Aus den dunklen psychedelischen Schatten Bergens kehren Himmellegeme mit ihrem zweiten Album „Variola Vera“ zurück. Himmellegemes Musik ist beeinflusst von atmosphärischem Progrock, die sich zusammenfügt, um einen jenseitigen und zeitlosen Sound zu erzeugen. Mit ihren knallharten Riffs, chilligen Melodien und melancholischen Texten schaffen Himmellegeme Musik, die vergangene Ereignisse in ihrem eigenen Leben und im Leben anderer abbildet.
Wenn man den Namen Steven Wilson in gängige Suchmaschinen eingibt, wird man regelrecht überflutet von Einträgen der unterschiedlichsten Art. Was dieser Mann (manche nennen ihn Genie) inzwischen gemacht hat, ist eine Legion musikalischer Einflüsse. Mir kam der Name erstmals 1997 unter, als Steven als Co-Songwriter und Produzent von Fishs “Sunsets On Empire” in Erscheinung trat und ironischerweise zwei Jahre später auch Marillion bei ihrem “.com” Album unterstützte.
Wilson war schon damals in allen Sparten des Progressive Rock unterwegs. Da waren zum einen natürlich Porcupine Tree – einst im Alleingang am Reißbrett mit gefälschter Bandbiographie entworfen – die sich vom exzentrischen Soloprojekt zur echten und authentischen Rockband der Gegenwart gemausert hatten. Dann gab es das Artpop Duo No-Man gemeinsam mit Sänger Tim Bowness, welches schon lange vor der Gründung von Porcupine Tree Wilsons Liebe zum Ambient Sound begründete. Außerdem trat der Tausendsassa mit dem israelischen Popstar Aviv Geffen unter dem Namen Blackfield auf und war zudem als Produzent für Größen wie Anathema und Opeth tätig.
Er hat den Backkatalog von ELP, Jethro Tull und King Crimson remastert und zeitgleich einige grandiose Soloalben veröffentlicht. So ist man gespannt, was er sich für das sechste Solowerk “The Future Bites” Neues einfallen ließ. Um es kurz zu sagen: Die Zeichen stehen auf Pop. Das sollte nicht verwundern, denn bereits Blackfield waren ein Projekt, das eher Progressive Pop als Progressive Rock zu bieten hatte und den Artrock verfeinerte. Spannend auch, dass der Brite unlängst das Meisterwerk “The Seeds of Love” von Tears for Fears remixen durfte. Hier hat er sich soundtechnisch definitiv inspirieren lassen.
Steven Wilsons sechstes Album ist eine Erkundungsreise in den menschlichen Verstand in Zeiten des Internets. Während er sich auf “To The Bone” (2017) mit den Problemen von Post-Wahrheiten und Fake News auseinandersetzte, nimmt Wilson die Hörerinnen und Hörer auf “The Future Bites” mit in eine Welt der Süchte des 21. Jahrhunderts. Es ist ein Ort, an dem beständig und ganz öffentlich mit den Auswirkungen aufkommender Technologien auf unser Leben experimentiert wird und an dem Klicks und Tiks wichtiger geworden sind als menschliche Interaktion. “The Future Bites” ist dabei weniger die trostlose Vision einer herannahenden Dystopie als vielmehr die spielerische Lesart einer Welt, die durch die Ereignisse dieses Jahres umso merkwürdiger und separierter erscheint.
Musikalisch gesehen ist “The Future Bites” gewohnt großartig: Elektronische Sounds, durch menschliches Einwirken verfremdet (“King Ghost”), sphärische Akustikklänge (“12 Things I Forgot”) oder Bass-getriebene Krautrock-Grooves, die sich in die Untiefen von Clickbaiting und Online-Radikalisierung begeben (“Follower”), verbinden sich zu Wilsons vielleicht konsistentestem Werk. Das neu entstandene “Count of Unease” ist ein schöner und schwermütiger Abschluss des Albums, das mit sphärischen Pianosounds hinaustreibt.
“The Future Bites” bietet alles, was ein großes Popalbum haben muss: Dancefloor-Charme der 80er im Retrosound, aber trotzdem glasklar produziert. Da lässt der Meister sich nicht lumpen. Klangcollagen und Keyboardflächen, elektronische Spoken Word-Passagen mit futuristischem Gehabe. Spielereien zwischen Funk und Akustiksound, die zum Teil durchaus radiotauglich sein mögen. Bisweilen klingen die Stücke wie ABBA meets Gorgio Moroder.
Erstaunlicherweise ist Stevens Stimme noch stärker geworden. Bei Porcupine Tree hat er sich oft hinter dem Wall of Sound versteckt und man hatte das Gefühl, er gehöre nicht an die Front der Bühne. Doch davon keine Spur mehr. Er singt wie ein junger Gott. Allerdings wie ein Pop-Gott. Der Prog-Gott ist vorerst eingemottet.
Gerade einmal 30 Minuten brauchen Aviv Geffen und Steven Wilson für ihre Reise durch die Welten des Artrock. Und dabei lassen sie kein Genre aus. Schon der Titelsong als Opener klingt wie frisch aus den 80ern importiert. Tears For Fears und die Pet Shop Boys lassen grüßen. Dabei geht der Track ohne Umschweife direkt ins Ohr – als sei er schon immer dort gewesen. Auch das hymnische “Under My Skin” schlägt mit orchestralen Elementen und breiten Keyboardflächen in diese Kerbe.
Der Einfluss des Proghelden Wilson ist nicht mehr so groß wie zu Anfangszeiten des Projekts. Alle Songs wurden vom israelischen Superstar Aviv Geffen geschrieben und komponiert – bereits im Jahr 2009 hat er allein die kreative Führung übernommen. Allerdings steuert Wilson die Vocals zum Triple “Over & Over”, “Falling” und “White Nights” bei und glänzt bisweilen an der Rhythmusgitarre.
“Garden Of Sin” liefert die melancholische Seite von Aviv, während “Over & Over” eine feine Gitarrenballade aus Steves Kehle erklingen lässt. Beide auf ihre Art mit prägnanten und sonoren Gesangslinien. Dazu kommt mit “Falling” ein typischer Artrock-Song, der voll auf Wilson zugeschnitten ist und von ihm genial interpretiert wird.
“For The Music” bietet zwar nur ein kurzes Vergnügen, dafür aber optimalen Genuss. Auch wenn das Duo als solches nur noch sporadisch zusammenarbeitet, liefern sie hier doch wieder neun feine Perlen virtuoser Popmusik. Die melancholische Grundstimmung passt dabei perfekt in die heutige Zeit. Stark und bedeutungsvoll!
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Am 20. November erscheint das neue Album “A Trace Of Memory” von Sanguine Hum. Nach dem vielbeachteten “Now We Have Power” aus dem Jahr 2018 triumphiert das neue Album mit sieben neuen Songs, darunter das dreizehnminütige Prog-Epos “The Yellow Ship”.
„Die Musik auf diesem Album wurde im Sommer 2018 in sehr kurzer Zeit geschrieben“, sagt Keyboarder Matt Baber. „Der Plan war, die Musik dann schnell mit dem gleichen spontanen Geist aufzunehmen, aber im Laufe der nächsten 12 Monate führten die Realitäten des Versuchs, die Aufnahme zu realisieren und gleichzeitig die Verpflichtungen aus dem„ echten Leben “in Einklang zu bringen, dazu, dass wir uns leider entschlossen, das Projekt einzustellen . Schneller Vorlauf bis März 2020 und plötzlich fügte das „echte Leben“ dem Vorhaben eine leichte Wendung hinzu, die wir nicht kommen sahen! ”
Herausgekommen ist ein Album, das ich am Ehesten mit einem verloren geglaubten Album von Steven Wilson vergleichen möchte: vertrackte Rhythmen, verträumte Klanglandschaften, quere Harmoniesprünge, die den Traum zerplatzen lassen, jazzige Parts, eine Stimme, die stark an Wilson erinnert (vielleicht liegt’s am Einfluß von No-Man Drummer Andrew Booker). Wem also der schleichende Wechsel eines Steven Wilson ins Popfach (ohne jegliche Wertung) nicht gefällt, der ist bei diesem Album bestens aufgehoben.
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Sanguine Hum begannen in den frühen 2000er Jahren als musikalische Zusammenarbeit zwischen den Schulfreunden Joff Winks und Matt Baber, die eine einzigartige Mischung musikalischer Kompositionen schrieben und aufnahmen, die von Künstlern wie Flaming Lips, Tortoise, Aphex Twin und Frank Zappa inspiriert waren. Die Band arbeitete unter drei verschiedenen Namen – Joff Winks Band, Antique Seeking Nuns und Nunbient – während dieser Zeit traten Bassist Brad Waissman und Schlagzeuger Paul Mallyon der Party bei. Mit der Veröffentlichung ihres ersten Albums, “Diving Bell” in 2009, entschied sie sich schließlich für den Namen Sanguine Hum.
Mit dem No-Man-Schlagzeuger Andrew Booker trat die Band 2012 beim prestigeträchtigen RoSFest-Festival auf – erhältlich als Live In America-Set – und veröffentlichte im folgenden Jahr ihr zweites Album, “The Weight Of The World”. Das neue Album wurde vom Prog Magazine als „Newcomer des Jahres“ nominiert und 2013 als eines der BBC Radio 6 Music Freakzone-Alben von Stuart Maconie ausgezeichnet.
“Now We Have Light”, eine äußerst ehrgeizige Konzept-Doppel-CD, wurde 2015 veröffentlicht, gefolgt von “Songs For Days”, einem Album, das sie drei Jahre vor “Diving Bell” als The Joff Winks Band aufgenommen hatten und unter dem Namen Sanguine Hum als “What We Ask Is Where We Begin” in 2016 veröffentlicht haben. Das 2018er “Now We Have Power”, ihr erstes Album mit der Bad Elephant Music-Familie, festigte Sanguine Hum’s Ruf in der Spitzengruppe der modernen progressiven Künstler.
2020 erscheint nun “A Trace Of Memory”, mit dem Sanguine Hum ihre Siegesserie fortsetzen.
Karisma Records ist ein unabhängiges Plattenlabel mit Sitz in Bergen, Norwegen. Sie arbeiten hauptsächlich mit Rock und progressiver Musik, obwohl ihr Hauptaugenmerk einfach auf hochwertiger Musik für musikaffine Menschen liegt. In Übereinstimmung mit dem populären Trend glauben sie fest an das physische Album, das durch digitale Alternativen ergänzt wird. Dementsprechend erscheinen immer wieder unter diesem Label hochwertige Re-Issues bereits vergriffener und stark nachgefragter Titel von Bands wie Ruphus, Seigmen oder jetzt auch Airbag. Für viele Remasterversionen zeichnet Jacob Holm-Lupo (White Willow, The Opium Cartel) verantwortlich, der schon fast an den Remasterstatus eines Steven Wilson rankommt.
Karisma Records veröffentlicht die überarbeitete Version des zweiten Albums “All Rights Removed” des norwegischen Prog/Art-Rock-Act Airbag. Ursprünglich im Jahr 2011 veröffentlicht, war dies die Fortsetzung des von der Kritik gefeierten Debütalbums „Identity“ aus dem Jahr 2009. Auf diesem Album machte die Band einen großen Schritt nach vorne, ohne ihren einzigartigen Sound zu verlieren. Im Vergleich zum Debüt hat “All Rights Removed” eine viel dunklere Atmosphäre und längere, epischere Songs.
Das Album wurde von White Willow-Mastermind Jacob Holm-Lupo akribisch für Vinyl remastered und ist das zweite in einer Reihe von remasterten Airbag-Vinyl-Veröffentlichungen auf Karisma Records. Schweres Doppelvinyl im Gatefold-Cover, auf massives rotes Vinyl gepresst.
Als einer der führenden norwegischen Prog-/Art-Rock-Acts mit einer bis dato soliden Fanbasis, war “The Greatest Show On Earth” das erste Airbag-Album, das direkt auf Vinyl veröffentlicht wurde, sowohl auf Schwarz- als auch auf Weiß-Vinyl. Mit einer Gesamtauflage von nur 1100 Stück ist diese Pressung seit vielen Jahren ausverkauft.
Auf dem Album setzen Airbag ihre Reise durch atmosphärische Klanglandschaften und ernste Themen fort, schaffen filmische Bilder und bringen Emotionen hervor, ziehen den Hörer in ihre Welt. Sie geben uns immer noch den Airbag-Sound und dieses Mal ist das Album etwas rauer und mit einigen härteren Teilen. “The Greatest Show on Earth” ist ein großer Schritt vorwärts für Airbag und fügt dem entzückenden Airbag-Universum neue Elemente hinzu.
Wer sich von der Musik von Pink Floyd, Porcupine Tree, Steven Wilson oder Talk Talk begeistern lässt und bis jetzt noch nichts von Airbag kannte, dem lege ich diese beiden Alben (natürlich als Vinyl) wärmstens ans Herz.
Mit „King Ghost“ veröffentlicht Steven Wilson einen neuen Song aus seinem sechstem Album „The Future Bites“, das am 29. Januar 2021 bei Caroline International erscheinen wird.
Wie der Titel es vermuten lässt, klingt „King Ghost“ geisterhaft, fast jenseitig; ein Song, der mit einem tief-pulsierenden Bass beginnt und in dessen Zentrum eindringlicher Gesang steht. „King Ghost“ war das erste Stück, das für „The Future Bites“ aufgenommen wurde. David Kosten (Everything Everything, Bat for Lashes) und Steven Wilson haben es koproduziert.
Das Video zu wurde unter der Regie von Jess Cope gedreht, die zuvor unter anderem „The Raven That Refused To Sing“, „Routine“ und „People Who Eat Darkness“ für Steven Wilson verfilmte.
Steven Wilson sagt zum Song: “King Ghost ist einer meiner Lieblingssongs des neuen Albums und ich denke, einer der schönsten, die ich je geschrieben habe; kraftvoll in seiner scheinbaren Einfachheit. Abgesehen von den Perkussions-Overdubs (gespielt von Jason Cooper von The Cure und Michael Spearman von Everything Everything), ist die Musik vollständig elektronisch. Analoge Keyboards erzeugen leuchtende, organische Muster und Töne. Ähnlich wie der Song konzentriert sich auch das Video, das Jess geschaffen hat, auf satte Farben und den Ausdruck von Gedanken und Gefühlen durch abstrakte Bilder, etwas, das unsere Zusammenarbeit auf neues Terrain geführt hat. Es ist umwerfend und ich bin unglaublich stolz auf die Kombination von Song und Video”.
Jess Cope erzählt: “Mit Steven zu arbeiten ist, auf eine gute Art und Weise, immer eine Herausforderung. Ich bin immer wieder erstaunt über seine Fähigkeit, die Grenzen seiner Musik zu erweitern, während er mit der Zeit geht. Als ich King Ghost zum ersten Mal hörte, war ich überwältigt, und es hat mich sofort zu einer gewissen Symbolik inspiriert. Dieses Stück ermutigte mich dazu, mich lebendigen Farben, Texturen und Mustern zu widmen. Ich arbeitete mit dem Animator zusammen, mit dem ich auch an “Routine” gearbeitet hatte und gemeinsam nutzten wir “gezeichnete” Animation, um einige großartige und greifbare Bilder für die Figur im Video zu erzeugen. Wir sind sehr stolz darauf, wie sich Musik und Video perfekt ergänzen”.
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Der Herbst kommt in großen Schritten und der erste Soundtrack für diese wunderbare Jahreszeit erscheint mit Tim Bowness’ “Late Night Laments”.
Tim Bowness schafft es auch bei seinem siebten Album ein dichtes, atmosphärisches Geflecht zu weben, das den Hörer von den ersten Klängen an einnimmt. Die sinnliche Schönheit der Musik, die häufig dunklen lyrischen Themen umfassen Meditationen über Generationenunterschiede, ideologisch motivierte Gewalt, soziale Ausgrenzung und den Abstieg eines beliebten Kinderautors in den Wahnsinn. Trotz der teilweise schwierigen Themen lädt die musikalische Umsetzung der Themen zum Träumen ein.
Das von Steven Wilson gemischte und von Calum Malcolm (The Blue Nile, Prefab Sprout) gemasterte Album – gemeinsam von Bowness und Brian Hulse produziert – kombiniert elektronische Klanglandschaften, akustische Instrumente und unerwartete Rhythmen zu einem eng fokussierten und emotional aufgeladenen Einstieg in sein zunehmend beeindruckender werdenden Solokatalog.
Neben der Studiozusammenarbeit mit Steven Wilson haben auch weitere namhafte Musiker aus der Progressive und Art Rock Szene an diesem Werk mitgewirkt: Tom Atherton, Richard Barbieri, Evan Carson, Colin Edwin, Alistair Murphy, Kavus Torabi oder Melanie Woods.
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Bereits im Januar diesen Jahres ist “Flickering Lights” von MRS. KITE erschienen, das ein frühes Ausrufezeichen bei den Neuerscheinungen für progressiven Art Rock setzten sollte.
Es gibt Musik und Alben, die brauchen ihre Zeit bis sie zu dem gereift sind, was sie bei Veröffentlichung bereits sind, absolute Qualitätsalben. Das schaffen MRS. KITE mit Bravour und stehen mit dem Album den letzten Veröffentlichungen eines Ausnahmekünstlers wie Steven Wilson in nichts nach. Das liegt vielleicht auch an der Tatsache, dass sie musikalisch nahe an dem besagten Künstler liegen und Florian Schuch stimmlich teilweise sehr ähnlich klingt. Aber Vergleiche sollen ja nur der groben Einordnung dienen, denn das Album bietet sehr vielschichtig ein Mehr als nur Vergleichbarkeit.
Der Anspruch der Band ist, vielseitige, innovative und somit im wahrsten Sinne des Wortes “progressive” Musik auf Tonträger und Bühne zu bringen. So begegnen dem Hörer auf der einen Seite spährische Keyboardflächen, zarte Piano-Parts, auf der anderen Seite tiefgestimmte Gitarrenriffs, beides häufig kombiniert mit durcharrangiertem Satzgesang.
MRS. KITE sind vier Überzeugungstäter aus Köln, die für ihre drei Alben jeweils mit dem “Deutschen Rock & Pop Preis” in der Kategorie “Beste Progressiveband” ausgezeichnet wurde.
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Der eine ist der unumstrittene Tausendsassa des Progressive Rock: Steven Wilson hat mit Porcupine Tree den Prog in neue Sphären gehoben, macht Ambient mit Bass Communion, Artpop mit No-Man, ist inzwischen als umjubelter und von der Kritik gefeierter Solokünstler unterwegs und remastert ein klassisches Album nostalgischer Prog- und Rockkünstler nach dem anderen. Aviv Geffen hingegen ist ein Popstar in Israel. Seine Platten sind fast ausschließlich in seiner Heimat erfolgreich, dort aber ist er ein gefeierter Künstler.
Beide hat das Schicksal im Jahr 2001 trotz ihrer vollen Terminkalender zusammen geführt und mit Blackfield haben sie eine einzigartige Band geschaffen, die dazu führte, dass inzwischen auch Aviv Geffen internationale Erfolge feiern konnte. Die fünf bisherigen Alben, alle bis auf das dritte (“Welcome To My DNA”) immer mit römischen Ziffern durchnummeriert, bieten eine Form von Pop, die perfekter nicht sein könnte. Bei der Beteiligung von Wilson als Perfektionist in Person auch nicht weiter verwunderlich.
Der Sound der Songs ist lautmalerisch, harmonisch, bisweilen mit Streichern unterlegt und meist mit Geffens charismatischer Gesangsstimme versehen. Wer sich davon überzeugen will, kann mit “Open Mind” durch den Backkatalog des Duos schlendern – vom ersten Album aus dem Jahr 2004 bis zum aktuellen Werk, das von keinem Geringeren als Alan Parsons produziert wurde. Steven Wilson hat mit diesen Stücken seine ersten Schritte in klassischer und vor allem kunstvoller Popmusik gemacht, Aviv Geffen konnte über den Tellerrand Israels hinausschauen und sich dort sichtlich wohlfühlen.
Blackfield ist ein äußerst gelungenes Experiment der Prog- und Popgeschichte. An wem dies bisher vorbei gegangen ist, der sollte hier schleunigst zuschlagen.
Da hat Steven Wilson in den Interviews der vergangenen Wochen ja einige interessante Aussagen getätigt. Er will nicht länger der Guru des Progressive Rock sein und stattdessen lieber David Bowie beerben. Ob da der Größenwahn mit ihm durchgeht? Doch er hat allen Grund, an sich und seine Qualitäten zu glauben. Gott und die Welt – zumindest im Bereich des Prog – bitten ihn, ihre Alben neu abzumischen und zu perfektionieren. Seien es Jethro Tull, Marillion, King Crimson oder ELP. Mit Porcupine Tree hat er schon vor Jahrzehnten Legendenstatus erlangt. Und auch seine Soloalben “The Raven That Refused To Sing” und “Hand. Cannot. Erase.” wurden in Artrock-Kreisen abgefeiert.
Was soll das also nun mit der Hinwendung zum Pop? Eigentlich ist das auch gar nicht so neu bei Steven Wilson. Immerhin hat auch sein Projekt Blackfield mit dem israelischen Popstar Aviv Geffen einige mainstream-taugliche Melodien zu bieten. Viel mehr übrigens, als Wilsons aktuelles Album “To The Bone”.
Obwohl dieses nämlich ein modernes Pop-Album geworden ist, kann man kaum von Radiotauglichkeit sprechen. Sicher gibt es einige Ohrwurmmelodien und akustische Gitarrenklänge, doch es bietet weitestgehend futuristisch angehauchte Rockmusik und viele sphärische Passagen. Wilson wirft hier alles in die Waagschale, was er zu bieten hat: kleine Soundspielereien, Klangvisionen, kreativen New Pop. Vergleiche mit Peter Gabriel, Tears For Fears und besagtem David Bowie sind da gar nicht so weit her geholt. Und wer zur Jahrtausendwende Porcupine Tree mit “Lightbulb Sun” gehört hat, weiß, dass derlei melodische Ideen auch für Wilson nicht ganz neu sind.
Textlich bewegen sich die elf neuen Stücke zwischen Chaos und Paranoia der postfaktischen Ära, schleichenden Selbstzweifeln im Technologie-Zeitalter und präzisen Beobachtungen von religiösen Eiferern.
Spannend mag sein, dass das Album es in die Top 3 der deutschen und britischen Charts schaffte. Trotzdem werden ihn die Otto Normal-Radiohörer kaum kennen. Der unbekannteste Superstar Großbritanniens? Das ist Steven Wilson definitiv. Bleibt zu hoffen, dass er nicht immer ein Geheimtipp bleiben wird. “To The Bone” ist ein wundervolles Album, dass man immer und immer wieder hören kann, um ständig Neues zu entdecken. Wilson findet nicht nur die Perlen in den Songs anderer Künstler – er kann auch sein eigenes Werk mit einigen Perlen versehen, die man erst nach mehrmaligem Hören entdeckt.
Vor 32 Jahren (am 17. Juni 1985) erschien mit “Misplaced Childhood” das wichtigste Album der Progressive Rocker Marillion aus Aylesbury, das bis heute Kultstatus genießt. Für viele war und ist es die perfekte Verbindung aus Progressive Rock und Pop. Großen Anteil daran trägt die Hitsingle “Kayleigh”. Mit dem Erfolg hatte wohl keiner gerechnet. Überhaupt waren Marillion alles andere als Garanten für hohe Positionen in den Charts. “Garden Party” hatte es gerade mal auf Platz 16 geschafft.
“Misplaced Childhood” und “Kayleigh” waren der Wendepunkt. Das großartige Konzept des Albums funktioniert bis heute: In gut 41 Minuten erzählt Sänger Fish eine autobiographische Geschichte vom Durchleben der Pubertät. Erste große Liebe, erste Enttäuschung, die Suche nach dem Platz im Leben. Die schottischen Wurzeln des Sängers werden ebenso thematisiert wie sein Freundeskreis, der Tod des Ersten aus ihrer Mitte – die Höhen und Tiefen eines Teenagerlebens. Die Gedankenreise kulminiert im Sprung zum Erwachsensein, gleichzeitig mit der Erkenntnis, dass die Kindheit niemals aufhört, und dem Widerstand gegen gesellschaftliche Vorgaben.
Die musikalische Intensität des Albums, dessen Stücke ineinander übergehen und daher eine große Rock-Suite bilden, wirkt bis heute. Da waren vier großartige Instrumentalisten und ein formidabler Sänger zusammen und konnten sich voll ausleben. Man kann immer noch Neues entdecken – das ging auch der Band so, als sie für die BluRay-Dokumentation mit Produzent Chris Kimsey zusammen saßen und die Bänder im Abstand von über dreißig Jahren erneut abhörten.
Inzwischen ist viel passiert. Fish ist seit 29 Jahren nicht mehr Frontmann der Band und wurde durch Steve Hogarth ersetzt. Marillion lassen ihre Vergangenheit meist ruhen und konzentrieren sich auf aktuelle Werke. Hits wie “Kayleigh” und “Lavender” werden höchstens einmal auf Support-Touren, Festivals oder Fanclub-Events gespielt. Fish hingegen hält die Fahne der 80er weit nach oben und war erst kürzlich noch mit dem kompletten “Misplaced Childhood”-Album auf Tour.
Die Rechte an den 80er-Alben gingen mit dem Verkauf von Parlophone, das früher zum EMI Label gehörte, an Warner Music über. Für die Neuveröffentlichung hat man sich einiges einfallen lassen. Das Album erscheint als Hardcover im DVD-Format und enthält vier CDs und eine BluRay. Hinzu kommt ein 60seitiges, informatives Booklet mit den Songtexten und vielen Fotos (darunter auch eine sehr einträchtige, aktuelle Aufnahme der zeitweise zerstrittenen Bandmitglieder mit Chris Kimsey). Ein langer Text stammt vom Rockjournalisten Dave Everley und ist mit vielen Zitaten der Beteiligten unterlegt. Hinzu kommen zwei kurze Statements von Mark Wilkinson, der das Artwork des Albums verantwortet, und Robert Mead, der als Junge auf dem Cover verewigt wurde. Wunderschöne Aufmachung – viele Infos!
CD 1 enthält dann das remasterte Originalalbum. CD 2 und 3 liefern ein komplettes Konzert der “Misplaced Childhood” Tour, das am 15. Oktober 1985 in Utrecht aufgenommen wurde, bisher unveröffentlicht ist und zugleich die erste offizielle Veröffentlichung eines Marillion-Konzerts aus dem Jahr 1985 darstellt. Das Mixing erfolgte durch Michael Hunter, die Tonqualität ist hervorragend – Fans werden begeistert sein. CD 4 widmet sich schließlich den B-Seiten (“Freaks” und “Lady Nina”), man findet alternative Mixe, Single-Versionen, Demos (zum Teil mit einer unfertigen Textfassung) und als besonderes Bonbon den Steve Wilson Remix von “Lady Nina”.
Und da wären wir auch schon bei Steven Wilson: Der Sänger, Multi-Instrumentalist, Toningenieur und Produzent ist der Tausendsassa des Progressive Rock, hat nach dem Ende von Porcupine Tree reihenweise weitere Projekte am Laufen und widmet sich seit Jahren dem Remastering von Alben alternder Prog- und Rock-Heroen wie Jethro Tull, Yes und Chicago. Dabei gilt er als Perfektionist und das Ergebnis ist meist überragend. Die BluRay enthält das von Steven Wilson remixte Original-Album im 5.1 Surround Sound und das Remaster 2017 in hochaufgelösten 96kHz 24 bit.
Eine 72minütige Doku zeigt Fish, Steve Rothery, Mark Kelly, Ian Mosley, Pete Trewavas und Chris Kimsey in trauter Runde im Tonstudio. Sie hören in das Album rein und erzählen Anekdoten und Erinnerungen aus der Entstehungszeit. Sehr entspannt sieht das aus – von Feindseligkeiten keine Spur. Stattdessen schwelgt man gemeinsam in Erinnerungen und es macht großen Spaß, dem zuzuhören. Allerdings muss man der englischen Sprache mächtig sein, da es keine Untertitel gibt. Abgerundet wird der Video-Teil durch die Promo Videos zu “Kayleigh”, “Lavender”, “Heart of Lothian” und “Lady Nina”.
Muss man das Teil haben? Ein eindeutiges “Ja”. Es ist wunderschön aufgemacht und bietet alle Wertigkeit, die man von einer Deluxe Edition erwarten darf. Klar – es gab schon 1998 ein Remaster und die meisten Tracks der CD 4 sind seitdem bekannt. Genial sind aber das 85er Konzert und die Dokumentation. Ob der Wilson-Remix unbedingt nötig wäre, sei mal dahin gestellt. Für Sound-Enthusiasten ist es sicherlich eine Offenbarung. Dazu zähle ich mich aber nicht.
Hinzu kommt eine Vinyl-Version. Diese offeriert die neu gemasterte Version des Originalalbums und das gesamte Holland-Konzert. Auf 180-Gramm-Viynl gepresst, sind die vier LPs in einer 12×12-Zoll-Box mit aufklappbarem Deckel verpackt, dazu gehört ein 24-seitiges Booklet, das unter anderem das Replikat eines Tourprogramms und einen ausführlichen Text über das Album und seine Entstehung enthält.
Zwei wundervolle Pakete also, um ein einmaliges Album zu feiern. So wünscht man sich das und so darf es weitergehen. Man munkelt, dass für “Clutching At Straws” und “Brave” eine ähnliche Neuveröffentlichung bei Parlophone geplant ist.
Mit ihrem dritten Studioalbum Misplaced Childhood erweckten Marillion den Progressive Rock im Jahr 1985 wieder zum Leben. Das Konzeptalbum wurde das kommerziell erfolgreichste Album des britischen Quintetts und enthielt mit „Kayleigh“ und „Lavender“ zwei UK-Top-Five-Songs. Parlophone würdigt den Erfolg des Albums nun mit zwei neuen Versionen, die mit remastertem Sound und unveröffentlichten Aufnahmen aufwarten.
Misplaced Childhood (Deluxe Edition) erscheint am 21. Juli in einer 4CD/BluRay Box und in einer 4-LP-Version! Das CD/BluRay-Set enthält das neu remasterte Originalalbum und einen 5.1. Surround Remix, der vom renommierten Producer Steven Wilson angefertigt wurde. Das Paket wird durch ein bisher unveröffentlichtes Konzert in Holland ergänzt, auf dem Marillion das komplette Album Misplaced Childhood live spielten, sowie Demos und Raritäten zum Album, die exklusiv für diese Edition remastert wurden.
Die BluRay-Disc präsentiert eine einstündige Dokumentation zum Album und Promo-Videos zu den Singles „Lavender“, „Kayleigh“, „Lady Nina“ und „Heart Of Lothian“. Ebenfalls auf der Disc befindet sich das von Steven Wilson remixte Original-Album im 5.1 Surround Sound und das Remaster 2017 in hochaufgelösten 96kHz 24 bit. Das Set wird abgerundet durch Wilsons Surround Sound- und Stereo-Remixe von „Lady Nina“, das als B-Seite zu „Kayleigh“ erschienen war. Das gesamte Set wird in Form eines gebundenen Buchs ausgegeben, das einen 60-seitigen, bebilderten Text mit Liner-Notes des Rockjournalisten Dave Everley enthält.
Die Vinyl-Version von Misplaced Childhood (Deluxe Edition) offeriert die neu gemasterte Version des Originalalbums und das gesamte Holland-Konzert. Auf 180-Gramm-Viynl gepresst, sind die vier LPs in einer 12×12-Zoll-Box mit aufklappbarem Deckel verpackt, dazu gehört ein 24-seitiges Booklet, das unter anderem das Replikat eines Tourprogramms und einen ausführlichen Text über das Album und seine Entstehung enthält.
Sänger Derek Dick (aka Fish), Gitarrist Steve Rothery, Keyboarder Mark Kelly, Bassist Pete Trewavas und Percussionist Ian Mosley nahmen Misplaced Childhood im Frühjahr 1985 im Berliner Hansa-Tonstudio auf. Als Konzeptalbum mit zwei durchgehenden Musikstücken, erforscht der Song-Zyklus die Themen verlorene Liebe, verlorene Kindheit und andere komplexe Zusammenhänge. Misplaced Childhood wurde im Juni 1985 veröffentlicht und hatte aus dem Stand einen riesigen Erfolg. Es katapultierte sich auf Platz 1 der UK-Charts (#3 in Deutschland) und wurde mit Platin ausgezeichnet. Drei große Hits ließen das Album zeitlos werden: “Kayleigh” (UK #2, D #7), “Lavender” (UK #5) und “Heart Of Lothian” (UK #29).
Das Live-Konzert, das sich auf Disc zwei und drei (LP Seiten 2-4) befindet, wurde 1985 im Muziekcentrum Vredenburg in Utrecht mitgeschnitten. Die Performance enthält das gesamte Album Misplaced Childhood sowie einige Songs aus den früheren Alben der Band, etwa „Script For A Jester’s Tear“ und „Fugazi“. Keine der Live-Aufnahmen wurde je vorher veröffentlicht, außer „Chelsea Monday“, das als B-Seite von „Heart Of Lothian“ in dieser Version erschien.
Bei den Tull-Jüngern weltweit füllt sich nach und nach das Bücherregal mit Neuauflagen der frühen Alben im Hardcover-Deluxe-Format. Aktuell gibt es den Klassiker „Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die!“ in einer Neu-Edition zum 40jährigen Jubiläum. Den Remix hat wiederum Meister Steven Wilson übernommen. Es gibt ohnehin keine Prog-Alben, an die er sich nicht heran wagt. Und was Wilson aus den alten Bändern macht, hat immer Hand und Fuß. Zudem wird immer eine Masse an neuem Material ausgegraben, das Fans und Musikkenner glücklich macht.
„Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die!“ sollte ursprünglich ein Werk für die Bühne werden. Ein Musical über einen alternden Rockstar, das jedoch nie fertig gestellt wurde. Stattdessen verwendete man das Material für Jethro Tulls neuntes Studioalbum, das somit logischerweise wieder zum Konzeptalbum wurde. Der Handlung kann man anhand eines Comics folgen, der ursprünglich auf der Innenseite der Doppel-LP abgedruckt wurde. Hier findet er sich im buchformatigen Booklet.
Ein Kuriosum haben wir direkt bei CD 1: Wilson verwendet nicht das originale Studioalbum für den Remaster, sondern eine TV-Studioaufnahme. Seinerzeit existierte eine Vorgabe der Gewerkschaften, die es der Band untersagte, das Original-Album lippensynchron für die Ausstrahlung im Fernsehen zu nutzen. Daher mussten Jethro Tull im März 1976 erneut ins Studio, um das gesamte Album für diesen Zweck neu einzuspielen. Diese Aufnahme verwendet Wilson für seinen Remix, da die originalen Multi-Track-Bänder des Albums nicht mehr auffindbar waren. Da, wo es möglich war, gibt es noch Remixe des Originals, die als fünf Bonustracks angehängt wurden.
Der Vollständigkeit halber bietet dann CD 2 das Originalalbum unbearbeitet sowie eine Reihe von Bonustracks wie „Commercial Traveller“, „Salamander Ragtime“ und eine frühe Version von „One Brown Mouse“. DVD 1 lässt uns an besagtem TV Special teilhaben, das bisher nicht käuflich zu erwerben war. Und da Steven Wilson seinen Perfektionismus – wie wir wissen – nie zügeln kann, liefert DVD 2 als Audio-DVD nochmal viele Tracks, die er zum Bearbeiten in die Finger bekommen hat, in Topqualität. Auch hier hat das Originalalbum seinen Platz.
In der bisherigen Remaster-Reihe ist „Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die!“ das Schwierigste, da Wilson weniger Original-Material zur Verfügung stand als bei den Werken zuvor. Trotzdem hat er das Beste daraus gemacht und liefert ein ansehnliches und vor allem anhörbares Gesamtpaket, das sie Historie von Jethro Tull fortschreibt. Im 80seitigen Booklet gibt es viele Infos zur Entstehungsgeschichte des Albums, massig unveröffentlichte Fotos und Track-by-Track-Infos von Ian Anderson himself. Fügt sich wunderbar in die Reihe ein.
Für Fans der britischen Progressive Rocker Jethro Tull waren die letzten Jahre ein Fest. Soundtüftler Steven Wilson nimmt sich ein Werk nach dem anderen vor und Chrysalis / Warner Music veröffentlicht die neu gemischten Versionen in exorbitant gut ausgestatteten Boxen, die den Rahmen jeder CD-Sammlung sprengen und für echte Fans vermutlich die Anschaffung einer eigenen Vitrine nötig machen.
Nach dem Meilenstein “Benefit” und dem virtuosen Konzeptwerk “A Passion Play” ist nun das “War Child” Album aus dem Jahr 1974 an der Reihe. Im Anschluss an ihre höchst komplexen Konzeptalben (da war ja auch noch das fulminante “Thick As A Brick”) kehrten Jethro Tull mit “War Child” wieder zur Songstruktur zurück. Doch auch dieses Werk war mehr als ein reguläres Studioalbum, das aus einzelnen Songs bestand. Vielmehr war es als Gesamtkunstwerk geplant, das zusätzlich einen Feature-Film und ein Soundtrack-Album enthalten sollte – doch Film und Soundtrack wurden leider nie realisiert.
“Bungle In The Jungle” – der wohl bekannteste Track des Albums – war schon älter und ist 1972 bei Aufnahmen in der Nähe von Paris entstanden, die nie zu einem eigenständigen Album wurden. Jetzt passte es in die skurrile geplante Filmgeschichte, bei der ein Mädchen im Jenseits auf die Charaktere Gott, Petrus und Luzifer treffen sollte. Warum es zu diesem Konzeptwerk nie kam? Vermutlich hatte Ian Anderson nach “A Passion Play” zu viel (unberechtigte) Kritik einstecken müssen und entschied sich, in Zukunft wieder einfache Songsammlungen anstatt ambitionierter inhaltlicher Projekte auf den Weg zu bringen. Kommerziell vermutlich die bessere Entscheidung – künstlerisch aber eine Schande.
Um den 40. Jahrestag zu zelebrieren, erscheint das Album nun als limitierte “40th Anniversary Theatre Edition” in einem neuen Stereomix und im 5.1 Surround Sound. Wilson hat wieder wundervolle Arbeit geleistet und bringt die Klassiker auf ganz neue Art zum klingen. Das Album enthält zusätzlich bisher unveröffentlichte Tracks, Orchester-Stücke und selten gezeigtes Video-Footage, dazu kommt ein 80-seitiges Booklet.
“The Second Act” liefert viel Material, das zum ursprünglichen Albumkonzept gehörte und zum Teil nie offiziell veröffentlicht wurde, die “Orchestral Recordings” fassen zehn Orchesterstücke zusammen, von denen neun bisher noch nie andernorts erschienen sind. Vor allem das Booklet mit einer Synopsis des Filmskripts verhilft dazu, sich einen guten Eindruck von dem geplanten Projekt zu verschaffen. Wenn man dann noch die orchestralen Tracks als Filmmusik betrachtet und alles um die nicht verwendeten Stücke ergänzt, kann man sich den “War Child” Film zumindest herbei träumen. Auf jeden Fall grandios, wie Jethro Tull ihre Vergangenheit aufarbeiten – und nebenbei den Geldbeutel der Fans in Anspruch nehmen. Die Anschaffung lohnt aber!
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Wenn über die Größen des Progressive Rock aus den 70er Jahren gesprochen wird, nennt man meist Bands wie Pink Floyd, Genesis und Jethro Tull. Ein wichtiger Vertreter wird aber häufig vergessen: Gentle Giant, die von 1970 bis 1980 aktiv waren und mit ihren komplexen, oft vertrackten Arrangements eine Generation von Musikern ebenso prägten, wie die genannten hochrangigen Vertreter.
Ian Anderson von Jethro Tull nannte sie in einem Interview seine “favorite prog band” und lobte die Intensität ihrer Musik. Peter Banks von Yes beschrieb sie als “außergewöhnlich” und Jordan Rudess (Dream Theater) bezeichnet Gentle Giant als größten musikalischen Einfluss seines Erwachsenwerdens. Und natürlich ist auch Steven Wilson mal wieder mit ihm Spiel: Der Mastermind von Porcupine Tree nimmt sich momentan des Backkatalogs von Gentle Giant an. Er hat “The Power And The Glory“, das sechste Album der Band, komplett neu abgemischt.
Das Werk aus dem Jahr 1974 erreichte Platz 78 der amerikanischen Charts. Es handelt sich dabei um ein Konzeptalbum, dass sich mit den Themen Politik und Machtmissbrauch beschäftigt. Musikalisch hört man Prog und Pop, aber vor allem deutliche Einflüsse aus Jazz und Blues. Für den Normalhörer ist es definitiv kein leicht zu konsumierendes Werk, was erklären mag, dass Gentle Giant nie breite Hörerschichten erreichten. Prog ist Musik für Musiker – solche Vorurteile entstehen nicht von ungefähr.
Steven Wilson geht wie gewohnt mit Vorsicht, aber mit dem ihm eigenen Perfektionismus an das Album heran. Es klingt nach seiner Arbeit wieder sehr modern und die Verliebtheit ins kleinste Detail ist deutlich spürbar. Die leisen Klänge neu zu beleben und die musikalische Lupe anzusetzen – das ist stets Wilsons Verdienst. Die Vermischung von elektronischen Instrumenten mit Gitarren, fortwährende Takt- und Tempowechsel und vor allem das dominante Keyboard wurden und werden von den Vertretern des Neoprog gerne kopiert.
Zum 40. Geburtstag schafft Steve Wilson kein Wunder. Das Album wird nicht etwa zugänglicher, aber damit hat wohl auch keiner gerechnet. Wir lauschen weiter andächtig dem komplexen Gesamtbild, mehrstimmigem Gesang und dem manchmal etwas schrägen Sound. Mir liegt nur die remasterte CD-Version vor, doch natürlich steht der Name Wilson für einen DTS 5.1 Sound, den es im BluRay-Format zu erwerben gilt.
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Mit dem dritten Album hatten Jethro Tull Anfang der 70er Jahre ihren ureigenen Stil gefunden und gingen den Weg in eine musikalische Richtung, die im Anschluss Meisterwerke wie “Aqualung” und “Thick As A Brick” möglich machte. Schon beim Debüt war klar, dass die Band von Gründer und Songwriter Ian Anderson dominiert wird, der als Multi-Instrumentalist u.a. Querflöte, Saxophon, Tin Whistle, Mundharmonika, Gitarre und Mandoline beherrschte. Und vor allem die Querflöte sollte es sein, die Jethro Tull bis heute ein absolutes Alleinstellungsmerkmal in der internationalen Musikszene gibt.
Trotz vieler Nachahmer bleibt Ian Anderson als auf einem Bein stehender Flötist der einzige international erfolgreiche Musiker, der dieses Instrument als tragendes Melodiewerkzeug einsetzt und mit dem jeder Nachahmungstäter verglichen wird. Das Album “This Was” zeigte sich noch sehr blueslastig, beim zweiten Album “Stand Up” wurde der Folkrock-Einfluss stärker und “Benefit” schließlich wurde ihr bis dahin stärkstes Album mit rockigen und progressiven Anteilen, dominanten Gitarren und der allgegenwärtigen Querflöte. Schön, dass auch dieses Werk nun eine “Collector’s Edition” erfährt.
Wenn ein Remastering im Bereich des Progressive Rock ansteht ist Soundmaster Steven Wilson (Porcupine Tree, Blackfield) allererste Wahl. Bei King Crimson war er schon am Werk und seit einiger Zeit dürfen sich auch Jethro Tull einer Sonderbehandlung erfreuen. Wilsons Stereo Mixes klingen sehr sauber, in die heutige Zeit transportiert und dennoch geht das einstige LP-Feeling nicht verloren. Ich hatte große Freude, das Album im Auto zu hören und viele Elemente wieder zu entdecken, die Jethro Tull in den 70ern so groß gemacht haben.
Das schöne Paket bietet den üblichen Mehrwert, den schon andere Tull-ReReleases hatten. Auf CD 1 finden sich fünf Extratracks, nämlich “Singing All Day”, “Sweet Dreams”, “17” und “Teacher”, letzteres je in der UK- und US-Single-Version. CD 2 bietet hauptsächlich Mono-Tracks aus den Recording und Promo Sessions zum Album und die DVD im 5.1-Surround-Mix ist wieder das Highlight, da Wilson seinen ganzen Perfektionismus und seine Detailverliebtheit hinein gesteckt hat, um einen neuen musikalischen Leckerbissen und ein gänzlich neues Hörgefühl für die alten Tracks zu schaffen. Zusätzlich ist das Album auf der DVD in der jeweiligen UK- und US-Version enthalten, die seinerzeit mit verschiedenen Tracklistings erschienen (wohlgemerkt: Audio only!).
Mit “The Raven That Refused To Sing (And Other Stories)” hat Steven Wilson ein Album geschaffen, das die meisten Progger hinter sich vereint. Es führte ihn in die Top 10 der deutschen Albumcharts – und das hat seit seligen Marillion-Glanzzeiten kein echtes Progressive Rock-Album mehr geschafft. Woran es lag? Wilson ist in allen Sparten unterwegs. Da sind zum einen natürlich Porcupine Tree – einst im Alleingang am Reißbrett mit gefälschter Bandbiographie entworfen – die sich vom exzentrischen Soloprojekt zur echten und authentischen Rockband der Gegenwart gemausert haben. Dann gibt es das Art-Pop-Duo No-Man gemeinsam mit Sänger Tim Bowness, welches schon lange vor der Gründung von Porcupine Tree Wilsons Liebe zum Ambient Sound begründete. Außerdem tritt der Tausendsassa mit dem israelischen Popstar Aviv Geffen unter dem Namen Blackfield auf und ist zudem als Produzent für Größen wie Anathema und Opeth tätig. In letzter Zeit hat er Alben von ELP, Jethro Tull und King Crimson remastert, was vielleicht erklärt, warum sich neuerdings deutliche Jazzrock- und Retro-Prog-Einflüsse in seinen Werken finden.
Was man auch denken mag: Steven Wilson ist Perfektionist. Der gute Klang geht ihm über alles. Kritiker merken an, dass die Konzerte so sauber klingen, dass man sich auch genau so gut die CD zu Hause auf dem Sofa anhören könnte. Durchaus richtig. Eine gewisse Sterilität mag live und im Studio vorhanden sein. Doch es ist nun mal diese große Qualität, die Freunde des Artrock aufhorchen lässt und aufgrund derer Scharen von Musikern und Musik-Interessierten zu seinen Jüngern zählen.
Man sollte meinen, dass nach dem letzten Meisterwerk eine Pause anstand. Doch der Tausendsassa steht niemals still. Zunächst war nur eine EP geplant, die Überreste der Raven-Session mit Videos und Outtakes mischen sollte. Im Mittelpunkt steht auch immer noch der Single-Edit von “Drive Home”, doch der Mehrwert, der sich anschließt, übersteigt EP-Ausmaße deutlich.
In 50 Minuten CD-Länge bekommen wir eine Orchesterversion von “The Raven That Refused To Sing” und danach vier überaus starke Live-Titel vom Konzert in Frankfurt. Noch mehr dürften sich Fans über den gänzlich neuen Song “The Birthday Party” freuen, der ein typisches Feuerwerk aus Wilsons Feder abbrennt. Dazu gibt es eine DVD mit zwei Videoclips und besagten vier Live-Songs. Und die 5.1-Surround-Jünger ergötzen sich am Audio-Content, der “The Birthday Party” und die orchestrale “Raven”-Version im perfektionistischen Soundgewand bereit hält.
Nachdem die Euphorie um das Album inzwischen weitgehend verklungen ist, kann die “Drive Home”-EP es dem geneigten Fan durchaus wieder näher bringen. Momentan ist Wilson wie ein König Midas des Progressive Rock. Was er anpackt, wird zu Gold.
Seit mittlerweile über zehn Jahren beehrt die polnische Band Riverside die Musik-Welt mit Werken, die vor allem in der Prog- und Artrock-Szene eine stetig wachsende Fangemeinde gefunden haben. Nun liegt das fünfte Werk der Polen mit dem etwas sperrigen Titel „Shrine Of New Generation Slaves” vor. Schon eins wird beim erstmaligen Hören klar: Riverside haben sich seit dem letzten Album „Anno Domini High Definition” musikalisch stark weiterentwickelt, eine Entwicklung, die gerade die Fans des letzten Albums verwundern dürfte. War ADHD (Englisch für ADHS) noch ein wildes Feuerwerk aus progressiven und verschwurbelten Sounds sowie überlangen Tracks, legen Mariusz Duda und seine drei Mitstreiter mit SONGS (ja, Duda ist ein Fan von Akronymen) ein Album vor, das in seiner Songorientiertheit für Riverside neuartig ist. Und dieses Album ist verdammt gut gelungen.
Weg sind die metallischen, rasenden Nummern, wie man sie noch von ADHD kennt, oder die ausufernden Eskapaden wie man sie auf der Dream-Reality-Trilogie hören kann. Riverside müssen niemandem mehr beweisen, wie vielseitig sie sind. Auf dem neuen Album dominiert ehrliche und handgemachte Rockmusik mit wunderschönen Melodien. Nicht zu überhören sind nach wie vor die Siebziger-Jahre-Einflüsse, hinzugekommen sind Elemente aus dem Blues und dem Jazz und auch Fans von Dudas Side-Projekt Lunatic Soul werden den einen oder anderen charakteristischen Sound wiedererkennen. Dennoch: Riverside bleiben Riverside bleiben Riverside, deswegen werden Fans der typischen verträumten Melodien und Mariusz Dudas einzigartiger Stimme bei SONGS nichts vermissen. Mit 12 Minuten Spielzeit bedient der Dreiteiler „Escalator Shrine” sogar diejenigen, die gerne ein bisschen länger in einem Song schwelgen wollen. Also doch Prog? Ja und nein. Es gibt keine harten Brüche mehr in der Musik – sie ist organischer geworden, aber von klassischen Songstrukturen sind auch die neuen Nummern noch weit entfernt.
Thematisch befasst sich SONGS mit der modernen Gesellschaft und ihren Wohlstandkrankheiten – eine Weiterführung des Themas der Schnelllebigkeit, die bei ADHD dominierte. Allerdings überwiegen hier nicht der Hass oder die Wut auf die Moderne, vielmehr begibt sich Duda in Songs wie „New Generation Slave” und „Celebrity Touch” auf Spurensuche in der Psyche des immer gestressten, nimmersatten Menschen, der alles hat, aber immer mit einem Gefühl der Unzulänglichkeit durch die Welt geht. Ruhigere Titel wie „We Got Used To Us” und „Deprived” befassen sich mit der Ausweglosigkeit und der Einsamkeit des entfremdeten Menschen. Die Texte kommen aber nie belehrend oder mit einem erhobenen Zeigefinger daher, sondern sind teilweise sogar humorvolle Beobachtungen einer Entwicklung in einer schneller werdenden Gesellschaft. Zusammen mit der Musik wirken sie wie eine Handbremse, die dazu einlädt, innezuhalten und durchzuatmen.
Mit SONGS eröffnen Riverside auch Nicht-Proggern einen Zugang zu ihrer Welt, ohne in seichtes Gefilde abzudriften. Wem Anathema zu schwülstig und Steven Wilson zu kopflastig geworden ist, findet hier definitiv seine Erlösung – in ehrlicher, unter die Haut gehender und überirdisch schöner Musik.
Anspieltipp zum Verlieben: „The Depth Of Self-Delusion”!
Wenn Sound-Perfektionist Steven Wilson live auftritt, sorgt er stets für ein ausgezeichnetes Klangerlebnis. Man bekommt als Zuschauer das Gefühl vermittelt, dass hierauf der Schwerpunkt der Show liegt. Manchmal hört man gar Stimmen, die der Meinung sind, dann könne man sich auch zuhause ins Wohnzimmer setzen und die Surround-Anlage einschalten. Mag sein – doch zum Glück gehört am Ende mehr dazu – zum Beispiel das elegische Spiel einer wahrhaft fantastischen Band und natürlich auch Wilsons entrücktes Auftreten, das gerne mal überheblich wirkt, im Allgemeinen aber ein Zeichen dafür ist, wie sehr er in der Musik versinkt.
Tausendsassa Steven Wilson ist Frontman von Porcupine Tree, Multi-Instrumentalist, Mitmusiker bei Blackfield und anderen Bands, Produzent von King Crimson, Opeth und weiteren Prog-Heroen, Vordenker, Aushängeschild des Progressive Rock. Die beiden Solo-Alben fassen so ziemlich alles zusammen, was er während seiner langen Prog-Karriere auf die Beine gestellt hat. Und das wird auch innerhalb der Show spürbar. Ein Sammelsurium aus Ideen von Jazz bis Pop, von psychedelischen Einflüssen und Industrial-Elementen, von minimalistischer Akustikgitarre bis hin zum harten Rock.
Die Blu-ray trägt den Titel “Get All You Deserve” und stammt von der 2012er Tour. Die Show ließ die Fans in eine sensorische Erfahrung eintauchen: rückwärtige Lautsprecher sorgten für einen Surround Sound Effekt, gigantische Leinwände zeigten kleine Filme passend zu jedem einzelnen Song und innovative Licht Designs gaben dem Konzert weitere Strukturen. Der Mitschnitt wurde vor ausverkauftem Hause im Teatro Metropólitan in Mexico City gedreht.
Klar lässt sich ein solches Erlebnis nur zuhause nachempfinden, wenn man über das entsprechende Equipment verfügt. Doch es bringt auch in Stereo viel Freude, Wilson und seine virtuose Band zu hören: Marco Minnemann, Nick Beggs, Theo Travis, Adam Holzman, Niko Tsonev – eine geniale Truppe. Fans erfreuen sich an der limitierten Deluxe Edition mit vier Discs: Blu-Ray, DVD und 2 CDs, die in einem 40seitigen Hardcoverbuch untergebracht sind.