Nach 28 Jahren erscheint „MTV Unplugged“ von Pearl Jam erstmals auf CD

Am 16.03.1992 spielten Pearl Jam im Rahmen der „MTV Unplugged“-Serie ein legendäres Konzert in den New Yorker Kaufman Astoria Studios. Es war die Zeit, als Bands wie Nirvana, Soundgarden, Alice In Chains oder eben Pearl Jam die Musikwelt mit einem neuen Sound auf den Kopf stellten, der später als „Grunge“ dem kommerziellen Ausverkauf preisgegeben wurde. Eddie Vedder und Kurt Cobain gaben den Idealen und Träumen, Ängsten und Unsicherheiten einer ganzen Generation ein Gesicht und eine Stimme. Für die Punkphase Mitte der 70er zu jung und aufgewachsen mit Neuer Deutscher Welle und dem Discogedudel der 80er war das, was da aus Seattle über uns hereinbrach unsere eigene musikalische Revolution, die wir aufsogen wie ein trockener Schwamm. Fortan hingen wir stundenlang vor dem Fernseher, guckten MTV, bis uns die Augen aus dem Kopf fielen und entdeckten täglich neue, spannende Bands.

Ein Jahr zuvor hatten Pearl Jam ihr Debütalbum „Ten“ veröffentlicht. Drei Tage nach dem Ende ihrer ersten Europa-Tournee reiste die Band nach New York, um dort Songs von ihrem ersten Album unplugged zu spielen. Wer ihren etwa einstündigen Auftritt vor 28 Jahren verpasst hat, der konnte sich 2009 auf der Bonus-DVD zur Neuauflage von „Ten“ nochmal von dessen besonderer Intensität und Atmosphäre überzeugen. Auf CD gab es die Performance bislang allerdings noch nie zu hören. Eingefleischte Pearl Jam-Fans wissen jedoch, dass es zum Record Store Day 2019 immerhin bereits eine auf 13.000 Exemplare limitierte LP des damaligen Sets gab. Was alle bisherigen Veröffentlichungen des „MTV Unplugged“-Auftritts von Pearl Jam eint, ist jedoch die Tatsache, dass er noch nie in seiner gesamten Länge zu hören oder zu sehen war. Die jetzt erscheinende Neuauflage macht da leider keine Ausnahme.

Darauf sind erneut nur sieben der insgesamt zehn gespielten Songs vertreten und das auch noch in der verkehrten Reihenfolge. Die beiden letzten Songs sind vertauscht und die Zugaben fehlen völlig. Sechs der sieben Songs stammen von „Ten“. Es sind „Oceans“, „Alive”, “Black”, “Jeremy”, “Even Flow“ und “Porch”, währenddessen sich Eddie Vedder als Geste des Protests mit einem Edding „Pro-Choice!“ auf seinen Arm schrieb. Das siebte vertretene Stück „State Of Love And Trust“ ist dem Soundtrack des Cameron Crowe-Films „Singles“ entnommen, in dessen Anschluss Gitarrist Mike McCready ein Snippet des Rolling Stones-Klassikers „Angie“ anstimmt. Leider fehlt aus dem regulären Set das Neil Young-Cover „Rockin‘ In The Free World“ (bei dessen Intro das Riff von „Smoke On The Water“ von Deep Purple zu hören ist) ebenso wie die weiteren Zugaben. Zu diesen gehörte mit „Garden“ noch ein siebter Song von „Ten“ und – besonders spannend – mit „Leash“ ein Stück, das erst 1993 auf dem zweiten Pearl Jam-Album „Vs.“ erscheinen sollte.

So bleibt am Ende ein fader Beigeschmack, der sich auch in unserer Bewertung niederschlägt. Auf der einen Seite werden sich Pearl Jam-Fans über die erste CD-Veröffentlichung des „MTV Unplugged“-Auftritts freuen. Auf der anderen Seite bleibt der Mehrwert aufgrund der erwähnten Unvollständigkeiten beschränkt. Sony Music hätte die Chance gehabt den Fans zum 30-jährigen Bandjubiläum tatsächlich einen Schatz unter die Geburtstagstorte zu legen und hat sie aus welchen Gründen auch immer vertan. Zumindest Pearl Jam selbst sorgen auch im Hier und Jetzt noch für das ein oder andere musikalische Ausrufezeichen, wenngleich die Rebellenattitüde früherer Tage mittlerweile einer gewissen Selbstzufriedenheit gewichen ist. Ihr letztes Studioalbum „Gigaton“ (hier unser Review) konnte sich nach einer längeren kreativen Durststrecke durchaus wieder hören lassen und nach wie vor zeichnet die Band ihr soziales und politisches Engagement unter anderem für Non-Profit-Organisationen aus.