Kscope freuen sich, die Zusammenstellung „Blackfield: An Accident Of Stars: 2004 – 2017“ zu präsentieren, eine Sammlung der Arbeiten der Band von 2004 bis 2017, die zum ersten Mal gemeinsam veröffentlicht werden. Untergebracht sind die Silberlinge in einem Deluxe-Bookset, das ein 64seitigea Buch mit Liner Notes von Anil Prasad enthält. Es beschreibt die Anfänge und das Innenleben von Blackfields Reise – dokumentiert durch Interviews und seltene Fotos mit Steven und Aviv. Diese Sonderedition wird es nur in einer limitierten Auflage geben.
Aviv Geffen, einer der erfolgreichsten Musiker Israels, und Steven Wilson, Frontmann von Porcupine Tree und Solokünstler der Extraklasse, haben beide eine treue globale Anhängerschaft aufgebaut. Durch die Zusammenarbeit als Blackfield haben sie einen einzigartigen Sound kultiviert, der die besten Elemente beider Künstler zusammenbringt, um etwas völlig Einzigartiges zu schaffen, das dennoch sofort identifizierbar ist.
Aviv Geffen sagt dazu: „Steven und ich verbinden uns über Kunst, Politik und das Leben im Allgemeinen. Wir wechseln stets zwischen unseren Ideen hin und her, wenn wir zusammen sind. Deshalb funktioniert unsere Partnerschaft so gut. Man spürt die Liebe in Blackfield.“
Ergänzend zu den Alben gibt es eine neu produzierte Blu-ray mit „Blackfield“, „Blackfield II“ und „Welcome To My DNA“ im 24-Bit-44,1-kHz-Format, „Blackfield IV“ und „Blackfield V“ in 5.1 Surround Sound und High Resolution 24 -bit Stereo. Die Promo-Videos der Band aus dieser Zeit sind ebenfalls enthalten wie der Konzertfilm „Live in N.Y“ von 2007. Die Box erscheint am 31. März 2023!
Inhalt der sieben Scheiben:
Blackfield (2004)
Blackfield II (2007)
Welcome to my DNA (2011)
Blackfield IV (2013)
Blackfield V (2017)
Live DNA: Recorded at the Paradiso, Amsterdam, The Netherlands on 10th April 2011 – Previously unreleased
Blu-ray – Blackfield Hi-Res + Live in N.Y. & Official Promo Videos
Tim Bowness ist Mitglied der Band No-Man, welche stark mit Steven Wilson verbandelt ist, und so verwundert auch nicht, dass „Butterfly Mind“ von Wilson produziert wurde und seine Handschrift trägt.
Das Cover, finde ich, hat eher Ähnlichkeit mit einer Panzersperre als mit einem Schmetterling. Sperrig ist das Album jedoch keineswegs. Die Texte von Bowness‘ Soloprojekt sind tiefgründig. Unterstützt wird er von zahlreichen namhaften Gastmusikern.
Herausgekommen sind epische, gefühlvolle Balladen mit teils cineastischen Breiten. Was mich stört, ist der Anteil von Elektro in den Songs. Tim Bowness hat für meinen Geschmack auch nicht die Stimme, der man länger zuhören möchte. Er singt seine Songs nicht, sondern er spricht sie mehr. Vielleicht auch deshalb war ich nicht enttäuscht, dass die elf Songs in 44 Minuten durchgehört waren.
Mit den Texten muss man sich näher befassen, die Songs selbst eignen sich zum Hören als Hintergrundmusik. Mir fehlen hier echte Höhepunkte oder musikalische Spannungsbögen.
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Wenn man den Namen Steven Wilson in gängige Suchmaschinen eingibt, wird man regelrecht überflutet von Einträgen der unterschiedlichsten Art. Was dieser Mann (manche nennen ihn Genie) inzwischen gemacht hat, ist eine Legion musikalischer Einflüsse. Mir kam der Name erstmals 1997 unter, als Steven als Co-Songwriter und Produzent von Fishs „Sunsets On Empire“ in Erscheinung trat und ironischerweise zwei Jahre später auch Marillion bei ihrem „.com“ Album unterstützte.
Wilson war schon damals in allen Sparten des Progressive Rock unterwegs. Da waren zum einen natürlich Porcupine Tree – einst im Alleingang am Reißbrett mit gefälschter Bandbiographie entworfen – die sich vom exzentrischen Soloprojekt zur echten und authentischen Rockband der Gegenwart gemausert hatten. Dann gab es das Artpop Duo No-Man gemeinsam mit Sänger Tim Bowness, welches schon lange vor der Gründung von Porcupine Tree Wilsons Liebe zum Ambient Sound begründete. Außerdem trat der Tausendsassa mit dem israelischen Popstar Aviv Geffen unter dem Namen Blackfield auf und war zudem als Produzent für Größen wie Anathema und Opeth tätig.
Er hat den Backkatalog von ELP, Jethro Tull und King Crimson remastert und zeitgleich einige grandiose Soloalben veröffentlicht. So ist man gespannt, was er sich für das sechste Solowerk „The Future Bites“ Neues einfallen ließ. Um es kurz zu sagen: Die Zeichen stehen auf Pop. Das sollte nicht verwundern, denn bereits Blackfield waren ein Projekt, das eher Progressive Pop als Progressive Rock zu bieten hatte und den Artrock verfeinerte. Spannend auch, dass der Brite unlängst das Meisterwerk “The Seeds of Love” von Tears for Fears remixen durfte. Hier hat er sich soundtechnisch definitiv inspirieren lassen.
Steven Wilsons sechstes Album ist eine Erkundungsreise in den menschlichen Verstand in Zeiten des Internets. Während er sich auf „To The Bone“ (2017) mit den Problemen von Post-Wahrheiten und Fake News auseinandersetzte, nimmt Wilson die Hörerinnen und Hörer auf „The Future Bites“ mit in eine Welt der Süchte des 21. Jahrhunderts. Es ist ein Ort, an dem beständig und ganz öffentlich mit den Auswirkungen aufkommender Technologien auf unser Leben experimentiert wird und an dem Klicks und Tiks wichtiger geworden sind als menschliche Interaktion. „The Future Bites“ ist dabei weniger die trostlose Vision einer herannahenden Dystopie als vielmehr die spielerische Lesart einer Welt, die durch die Ereignisse dieses Jahres umso merkwürdiger und separierter erscheint.
Musikalisch gesehen ist „The Future Bites“ gewohnt großartig: Elektronische Sounds, durch menschliches Einwirken verfremdet („King Ghost“), sphärische Akustikklänge („12 Things I Forgot“) oder Bass-getriebene Krautrock-Grooves, die sich in die Untiefen von Clickbaiting und Online-Radikalisierung begeben („Follower“), verbinden sich zu Wilsons vielleicht konsistentestem Werk. Das neu entstandene „Count of Unease“ ist ein schöner und schwermütiger Abschluss des Albums, das mit sphärischen Pianosounds hinaustreibt.
„The Future Bites“ bietet alles, was ein großes Popalbum haben muss: Dancefloor-Charme der 80er im Retrosound, aber trotzdem glasklar produziert. Da lässt der Meister sich nicht lumpen. Klangcollagen und Keyboardflächen, elektronische Spoken Word-Passagen mit futuristischem Gehabe. Spielereien zwischen Funk und Akustiksound, die zum Teil durchaus radiotauglich sein mögen. Bisweilen klingen die Stücke wie ABBA meets Gorgio Moroder.
Erstaunlicherweise ist Stevens Stimme noch stärker geworden. Bei Porcupine Tree hat er sich oft hinter dem Wall of Sound versteckt und man hatte das Gefühl, er gehöre nicht an die Front der Bühne. Doch davon keine Spur mehr. Er singt wie ein junger Gott. Allerdings wie ein Pop-Gott. Der Prog-Gott ist vorerst eingemottet.
Gerade einmal 30 Minuten brauchen Aviv Geffen und Steven Wilson für ihre Reise durch die Welten des Artrock. Und dabei lassen sie kein Genre aus. Schon der Titelsong als Opener klingt wie frisch aus den 80ern importiert. Tears For Fears und die Pet Shop Boys lassen grüßen. Dabei geht der Track ohne Umschweife direkt ins Ohr – als sei er schon immer dort gewesen. Auch das hymnische „Under My Skin“ schlägt mit orchestralen Elementen und breiten Keyboardflächen in diese Kerbe.
Der Einfluss des Proghelden Wilson ist nicht mehr so groß wie zu Anfangszeiten des Projekts. Alle Songs wurden vom israelischen Superstar Aviv Geffen geschrieben und komponiert – bereits im Jahr 2009 hat er allein die kreative Führung übernommen. Allerdings steuert Wilson die Vocals zum Triple „Over & Over“, „Falling“ und „White Nights“ bei und glänzt bisweilen an der Rhythmusgitarre.
„Garden Of Sin“ liefert die melancholische Seite von Aviv, während „Over & Over“ eine feine Gitarrenballade aus Steves Kehle erklingen lässt. Beide auf ihre Art mit prägnanten und sonoren Gesangslinien. Dazu kommt mit „Falling“ ein typischer Artrock-Song, der voll auf Wilson zugeschnitten ist und von ihm genial interpretiert wird.
„For The Music“ bietet zwar nur ein kurzes Vergnügen, dafür aber optimalen Genuss. Auch wenn das Duo als solches nur noch sporadisch zusammenarbeitet, liefern sie hier doch wieder neun feine Perlen virtuoser Popmusik. Die melancholische Grundstimmung passt dabei perfekt in die heutige Zeit. Stark und bedeutungsvoll!
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Der eine ist der unumstrittene Tausendsassa des Progressive Rock: Steven Wilson hat mit Porcupine Tree den Prog in neue Sphären gehoben, macht Ambient mit Bass Communion, Artpop mit No-Man, ist inzwischen als umjubelter und von der Kritik gefeierter Solokünstler unterwegs und remastert ein klassisches Album nostalgischer Prog- und Rockkünstler nach dem anderen. Aviv Geffen hingegen ist ein Popstar in Israel. Seine Platten sind fast ausschließlich in seiner Heimat erfolgreich, dort aber ist er ein gefeierter Künstler.
Beide hat das Schicksal im Jahr 2001 trotz ihrer vollen Terminkalender zusammen geführt und mit Blackfield haben sie eine einzigartige Band geschaffen, die dazu führte, dass inzwischen auch Aviv Geffen internationale Erfolge feiern konnte. Die fünf bisherigen Alben, alle bis auf das dritte („Welcome To My DNA“) immer mit römischen Ziffern durchnummeriert, bieten eine Form von Pop, die perfekter nicht sein könnte. Bei der Beteiligung von Wilson als Perfektionist in Person auch nicht weiter verwunderlich.
Der Sound der Songs ist lautmalerisch, harmonisch, bisweilen mit Streichern unterlegt und meist mit Geffens charismatischer Gesangsstimme versehen. Wer sich davon überzeugen will, kann mit „Open Mind“ durch den Backkatalog des Duos schlendern – vom ersten Album aus dem Jahr 2004 bis zum aktuellen Werk, das von keinem Geringeren als Alan Parsons produziert wurde. Steven Wilson hat mit diesen Stücken seine ersten Schritte in klassischer und vor allem kunstvoller Popmusik gemacht, Aviv Geffen konnte über den Tellerrand Israels hinausschauen und sich dort sichtlich wohlfühlen.
Blackfield ist ein äußerst gelungenes Experiment der Prog- und Popgeschichte. An wem dies bisher vorbei gegangen ist, der sollte hier schleunigst zuschlagen.
Da hat Steven Wilson in den Interviews der vergangenen Wochen ja einige interessante Aussagen getätigt. Er will nicht länger der Guru des Progressive Rock sein und stattdessen lieber David Bowie beerben. Ob da der Größenwahn mit ihm durchgeht? Doch er hat allen Grund, an sich und seine Qualitäten zu glauben. Gott und die Welt – zumindest im Bereich des Prog – bitten ihn, ihre Alben neu abzumischen und zu perfektionieren. Seien es Jethro Tull, Marillion, King Crimson oder ELP. Mit Porcupine Tree hat er schon vor Jahrzehnten Legendenstatus erlangt. Und auch seine Soloalben „The Raven That Refused To Sing“ und „Hand. Cannot. Erase.“ wurden in Artrock-Kreisen abgefeiert.
Was soll das also nun mit der Hinwendung zum Pop? Eigentlich ist das auch gar nicht so neu bei Steven Wilson. Immerhin hat auch sein Projekt Blackfield mit dem israelischen Popstar Aviv Geffen einige mainstream-taugliche Melodien zu bieten. Viel mehr übrigens, als Wilsons aktuelles Album „To The Bone“.
Obwohl dieses nämlich ein modernes Pop-Album geworden ist, kann man kaum von Radiotauglichkeit sprechen. Sicher gibt es einige Ohrwurmmelodien und akustische Gitarrenklänge, doch es bietet weitestgehend futuristisch angehauchte Rockmusik und viele sphärische Passagen. Wilson wirft hier alles in die Waagschale, was er zu bieten hat: kleine Soundspielereien, Klangvisionen, kreativen New Pop. Vergleiche mit Peter Gabriel, Tears For Fears und besagtem David Bowie sind da gar nicht so weit her geholt. Und wer zur Jahrtausendwende Porcupine Tree mit „Lightbulb Sun“ gehört hat, weiß, dass derlei melodische Ideen auch für Wilson nicht ganz neu sind.
Textlich bewegen sich die elf neuen Stücke zwischen Chaos und Paranoia der postfaktischen Ära, schleichenden Selbstzweifeln im Technologie-Zeitalter und präzisen Beobachtungen von religiösen Eiferern.
Spannend mag sein, dass das Album es in die Top 3 der deutschen und britischen Charts schaffte. Trotzdem werden ihn die Otto Normal-Radiohörer kaum kennen. Der unbekannteste Superstar Großbritanniens? Das ist Steven Wilson definitiv. Bleibt zu hoffen, dass er nicht immer ein Geheimtipp bleiben wird. „To The Bone“ ist ein wundervolles Album, dass man immer und immer wieder hören kann, um ständig Neues zu entdecken. Wilson findet nicht nur die Perlen in den Songs anderer Künstler – er kann auch sein eigenes Werk mit einigen Perlen versehen, die man erst nach mehrmaligem Hören entdeckt.
Vor 32 Jahren (am 17. Juni 1985) erschien mit „Misplaced Childhood“ das wichtigste Album der Progressive Rocker Marillion aus Aylesbury, das bis heute Kultstatus genießt. Für viele war und ist es die perfekte Verbindung aus Progressive Rock und Pop. Großen Anteil daran trägt die Hitsingle „Kayleigh“. Mit dem Erfolg hatte wohl keiner gerechnet. Überhaupt waren Marillion alles andere als Garanten für hohe Positionen in den Charts. „Garden Party“ hatte es gerade mal auf Platz 16 geschafft.
„Misplaced Childhood“ und „Kayleigh“ waren der Wendepunkt. Das großartige Konzept des Albums funktioniert bis heute: In gut 41 Minuten erzählt Sänger Fish eine autobiographische Geschichte vom Durchleben der Pubertät. Erste große Liebe, erste Enttäuschung, die Suche nach dem Platz im Leben. Die schottischen Wurzeln des Sängers werden ebenso thematisiert wie sein Freundeskreis, der Tod des Ersten aus ihrer Mitte – die Höhen und Tiefen eines Teenagerlebens. Die Gedankenreise kulminiert im Sprung zum Erwachsensein, gleichzeitig mit der Erkenntnis, dass die Kindheit niemals aufhört, und dem Widerstand gegen gesellschaftliche Vorgaben.
Die musikalische Intensität des Albums, dessen Stücke ineinander übergehen und daher eine große Rock-Suite bilden, wirkt bis heute. Da waren vier großartige Instrumentalisten und ein formidabler Sänger zusammen und konnten sich voll ausleben. Man kann immer noch Neues entdecken – das ging auch der Band so, als sie für die BluRay-Dokumentation mit Produzent Chris Kimsey zusammen saßen und die Bänder im Abstand von über dreißig Jahren erneut abhörten.
Inzwischen ist viel passiert. Fish ist seit 29 Jahren nicht mehr Frontmann der Band und wurde durch Steve Hogarth ersetzt. Marillion lassen ihre Vergangenheit meist ruhen und konzentrieren sich auf aktuelle Werke. Hits wie „Kayleigh“ und „Lavender“ werden höchstens einmal auf Support-Touren, Festivals oder Fanclub-Events gespielt. Fish hingegen hält die Fahne der 80er weit nach oben und war erst kürzlich noch mit dem kompletten „Misplaced Childhood“-Album auf Tour.
Die Rechte an den 80er-Alben gingen mit dem Verkauf von Parlophone, das früher zum EMI Label gehörte, an Warner Music über. Für die Neuveröffentlichung hat man sich einiges einfallen lassen. Das Album erscheint als Hardcover im DVD-Format und enthält vier CDs und eine BluRay. Hinzu kommt ein 60seitiges, informatives Booklet mit den Songtexten und vielen Fotos (darunter auch eine sehr einträchtige, aktuelle Aufnahme der zeitweise zerstrittenen Bandmitglieder mit Chris Kimsey). Ein langer Text stammt vom Rockjournalisten Dave Everley und ist mit vielen Zitaten der Beteiligten unterlegt. Hinzu kommen zwei kurze Statements von Mark Wilkinson, der das Artwork des Albums verantwortet, und Robert Mead, der als Junge auf dem Cover verewigt wurde. Wunderschöne Aufmachung – viele Infos!
CD 1 enthält dann das remasterte Originalalbum. CD 2 und 3 liefern ein komplettes Konzert der „Misplaced Childhood“ Tour, das am 15. Oktober 1985 in Utrecht aufgenommen wurde, bisher unveröffentlicht ist und zugleich die erste offizielle Veröffentlichung eines Marillion-Konzerts aus dem Jahr 1985 darstellt. Das Mixing erfolgte durch Michael Hunter, die Tonqualität ist hervorragend – Fans werden begeistert sein. CD 4 widmet sich schließlich den B-Seiten („Freaks“ und „Lady Nina“), man findet alternative Mixe, Single-Versionen, Demos (zum Teil mit einer unfertigen Textfassung) und als besonderes Bonbon den Steve Wilson Remix von „Lady Nina“.
Und da wären wir auch schon bei Steven Wilson: Der Sänger, Multi-Instrumentalist, Toningenieur und Produzent ist der Tausendsassa des Progressive Rock, hat nach dem Ende von Porcupine Tree reihenweise weitere Projekte am Laufen und widmet sich seit Jahren dem Remastering von Alben alternder Prog- und Rock-Heroen wie Jethro Tull, Yes und Chicago. Dabei gilt er als Perfektionist und das Ergebnis ist meist überragend. Die BluRay enthält das von Steven Wilson remixte Original-Album im 5.1 Surround Sound und das Remaster 2017 in hochaufgelösten 96kHz 24 bit.
Eine 72minütige Doku zeigt Fish, Steve Rothery, Mark Kelly, Ian Mosley, Pete Trewavas und Chris Kimsey in trauter Runde im Tonstudio. Sie hören in das Album rein und erzählen Anekdoten und Erinnerungen aus der Entstehungszeit. Sehr entspannt sieht das aus – von Feindseligkeiten keine Spur. Stattdessen schwelgt man gemeinsam in Erinnerungen und es macht großen Spaß, dem zuzuhören. Allerdings muss man der englischen Sprache mächtig sein, da es keine Untertitel gibt. Abgerundet wird der Video-Teil durch die Promo Videos zu „Kayleigh“, „Lavender“, „Heart of Lothian“ und „Lady Nina“.
Muss man das Teil haben? Ein eindeutiges „Ja“. Es ist wunderschön aufgemacht und bietet alle Wertigkeit, die man von einer Deluxe Edition erwarten darf. Klar – es gab schon 1998 ein Remaster und die meisten Tracks der CD 4 sind seitdem bekannt. Genial sind aber das 85er Konzert und die Dokumentation. Ob der Wilson-Remix unbedingt nötig wäre, sei mal dahin gestellt. Für Sound-Enthusiasten ist es sicherlich eine Offenbarung. Dazu zähle ich mich aber nicht.
Hinzu kommt eine Vinyl-Version. Diese offeriert die neu gemasterte Version des Originalalbums und das gesamte Holland-Konzert. Auf 180-Gramm-Viynl gepresst, sind die vier LPs in einer 12×12-Zoll-Box mit aufklappbarem Deckel verpackt, dazu gehört ein 24-seitiges Booklet, das unter anderem das Replikat eines Tourprogramms und einen ausführlichen Text über das Album und seine Entstehung enthält.
Zwei wundervolle Pakete also, um ein einmaliges Album zu feiern. So wünscht man sich das und so darf es weitergehen. Man munkelt, dass für „Clutching At Straws“ und „Brave“ eine ähnliche Neuveröffentlichung bei Parlophone geplant ist.
Bei den Tull-Jüngern weltweit füllt sich nach und nach das Bücherregal mit Neuauflagen der frühen Alben im Hardcover-Deluxe-Format. Aktuell gibt es den Klassiker „Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die!“ in einer Neu-Edition zum 40jährigen Jubiläum. Den Remix hat wiederum Meister Steven Wilson übernommen. Es gibt ohnehin keine Prog-Alben, an die er sich nicht heran wagt. Und was Wilson aus den alten Bändern macht, hat immer Hand und Fuß. Zudem wird immer eine Masse an neuem Material ausgegraben, das Fans und Musikkenner glücklich macht.
„Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die!“ sollte ursprünglich ein Werk für die Bühne werden. Ein Musical über einen alternden Rockstar, das jedoch nie fertig gestellt wurde. Stattdessen verwendete man das Material für Jethro Tulls neuntes Studioalbum, das somit logischerweise wieder zum Konzeptalbum wurde. Der Handlung kann man anhand eines Comics folgen, der ursprünglich auf der Innenseite der Doppel-LP abgedruckt wurde. Hier findet er sich im buchformatigen Booklet.
Ein Kuriosum haben wir direkt bei CD 1: Wilson verwendet nicht das originale Studioalbum für den Remaster, sondern eine TV-Studioaufnahme. Seinerzeit existierte eine Vorgabe der Gewerkschaften, die es der Band untersagte, das Original-Album lippensynchron für die Ausstrahlung im Fernsehen zu nutzen. Daher mussten Jethro Tull im März 1976 erneut ins Studio, um das gesamte Album für diesen Zweck neu einzuspielen. Diese Aufnahme verwendet Wilson für seinen Remix, da die originalen Multi-Track-Bänder des Albums nicht mehr auffindbar waren. Da, wo es möglich war, gibt es noch Remixe des Originals, die als fünf Bonustracks angehängt wurden.
Der Vollständigkeit halber bietet dann CD 2 das Originalalbum unbearbeitet sowie eine Reihe von Bonustracks wie „Commercial Traveller“, „Salamander Ragtime“ und eine frühe Version von „One Brown Mouse“. DVD 1 lässt uns an besagtem TV Special teilhaben, das bisher nicht käuflich zu erwerben war. Und da Steven Wilson seinen Perfektionismus – wie wir wissen – nie zügeln kann, liefert DVD 2 als Audio-DVD nochmal viele Tracks, die er zum Bearbeiten in die Finger bekommen hat, in Topqualität. Auch hier hat das Originalalbum seinen Platz.
In der bisherigen Remaster-Reihe ist „Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die!“ das Schwierigste, da Wilson weniger Original-Material zur Verfügung stand als bei den Werken zuvor. Trotzdem hat er das Beste daraus gemacht und liefert ein ansehnliches und vor allem anhörbares Gesamtpaket, das sie Historie von Jethro Tull fortschreibt. Im 80seitigen Booklet gibt es viele Infos zur Entstehungsgeschichte des Albums, massig unveröffentlichte Fotos und Track-by-Track-Infos von Ian Anderson himself. Fügt sich wunderbar in die Reihe ein.