Musikalisch ein Hochgenuss: Dredg am 1.Mai im Kölner Gloria Theater

Jeder Musikliebhaber hat eben dieses eine bestimmte Album seiner Lieblingsband, von dem er alle Songs hintereinander ein Dutzend Mal gehört hat und noch Dutzende Male hören will. Auf Konzerten spielt diese allerdings einen Mix aus allen Veröffentlichungen. Die Alternative Rock/Progressive Band Dredg gibt ihren Fans mit eben diesem Wunsch jetzt die Chance das zu ändern. Nach ihrer Welttournee zu ihrem neuen Album Chuckles and Mr. Squeezy spielen sie in ausgewählten deutschen Städten ihre beiden Album-Klassiker El Cielo und Catch Without Arms als Einzelkonzerte. Das bedeutet, der Hörer bekommt das jeweilige Album in chronologischer Reihenfolge und in voller Länge zu hören.

In Städten wie München und Frankfurt performen sie jeweils nur eines der beiden Alben. Wohingegen sich die Fans aus Köln, Berlin und Hamburg auf beide Konzerte freuen können. Zeit verschwenden sie trotz der zwei Konzerte nicht, denn beide Einzelkonzerte finden jeweils hintereinander am selben Abend statt. So kann sich der Fan aussuchen, ob er in den Genuss von nur einem Album kommen will oder gleich von beiden.

Dass dieser Konzertabend etwas besonderes ist, sieht man schon an der Schlange vor dem Kölner Gloria Theater. Die Menschenschlange misst locker die Länge eines Fußballfelds. Dregd starten den Doppel-Konzertabend mit ihrem Album El Cielo von 2002. Interessant hieran ist, dass das gesamte Album von einem Gemälde Salvador Dalís inspiriert wurde.

Die Menge klatscht schon bevor die Band ihre ersten Töne von sich gibt. Mit dem Intro Brushstroke: dcbtfoabaaposba starten sie wie erwartet ihr Set zu Konzert Nummer eins. Die Bühne wird in blaues Licht getaucht, während die vier Musiker zu Same Ol‘ Road übergehen. Es ist erstaunlich wie die Stimme von Sänger Gavin Hayes sich im kinosaalähnlichen Konzertraum verbreitet. Gänsehaut pur verbreitet sich bei Sanzen. Die Menge brüllt und klatscht in den Pausen zwischen den Liedern wie wild, während bei der Musik eine andächtige Ruhe herrscht. Zu Triangle wird der Raum von Lichtstrahlern erhellt, die wie Punkte auf die Wände fallen. Fast wie von Band hört sich Gavin Hayes an. Selbst bei Liedstellen in denen sich seine Stimme wie elektronisch bearbeitet anhört, klingt es wie vom von einem ihrer Alben gespielt. Durch den Abstand zum Mikrofon und das schnelle Bewegen desselben erzeugt er diesen Eindruck. Doch nicht nur er ist musikalisch auf hohem Niveau. Die gesamte Band beherrscht ihre Instrumente einwandfrei. Generell ist es schwer eine Band zu finden, mit der man Dregd vergleichen kann. Die Jungs aus San Francisco öffnen mit ihrem individuellen Sound ein ganz neues Fass Rockmusik und eben das macht sie besonders. An dieser Stelle bedankt sich die Band und bekommt ausnahmslos  Applaus und Energie von ihrem Publikum, während sie Sorry But It’s Over und danach Convalescent anstimmt. Darauf folgt der Zwischentrack Brushstroke: Walk in the Park der direkt in Eighteen People Living in Harmony übergeht.

Dredg ist Musik zum Genießen, mitsingen, Augen zu machen und langsam bewegen. Die Wahl des Kölner Gloria Theaters als Location ist deshalb optimal. Der wie ein Kinosaal angelegte,  rot-samtige Raum passt perfekt zur Band. Bei Scissor Lock kommt die Menge hier ins Träumen. Brushstroke: Reprise geht nahtlos über in Of the Room. Durch die vielen Zwischentracks und Überleitungen fühlt man sich als Zuschauer wie abgeholt und durch das Set begleitet. Und so geht Brushstroke: An Elephant in the Delta Waves direct in It Only Took a Day über.

Ebenso bekannt wie ihre Musik sind Dredg auch durch ihren Schlagzeuger Dino Campanella. Er ist nicht nur musikalisch stark und sicher, sondern auch unterhaltsam. Seine Bewegungen wirken etwas steif und trotzdem wirbelt er seine Sticks während jedem Lied um seine Finger. Dazu schneidet er fast schon Grimassen während er seine Drum Beats mitsingt, so auch zu Whoa Is Me. Eine kurze Pause in der Sänger Hayes fragt, ob die Menge auch zur nächsten gleich folgenden Show kommt. Das Publikum hat noch nicht zu Ende bejaht, da fängt Campanella schon an, den letzten Song von El Cielo dem Song The Canyon Behind Her anzuzählen. Damit ist das Ende des Albums erreicht und somit eigentlich auch das des Abends. Doch sie spielen für das klatschende Publikum Pariah von ihrem 2009 erschienenden Albums The Pariah, the Parrot, the Delusion und ein musikalischen Outro  mit dem sie Ihr Set beenden. Sie lassen eine Menge zurück , die Lust hat auf mehr. Hier können sich die Kombiticket Besucher freuen, für sie geht es nach einer Pause weiter mit dem Konzert zu Catch Without Arms.

Das 2005 erschienende Album Catch Without Arms ist genau wie alle anderen Alben ein Konzeptalbum. Bei diesem behandelt die Band das Thema Gegensätze, wie zum Beispiel in dem Lied Bug Eyes, in dem es um die Kontraste Tod und Wiedergeburt geht. Die Lichter gehen aus, die Band betritt ein zweites Mal die in blaues Licht getauchte Bühne des Kölner Gloria Theaters. Mit Ode to the Sun wird dieses Albumkonzert eröffnet. Es verbreitet sich direkt eine Gänsehautstimmung genau wie am Ende des ersten Sets.. Erstaunlich ist, dass es viele neue Gesichter in der Menge gibt und nicht jeder beide Konzerte sehen will. Das bemerkt auch Sänger Gavin Hayes und begrüßt die Neuankömmlinge genauso wie diejenigen, die  beide Shows besuchen. Zu ihrem zweiten Song dieses Sets kommt ein weiteres Element, für das sie bekannt sind, zum Einsatz: Ein sitar-ähnliches Saiteninstrument mit der die Hauptmelodie von Bug eyes gespielt wird. Hier zeigt sich, wie schade es ist, dass die chronologische Reihenfolge der Lieder gespielt wird. Auf der einen Seite ist die Stimmung direkt auf höchstem Niveau, auf der anderen Seite werden die starken Lieder direkt am Anfang gespielt.

Auffällig ist, dass das Publikum direkt seit Beginn des zweiten Konzerts viel mehr in Bewegung ist. Vergleicht man El Cielo mit Catch Without Arms, kein Wunder. Es ist zwar genauso atmosphärisch, aber dafür schneller und auf eine andere Art energetisch. Das sieht man auch bei dem Titellied des Albums. Genauso wortkarg wie zuvor, dafür mit einem aufgewärmten Publikum stimmen sie Not That Simple an. Bei Songs wie Zebra Skin oder The Tanbark is Hot Lava kühlt sich die Menge etwas ab. Von jetzt an ist die Stimmung eher zum Genießen als Tanzen. Das Publikum singt mit, was es auch erst seit dem Start des zweiten Sets in einer hörbaren Lautstärke tut. Schlagzeuger Dino Campanella übernimmt für The Tanbark is Hot Lava das Keyboard. Vor Sang Real einem Song bei dem die Menge wieder in Bewegung kommt, bedankt sich Bassist Drew Roulette beim Publikum für die Unterstützung. Planting Seeds und Spitshine bringen das Publikum zurück in Genießerstimmung.

Wie beim ersten Set wird bis jetzt mit Worten gegeizt und dafür musikalisch gepunktet. Doch scheint die Stimmung bei den Jungs auf der Bühne immer besser zu werden.  Bevor sie  Jamais Vu einstimmen, nehmen sie sich einen Moment für das nächste Bier und tuscheln untereinander. Das wirkt sich auch positiv fürs Publikum aus. Hayes gesteht vor Hungover on a Tuesday dem Publikum seine Liebe und Roulette versucht deutsch zu reden, auch wenn das leider keiner versteht. Zu Matroshka (The Ornament) werden die Bewegungen auf und vor der Bühne ausschweifender. Die Bühne erstrahlt in einem roten Licht während die Band den Bonustrack Uplifting News spielt. Doch ist das nicht das letzte Lied des Abends. Zusätzlich zu den 13 Tracks von Catch Without Arms spielen sie Lightswitch und Down to the Cellar von The Pariah, the Parrot, the Delusion.  Zu letzterem Song fängt die Menge an, im Takt mitzuklatschen. Die Stimmung der Musiker wird immer besser. Sie sprechen das Publikum direkt an, selbst Schlagzeuger Roulette kommt nach vorne um etwas Unverständliches ins Mikrofon zu nuscheln. Ein Ende scheint in Sicht, Roulette verlässt schon die Bühne, doch da rufen ihn seine Kollegen zu einem letzten Lied zurück: Cartoon Showroom, ein ruhiger aber passender Abschied für einen atmosphärischen Abend mit einer musikalisch besonderen Band.

Die Idee, dem Publikum sein Lieblings Album zu präsentieren, ist an für sich eine gute, doch muss man sagen, dass genau dadurch das Konzert voraussehbar und sehr kurz wird. Überraschungsmomente gibt es kaum, da man die Setlist eben schon kennt und kein Platz zum Spekulieren da ist. Es gibt Bands bei denen sich dies anbietet. Zum Beispiel wenn sich der Stil der Band von einem Album zum Nächsten stark verändert hat oder die Qualität der Band sich im Laufe der Zeit geändert hat. Doch dazu gehören Dredg nicht. Damit ist ein Albumkonzert eine nette Idee, aber nichts was den Zuhörer auf Dauer glücklich macht. Ein netter Ausflug mit einer wortkargen, aber musikalisch großartigen Band.