Seine Band Leprous kenne ich nicht näher, daher kann ich nicht beurteilen, ob sich das Soloalbum des Sängers Einar Solberg allzu sehr vom Leprous-Stil unterscheidet.
Die elf Stücke (Spielzeit 70 Minuten) klingen sehr melancholisch, zuweilen elegisch. Beispiel: der titelgebende Eröffnungstrack, mit 7:43 der zweitlängste Titel auf dem Album. Weiter geht es mit „Remember me“, das mich an Riverside erinnert. Manchmal blitzt auch eine Ähnlichkeit zu Morten Harket von a-ha durch. Die elektronischen Passagen würden zudem Depeche Mode gut stehen. Zu guter Letzt erinnert mich „Over the top“ an Blackfield. Die abwechslungsreichen Songs entfesseln ein Kopfkino, in dem der geneigte Hörer möglicherweise ganz andere Parallelen entdeckt.
Es bleibt emotional, viele Songs steigern sich in Dynamik. Einars Stimme prägt die Songs. Er schreibt über seine Zeit als Teenager (daher der Titel 16), aber auch über die Anfänge als Musiker. Mit dem längsten Titel, The Glass is empty (11:09) endet das schwermütige Album.
Anspieltipps: Remember me, Metacognitive, Grotto, Splitting the Soul und Over the top. Das Album erscheint am 2. Juni 2023!
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Die dänischen Progressive Metaller von VOLA gehören zu den Aufsteigern des vergangenen Jahres. Ihr Album „Witness“, das vor gut einem Jahr erschien, war der bisherige Höhepunkt ihrer Diskographie und überzeugte mit einem gelungenen Stilmix aus Progressive Rock, modernem Elektro, Industrial und Extreme Metal. Markenzeichen sind die klaren und emotionalen Gesangslinien von Asger Mygind, die auch gerne mal aggressiv durchbrochen werden.
Der neue Release „Live from the Pool“, der als CD/Blu-ray erscheint, ist ein atmosphärisches Meisterwerk, das genau zur richtigen Zeit in den Handel kommt. Hier konnte man nämlich die Qualitäten aus drei hervorragenden Alben in einem Konzert zusammenfassen, das seinesgleichen sucht.
Im September 2021 spielten VOLA eine intime Streaming-Show in einer atemberaubenden Live-Umgebung. „Live From The Pool“ fand im Schwimmbad des verlassenen Militärlagers Auderød auf Nordseeland in der Nähe von Kopenhagen statt. Das von dem weltberühmten Architekten Henning Larsen entworfene Gebäude ist heute Teil des Auderød-Naturparks. Ein Ort, an dem die Natur auf die Geheimnisse eines ehemaligen Militärstützpunktes trifft, der darauf wartet, erkundet zu werden.
Die Show bietet unglaubliche Performances aus ihrem Backkatalog, darunter „Alien Shivers“, „Stray The Skies“, „Whaler“, „Ghosts“ sowie Songs aus ihrem aktuellen Album. Das Ambiente des verlassenen Schwimmbeckens, das zum Teil von der Natur zurückerobert wurde, verleiht der Show die Düsterheit von Lost Places. Die mystische Lightshow mit Laser- und Stroboskop-Effekten gibt eine beeindruckende Atmosphäre dazu.
Bassist Nicolai Mogensen sagt zur Show: „Die Idee zu ‚Live From The Pool‘ entstand in einer Zeit, in der es besonders schwer war, eine Band mit einer internationalen Fanbase zu sein. Da die Covid-19-Pandemie Live-Shows und Tourneen praktisch unmöglich machte, waren wir gezwungen, sorgfältig und kreativ darüber nachzudenken, wie wir unsere Zuhörer auf neue Weise erreichen können. Wir wollten etwas Spektakuläres machen, das nicht wie ein Kompromiss aussah – und mit viel Hilfe von talentierten Leuten ist es uns gelungen, ein außergewöhnliches Online-Konzerterlebnis zu schaffen. […] Wir haben das gesamte Konzert, das sowohl neues als auch altes Material enthält, in einem verlassenen Hallenbad mit fünf Kameras und einer Drohne gefilmt, wobei die Szenerie von einer wunderschönen Lichtinstallation beleuchtet wurde, die von dem dänischen audiovisuellen Künstlerkollektiv Vertigo speziell für diese Show angefertigt wurde.“
Wer diese fantastische Band bisher noch nicht auf dem Schirm hatte, sollte sich von dem Live-Release überzeugen lassen. Visuell und auditiv ist das Konzert ein Hochgenuss, der sowohl Fans der härteren Klänge von Opeth und Porcupine Tree, aber auch des Artrock von Riverside und Anathema beglücken wird. Hier werden die besten Elemente der progressiven Genres unter einen Hut gebracht. Chapeau!
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Erschreckende fünfeinhalb Jahre ist es jetzt schon her, dass mit dem Album „F.E.A.R. (Fuck Everyone And Run)“ das letzte reguläre Studioalbum der britischen Band Marillion erschien. Ein Meisterstück, das eigentlich kaum zu toppen war. So ließ man sich auch Zeit mit dem neuen Werk. Zwischenzeitlich hatte das Rockquintett mit einem in Belgien beheimateten Streicherquartett namens In Praise Of Folly zusammen gearbeitet. Deren orchestrale Einsprengsel in die bekannten Artrock-Arrangements kamen bei den Fans so gut an, dass im Anschluss einige Tourdaten mit den Streicherinnen folgten und es gar eine Compilation von Neuaufnahmen unter dem Titel „With Friends from the Orchestra“ gab.
So weit – so gut. Folgt jetzt im Jahr 2022 die Rückkehr zur puren Lehre des Rock? Nicht unbedingt, denn es war schon immer eine große Stärke von Marillion, sich stetig weiterzuentwickeln. Mit Neoprog hat ihre Musik nach dem Ausstieg von Fish im Jahr 1988 nichts mehr zu tun. Die progressive Ausrichtung gestaltete sich unter Steve Hogarth eher in Richtung Artrock und Melodic Rock. Highlights wie „Brave“, „Afraid of Sunlight“, „Marbles“ und eben „FEAR“ waren die Folge.
Das neue Album wurde wie sein Vorgänger in Peter Gabriels Real World Studios aufgenommen. Der Titel des (je nach Zählung) zwanzigsten Studioalbums der Band hat eine vielseitige Bedeutung. Im englischen Sprachgebrauch handelt es sich dabei unter anderem um die letzte Stunde, in der man als Kind draußen spielen darf. Es ist aber sicher auch eine Anspielung auf den Kampf gegen die Zeit in der Klimakrise. Und geht es hier nicht auch um die letzten Minuten im Leben eines Menschen? Bassist Pete Trewavas hat uns im Interview die Idee folgendermaßen erklärt: „Die Aussage hat verschiedene Bedeutungen – und so ist es bei allen Songs auf dem Album. Alles hängt zusammen und das macht die Magie des Albums aus.“
So wird das neue Werk zum konzeptionellen Album, das sich den Problemen unserer Zeit auf verschiedene Weise nähert. „Reprogram The Gene“ befasst sich mit der Klimakatastrophe. Unglaublich, dass der Titelsong des ersten Marillion-Albums mit Hogarth vor 33 Jahren ebenfalls dieses Thema behandelte („Season’s End“). Gleich zwei Songs beschäftigen sich unterschwellig mit der Corona-Pandemie. „Murder Machines“ betrachtet die Menschen als Gefahr für sich selbst, wobei es auch darum geht, einen anderen mit seiner Liebe zu erdrücken („I put my arms around her and I killed her with love“). Ebenso groß im Pathos ist das abschließende „Care“ als Quasi-Titelsong des Albums, der allen Helfern und Pflegern („Angels on Earth“) gewidmet ist.
Wie von Marillion gewohnt, bekommt man kaum eine Verschnaufpause. Nur das Instrumental „Only A Kiss“ lässt den Hörer kurz zur Ruhe kommen. Die sechs großen epischen Tracks sind deutlich songorientierter als manche Titel von „FEAR“, die doch bisweilen arg zerstückelt wirkten. Auch hier gibt es mit Überschriften versehene Einzelkapitel in den Longtracks (siehe Tracklisting ganz unten), aber die Songs wirken eher als Einheit und sind nur thematisch unterteilt.
Das schon als Single-Auskopplung bekannte „Be Hard On Yourself“ ist kraftvoll und mit starken Lyrics versehen. Neu ist die Integration eines Chores namens Choir Noir, der stilvoll und sphärisch in die Arrangements integriert wird. Wie die Streicherinnen von In Praise Of Folly, die auch wieder mit dabei sind, hat er seine Beiträge aus der Ferne eingespielt und Produzent Mike Hunter hat sie in das musikalische Geschehen eingewebt. Selbst Meistergitarrist Steve Rothery war diesmal aus Pandemie-Gründen nicht durchgehend im Studio. Das tut allerdings seinen genialen Solo-Einlagen keinen Abbruch.
Klar gibt es Höhen und Tiefen, vor allem in der dynamischen Entwicklung des Albums. Zwei getragene Songs läuten die zweite Albumhälfte ein: „The Crow And The Nightingale“ ist eine Hommage an Leonard Cohen. „Sierra Leone“ bietet einen cineastischen Sound mit melancholischen Klängen. Doch der hymnische Charakter des Albums überwiegt und die 55 Minuten vollendeten Sounds wirken dann am besten, wenn man das Werk am Stück hört. Man darf gespannt sein auf die Konzerte im Herbst und auf die Herangehensweise der Band an die Songs.
Nach mehreren Marillion Weekend Terminen bis Sommer 2022, begeben sich Marillion im Herbst auf große Europatour mit vier Daten in Deutschland:
Kalle Wallner, geboren 1972 in Freising, ist den meisten Liebhabern des gepflegten Progressive Rock vor allem als Gitarrist der legendären Band RPWL bekannt, die ursprünglich als Pink Floyd Coverprojekt startete, aber schnell einen eigenständigen Sound entwickelte. An deren Entfaltung zur formidablen Artrock-Band ist Karlheinz Wallner nicht ganz unschuldig. Das bewies er daneben über Jahre mit dem Soloprojekt Blind Ego und beweist es ganz aktuell mit dem unter eigenem Namen erscheinenden „Voices“.
Trotz des Albumtitels gibt es nur auf „Three“ und „Six“ vokalen Gesang. Darüber hinaus ist es vor allem ein Gitarrenalbum, bei dem ihn Yogi Lang an den Keys und Marco Minnemann an den Drums unterstützen. Die Tracks sind ganz minimalistisch durchnummeriert. Der Opener „One“ startet mit einem sphärischen Intro, bevor die Gitarren zu sprechen beginnen. Aus diesem Dialog entwickelt sich ein spannender instrumentaler Track.
Auch wenn die Songs für sich stehen, gibt es einen roten Faden durch das Album, wiederkehrende Motive und Melodiefolgen, die es zur musikalischen Einheit werden lassen. Auf „Three“ sorgt Arno Menses von Subsignal für ein vokales Highlight. Der Rocktrack kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. „Four“ wird mit Synthie-Klängen verfeinert und „Five“ klingt in vielen Passagen absolut hymnisch.
Spannend finde ich die Vocals der Sängerin Tanyc auf „Six“, Der Neuneinhalbminüter wechselt zwischen Gitarrenballade und Riffgewitter, während Carmen Tannich-Wallner (so heißt die Österreicherin mit bürgerlichem Namen) ihre Stimme zum Instrument werden lässt und dem starken Albumtitel eine entgegengesetzte Bedeutung gibt.
Auch der letze Titel ist ein Longtrack, diesmal über elf Minuten lang und voller elegischer Soli, bei denen Kalle Wallner zum Abschluss nochmal seine ganze Virtuosität raushaut.
Das Album illustriert den Jetzt-Zustand eines Musikers, der sich die luxuriöse Position erarbeiten konnte, kompromisslos sein zu dürfen. Vielleicht sogar zu müssen. Sieht man sich die rund 26 Jahre seiner Diskographie an, war er das eigentlich schon immer – und es sieht nicht so aus, als würde sich das jemals ändern. Und das finden sehr viele Musikhörer gut so. Mindestens genau so gut wie die Kopfhörer sein sollten, auf denen man es anhört.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Die Musik scheint etwas aus der Zeit gefallen. Beim Hören des inzwischen 5. Albums der Powerrocker fühlt man sich in die 80er Jahre versetzt. Mit dieser Musik bin ich groß geworden. So jung ist die Band auch nicht mehr, haben die Bandmitglieder doch bereits Ende der 80er Jahre ihre Musikkarriere begonnen.
„Shifting Time“ ist das erste Album der Band seit über zehn Jahren. Ob es eine Reunion ist, oder sich die Musiker einfach nur so lange Zeit gelassen haben, weiß ich nicht, aber dieses Album hat sich gelohnt.
Sehr melodisch klingen die Songs und die Stimme von Kent Hilli reißt den Hörer richtig mit. Der Titeltrack ist mit 1:33 der kürzeste Song von insgesamt 12 (Laufzeit: 49 Min.) und nur das Intro zum ersten Burner „Let Or Love Win“.
Produktion, Lyrics und die Darbietung der Songs glänzen, allerdings vermisse ich einige Variationen. So klingt das Album zwar wie aus einem Guss, aber auch ohne Überraschungen. Vergleichen kann ich die Musik am ehesten mit „Europe“ oder „Balance“. Fans des Melodic Rock bzw. Power Rock der 80er werden auf ihre Kosten kommen.
Schon lange muss Thomas Thielen wohl damit leben, dass seine Musik stets mit den Klängen des Artrock einer Band wie Marillion verglichen wird. Ob ihn das wirklich nervt, sei mal dahin gestellt. Schließlich ist die Nähe zur Band einfach offensichtlich und t (so lautet der ungooglebare Künstlername) ist sich auch nicht zu schade, von Zeit zu Zeit live einen Marillion-Song zu covern.
Vor drei Jahren beendete t mit dem Album „solipsystemology“ eine schwermütige Trilogie, die mit den Werken „fragmentropy“ und „epistrophobia“ ihren Anfang nahm (HIER unsere Review dazu). „Ich habe meinen kinematographischen Ansatz noch mal neu gedacht und in Teilen in einer akustischen Landschaft gemixt, die eine neue Welt bietet, in der andere physikalische Gesetze gelten. Das war ein riesiger Haufen Arbeit, bei der mir einige Freunde mit Ideen zur Seite standen – zur Umsetzung nicht zuletzt der Leiter eines Max-Planck-Instituts mit Hilfe bei der Berechnung der Gesetze dieser neuen Akustik! Eno hat mal gesagt: Ein Tonstudio ist ein Musikinstrument.“ So erzählte uns der sympathisch-grummelige Soundarchitekt damals im Interview seine Vorgehensweise. Stilistisch ist das neue Werk noch ein Stück größer geworden. Ob es daran liegt, dass der Multiinstrumentalist und musikalische Alleingänger in Zeiten der Pandemie noch mehr Muße hatte, seine Ideen zu verwirklichen?
Beim ersten Hören muss ich zwangsläufig an meine Lieblingsband denken. Das geht gar nicht anders – und ein untrügliches Zeichen bekomme ich mal wieder von meiner Frau, die beim Mitfahren im Auto fragt, ob „das was Neues von Marillion“ ist. Was Thielen leistet, ist ohnehin unglaublich. Er hat eine emotionale Stimme, die an Steve Hogarth erinnert – er wandert durch die Oktaven und hat eine enorme Eindringlichkeit, mit der er seine Lyrics zum Leben erweckt. Hinzu kommen die Klangcollagen, die er als versierter Sounddesigner allesamt selbst schafft. Gitarrensoli klingen stilistisch wie von den progressiven Meistern, namentlich Steve Rothery und David Gilmour. Deren schwelgerische Spielart kann auch Thielen perfekt verkörpern. Dazu kommen ein entspannter Bass und sphärische Keybords. Dabei klingen diese noch versierter als fast alles, was heute im Neoprog geboten wird.
Ts Vocals stehen für mich immer an erster Stelle. Zu Tode betrübt in den melancholischen Tiefen, weinerlich und hochemotional in den Höhen. Er verstärkt sich selbst in polyphonen und chorischen Passagen, legt die Klangspuren übereinander – das ist eine fantastische künstlerische Leistung. Und auch in den Texten geht es ans Eingemachte. Thielen erzählt nicht irgendwas. Er hat philosophische Botschaften, die er vermitteln will. Nicht von ungefähr trägt das Werk den Titel „Pareidoliving“. Natürlich musste ich googeln um herauszufinden, dass Pareidolie das Phänomen meint, in Dingen und Mustern vermeintliche Gesichter und vertraute Wesen oder Gegenstände zu erkennen. Wer verträumt in den Wolkenhimmel blickt, weiß was gemeint ist.
Das Stück „A Relevant Lovesong“ findet sich als siebter Song auf dem Album, aber nicht im Tracklisting. Quasi Schrödingers Katze im Songformat. Das Album beschreibt eine Beziehung, die an der Projektion von gefühlter Wahrheit scheitert. Gibt es also überhaupt einen relevanten Lovesong oder ist er ein Trugbild? Mit solchen Details kann Thielen seine Fans in den Wahnsinn treiben – und tut dies mit Genuss.
Musikalisch ist das Album ebenso ausufernd wie die mit vielen Worten erzählte düstere Geschichte. Es geht manchmal opulent zu – mit eingespielten Streichern – dann nimmt ein Piano breiten Raum ein bevor die Gitarren zu alter Stärke zurückkehren. Thomas Thielen fährt im Alleingang alles auf, was der moderne Prog und Artrock zu bieten hat. Sein Perfektionismus macht ihn inzwischen zum deutschen Steven Wilson. Nur besser.
Das Album findet ihr bei den gängigen Progressive Rock-Händlern und HIER direkt beim Label GEP.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
„Versions of Truth“ heißt das aktuelle Album der britischen Progressive Rocker um den genialen Bruce Soord. So ist der Albumtitel „Nothing but the Truth“ ein klares Understatement, denn es werden keineswegs nur Songs des letzten Studio-Longplayers gespielt. Im Gegenteil! Das Livealbum ist ein gelungener Ritt auf zwei Silberscheiben durch die Bandgeschichte.
Die Entstehung ist – wie sollte es anders sein – der Pandemie geschuldet. Das Quintett konnte nicht live auftreten und entschied sich für ein Streaming-Event. Man nutzte die besondere Situation und schuf ein intimes Ambiente mit einer Band, die sich im Kreis aufstellte und von unzähligen Kameras gefilmt wurde. So entstand ein cineastischer Konzertfilm, der jetzt auch auf DVD und Blu-ray erhältlich ist.
Hier soll es aber um die 2CD-Version gehen. Und auch die hat es in sich. Seit fünf Jahren ist Schlagzeuger Gavin Harrison mit an Bord und hat inzwischen ebenso großen Einfluss auf den Sound der Band wie Gitarrist und Sänger Bruce Soord. So dürften Kenner der älteren Tracks aufhorchen, wenn sie die neuen Arrangements hören, die einen enormen rhythmischen Drive bekommen.
Soord kommentiert zu „Someone Pull Me Out Of Here“: It felt really special to do this song after so many years, it’s still one of my favourite compositions and with Gavin adding his brand-new drums it feels completely new. From a compositional point of view, it’s quite unique in that, even though on the surface it’s a straightforward rock song, it travels through quite a lot of time signature changes. Although the key for me is that no one is supposed to notice that…”
Die Doppel-CD klingt wie ein Studioalbum, hat aber viel mehr Charme als eine Compilation neuer und älterer Songs im Remix. Der Flow von Track zu Track ist stimmig und führt uns eine spielfreudige Band vor Augen, die das Beste aus der ungewöhnlichen Situation macht. So kombiniert man die Energie eines Livekonzerts gekonnt mit auditiv beeindruckenden Studioaufnahmen.
Seit Jahrzehnten gehören The Pineapple Thief zur Speerspitze des melodischen Artrocks. Sie liefern atmosphärische Musik sowie epische Momente – und ziehen hier alle Register ihres Könnens. Wie immer dominieren ruhige Songs, es kann aber auch mal heftig krachen („Break It All“). Und in „Far Below“ wird die Gitarrenarbeit deutlich ausgebaut.
Es war die erste Liveperformance der neuen Songs – und gleichzeitig haben The Pineapple Thief ein Gesamtkunstwerk abgeliefert. Sie standen auf ihren „kleinen Inseln“ (wie Soord es ausdrückt) und lieferten das vielleicht beste Konzert ihres Lebens ab. Magisch!
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Crystal Palace wurden Anfang der 90er Jahre in Berlin gegründet. Das einzige verbliebene Gründungsmitglied ist heute Yenz Strutz, der ursprünglich nur am Bass auftrat. Anfang 2000 übernahm Yenz auch die Gesangsrolle. Aufgrund der sehr guten Zusammenarbeit zwischen den Musikern wurde viel herausragendes Material geschaffen, so dass die Band Anfang 2013 mit der Aufnahme des Albums „The System of Events“ beginnen konnte. Bei dieser Produktion waren einige erfolgreiche externe Künstler wie Colin Edwin (Porcupine Tree), Kalle Wallner und Yogi Lang (beide RPWL) zu Gast. Im Sommer 2013 wurden Crystal Palace vom deutschen Label „Gentle Art of Music“ signiert.
2016 wurde das bis dahin erfolgreichste Album der Band namens „Dawn Of Eternity“ veröffentlicht. Damit erreichte man Platz 17 in den internationalen AOR-Charts. Die Band veröffentlichte ihr aktuelles Album „Scattered Shards“ im Frühjahr 2018. Diesmal blieb die Besetzung von Crystal Palace dieselbe, aber die Band wechselte das Label und entschied sich für Progressive Promotion Records.
Am 5. Februar erschien eine live-CD der „Scattered Shards“ Tour, die die Berliner im Jahr 2019 auf überdurchschnittlich viele Konzerte quer durch Europa führte. Ich selbst konnte das wundervolle Abschlusskonzert gemeinsam mit Thomas Thielen (t) in der TUFA Trier erleben und muss zu meiner Schande gestehen, dass ich mich bis dahin noch nie mit der Band beschäftigt hatte. Ein grober Fehler, denn musikalisch war das Konzert eine echte Offenbarung. Yenz‘ Stimme kam ebenso gewaltig und glasklar aus den Boxen wie der Hammersound, den die Produktion in der Tufa zu bieten hatte. Und die Instrumentalisten von Crystal Palace waren mit filigranen Soli und handwerklich perfekter Arbeit eine Wucht.
Die im Parkvilla Theater, Alphen a/d Rijn (Niederlande) aufgenommene live-CD ist eine gute Mischung der letzten drei Studioalben mit Schwerpunkt auf „Scattered Shards“. Ich mag die starken Arrangements und die perfekte Gratwanderung zwischen klassischem Progressive Rock und Neo Prog (um diese Schubladen mal aufzumachen und schnell wieder zu schließen). Crystal Palace sind eine fantastische Liveband. Das kann man auch durch die heimischen Boxen spüren. Ein klarer und wuchtiger Sound sind ihr Markenzeichen – und die Lyrics, die sich um philosophische Gedankengänge und die Gräueltaten der Menschheit drehen, sind intelligent ausgearbeitet.
Die CD erscheint im Paket mit einer auf DVD gebannten Filmaufnahme des Konzertes. Kein visueller Hochgenuss, aber man bekommt einen guten Eindruck von den Livequalitäten. Der Release ist auf 300 Exemplare limitiert, also schlagt zu! Hier im PPR Shop gibt es das gute Teil (und noch mehr geniale Musik):
Das Debüt der Ruhrpott-Progger erschien im Jahr 2012. Danach war es erst einmal ruhig um die Band, die sich einer Mischung aus Postrock, Alternative Rock und Artrock verschrieben hat. Syntonic stehen für tiefe Emotionen sowie die Vielschichtigkeit einer Musik, die den Zuhörer immer wieder überraschen und fesseln will. Hierbei gehen die drei Musiker Rocco Harzbecker (Gitarre, Gesang), Sandra Harzbecker (Bass) und Christian Baakes (Schlagzeug, Percussion), die die Band 1999 gründeten, alles andere als systematisch vor und sehen sich nicht als Band, welche allzu künstlerisch daherkommt.
Jede musikalische Schublade kann nur ein Versuch sein, die musikalische Bandbreite Syntonics zu beschreiben, die auch Elemente von Funk und Elektronica mit sich trägt. „Natürlich berufen wir uns auf altbewährte Muster und bedienen uns bestimmter Stilistiken. Aber ebenso war und ist es uns wichtig, sich beim Musikmachen immer auf unsere Intuition zu verlassen und neue Wege zu beschreiten“, heißt es von Seiten der Musiker.
Mit den Achtungserfolgen der 2003 erschienen EP „Demo“ und der 2006 veröffentlichten „Umbrella – The Single“ konnten Syntonic sich innerhalb und auch außerhalb NRWs immer wieder neue Fans erspielen. Im März 2012 veröffentlichte die Band das Debüt-Album „New Old Film“. 2013 spielte Syntonic einen Support-Gig in der Hamburger Markthalle für die Band ASP. Die EP „Live From 105“ wurde 2015 veröffentlicht. Im September 2019 wurde das zweite Album „[mo-zey-ik]“ aufgenommen und im Herbst 2020 veröffentlicht.
Was auffällt ist der starke Akzent auf der Rhythmus-Fraktion. Bassläufe und ausgedehntes Schlagwerk – das gibt dem Album einen enormen Drive. Auch die Einbindung in ein „Intro“ und „Outro“ ist sehr gelungen. Vor allem die ausgedehnten Instrumentalparts schaffen eine spannende Atmosphäre. Doch das ist nicht alles: Sänger Rocco trägt mit seinen hohen Vocals durchaus zu einer Vielschichtigkeit im Geschehen bei. Ein Song wie „Disconnected“ kann das Herz jedes Proggers aufgehen lassen, während das experimentelle „Broken By Colors“ eher für Abenteurer geeignet ist.
Auf jeden Fall haben Syntonic die Beachtung der Progwelt verdient. Gut, dass dieses Album Anfang des Jahres noch den Weg zu mir gefunden hat. Ich bin überzeugt!
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Our Oceans sind ein Projekt des niederländischen Sängers und Gitarristen Tymon Kruidenier, der sich in Progkreisen durch seine Bands Exivious und Cynic einen Namen gemacht hat. Vor fünf Jahren erschien das selbstbetitelte Debüt – jetzt legen Our Oceans mit „While Time Disappears“ nach und entführen uns in einen abwechslungsreichen Klangkosmos.
Mit dem neuen Werk lässt Tymon nach eigenen Worten die letzten fünf Jahre Revue passieren und bietet eine frappierende Mischung aus Artrock und Progmetal. Man kann sich nie sicher sein, ob gerade säuselnde melancholische Klänge vorherrschen oder das atmosphärische Konzept durch harte Riffs und Growls durchbrochen wird. Die Texte sind – der Thematik angemessen – zutiefst introspektiv und voll Melancholie. Um so wirkungsvoller dringen die aggressiven Ausbrüche durch, die Sehnsucht, Wut und Verzweiflung aufzeigen wie „Your Night, My Dawn“.
„Das Album erzählt die Geschichte, wie man scheinbar an einem guten Punkt im Leben ist, unerwartet bis ins Mark gebrochen wird, wieder aufsteht und alles überwindet. Es ist stellenweise ein sehr dunkles Album, aber letztendlich hat es einen positiven Unterton“, so beschreibt Tymon seine Gemütslage.
Vor allem der Gesang ist bisweilen sehr eindringlich und trifft mitten ins Herz. Ein Song wie „Passing By“ bietet puren Weltschmerz und transportiert große Gefühle. Das Songwriting ist trotz aller Härte sehr klar und präzise. Der moderne und absolut virtuose Sound mit elegischen Soli und starken Riffs weiß durchweg zu überzeugen.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Schon seit langem hat Fish seinen Abschied von der musikalischen Bühne angekündigt. Selten genug kommt es vor, dass ein Künstler ein Album als finales Werk bezeichnet. Meist ist es doch eher die Erfolglosigkeit, die das Ende der Kreativität einläutet. Bei Fish ist es anders: Er möchte schlicht und einfach in den Ruhestand gehen. Auch das sollte großen Künstlern gegönnt sein. Dass es dann etwas anders gekommen ist als geplant, ist familiären Dingen geschuldet, Problemen bei der CD-Produktion und natürlich der Corona-Krise. Der Tod des Vaters war ein Rückschlag, dann die Tatsache, dass er seine Mutter aus gesundheitlichen Gründen im eigenen Haushalt aufnehmen musste – und auch das Vorgehen mit dem eigenen Label Chocolate Frog Records: Verhandlungen mit den Manufakturen sind halt schwieriger, wenn keine große Plattenfirma dahintersteht.
Eigentlich sollte Fish inzwischen auf Tour sein, um das neue Album gemeinsam mit dem „Vigil“-Album vorzustellen, doch die Pandemie hat das Vorhaben auf Ende 2021 verschoben. Die Pension muss also noch etwas warten.
Einen Vorteil hat die Verschieberei zumindest: Aus dem Standardalbum ist eine Doppel-CD geworden und es klingt vermutlich ausgereifter als dies vor zwei Jahren der Fall gewesen wäre. Wenn man so will, legt Fish hier sogar zwei Abschiedsalben vor, denn die Silberlinge können durchaus jeweils für sich selbst stehen. Es geht um die großen Themen unserer Zeit: die Flüchtlingskrise, allgemeine Unzufriedenheit mit der sozialpolitischen Lage, aber auch um Krankheitsbilder wie Depression und Demenz. So wird „Weltschmerz“ zum ganz großen Werk, das Fishs musikalische und erzählerische Klasse zusammenfasst.
Nehmen wir „Grace of God“, ein episches Stück ganz zu Beginn mit Glockenspiel und ausufernd orchestralen Passagen, verfeinert durch harmonischen Backgroundgesang. Der 8minüter passt perfekt zu den Songs von Fishs erstem Soloalbum und schließt gewissermaßen den Kreis. Ein hervorragender Auftakt mit perfektem Songaufbau.
„Man with a Stick“ ist schon länger bekannt, da es auf der letzten EP erschienen ist und mehrfach live gespielt wurde. In der neuen Fassung hat der modern klingende Track aber nochmal an Energie und rhythmischer Stärke hinzu gewonnen.
„Walking on Eggshells“ beschreibt musikalisch den schwierigen Tanz, den eine Beziehung häufig bedeutet. Ein Lovesong mit beschwingten und düsteren Momenten. Die Thematik ähnelt Klassikern wie „A Gentleman’s Excuse Me“ und „Rites of Passage“.
Als rhythmisch vertrackter Folksong ergänzt „This Party’s Over“ die bei den Fans so beliebten Dancing Tracks, die jedes Livekonzert bereichern, und erweitert sie um einige Nuancen, da der Song doch komplexer klingt als „Internal Exile“, „Lucky“ oder „The Company“. Auf jeden Fall schön, mal wieder schottische Pipes auf einem Fish-Album zu hören.
Herzstück von CD 1 ist aber „Rose of Damascus“, das in über 15 Minuten die Syrienkrise behandelt und den Hörer in Form einer weltmusikalischen Suite mit auf eine bewegende Reise nimmt. Orchestrale Arrangements, Spoken-word-Passagen, aggressive und sanfte Momente – hier fährt Fish alles auf, womit er in 30 Jahren Solokarriere (und schon zuvor bei Marillion) die Progwelt begeistern konnte. „She was searching for a vision, some sign to give direction, in this wasteland where it’s a curse to be alive […] To carry on her journey to find another homeland somewhere to blossom and come alive.“ Beschrieben werden das Leben einer Frau in Syrien bis hin zur Flucht übers Meer mit offenem Ende. Wie in einem großen Breitwand-Kinofilm erzählt Fish eine Geschichte und lässt den Hörer betroffen zurück.
Damit wäre schon ein hervorragendes Album auf dem Plattenteller, an dem es nichts zu meckern gibt, doch wir haben ja noch CD 2 vor uns. Auch diese liefert 42 Minuten Musik und hat nur einen Track unter fünf Minuten. Dabei scheinen die Longtracks keineswegs künstlich in die Länge gezogen sondern brauchen ihre Zeit, um sich zu entwickeln.
Auffällig sind die melancholischen Stücke „Garden of Rememberance“ und „Waverly Steps“, die jeweils mit eindringlichen Worten ein Krankheitsbild beschreiben, nämlich Demenz und Depression. Fish findet sich ein in die Gedankengänge der betroffenen Menschen. Vor allem „Garden of Rememberance“ finde ich dabei sehr berührend, da er autobiografische Inhalte verarbeitet und eine perfekte Ballade abliefert. Ebenso wie der Song „Fragezeichen“ von Purple Schulz sollten auch dieser Song und das dazugehörige Video zum Lehrinhalt in der Altenpflege werden. Fishs Gang durch die Bildergalerie der Erinnerungen veranschaulicht wundervoll das Empfinden dementer Patienten und ihrer Angehörigen. Dass er dafür das wundervolle Artwork von Mark Wilkinson verwendet, den viele Fans mit Fishs Musik verknüpfen, macht das Video noch genialer.
„C Song“ ist für mich der einzig belanglose Song auf der ganzen Albumlänge, enthält aber wie sein Pendant auf CD 1 ebenfalls schottische Folk-Elemente und befreit von der durchgängigen Schwermut des Albums. Das wird allerdings zunichte gemacht durch die gewaltigen Songs „Little Man What Now?“ und den Titeltrack „Weltschmerz“. Ersterer basiert auf dem gleichnamigen Roman von Hans Fallada, der Weltwirtschaftskrise und Erstarken des Nationalsozialismus am Bild des kleinen Mannes beschreibt, der schicksalsergeben durch die verrückt gewordene Welt stolpert. In Zeiten von neuem Rechtspopulismus, Klimakrise, Brexit und Covid-Pandemie kann man sich in diese deterministische Haltung nur zu gut einfinden. Musikalisch kommt ein prägnantes Jazz-Saxofon zum Einsatz, das den Schmerz herzzerreißend zum klingen bringt.
Und daneben gibt es eben genau den „Weltschmerz“, mit dem Fish schon seit Jahren hadert – und für den er bewusst einen deutschsprachigen Begriff wählte, den Jacob und Wilhelm Grimm bereits im 18. Jahrhundert in ihrem Deutschen Wörterbuch verwendeten und mit dem sie eine tiefe Traurigkeit über die Unzulänglichkeit der Welt beschrieben. Fish beschreibt sich, seine Rolle in der Welt und seine politische Einstellung mit intensiven und ehrlichen Worten – und geht damit zurück in die Zeiten von „Fugazi“ und „White Feather“, als er noch der junge Wilde im Musikgeschäft war – „When the revolution is called I will play my part“ – auch heute noch. Ruhestand hin oder her.
Calum Malcolm und Steve Vantsis haben als Produzenten eine hervorragende Arbeit geleistet, wobei Vantsis auch als musikalischer Madtermind tätig war und die meisten Stücke mit geschrieben sowie arrangiert hat. „Weltschmerz“ ist ein Statement unserer Zeit und ein hervorragendes Abschiedsalbum. Vielleicht sein bestes Soloalbum seit „Vigil“.
Erhältlich ist das Album zunächst nur auf Fishs Homepage: https://fishmusic.scot/store/albums/weltschmerz/17
Digitaler Link, Standrad-CD, Vinyl – alles was das Herz begehrt. Die Deluxe Edition im A5-Hardcover-Format enthält umfangreiche Liner Notes, das fantastische Artwork von Wilkinson und eine Blu-ray mit Videos, Interview, Making of und live Audio Tracks von der 2018er Tour.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Seit 20 Jahren stehen die Norweger von Gazpacho für atmosphärischen und stilvollen Artrock. Damit treten sie in die Fußstapfen von Marillion und überflügeln diese bisweilen, was hypnotische und psychedelische Passagen angeht, die sie in sanfte Klangcollagen fassen.
Das elfte Studioalbum „Fireworker“ fasst alles zusammen, was Gazpacho bisher abgeliefert haben. Songdienliche Stücke wie in „Night“, das Storytelling von „Tick Tock“ sowie die düstere Stimmung von „Demon“ und „Molok“.
Diesmal geht es nicht um ein echtes Konzept – stattdessen nimmt man den Hörer mit auf eine Reise in die Psyche. So startet die Band zur Freude der Progressive- und Artrock-Fans mit einem epischen 20minüter. „Space Cowboy“ bietet komplexe Songstrukturen, Tempowechsel, Klangmalereien und chorische Passagen. Es geht um den instinktiven Teil jedes Menschen, den Keyboarder Thomas Andersen „Space Cowboy“ oder „Fireworker“ nennt – Freud würde vielleicht „Es“ dazu sagen, aber hier hat dieser innere Geist eine dämonische Struktur.
Nach so viel Mystischem folgen drei kürzere Stücke, die balladesk eine beruhigende Wirkung entfalten. Verträumt und bisweilen verzweifelt singt sich Jan-Henrik Ohme durch die Songs. Erst das Titelstück – mittig in der Tracklist platziert – trägt einen Funken Optimismus in sich.
Zum Schluss bringt „Sapien“ die hypnotische Wirkung der Musik zurück und entfacht ein weiteres Feuerwerk. Psychedelisch und aufwühlend endet die Reise in das innere Selbst.
Sicher – es ist mal wieder ein sehr verkopftes Album. Und es erreicht nicht die erzählerische Klasse von „Tick Tock“. Doch Gazpacho führen ihren Weg unbeirrt fort und es gelingt ihnen immer wieder eine Steigerung. Dass sich manche Passagen dabei wie ein Aufguss älterer Alben anhören – geschenkt. Gazpacho sehen „Fireworker“ als den Überbau, als eine Zusammenfassung der letzten Werke. Das gelingt ihnen musikalisch und thematisch.