor und erinnern mich vom Sound her dann doch eher an Rainbow oder W.A.S.P.
Die starken Riffs und üppigen Leadgitarren entführen den Hörer in die goldenen Achtziger des Hard Rock. Auf Dauer klingt mir das alles aber doch zu hektisch, wenngleich ich der Band ein ausgeprägtes Gespür für tolle Refrains und starke Riffs mit Durchschlagskraft attestieren kann. Für ein Erstlingswerk sind die elf Songs (48 Min.) beachtlich. Sie klingen retro und müssen den Vergleich mit etablierten Bands nicht scheuen.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Crystal Palace wurden Anfang der 90er Jahre in Berlin gegründet. Das einzige verbliebene Gründungsmitglied ist heute Yenz Strutz, der ursprünglich nur am Bass auftrat. Anfang 2000 übernahm Yenz auch die Gesangsrolle. Aufgrund der sehr guten Zusammenarbeit zwischen den Musikern wurde viel herausragendes Material geschaffen, so dass die Band Anfang 2013 mit der Aufnahme des Albums “The System of Events” beginnen konnte. 2016 wurde das bis dahin erfolgreichste Album der Band namens “Dawn Of Eternity” veröffentlicht. Damit erreichte man Platz 17 in den internationalen AOR-Charts. Das nächste Album “Scattered Shards” erschien im Frühjahr 2018. Diesmal blieb die Besetzung von Crystal Palace dieselbe, aber die Band wechselte das Label und entschied sich für Progressive Promotion Records. Dort erscheint nun auch „Still There“ – das erste echte Konzeptalbum der Berliner Band.
Konzeptalben spielen gerne mal eine Schlüsselrolle im Katalog einer Progband. Man nehme nur „Brave“, das Marillion nach dem Wechsel des Frontmanns Anfang der 90er Jahre den ersten Kick für neue Höhenflüge gab. Und der Vergleich zu „Brave“ kommt auch bei „Still There“ gar nicht von ungefähr. Beide Alben wurden nämlich von einem Bericht über den Selbstmord einer jungen Frau inspiriert. Die Songwriter machten sich Gedanken um die Hintergründe und woben daraus eine spannende Geschichte.
Bei Yenz und Crystal Palace geht es um den Tod einer jungen Engländerin im Jahr 2014 am Berliner Müggelturm. Diese hatte beim Hinaufsteigen die Worte „Still There“ an eine Wand geschrieben und Yenz hatte die Inschrift gesehen, ohne zu diesem Zeitpunkt etwas vom Tod der Frau zu ahnen. Das sind bewegende Eckpfeiler, um daraus eine spannende Geschichte zu weben und diese in sphärische Musik zu packen. Es gibt einen imaginären Freund, einen Abschiedsbrief an die Mutter, viele Emotionen. Letztlich sieht die Protagonistin keinen Platz mehr für sich im Leben und wählt das Ende.
Das Album bietet starke Melodien und ausufernde Soli. Man braucht sich nur die Titelliste (siehe unten) anzuschauen, um der dramatischen Geschichte zu folgen. Schon im Eröffnungssong geht es um die 126 Stufen, die den Turm hinaufführen. Dabei ist das Album absolut nicht songorientiert. Vielmehr ist es eine große Suite, in der die einzelnen Tracks oft ohne Übergang aufeinander treffen.
Crystal Palace sind in dieser Besetzung einfach eine Urgewalt der deutschen Progressive Rock Szene. Sicher nicht mehr die jüngsten, aber voller musikalischer Kreativität. Gitarren und Keyboard sprechen von viel Erfahrung. Und die Rhythmusfraktion ist allererste Sahne. Mit großer Leidenschaft wird eine ausufernde, 76minütige Geschichte erzählt. Lyrics und Musik greifen perfekt ineinander – man nehme nur den inneren Dialog, den die unverstandene Tochter in „Dear Mother“ mit ihrer Mutter führt. Solche Momente machen die Story überaus lebendig und halten den Hörer bei der Stange. Auch wenn man sich mal in epischen Passagen und sphärischen Klängen verliert, wird die Erzählung doch nie aus den Augen gelassen.
Ich bedaure ernsthaft die jungen Menschen, deren musikalisches Geschehen sich auf eine um Einzelsongs wachsende Playlist dreht. Sie werden nie erfahren, wie stark und bewegend es sein kann, eine philosophisch anmutende Geschichte über ein Konzeptalbum näher gebracht zu bekommen. Crystal Palace haben hier definitiv ihr Meisterstück abgeliefert. Elegisch und filigran!
Tracks Listing
1. 126 Steps
2. Leaving This Land
3. A Plan You Can‘t Resist
4. Winter‘s End On Water
5. Dear Mother
6. Planned Obsolescence
7. Orange Popsicle Sky
8. Shadows
9. A Scream From The Wall
10. These Stairs
11. The Unquite Window
12. Still There
Line-up
– Nils Conrad / guitars
– Frank Köhler / keyboards
– Jens Uwe Strutz / bass, vocals
– Tom Ronney / drums
– Roxy Köhler / Erzähler
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren