Max Giesinger: „Die Reise“ neu als Akustik-Album mit einigen Veränderungen
Was bringt einen Künstler dazu, ein bereits etabliertes Album ganz neu einzuspielen und in akustischer Form neu aufzulegen? Nicht etwa als Anhängsel zu einer „Deluxe Edition“ oder ähnlichen Marketingstrategien, sondern als ganz eigenständigen Release. Vielleicht, weil eine Geschichte, ein Konzept noch nicht zu Ende erzählt ist? Weil das neue Album als viertes Album einfach in eine konzeptionelle Reihe gehört?
So könnte ich mir das vorstellen beim neuen Werk von Max Giesinger. Das ursprüngliche Album erschien 2018 als Abschluss einer thematischen Trilogie: „Laufen lernen“ und „Der Junge, der rennt“ standen für die Anfänge seiner musikalischen Karriere. „Die Reise“ erzählte von den Ereignissen, die Max inzwischen in die erste Riege deutschsprachiger Songwriter geführt haben. Und nicht nur das. Es enthielt zudem viele nostalgische Elemente, die das Album rund machten und eine Standortbestimmung darstellten.
Zwei Jahre später also kein neues Album, sondern eine akustische Neuausrichtung. Die Texte sind gleich geblieben, doch ihre Bedeutung hat sich verändert. Und die Melodien gewinnen an Tiefe. Ich liebe es, wenn zu Beginn des ersten Stück „Bist du bereit“, die Worte „Die Reise beginnt“ unter Streicherklängen ertönen. Und weiter geht es im Takt: „Auf das was da noch kommt“ im Verbund mit Duettpartnerin Lotte, „Nie besser als jetzt“ versehen mit sanften Bläsern. Das sind zwei neue Titel, die schon lange im Radio rotieren. Gerade letzteren Titel kennt man inzwischen auch im Duett mit MoTrip als Corona-Version „Nie stärker als jetzt“.
Ab Track 4 geht „Die Reise“ weiter, aber mit veränderter Tracklist. Die melancholische Stimmung der Songs kommt noch viel stärker durch, vor allem wenn sie mit Pianoklängen begleitet werden oder die Instrumentierung in eine filigrane Percussion-Ausrichtung mit Bläsern oder sanften Gitarrenklängen geht.
Dass sich Max dem Thema des Reisens widmet, ist kein Zufall. Da singt jemand, der selbst bereits einen turbulenten Weg hinter sich hat und dabei mehr als einmal die Zweifel beiseite geschoben und den Sprung ins Unbekannte gewagt hat. Nach dem riesigen Erfolg seines zweiten Albums und Monaten des Unterwegsseins war im Frühjahr 2018 schließlich der Moment gekommen, in dem sich Max genau diesen Weg noch einmal bewusstmachte und zwar, indem er aus seinen Erlebnissen und Gedanken Songs kreierte.
Man kann Max in einer Situation begegnen, mit der die meisten Abschnitte seines musikalischen Weges begonnen haben und wahrscheinlich auch die meisten zukünftigen Abschnitte beginnen werden: mit einer Akustik-Gitarre in der Hand und einer Sammlung von Ideen, Melodien und Texten im Kopf. Es ist das Setting seiner musikalischen Wurzeln, der Grundlagen seines Songwritings. Und es ist auch das Setting seiner ersten Schritte als Musiker, also der Zeit, in der er als Straßenmusiker in Fußgängerzonen stand und sich auf unzähligen Hochzeiten, Wohnzimmerkonzerten, Grillabenden und Geburtstagsfeiern seine ersten Erfahrungen als Musiker machte.
Auch wenn sich solche Unplugged-Peformances in jedem einzelnen Max-Giesinger-Konzert wiederfinden: Es ist es nun das erste Mal, dass er ein ganzes Album neu arrangiert, die treibenden E-Gitarren durch Akustik-Gitarren ersetzt und die Keyboards und Synthesizer in Klavier und Streicher eintauscht. Das lässt nicht nur jeden einzelnen Song von „Die Reise“ noch näher, noch eindringlicher wirken. Es bietet auch den Raum für eine völlig neue Version von „Wenn sie tanzt“, das ursprünglich auf dem zweiten Giesinger-Album Platz fand.
Ich betrachte „Die Reise – Akustik“ als ganz eigenständiges Album, auch wenn man alle Titel schon kennt. Sie sind so anders arrangiert, dass man zwar die Originale noch wiederfindet, aber trotzdem den abgeklärteren Max erkennt, der sich mal wieder am Scheideweg befindet. „Nie besser als jetzt“ gibt dabei einen Ausblick in die Zukunft.
Vor zwei Jahren erschien parallel auch das Album „Liebe“ von Mark Forster – im Kampf der Deutschpop Giganten. Inzwischen hat sich erwiesen, dass Max Giesinger der nachhaltigere Songwriter ist. Die Stücke von „Die Reise“ funktionieren bis heute unglaublich gut. Das Album ist noch besser geworden, auch wenn das kaum möglich schien. Nur eins fehlt mir: Der abschließende Song „Wir waren hier“. Aber den kann man sich ja dazu denken.