t @ NOTP – Verlorene Bässe, vergessene Hosen, verwunschene Zimmer
Thomas Thielen, der unter dem Kürzestkürzel t Ungooglebare, war zum ersten Mal beim Night of the Prog 2019 – nicht verwunderlich, ist t doch zum ersten Mal überhaupt auf Tour. Der Auftritt kann wohl als erfolgreich bezeichnet werden: Die Fan-Community des NOTP wählte ihn zum „Best New Act“ des Festivals, was nach 20 Jahren und 8 Alben vielleicht ein bisschen hinkt, aber den Künstler „unbändig freute“, wie er sagte. Wie t das ganze Drumrum selbst erlebt hat, lest ihr hier:
Vorneweg: Ich glaube, unser Auftritt war echt cool. Die Leute waren begeistert, meine Stimme war nach 3 Wochen Sinusitis trotzdem perfekt da (klassische Ausbildung hat Sinn, das merke ich live immer wieder!), die Band in Topform, das Publikum trotz unseres sehr melancholischen Sets voll dabei, teilweise pathetisch mitsingend, teilweise mucksmäuschenstill zuhörend.
Aber wer denkt, dass damit schon das Entscheidende berichtet wäre, war noch nie Musiker bei einem riesigen Festival. Die Musik ist natürlich zentral – aber viel krasser ist, eigentlich immer, das Drumherum. So auch bei uns.
Ich bin im Studio Perfektionist, legendary so, und dementsprechend ist auch t eine zwanghafte Live-Band. Dieser typische Rock N Roll passiert eher anderen. Beispiel? Da wir keine Ahnung hatten, wie gut das Monitoring vor Ort sein würde, hatten wir folglich unser eigenes System dabei, inklusive Tom Ronney als Tech, der es bediente und uns half, nix kaputt zu machen. Schließlich war das alles von Crystal Palace nur geliehen (Danke, Frank, Jens, Tom, Nils!), und wir… Naja, wir sind besser im Hören als im Einstellen. Wobei auch das nicht immer stimmt: Dominik an den Keyboards zB spielte einen großartigen Gig – ich hörte sehr ausgefallene, aber geschmackvolle, neue Linien in seinen Parts und war begeistert, dass er ausgerechnet bei diesem riesigen Gig so pointiert innovativ arbeitet!
Dom nicht. Sein Kopfhörer wurde wohl irgendwie vom Stagefunk beeinflusst und hatte längere Komplett-Aussetzer. Da unsere Ohrhörer ca 90% der Außengeräusche dämpfen, flogen die Keys also für ungefähr ein Drittel des Gig blind: Dominik erahnte anhand der Tasten, was er da spielte, aber seine Ohren hatten Pause. Dass seine Keyboards trotz Blindfluges in den Songs ohne Bruchlandung ankamen, ist nur für Leute erstaunlich, die Dominik nicht kennen. Ich vorne ahnte jedenfalls nichts und war selig.
Bei mir war mein Wirelesssystem für die Gitarre eine miese Idee. Erstens war die Chance, große Wege zu beschreiten, gar nicht so recht da, wie ich mir das vorgestellt hatte: mein Mikrofonständer hat ja auch auf großen Bühnen keine Flugvorrichtung, und irgendwas war immer zu singen oder am Pedalboard zu switchen. Und zweitens kam auch im Sender (2.4 Ghz? Nie wieder!) bei jedem Funkverkehr backstage ein Knistern in den Ton – so dass ich auf Kabel umstieg, sobald es ging. Lesson learned: Kabel sind bei Festivals die bessere Idee.
Aber sonst? Bühne geht eben immer. Ich habe nur Musiker, die besser sind als ich – was soll passieren? Naja… Also… Es passieren schon Dinge… Schauen wir ein bisschen zur Seite: Vor t spielte Tim Bowness, den ich vor allem von no-man sehr schätze („Together we re stranger“ ist ein riesiges Album!), und mit ihm am Bass kam John Jowitt, einer meiner großen Helden aus der Jugendzeit. Ich war ein bisschen nervös, muss ich zugeben, Tim und John zu treffen, ein bisschen Ehrfurcht und ein bisschen dümmliches Kichern wären backstage bestimmt im Spiel gewesen…
Aber es kam ein bisschen anders. Wie gesagt, t ist eine zwanghafte Band. Wir waren also schon um 10 vor Ort (Stagetime 16.30 Uhr) und um 11 war das komplette Setup fertig aufgebaut hinter der Bühne. Kann ja keiner ahnen, dass alles reibungslos klappt. Um 11.03 hörte das Reibungslose dann auch auf: Da klingelte dann mein Telefon Sturm. Ich hatte von ganz IQ, von John Jowitt, von Graham, Tims Stage Manager, und scheinbar allen, die sonst noch mit GEP oder Konsorten zu tun hatten, Nachrichten erhalten. Wtf?
Nun, John hatte am Abend zuvor mit IQ gespielt, als Aushilfe für den indisponierten Tim Esau, und anscheinend waren da alte Gewohnheiten wieder lebendig geworden: John hatte seinen kompletten Kram auf den IQ-Truck geladen, und als er nun aufwachte, fiel ihm auf, dass ihm für Tim Bowness‘ Auftritt irgendwas fehlte, genauer gesagt: Bass und Amp, Kabel und Tuner. Ach so, und: eine Hose. „Thomas, you don t happen to have a spare 5string?“ – Wir hatten. Und einen Amp. Und ein Kabel. Und einen Tuner, genauer gesagt: Graham lieh meinen immer wieder kurz aus (Clip, Thomann, 3,90 Euro) und lief auf die Bühne, um alles zu stimmen, was Saiten hatte und gerade nicht gebraucht wurde.
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Gerade für mich als Studionerd war die Organisation des zu erwartenden Chaos eines solchen Molochs beeindruckend. Wir erhielten Pässe, Essensmarken, Parkkarte, Parkplatz und… die Garderobe neben Nick Mason. Ich bin damit sozusagen fast Rockstar, finde ich, nur eben um eine Garderobe verfehlt, aber wir einigten uns in der Band drauf: Das gilt!
Auch die anderen Musiker waren phantastisch: Als Tim und John ankamen, waren die beiden einfach nur nette Jungs, Lazuli und t (lies: die Band) verstanden sich wieder mal grandios (und das lag nicht nur am, sagen wir, Zigarettenrauch, der so angenehm duftete), kurzum: das Miteinander mit Veranstalter und anderen Bands hinter der Bühne hätte nicht harmonischer sein können. Keine Missgunst, keine Arroganz, kein Schw…Vergleich – einfach nur pure Freude am Event. So saßen denn auch FORS und OVERHEAD und t stundenlang in wechselnder Besetzung in der Sonne und sinnierten über das Universum, die Musik und den ganzen Rest, und es ergaben sich Freundschaften und Verabredungen en masse.
Ich persönlich fand, auch vor dem Hintergrund, dass Backstage alles andere als Star-Feeling herrschte und ich die Proggies im Publikum online teilweise mehr als 1 Jahrzehnt kannte, die Idee, dass ich Autogramme im Signing Tent geben sollte, etwas absurd. Zwar hatte mich Tim Bowness mit einem netten „Ah, t, great albums“ begrüßt und mir ein ewiges Grinsen auf den Mund gezaubert, aber Autogramme? Ich wollte mir schon, zur Sicherheit, ein großes Schild umhängen („Ich war eben auf der Bühne und kann fehlerfrei schreiben!“), damit Leute auf die Idee kommen konnten, ich sei irgendwie dazu der Richtige.
Ich kam mir jedenfalls ziemlich blöd dabei vor. Unfug, wie sich rausstellte, denn tatsächlich hatte ich eine gute Stunde zu tun, bis alles unterschrieben und alle Selfies gemacht waren. „zu tun“ ist da natürlich fehlleitend: Ich habe es unendlich genossen, all die Menschen, die ich oft online schon lange „kannte“, persönlich zu treffen. Und es ergaben sich so viele nette Gespräche, dass ich erst 2 Stunden später wieder zurück im Backstagebereich ankam, um mit der Band das versprochene Kaltgetränk einzunehmen. In meinem Fall übrigens Pfefferminztee (ja, kalt, ach nach 2h)…
Überhaupt, die Menschen bei NOTP… was die t Konzerte bisher für mich so begeisternd machte, war die Bereitschaft des Publikums, unserem sehr melancholisch geprägten Set zuzuhören. Dass die Loreley da keine Ausnahme machte, das überraschte mich, ehrlich gesagt, ein bisschen. Aber es war von der Bühne aus ein unglaubliches Bild: All diese Menschen, und kaum einer redet rein oder holt mal schnell Bier, obwohl wir gerade in strahlender Hitze über die Atmosphären der Nacht sinnierten. Eine riesige Wertschätzung für die Musik selbst scheint das Festival zu umgeben, und das ist open air nicht die Regel, meiner Erfahrung nach. Für mich war das Verhalten des Publikums – ehrlich! – der Höhepunkt an einem sowieso grandiosen Tag.
Die Vorbereitungen im Backstagebereich waren durchwegs von großer Ruhe, zynisch-spitzem Humor und phantastischer Übersicht von „Büffel“, dem Chef hinter der Bühne, geprägt (ja, so stellte er sich vor). Ts Verkabelung ist absurd kompliziert, ich erspare euch Details, erwähne nur kurz, dass über Midi alle time Codes synchronisiert werden. Also: wir reden von mehreren Trilliarden Kabeln, die alle munter durcheinander verlaufen, von synthie zu laptop zu kemper zu basspedal zu Gesangseffektgerät und zurück zu Synthie… . Die haben wir natürlich minutiös beschriftet und vorbereitet – aber in 10 Minuten auf der Bühne bereit zu sein, das ist schon eine Herausforderung.
Dank Büffels Hilfe brauchten wir 7. Hinter der Bühne waren alle Instrumente und Kabel bereits gecheckt, auf rollenden Podesten aufgebaut und ausparkfertig platziert worden. Die größte Problematik bestand eigentlich nur darin, dass ich Dominiks Reisekoffer, der 2 Minuten vor Takeoff aus mir unerfindlichen Gründen offen vor den Keys auf dem Riser lag, noch schnell aus dem Weg räumen musste. Hätte andererseits dem Bühnenbild vielleicht aber auch ein bisschen Beckett gegeben!
Auf der Bühne war ich selbst mit zitternden Händen und hochkompliziertem Setup in 2 Minuten bereit. Soundcheck ist eh für Feiglinge… Also los ging s. Und wie gesagt: Ich glaube, es hat sogar ganz gut funktioniert.
Für uns, t und Band, war das jedenfalls eine grandiose Sache. NOTP als MUSIKER? Jederzeit.
Epilog: Was für die tolle Organisation und das großartige Miteinander in Winfried Völkleins Wohnzimmer, also oben auf dem Felsen, gilt, ist in Hotelzimmern oft ein bisschen anders. Als Musiker ist das aber nicht unwichtig, vor allem als Sänger: Ich hatte auf der Loreley mehr als 3 Oktaven zu besingen, und da sind guter Schlaf und präzise Vorbereitung zentral. Das wird ein bisschen schwierig, wenn man nachts ankommt und die Zimmer beziehen will, aber nicht finden kann… Wir hatten, genauer gesagt, 102, 201, 202 und 48. Auf die Nachfrage von Tour Managerin Tini, die mittags schon die Schlüssel abgeholt hatte, wurde uns gesagt, dass alle Zimmer im Haupthaus des Hotels seien, nicht etwa in den nahen Gästehäusern. Da standen wir dann, um 1 Uhr nachts, völlig erledigt, und suchten… 48 gab es scheinbar nicht, das Erdgeschoss ging von 1 bis 21. Im ersten Stock fanden wir 102 bis 122, der zweite Stock begann mit 201, 202, 203… Also liefen wir doch rüber zu den anderen Häusern, kamen dort aber nicht rein und irrten durch die Straßen, hoffend, dass in der Herberge doch noch Platz sein würde. Inzwischen kamen schon Pläne auf, die mit Rückbänken zu tun hatten – da fanden wir doch noch die 48. Natürlich dort, wo sie hingehört: Zwischen 212 und 214. Wir Trottel.
Danke, lieber Thomas, für diesen Bericht! Nähere Infos zu t und seinen Veröffentlichungen findet ihr HIER: www.t-homeland.de / Ach ja: NIGHT OF THE PROG 2020 steigt vom 17. bis 19. Juli 2020. Infos und Tickets gibt’s HIER: www.nightoftheprogfestival.com