Seine Band Leprous kenne ich nicht näher, daher kann ich nicht beurteilen, ob sich das Soloalbum des Sängers Einar Solberg allzu sehr vom Leprous-Stil unterscheidet.
Die elf Stücke (Spielzeit 70 Minuten) klingen sehr melancholisch, zuweilen elegisch. Beispiel: der titelgebende Eröffnungstrack, mit 7:43 der zweitlängste Titel auf dem Album. Weiter geht es mit „Remember me“, das mich an Riverside erinnert. Manchmal blitzt auch eine Ähnlichkeit zu Morten Harket von a-ha durch. Die elektronischen Passagen würden zudem Depeche Mode gut stehen. Zu guter Letzt erinnert mich „Over the top“ an Blackfield. Die abwechslungsreichen Songs entfesseln ein Kopfkino, in dem der geneigte Hörer möglicherweise ganz andere Parallelen entdeckt.
Es bleibt emotional, viele Songs steigern sich in Dynamik. Einars Stimme prägt die Songs. Er schreibt über seine Zeit als Teenager (daher der Titel 16), aber auch über die Anfänge als Musiker. Mit dem längsten Titel, The Glass is empty (11:09) endet das schwermütige Album.
Anspieltipps: Remember me, Metacognitive, Grotto, Splitting the Soul und Over the top. Das Album erscheint am 2. Juni 2023!
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In ihrem neuen Album suchen Riverside eine Antwort auf die Frage nach ihrer eigenen Identität. Nach den beiden ersten Hördurchgängen findet man nur noch wenige Gemeinsamkeiten zu den ersten Alben. Riverside machen eine Entwicklung durch, überraschen im Opener auch mit elektronischen Klängen.
In 54 Minuten nehmen sie den Hörer auf eine Klangreise mit, singen über diese seltsamen Zeiten, in der wir uns alle gerade befinden. Sind wir noch authentisch oder spielen wir eine Doppelrolle?
Das Album selbst hat Live-Charakter, obwohl es sich um ein Studioalbum handelt. Dennoch ist die Dynamik ihrer Liveshows spürbar. Die Band nimmt aber Abschied von der Traurigkeit und Melancholie, welche die vergangenen Alben bestimmt hat. Das neue Album ist definitiv der Beginn eines neuen musikalischen Weges.
Die Band hat sich offensichtlich erholt vom Tod ihres Gitarristen Piotr (er starb 2016). Der bandtypische Rock-Metal-Klang ist zwar noch vorhanden, aber in einer überarbeiteten und dynamischeren Form. Die Band klingt auf dem neuen Album selbstbewusster, was dem Konzept und den Texten geschuldet ist.
Auffallend ist auch das neue grafische Design, das Cover erinnert an ein Graffiti. Es präsentiert perfekt das neue Konzept der Band und repräsentiert gleichfalls den früheren Stil der Band. Meine Anspieltipps: „Friend or Foe?“, „I’m done with you“. Das Album erscheint am 23. Januar 2023.
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Artist, Songwriter und Produzent Gundelach wird oft als introvertierter Extrovert bezeichnet. Ein zurückhaltendes aber natürliches Zentrum der Aufmerksamkeit oder “Prince of Melancholia” des Indie-Genres. Musikalisch schwebt er zwischen introvertierter Dunkelheit und einer verspielten Leichtigkeit.
“I wrote ‚Riverside‘ ten years ago, and my life was quite different back then. I had just come out of a very heavy depression and was going through painful heartbreak. The lyrics are metaphorical, reflecting the state of my mental health at the time ‚you didn’t see how I went under‘ and ‚I didn’t see how you were left above‘. And the edge of the river is that middle ground where you can meet, watching a person from afar, observing someone you love that doesn’t love you anymore. But I saw you by the riverside.”
Die Dualität von Kai Gundelach ist in seiner Tätigkeit als Künstler gespiegelt; sinnlich und verträumt und trotzdem tanzbar und catchy. Musik, die nicht nur eine Soundlandschaft erschafft, sondern ein ganzes Universum.
Seine Musik, von Kritikern gelobt und mehrfach ausgezeichnet, trifft Menschen durch Radio, Playlists und auf Dancefloors mit seinen unverwechselbaren Livekonzerten – Erlebnisse die ihm eine feste Fanbase auf der ganzen Welt erschaffen haben.
“Ich hab diesen Song schon vor einer Weile geschrieben, aber hatte nie das Gefühl , dass er auf eines meiner früheren Alben gepasst hätte. Aber jetzt fühlt es sich richtig und ‚zuhause‘ an. Es hat Spaß gemacht, die Soundlandschaften nach zehn Jahren neu zu erfinden und wiederzubeleben, diesmal mit dem kompletten Involvement meiner Band.“
Die Kulturfabrik im luxemburgischen Esch/Alzette ist immer wieder für wundervolle Progressive Rock Abende gut. Ein schönes Ambiente und eine Halle mit guter Akustik, die auch mit einigen hundert Besuchern gut gefüllt wirkt, sprechen für sich.
Am Mittwoch zogen gleich zwei Vorzeigebands des Genres das Publikum nach Esch. Den Anfang machten iamthemorning aus St. Petersburg (Russland) mit der hervorragenden Sängerin Marjana Semkina.
Getragen von dem aktuellen Album „The Bell“ gab es (nach den Worten von Marjana) einen sehr stimmungsvollen Set mit „songs about pain and death and dead people“. Man durfte also viel Traurigkeit und Melancholie erwarten.
Ganz so düster war es dann aber doch nicht. Die Vokalistin bestach durch eine sehr variable Stimme, von hoch und sanft bis hin zu tiefen und vor allem sehr energischen Klängen. Traumwandlerisch und barfuß beherrschte sie das Geschehen auf der Bühne und war 45 Minuten lang äußerst präsent.
Der Set war durch die Begleitung mit Cello und Piano sehr klassisch angelegt, hatte aber auch verjazzte Passagen. Hinzu kam ein formidabler Percussionist, der seine Instrumente sehr variantenreich spielte.
Alles in allem waren iamthemorning viel mehr als ein „support act“. Wundervoll, was sie hier zu bieten hatten – belohnt mit viel Applaus von einem begeisterten Publikum. Das aktuelle Album ist wärmstens zu empfehlen.
Nach diesem stimmungsvollen Set ging es um 21:15 mit dem Hauptact los.
Nach der sehr erfolgreichen Wasteland-Tour im Laufe des Jahres haben die Polen um Mariusz Duda noch eine „German Edition“ als Zugabe mit acht Terminen raus gehauen, wobei die Kulturfabrik in Esch-sur-Alzette nicht so wirklich in die „German Edition“ passte.
Ein Großteil des Programms fiel auf Stücke des siebten Studioalbums „Wasteland“. Doch auch ältere Stücke wie das wundervoll tränendrückende „Lost“ und die Kracher „Panic Room“, „Out Of Myself“ sowie das vom Publikum immer wieder gerne geschmetterte „Left Out“ wurden präsentiert.
Riverside gastierten zum zweiten Mal im kleinen Ländchen nach ihrem 2007er Supportact für Dream Theater. Mariusz Duda nahm dies zum Anlass mit dem aufgedrückten Label der „Progressive Metal“-Band zu hadern und zu brechen. Um die Progjünger nicht zu verprellen, werden die ganzen Ausführungen hier nicht wiedergegeben.
Als Quintessenz stellte der charismatische und zum Scherzen aufgelegten Sänger fest: „Die Menschen auf der Straße und auch meine Tochter sagen, Progressive Rock ist für alte Menschen. Der Unterschied von Riverside zu Progressive Rock Bands ist, dass man sich mit Riverside jünger fühlt.“ Das war dann auch das Startzeichen für das Publikum, dem Geburtstagskind (Mariusz Duda) ein Ständchen zu singen, wobei eine kleine Gruppe anwesender Landsleute ein besonderes polnisches Geburtstagslied anstimmte.
Die Band zeigte sich mal wieder voller Spielfreude, viel Kontakt zum Publikum (Michal war in Flirtlaune, Mariusz hatte vor dem Konzert Sprechperlen gefuttert) und zur Überraschung vieler wurde auf der Bühne gescherzt, improvisiert und gejammed. Mit jeder Tour nehmen die Livequalitäten des Vierers zu und es bleibt zu hoffen, dass sie noch lange weiter machen und hervorragende Studioalben für zukünftige Touren produzieren werden.
Nach der Regenschlacht vom vergangenen Jahr hatte das traditionelle Festival an der Burg Herzberg wahrlich gutes Wetter verdient. 2012 mussten die Landwirte der Umgegend aktiviert werden, um Fahrzeuge auf die Zeltplätze zu schleppen und später wieder raus zu holen. Nächtelang hörte man die Motoren dröhnen – aber das Festival konnte stattfinden und war wie immer ein Zeugnis von Gemeinschaft und Zusammenhalt. Trotzdem hatte das die Veranstalter auf eine harte Probe gestellt, war der Aufwand doch mit hohen Kosten verbunden. Umso erlösender die Nachricht, dass das Event auch 2013 stattfinden kann. Mit ordentlichem Line-up und (wie sich in den mittleren Juli-Tagen herausstellte) unter hervorragenden Wetterbedingungen. Es war den rührigen Leuten vom Herzberg-Team mehr als gegönnt.
Alteingesessene Besucher waren bereits seit Dienstag vor Ort, das Festival startete donnerstags, ich selbst traf erst am Freitag ein. Strahlender Sonnenschein, ein aufgeräumter Zeltplatz, die gewohnt hervorragende Infrastruktur. Ich weiß, dass für viele Besucher, die der Hippie-Kultur frönen, der musikalische Aspekt nur eine untergeordnete Rolle spielt, doch es darf wieder gesagt werden, dass es einige Hochkaräter zu bestaunen und einige Perlen zu entdecken gab.
In der Nachmittagshitze hatte es sich die Band um den Bluesgitarristen Bassekou Kouyate auf der Bühne bequem gemacht und unterhielt mit einer bunten Mischung aus westafrikanischem Blues und weltmusikalischen Elementen. Hier standen das Beherrschen der Instrumente und die Verbreitung entspannter Stimmung im Vordergrund. Ein perfektes Ensemble für den durstigen Nachmittag.
Um 18 Uhr standen dann die Progrocker Riverside aus Polen auf der Bühne. Gerne wird das Quartett um Mariusz Duda mit Bands wie Marillion, Porcupine Tree oder gar Pink Floyd verglichen. Und tatsächlich haben sie in den letzten Jahren einen immer höheren Grad an musikalischer Perfektion erreicht. Die Reise geht vom psychedelischen Prog der 70er über Blues und Jazz bis hin zu den rockigen, bisweilen gar metallischen Klängen der Gegenwart. Dies bewiesen sie auch im Rahmen des Festivals und legten einen klanglich perfekten Auftritt hin. Mariusz ist kein Exzentriker auf der Bühne, aber er besticht immer wieder durch sein Können. Das brachte die Zuschauer nicht zum Tanzen, aber oft genug zum Staunen. So funktioniert Prog – ob man will oder nicht.
Steve Hackett war der zweite Topact am Freitag. Wenige Tage später musste ich im Rolling Stone lesen, dass er „die schlimmste Musik der Welt“ fabriziert. Obacht! Natürlich ist das ellenlange Instrumental-Gedudel großer Progwerke nicht jedermanns Sache. Natürlich bewegen sich manche Prog-Götter nur sporadisch auf der Bühne und schwelgen darüber hinaus in elegischen Passagen. Aber Hackett? Gerade, wenn er mit der Genesis-Show unterwegs ist? Er hat einen charismatischen Sänger bei sich, der auffällt, der die Bühne einnimmt und einen extrovertierten Peter Gabriel gibt. Manchem mag das affig erscheinen, doch es passt zu der Musik, die man darbietet. Hier leben die Genesis der 70er Jahre weiter und es macht große Freude, Klassiker wie „The Musical Box“, „I Know What I Like“ und vor allem das halbstündige „Supper’s Ready“ vom Gitarrenmeister himself zu hören.
Der Abschluss mit Agitation Free und Orange lud dann wieder mehr zum Schwofen ein. Die Atmosphäre am Ende des heißen Tages war sehr entspannt und man konnte sich umso mehr auf den interessanten Samstag freuen. Der begann für mich mit den gitarrenlastigen Cactus und einer furiosen Rockshow in der Sonne. Die Musiker standen meist mit Sonnenbrillen auf der Bühne, um das grelle Licht zu ertragen. Die Zuschauer freute es hingegen, dass die Sonne auf den Rücken brannte und nicht das Sichtfeld einengte.
Erstes Highlight am Samstag waren The Levellers. Die Briten halten seit Ende der 80er Jahre den Geist des Folkrock hoch und übertragen ihn locker in die Gegenwart. Musik mit Banjo und Fiddle, viele akustische Elemente, eine raue Stimme, viel Kraft, viel Mut und eine Menge musikalischer Einfälle zeichnen die sechs Musiker aus. Hymnen wie „What A Beautiful Day“ luden die Zuschauermassen zum Tanzen ein und verwandelten die Wiese zu einem einzigen großen Fest. Die Darbietung war perfekt und erreichte ihren Höhepunkt mit Einsatz eines Didgeridoos, der das Geschehen mit basslastiger Klangfülle zur Vollendung brachte.
Die hochgelobten Gov’t Mule waren dann so gar nicht mein Fall. Ihr Southern Rock begleitete den sonnigen Tag über den Sonnenuntergang hinaus, war aber in seiner eintönigen Ausrichtung auch recht langweilig. Die Songs erreichten ständig Überlänge (10+) und das, was ich beim modernen Prog so liebe – nämlich dass man nur schwerlich auf den Punkt kommt – war hier ziemlich nervig. Das Geschehen auf der Hauptbühne fand aber genug begeisterte Fans. Für viele war es also genau das Richtige.
Fast um Mitternacht traten dann endlich Crippled Black Phoenix auf die Bühne. Zu meiner Schande muss ich gestehen, diese famose Band bisher nicht live gesehen zu haben. Das ging vielen Anwesenden so und die Truppe nutzte ihre Chance, ein aufnahmefähiges Publikum zu verzaubern. Hymnische Klangkonstruktionen, filigrane Balladen und durchaus psychedelische Klänge lassen mal wieder Erinnerungen an die seligen Pink Floyd hoch kommen – und auch CBP gehören zu den Bands, die diesen Vergleich verdienen und sich ihm stellen können. Die atmosphärische Dichte des Auftritts war einfach fantastisch und wohl keiner wird bereut haben, das Träumen am Lagerfeuer noch ein wenig aufzuschieben.
Ich war meist vor der Hauptbühne zu finden. Das Lesezelt hatte die richtigen Autoren zur falschen Zeit, die Protagonisten auf den kleinen Bühnen wurden beim leichten Antesten meist zu Ohrenquälern. Allerdings fanden sie immer ihr begeistertes Publikum – und das ist die Hauptsache. Leider musste ich am Sonntag bereits abreisen, so verpasste ich beispielsweise die Party mit den Spin Doctors. Doch man muss sich seine zeitlichen Kapazitäten nun mal gut einteilen. Zum Entschleunigen haben zwei Tage Herzberg allemal gereicht.
Das Herzberg-Festival kann einem schnell ans Herz wachsen. Zehntausend Besucher plus Kinder konnten die Veranstalter vermelden. Also ausverkauft. Zwar würden noch mehr Besucher auf das Gelände passen, doch man will das Konzept nicht überstrapazieren. Kinder unter 14 Jahren sind traditionell frei und es wird einiges für die Kleinen geboten. Der große Spielplatz ist eine Attraktion, ebenso die selbstgebastelten Musikinstrumente und die Konzerte, die man damit gibt. Überhaupt findet viel abseits des großen musikalischen Geschehens statt: Immer wieder findet man Einzelpersonen und Musikgruppen am Wegrand, die sich spontan ein ordentliches Publikum erarbeiten und für manche Lacher sorgen. Mein Kompliment gilt den Veranstaltern, die immer präsent waren und für einen friedlichen Ablauf sorgten. Und auch das Publikum lebte Friede, Freude und biologisch wertvolle Lebensmittel. Die stets präsente Müllentsorgung nicht zu vergessen – so wird man zum Musterbeispiel für ein nachhaltiges Festival.