Das Popalbum der Vorzeige-Progger

Als „Take My Head“ im Jahr 1999 erschien, liefen Archive noch völlig unter dem Radar. Die Band ist 1994 von Darius Keeler und Danny Griffiths gegründet worden und war zu Beginn ganz vom Style der Trip-Hopper Massive Attack beeinflusst. Die Mischung aus Rap und Alternative Rock erschien auf dem Debüt „Londinium“ ganz gefällig, konnte sich aber nicht durchsetzen. Das zweite Album sollte dann viel melodischer und auch poppiger ausfallen als der Erstling.

Als Sängerin wurde Suzanne Wooder verpflichtet, die den Sound mit ihrer traditionellen musikalischen Ausbildung und ihrer melodischen Ausrichtung sehr harmonisch gestaltete. Hinzu kamen spannende sinfonische Elemente.

Dem Album war damals kein kommerzieller Erfolg beschieden. In Anbetracht der fantastischen Entwicklung, die das Soundkollektiv in den letzten Jahrzehnten gemacht hat, ist es aber ein wichtiger Grundstein. Postrock, der virtuose Melodic Rock und die psychedelischen Elemente späterer Meisterwerke spielen auf „Take My Head“ noch kaum eine Rolle und finden nur andeutungsweise statt. Doch es wäre zu kurz gegriffen, das Werk als reines Popalbum zu beschreiben – dafür ist es zu komplex.

Man nehme nur den dialogischen Start mit „You Make Me Feel“. Hart rockende Passagen und sanfter polyphoner Gesang geben sich die Klinke in die Hand. Allein die Mehrstimmigkeit in den Vocals gibt dem Song ordentlich Drive mit. „The Way You Love Me“ hätte als Ballade funktionieren können, war aber alles andere als eingängig. „Brother“ ist dann das erste Highlight, weil die Pianoakkorde Suzannes Vocals genügend Raum zur Entfaltung lassen.

„Well Known Sinner“ hat eine sehr elektronische Seite, „Cloud In The Sky“ driftet hingegen ins Orchestrale ab. Der Titeltrack „Take My Head“ startet mit einem genialen Orgel-Stakkato, das in roboterhaft wiederholten Vocals aufgegriffen wird. Ein Song, der nervös machen kann, aber irgendwie auch genial rüberkommt. Die Vocals werden im Loop wiederholt und bauen ein Soundgemälde auf, dass sich in krachenden Instrumenten entlädt.

Mit „Love In Summer“ und „Rest My Head In You“ gibt es einen versöhnlichen, emotionalen Abschluss, der in den zweiminütigen Hidden Track „Home“ mündet.

Für sich allein genommen ist „Take My Head“ ein spannendes und innovatives Popalbum, das in weiten Teilen ganz auf Suzanne Wooders Stimme zugeschnitten ist. Im Backkatalog von Archive nimmt es aber nur eine untergeordnete Rolle ein. Trotzdem cool, dass es erstmals seit der ersten Veröffentlichung wieder auf Vinyl erhältlich ist. Die Platte wurde auf 180-Gramm-Vinyl in audiophiler Qualität gepresst.