Jan Degenhardt gibt mit „Inshallah“ ein musikalisches Statement ab
Einen begabten Musiker zum Vater zu haben ist zwar noch keine Garantie dafür, selbst auf diesem Gebiet erfolgreich zu sein, aber auch nicht die schlechteste Voraussetzung. Der Liedermacher Franz-Josef Degenhardt hat seinem Sohn jedenfalls sowohl das musikalische Talent als auch seine Begabung für scharfzüngige Gesellschaftskritik weitergegeben. Seit der Jahrtausendwende ist Jan Degenhardt schon in der Liedermacherszene aktiv und veröffentlicht aktuell sein viertes Album „Inshallah“.
Der aus dem arabischen stammende Titel, der übersetzt „So Gott will“ bedeutet, weist schon auf die inhaltlichen Schwerpunkte hin: Jan Degenhardt setzt sich auf „Inshallah“ unter anderem mit den großen Themen Flucht und Migration und all den sich daraus ergebenden Problemen unsere Zeit auseinander. Da wird in „Sie ist Muslima“ der Konflikt zwischen den angepassten in Deutschland lebenden Muslimen und der sich radikalisierenden 3. Generation besungen, und „Sieben Tode“ erzählt die zutiefst verstörende Fluchtgeschichte einer auseinandergerissenen Familie. Der Liedermacher kann dem Thema aber auch etwas Humorvolles abgewinnen, wenn er in „Erkan“ Klischees über Terroristen mit lustvollen Urlaubsfantasien mischt.
Insgesamt ist das Album sehr politisch geworden. Da gibt es die brisante „SMS an den Ministerpräsidenten“, die dann leider doch ohne Konsequenzen bleibt, man träumt vom „Hungerstreik im Kanzleramt“ – wobei hier noch Scholz‘ Vorgängerin die Hauptrolle spielt – und „Was war mit ihr?“ schildert den Lebenslauf einer Abgeordneten, die für ihre Karriere alle Überzeugungen über Bord wirft. Das atmosphärische „The Great Reset“, das sich mit den Folgen der Pandemie-Jahre beschäftigt, kommt mir persönlich allerdings zu düster und schwarzmalend daher.
Jan Degenhardt hat sich für dieses Album eine Reihe lateinamerikanischer Musiker ins Studio geholt, die in Verbindung mit klassischem Piano und Gitarren einen rhythmisch vielseitigen und weltmusikalischen Sound erschaffen, über dem sich seine Songs entfalten. Aufgrund der anspruchsvollen Texte ist aber immer große Aufmerksamkeit gefragt – Wohlfühlmusik macht Degenhardt beileibe nicht! Ein wenig Erholung bietet da das stimmungsvolle „Helwa ya baladi“. Der Titel, der als einziger nicht aus Feder des Liedermachers stammt, wurde als Protestsong bei der ägyptischen Revolution 2011 bekannt.
Zum Abschluss wird Degenhardt mit dem wehmütigen „Der übernächste Morgen“ ausnahmsweise ganz persönlich und verarbeitet einen großen Verlust. Gerade dieses traurige Lied stimmt den Hörer wieder versöhnlich und lässt nach vielen schwierigen Botschaften Raum für Hoffnung. Dazu passen dann auch die letzten Worte des Titelsongs: „Beinahe frei – Inshallah“.