Weltschmerz, Melancholie und der Wein

Hin und wieder dauert es, bis man schlussendlich in den Genuss der Live-Version mancher Bands kommt. Bright Eyes beispielsweise gibt es schon seit über 20 Jahren, mit ruhenden Aktivitäten zwischen 2012 und 2019 schien es fast gar unwahrscheinlich, überhaupt jemals die Gelegenheit zu bekommen. Dann erschien zwar ein zehntes Studioalbum mit „Down in the Woods, Where the World Once was“, allerdings mitten in den ersten Pandemiemonaten. Eine Tournee rückte damit erstmal in weite Ferne und so dauerte es weitere zwei Jahre, bis Bright Eyes endlich ihre mehrfach verschobene Welttour in Angriff nehmen konnten.

Mit dabei: Vier Halte in Deutschland; Berlin, Hamburg, Frankfurt und Köln standen auf dem Plan. Am Dienstag spielte die Band um Singer-Songwriter Conor Oberst im Carlswerk Victoria in Köln. Ausverkauft war das Konzert nicht, aber gut gefüllt. Bei hohen Temperaturen lieferte die Band ein fast zweistündiges Konzert mit einem Querschnitt des Schaffens.

Bright Eyes ist vor allem geprägt durch die Texte und Stimme von Oberst, seine beiden langjährigen Partner Nate Walcott (Arrangements, Kompositionen, Trompete und Piano) und Multiinstrumentalist und Produzent Mike Mogis sind aber genauso wenig wegzudenken. Live liefern sie in Kombination mit der Begleitband eine vielschichtige musikalische Darbietung. Von Schlagzeug und Percussions hin zur Violine, Saxophon oder Pedal Steel Guitar und einiges mehr fand in den Arrangements genügend Platz. Oberst selbst nahm mal die Akustik- oder E-Gitarre zur Hand, hin und wieder an den Tasten und ab und an – etwa beim Opener „Dane and Sing“ – passenderweise nur am Mikrofon Platz. Leicht ungelenk tanzte er über die Bühne und präsentierte sich gesprächig. Dass dabei viel Kauderwelsch, der noch dazu arg verwaschen klang, aus seinem Munde kam, mag auch dem Wein geschuldet sein – der auf Anraten der Tourmanagerin immerhin mit etwa der gleichen Menge Wasser ausgeglichen wurde. Größere Aussetzer, die es auch in der Vergangenheit schon gegeben hat, blieben in Köln aus, Lyrics saßen meist und die zittrige, leicht brüchige Singstimme zeichnet Oberst eigentlich ohnehin aus.

Insofern ist es kaum ungewöhnlich, dass ein solcher Abend voll nostalgischer Erinnerungen an die Jugendzeit bestimmt ist, an Zeiten, in denen Conor Oberst als musikalisches Wunderkind, neuer Bob Dylan und „Voice of a Generation“ betitelt wurde. Und auch das neue, apokalyptisch anklingende Album macht es schwer, nicht von dem Talent des inzwischen 42-Jährigen angetan zu sein. Nur Live ist es eine Mischung aus Faszination, leichter Ernüchterung und ein kleines bisschen Fremdscham, ihm bei seiner öffentlichen Demontage zuzusehen, auch wenn es bereits schlimmer gewirkt haben mag. Ganz ehrlich kommen seine Beteuerungen, sich zu freuen, endlich hier zu sein, nicht in allen Reihen an, teils wirkt er demotiviert, teils auch etwas derangiert.

Schon immer lebte die Musik von den poetischen Texten, der Melancholie, all dem Herzschmerz, Unglück, dem Weltuntergangsfeeling und der leichten Hoffnung, die dann ab und an doch durchblickt. Dabei mäandert Bright Eyes stilistisch zwischen Folk, Americana, Indie, teils mit elektronischen Einschüben. Vom etwas positiveren Album „Cassadega“ war in der Kölner Playlist nichts zu finden. „First Day of my Life“ hingegen wurde live mit Violine neu arrangiert. “One for you, One for me“, auf das sich die Band nach Oberst Angaben besonders
gefreut hat, ist jedenfalls kein letzter Song, der im Gedächtnis bleibt und zeigt sich als schwächste Entscheidung in der sonst sehr guten Setlist. Bei zehn Alben bleiben allerdings auch immer Wünsche offen. Doch allgemein gingen die Meinungen weit auseinander, hörte man auf die Stimmen nach dem Konzert: Von „absolut beschissen“ zu „unfassbar angetan und überzeugt“, ist die Bandbreite voll abgedeckt, an Emotionen, die Oberst und Band hervorgerufen hat.

Was bleibt, ist dennoch eine leichte Zufriedenheit, das Live-Erlebnis damit erfahren zu haben, eine gewisse Sorge um den fragil wirkenden Sänger hallt im Hinterkopf nach und mit ihr die Hoffnung, dass er genügend Menschen hat, die auf ihn aufpassen. Denn trotz allem zeigte sich Conor Oberst seit seiner frühen Teenager-Jahre äußerst produktiv, hat etliche Alben und Projekte geschrieben und vorangetrieben. Und auch mit all dem Weltschmerz in seinen Liedern hofft man doch, dass dieser auch in Zukunft noch weiterhin transportiert wird und man vielleicht noch eine weitere Facette des Musikers kennenlernen kann.