Die Läuterung der Techno-Seele
Zwanzig Jahre lang war es recht ruhig um die DJ-Legende Sven Väth. Trotz zahlreicher Kollaborationen in der Elektrowelt hat es zumindest kein Soloalbum des hessischen Musikers gegeben, der in den 90er Jahren maßgeblich für die Entwicklung der Techno-Welle innerhalb der weltweiten Musiklandschaft verantwortlich war. Als DJ des legendären Clubs Dorian Gray im Frankfurter Flughafen fiel er meist durch schrille Kostümierung und extravagante Tanzeinlagen auf. Später folgten seine eigenen Locations Omen und Cocoon Club, während er zudem weltweit – und vor allem auf der Partyinsel Ibiza – große Events veranstaltete. Nach der Insolvenz des Cocoon Club im November 2012 war zunächst Sendepause, doch jetzt erscheint mit „Catharsis“ ein neues lupenreines Techno-Album.
Ist das überhaupt noch zeitgemäß? Die Frage mag sich stellen in einer Zeit, da körperbetontes Tanzen, laute Beats und Feierlaune seit fast zwei Jahren nur begrenzt möglich sind. Vielleicht ist es aber gerade auch der richtige Zeitpunkt! Sven Väth hat die Zeit genutzt, während einer Reise durch Indien Ideen zu sammeln, neue Klänge aufzunehmen und sich von fernöstlichen Tänzen inspirieren zu lassen. Kein Wunder also, dass Tracks wie „Mystic Voices“, „Butoh“ und „Panta Rhei“ zum Sinnbild einer neuen Herangehensweise an die Musik werden. „Es sind Welten, in die wir eintauchen, um unsere eigene Mystik und Ekstase zu erleben„, sinniert er. „Tanzen ist eine Konversation zwischen Körper und Seele und verbindet uns spirituell miteinander.“
„Catharsis“ ist eine Platte, die von Svens Interesse an den physischen und spirituellen Prozessen geprägt ist ist, die beim Tanzen stattfinden. Und es gibt stampfende Drums, glatte Synths, deepe und dreckige Rhythmen, subtil euphorische Höhen, Tribalismus und beruhigende elektronische Ambient-Schlaflieder, also die ganze Bandbreite eines gepflegten Clubabends.
Die 13 Tracks wurde von Gregor Tresher produziert und nehmen alle Facetten von Svens Sound auf. Es beginnt mit den stampfenden Drums und den geschmeidigen Synthies von „What I Used to Play“ und entfaltet sich über tiefe und dreckige Rhythmen wie „The Worm“, subtil euphorische Höhen bei „The Inner Voice“ und den sprudelnden Tribalismus des Titeltracks. Es gibt den leidenschaftlichen Aufruf zu den Waffen, der „Feiern“ heißt und beruhigende elektronische Wiegenlieder wie „Being in Love“.
Die zweite Hälfte des Albums nimmt viele weitere Wendungen, wie die exotischen Streicher und treibenden Drums von „Butoh“, den paranoiden Minimalismus von „NYX“ und die ausladenden Synthesizerlandschaften des Ambient-Juwels „The Cranes Of Gangtey Valley“, bevor sich die Dinge durch raue Beats und gefühlvolle Akkorde auf „We Are“, die stimmungsvolle Selbstreflexion von „Silvi’s Dream“ und die eindringlichen Ambient-Träume von „Panta Rhei“ entwickeln.
Das Album erfindet den Techno nicht neu – das wird ziemlich schnell klar. Abwechslungsreich bewegt es sich zwischen den gewohnten Klängen, neuen Einflüssen und chilligen Momenten. Die kathartische Reinigung erfolgt vor allem durch schnelle Beats. Auf zu neuen Taten!