Wieder mal ein Best of von PineappleThief? Kann man so nicht sagen, denn es handelt sich nicht um eine Sammlung ihrer größten und beliebtesten Hits, sondern um Songs, bei denen Gavin Harrison nicht am Schlagzeug saß.
Gavin hat nun diese Stücke mit seinem Spiel aufgepeppt. Als Nicht-Musiker muss ich gestehen, dass mir beim ersten Hören keine großen Unterschiede, falls überhaupt welche, zu den bekannten Versionen aufgefallen sind. Erst beim direkten Vergleich mit den Originalen wurden Nuancen hörbar. Obwohl es sich teils um selten live gespielte Songs handelt, enthält die Auswahl jedoch auch viele meiner Lieblinge.
Von den zwölf Songs aus der Zeit zwischen 2002 und 2012 (55 Min. Spielzeit) stammen alleine fünf vom 2012er-Album „All theWars“. Die Tracks sind alle komplett neu aufgenommen und neu arrangiert. GavinsSchlagzeugspiel haucht den Songs neues Leben ein. Das gewonnene Qualitätslevel wird mir bewusster, je öfter ich zum Vergleich die Originale höre. Zweifelsohne hat die Band mit dieser Produktion unscheinbaren Stücken neuen Glanz verliehen.
Meine Anspieltipps sind der Opener „Wretched Soul“, der Titelsong „Giveit back“, „Shootfirst“ und „Someone pull me out“.
Ich habe selten ein mir ansprechendes Solo-Album eines Schlagzeugers gehört. Dazu gehört auch nicht das Debütalbum von Gavin Harrison, „Sanity & Gravity“, das am 4. Februar als 25-Jahres-Edition wiederveröffentlicht wird.
Die fast durchgängig instrumentalen Stücke plätschern so dahin. Ich hätte mich besser vorher informiert, dass Harrison ursprünglich aus dem Jazz kommt, einem Musikstil, mit dem ich wenig anfangen kann. Ich kenne ihn hauptsächlich von Porcupine Tree, King Crimson oder zuletzt The Pineapple Thief und habe mich von deren Musik auf den Holzweg führen lassen.
Man hört fernöstliche Klänge, bei „Darest Blood“ erklingt auch eine Sängerin in chinesischer oder japanischer Sprache, es klingt teilweise wie zwischen Geisha und Thai Buffet, insgesamt gefällt mir dieser Stil aber von Ryuichi Sakamoto besser. „Sonata in H“ und „Witness (Reprise)“ sind so kurz, dass es sich wie Soundschnipsel aus einer unbekannten Filmmusik oder irgendwelchen Outtakes anfühlt.
Ich habe beim ersten Hören das Album nur im Hintergrund angehört, da dauerte es gefühlt noch nicht einmal eine halbe Stunde. Tatsächlich laufen die zehn Titel 49 Minuten. Beim zweiten, diesmal konzentrierten Hören, dauerte es dann gefühlt anderthalb Stunden. Die Musik zieht sich spannungslos dahin ohne Höhepunkte.
Das Album ist allenfalls etwas für echte Harrison-Fans oder Hörer, die Jazzmusik gegenüber geneigter sind als ich. Mich spricht das Album überhaupt nicht an. Mehr als 2 von 9 Punkten sind von mir nicht drin.
„Versions of Truth“ heißt das aktuelle Album der britischen Progressive Rocker um den genialen Bruce Soord. So ist der Albumtitel „Nothing but the Truth“ ein klares Understatement, denn es werden keineswegs nur Songs des letzten Studio-Longplayers gespielt. Im Gegenteil! Das Livealbum ist ein gelungener Ritt auf zwei Silberscheiben durch die Bandgeschichte.
Die Entstehung ist – wie sollte es anders sein – der Pandemie geschuldet. Das Quintett konnte nicht live auftreten und entschied sich für ein Streaming-Event. Man nutzte die besondere Situation und schuf ein intimes Ambiente mit einer Band, die sich im Kreis aufstellte und von unzähligen Kameras gefilmt wurde. So entstand ein cineastischer Konzertfilm, der jetzt auch auf DVD und Blu-ray erhältlich ist.
Fotocredit: Greg Holland
Hier soll es aber um die 2CD-Version gehen. Und auch die hat es in sich. Seit fünf Jahren ist Schlagzeuger Gavin Harrison mit an Bord und hat inzwischen ebenso großen Einfluss auf den Sound der Band wie Gitarrist und Sänger Bruce Soord. So dürften Kenner der älteren Tracks aufhorchen, wenn sie die neuen Arrangements hören, die einen enormen rhythmischen Drive bekommen.
Soord kommentiert zu „Someone Pull Me Out Of Here“: It felt really special to do this song after so many years, it’s still one of my favourite compositions and with Gavin adding his brand-new drums it feels completely new. From a compositional point of view, it’s quite unique in that, even though on the surface it’s a straightforward rock song, it travels through quite a lot of time signature changes. Although the key for me is that no one is supposed to notice that…”
Die Doppel-CD klingt wie ein Studioalbum, hat aber viel mehr Charme als eine Compilation neuer und älterer Songs im Remix. Der Flow von Track zu Track ist stimmig und führt uns eine spielfreudige Band vor Augen, die das Beste aus der ungewöhnlichen Situation macht. So kombiniert man die Energie eines Livekonzerts gekonnt mit auditiv beeindruckenden Studioaufnahmen.
Seit Jahrzehnten gehören The Pineapple Thief zur Speerspitze des melodischen Artrocks. Sie liefern atmosphärische Musik sowie epische Momente – und ziehen hier alle Register ihres Könnens. Wie immer dominieren ruhige Songs, es kann aber auch mal heftig krachen („Break It All“). Und in „Far Below“ wird die Gitarrenarbeit deutlich ausgebaut.
Es war die erste Liveperformance der neuen Songs – und gleichzeitig haben The Pineapple Thief ein Gesamtkunstwerk abgeliefert. Sie standen auf ihren „kleinen Inseln“ (wie Soord es ausdrückt) und lieferten das vielleicht beste Konzert ihres Lebens ab. Magisch!
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