Muse Fotos Freilichtbühne Loreley, St. Goarshausen am 12.07.2013
Muse Fotos Freilichtbühne Loreley, St. Goarshausen
Muse Fotos Freilichtbühne Loreley, St. Goarshausen
Die Freilichtbühne auf der Loreley, hoch über dem Mittelrheintal, gehört sicherlich zu den schönsten Veranstaltungsorten, die die Republik zu bieten hat. In den (späten) 70er und 80er Jahren fanden hier viele legendäre Festivals statt, u.a. war der WDR-Rockpalast mehrfach zu Gast. Ab den 90er Jahren wurde es dann gefühlt etwas ruhiger, aber in den vergangenen Jahren finden wieder vermehrt Konzertveranstaltungen auf der Loreley statt, so auch das Rock La Roca Festival, das dieses Jahr zum ersten Mal veranstaltet wurde. Musikalisch bot es im weitesten Sinne das, was allgemein als „Indie”-Musik bezeichnet wird.
Aus privat-logistischen Gründen konnte ich erst am späten Nachmittag zu dem Festival anreisen, sodass ich die beiden Opener And Also The Trees und Triggerfinger verpasste. Da mir dann auch noch eine Fähre vor der Nase wegfuhr, konnte ich auch von Turbonegro (17:30 – 18:33) nur noch die letzten 30 Minuten sehen. Ich meine mich zu erinnern, dass ich die Band aus Norwegen vor einigen Jahren schon einmal bei einem Festival gesehen habe, aber konkrete Erinnerungen habe ich nicht mehr daran. Der diesjährige Auftritt gefiel mir gut. Der (u.a. von Wikipedia) als „Punk’n’Roll” bezeichnete Stil-Mix funktioniert live gut und dass die Band seit 2011 einen neuen Sänger hat, wussten/merkten scheinbar nur echte Fans der Band. Als Turbonegro zu den Outro-Klängen von God Save The Queen die Bühne verlassen hatten, sah ich mich etwas genauer auf dem Gelände um. Gerade einmal etwa 1500 Besucher verloren sich auf dem doch großen Areal. Dies hatte natürlich auch den Vorteil, dass die Wartezeiten an den Verpflegungsstationen nahezu nicht vorhanden waren. Wettertechnisch schienen sich die Vorhersagen (85% Regenwahrscheinlichkeit laut der einschlägigen Internet-Seiten) glücklicherweise nicht zu bewahrheiten. Im Gespräch mit pünktlichen Festivalbesuchern stellte sich jedoch heraus, dass es am früheren Nachmittag noch ganz ordentlich geregnet hatte.
Der gebürtige Dortmunder Phillip Boa (bürgerlich Ernst Ulrich Figgen) gehört seit Mitte der 80er Jahre zur Speerspitze der alternativen deutschen Musikszene – auch wenn seine musikalische Biografie sicherlich einige Brüche aufweist. Ich selbst sah Phillip Boa & The Voodooclub (19:03 – 20:05) zum allerersten Mal und war zunächst auch durchaus angetan, insbesondere vom Kontrast zwischen Boas (nicht unbedingt schöner aber) charismatischer Stimme und dessen weiblichen Counterpart von Pia Lund. Mit zunehmender Dauer der Sets stellte sich bei mir jedoch eine gewisse Langeweile ein, wobei der Auftritt von vielen Anwesenden aber durchaus abgefeiert wurde.
Feiern ist ein gutes Stichwort um die Musik von Gogol Bordello (20:33 – 21:48) zu beschreiben. „Gypsy Punk” wird deren Musikstil bisweilen genannt, und dies trifft es ziemlich gut. Schon die Tatsache, dass ein Akkordeon und eine E-Geige sowie verschiedenartige Percussion zum Instrumentarium des 7-köpfigen (Live-)Ensembles gehören, belegt, dass es sich hier um einen – im Vergleich zu den Vorgängerbands – anderen musikalischen Ansatz handelte. Ich muss zugeben, dass ich nicht unbedingt positiv gestimmt war, als ich mich über die Band aus New York (deren Mitglieder jedoch aus aller Herren Länder stammen) informierte, da die oben beschriebenen Elemente nicht unbedingt mit meinem Musikgeschmack korrelieren. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mich gut unterhalten fühlte, und dies ist nun einmal – gerade bei einem Festival – die Hauptsache. Bei vielen Fun-Punk bzw. Fun-Ska-Bands habe/hatte ich bisweilen nach einer Viertelstunde das Gefühl, immer wieder denselben Song zu hören. Diesen Eindruck hatte ich bei Gogol Bordello definitiv nicht. Dass während ihres Sets ein 5-minütiger Regenschauer niederging, trug eher noch zur Begeisterung vor der Bühne bei, wo die Band – zurecht – abgefeiert wurde und auch für eine Zugabe auf die Bühne zurückgeholt wurde.
Kannte ich die bisherigen Bands vor dem Festival (fast) nicht, war die Situation beim Headliner des Abends eine komplett andere. New Model Army (22:28 – 0:00) sah ich an diesem Tag zum 68. Mal seit 1995. Insofern darf man getrost annehmen, dass ich mich im Universum der Band auskenne. 1980 als Punkband gegründet, die sich kritisch mit Margaret Thatchers Politik auseinandersetzte, entwickelte sich New Model Army gegen Ende der 80er Jahre Richtung Folkrock, um dann in der zweiten Hälfte ihrer Existenz eine mehr oder weniger staighte Rockband zu werden. Obwohl ich NMA bereits so häufig gesehen hatte, war dieser Auftritt dennoch etwas Besonderes für mich, da ich zum ersten Mal den neuen Bassisten Ceri Monger in Aktion sehen konnte, der zu Beginn dieses Jahres das langjährige Mitglied Nelson (seit 1990) ersetzt hat, der aus persönlichen Gründen die Band verließ. Der neue Mann (rot gefärbte Haare, knapp 30 Jahre alt) machte seine Sache gut, wobei zugegebenermaßen die Musik von NMA nicht unbedingt filigrane Fähigkeiten an den Instrumenten voraussetzt. Ehrliche Rockmusik erfordert dies oft auch nicht. Traditionell dauerte der Soundcheck länger als bei den anderen Bands und ebenso traditionell gab es trotzdem (oder gerade deswegen?) zu Beginn einige technische Probleme (mit Justin Sullivans Gitarre). Das Set begann jedoch mit einem Bonbon für die Fans und einer Verneigung vor der Folkrock-Phase der Band Ende der 80er Jahre. Der Fanfavorit Vagabonds eröffnete den Auftritt und die Band wurde dabei unterstützt vom E-Violinisten von Gogol Bordello, der die ursprüngliche Violinenmelodie (von Ed Alleyne Johnson) nicht imitierte, sondern (durchaus gelungen) neu interpretierte. Ein – trotz der technischen Probleme – schöner Beginn. Es folgten zwei Klassiker aus dem Repertoire von NMA – Get Me Out und der größte (und einzige wirkliche) Hit 51st State. Nicht gerade meine persönlichen Favoriten, aber zum Anwärmen des Publikums waren die beiden Titel sicherlich geeignet. Der neue Bassist zeigte seine Vielseitigkeit bei Flying Through The Smoke und Red Earth. Bei beiden ohnehin sehr rhythmuslastigen Stücken unterstütze er Drummer Michael Dean an einem zweiten Minidrumkit (Snare + Tom), was den Liedern gut tat. Ich hatte mich auf den Song Frightened (von No Rest For The Wicked, 1985) gefreut, den die Band in diesem Jahr zum ersten Mal seit 1989 wieder live gespielt hat, aber meine Hoffnung wurde enttäuscht, wie ich ohnehin die Setlist nicht besonders gelungen fand. Insbesondere Mambo Queen Of The Sandstone City (vom letzten Album Today Is A Good Day, 2009) ist m.E. ein Tiefpunkt in der Diskografie von NMA. Vor dem abschließenden I Love The World wies Bandkopf Justin Sullivan darauf hin, dass die Band an gleicher Stelle vor 25 Jahren (bei einem frühen Bizarre Festival) gespielt hatte, und dass der Song eventuell auch unter dem Eindruck des Auftrittes dort kurze Zeit später geschrieben wurde. Nach den für NMA üblichen 80 Minuten war das Hauptset beendet. Da die Curfew-Regelungen der Freilichtbühne recht streng sind, war klar, dass um 23:48 nur noch 2 Titel als Zugabe gespielt werden konnten: Rivers (von High, 2007 – und ebenfalls nicht unbedingt einer meiner Favoriten) sowie Christian Militia. Diesen Titel von 1982 hat die Band erst seit vergangenem Jahr nach langer Zeit – und in modernisierter Form – wieder im Programm und der treibende „Rausschmeißer” versöhnte mich etwas mit der m.E. doch etwas enttäuschenden Songauswahl des Auftritts. Pünktlich um eine Minute vor Mitternacht verhallten die letzten Feedback-Klänge und die erste Ausgabe des Rock La Roca Festivals war Vergangenheit.
Organisatorisch war das Festival – bis auf wenige Kleinigkeiten (Auslass mit Kinderstempel und daher sofort wasserlöslicher Stempelfarbe) – sicherlich gelungen. Angesichts der doch recht bescheidenen Besucherzahlen (unter 2000 zum Ende des Tages) stellt sich jedoch die Frage, ob das Festival in dieser Form eine Zukunft hat. Selbstverständlich werden die (schlechten) Wettervorhersagen viele Leute von einem spontanen Besuch der Loreley abgehalten haben. Das Lineup war aber wohl insgesamt auch zu inhomogen und der Eintrittspreis (knapp über 50€) gleichzeitig etwas zu hoch. Ein echter Headliner aus dem Independent-Bereich (z.B. The Cure) wäre wohl nötig, um die Besucherzahlen in finanziell lohnender Bereiche zu treiben. Man wird abwarten müssen, wie der Veranstalter sich diesbezüglich entscheidet.
Setlist – New Model Army
Zum siebten Mal fand das Night of the Prog (NotP) Festival in diesem Jahr statt, d.h. zum 7. Mal seit 2006 trafen sich die Fans der progressiven Musik auf dem “heiligen Felsen” oberhalb von Sankt Goarshausen, um dort mit Gleichgesinnten zu feiern, an den zahlreichen Verkaufständen die eigene Sammlung zu ergänzen oder einfach nur um gute Musik zu hören. Was als Eintages-Event begann und sich im dritten Jahr zu einer Dreitagesveranstaltung entwickelt hatte, ist mittlerweile wieder auf 2 Tage “gesundgeschrumpft”. Der Schreiber dieser Zeilen selbst ist jedes Jahr anwesend gewesen (wenn auch nicht immer an allen Tagen).
Dieses Jahr konnte der Veranstalter zwar keinen absoluten Topact der Szene aufbieten (wie Dream Theater im vergangenen Jahr), dafür war das Programm aber über zwei Tage so ausgewogen, dass ich 2012 nach mehreren Jahren wieder beide Tage des Festivals besuchen wollte.
Als wir das Festivalgelände am Samstagabend kurz vor Mitternacht zu den letzten Klängen von Saga verließen, konnte ich mir fast nicht vorstellen, dass es am folgenden Tag regnen sollte, aber der Wetterbericht traf zu. Am Sonntagmorgen gingen recht heftige Schauer über der Loreley nieder. Da ich selbst jedoch nach Hause gefahren war, konnte ich am PC die Wetterradarbilder entspannt genießen – und losfahren, als sich die Front nach Osten verabschiedete. Zwar gab es auch im Verlauf des Sonntagnachmittags noch einige Schauer; diese fielen jedoch vergleichsweise harmlos aus und dauerten nur 5-10 Minuten.
Ich betrat also das Festivalgelände um halb 2, just als Lazuli (13:30 – 15:13) die Bühne enterten. Die Band aus Südfrankreich hatte bereits 2009 auf der Loreley gespielt, damals allerdings noch in Originalbesetzung. Ursprünglich bestand die Band aus 6 Musikern, die ich bisweilen als am skurrilsten behaarte Band meines Konzertlebens beschrieben habe. Einen weiteren Superlativ könnte man allerdings auch für das Instrumentarium der Musiker benutzen. Neben zwei Gitarristen (akustisch und elektrisch) fanden sich dort ebenfalls zwei (sehr variabel ausgestattete) Perkussionisten, ein Warr-Gitarrist (ein Chapman-Stick für Fortgeschrittene) sowie ein Léode-Spieler. Bei Letzterem handelt es sich um ein einzigartiges Instrument, das für Claude Léonetti angefertigt wurde, nachdem er bei einem Motorradunfall teilweise in einem Arm gelähmt war. Für Kenner sei gesagt, dass es sich quasi um eine Kreuzung aus Chapman-Stick und Midi-Controller handelt, mit der alle möglichen Töne erzeugt und mittels eines elektronischen Griffbrettes verändert werden können. Der aus diesem Lineup resultierende Gesamtsound war definitiv einmalig und eben dies ließ mich nach meinem ersten Konzertbesuch 2007 auch nahezu sprachlos zurück.
Ende 2009 verließen drei der Musiker die Band. Anstatt der beiden Percussion-Spieler und des Warr-Gitarristen stießen ein “normaler” Drummer sowie ein Keyboard-Spieler zur Band. Dabei handelte es sich um (ehemalige) Fans der Band, die ihre “Dienste” nach der Auflösung der Urbesetzung anboten. Man muss allerdings nicht Musik studiert haben, um (zutreffend) zu vermuten, dass durch diese Veränderungen der Sound der Band sich deutlich dem einer normalen Rockband angenähert hat. (Auch behaarungstechnisch sind die beiden Neulinge eindeutig näher am Mainstream als der Rest der Band und die Musiker, die sie ersetzt haben, aber dies nur nebenbei.)
Allerdings wird immer noch einiges an Abwechslung geboten, wenn Lazuli auf der Bühne stehen. So blies der Keyboarder gleich beim zweiten und dritten Stück in ein Waldhorn, oder aber er übernahm bei einem Lied das Schlagzeug, während der Schlagzeuger zum Vibraphon wechselte oder auch mal zur Akustikgitarre griff. All dies trug zur Unterhaltung des Publikums bei, ebenso wie die traditionell mit starkem Akzent abgelesenen deutschen Ansagen von Dominique Léonetti. Seht sympathisch. Überhaupt merkt man den 5 Männern an, dass es ihnen unheimlichen Spaß macht, genau das zu tun was sie dort tun – und das überträgt sich auch auf das Publikum.
So weit so gut. Vielen der neueren Kompositionen der Band fehlt allerdings meines Erachtens dieses gewisse Etwas, das das Gros der beiden ersten Alben ausgezeichnet hat. Aus diesem Grund war es mir auch nicht möglich, eine vollständige Setlist mitzuschreiben, da die Stücke der letzten Alben für mich persönlich nicht ausreichend “Identität” haben, um sofort wiedererkannt zu werden.
2009 war ein Highlight des Programms eine instrumentale Coverversion von Depeche Modes erstem Hit “Just Can’t Get Enough” (!), gespielt von allen (!) Bandmitliedern gleichzeitig (!) auf einem (!) Vibraphon. Vermutlich aus logistischen Gründen hatte die Band dieses Mal kein “echtes” Vibraphon dabei, sondern nur ein elektronisches Exemplar. Das hinderte die 5 Musiker aber nicht daran, sich als Zugabe erneut vollständig um eben dieses Instrument zu versammeln, um gleichzeitig draufloszuspielen. Dabei wurden auch zwischenzeitig die Positionen gewechselt und der diesjährige Über-Hit “Somebody That I Used To Know” von Gotye eingebaut. Die Spielfreude auf der Bühne und die Begeisterung im Publikum erreichten trotz des zwischenzeitlich einsetzenden Regens einen frühen Höhepunkt an diesem Tag. Es bleibt zu hoffen, dass sich eine Bemerkung von Dominique Léonetti (“Alle guten Dinge sind drei”) bewahrheitet und Lazuli in einem der nächsten Jahre wieder beim NotProg auftreten.
Im vergangenen Jahr kam ich gerade auf dem Festivalgelände an, als Haken ihr Set spielten. Damals waren sie gerade erst in der Prog-(Metal)-Szene aufgetaucht und galten als Geheimtipp. Ich persönlich war damals nicht besonders beeindruckt und so waren meine Erwartungen in diesem Jahr auch nicht besonders hoch, als Haken (15:33 – 16:53) erneut auf der Loreley-Bühne spielten. Trotz der recht kurzen Umbaupause war der Sound gut – wie überhaupt bei fast allen Bands im Verlauf der zwei Tage. Für echtes Livemusik-Feeling zwar durchgehend etwas zu leise, dafür aber zumeist differenziert und man brauchte auch in Bühnennähe keine Ohrstöpsel. Aber zurück zu Haken. Ich selbst höre gerne (auch) härtere Musik bis hin zu (progressivem) Deathmetal, aber mit Hakens Interpretation von progressivem Metal kann ich einfach nicht viel anfangen. Insbesondere die oft quietschenden Keyboard-Sounds gingen mir (wieder) recht schnell auf die Nerven. Als dann während “Insomnia” Supermario und (eine Art) Prinzessin Lilifee (?) auf der Bühne erschienen, um rumzuhampeln und headzubangen (!), war mein Geduldsfaden dann doch gerissen. Vermutlich bin ich zu alt, um derartigen Firlefanz lustig zu finden. Zur Ehrenrettung der Band sei jedoch hinzugefügt, dass Haken für viele (zumeist jüngere) Besucher des Festivals das/ein Highlight des zweiten Tages waren. Nun denn.
Setlist – Haken (laut setlist.fm)
The Flower Kings (17:18 – 18:48) aus Schweden traten nach 2007 zum zweiten Mal beim NotProg Festival auf. Damals standen sie kurz vor der längsten Auszeit in der Bandgeschichte. Nach einer Tour im November 2007 legte Bandkopf Roine Stolt seine Hauptband auf Eis und die Mitglieder verfolgten danach diverse Soloprojekte (Agents Of Mercy, Karmakanic, etc.).
Nach einem Auftritt beim Sweden Rock Festival im Juni, war dies erst das zweite Konzert der Band seit 2007. Neu im Lineup ist Felix Lehrmann aus Berlin an den Drums, der auch auf der neuen CD “Banks Of Eden” zu hören ist. Die restlichen Mitglieder spielen seit 1999 zusammen. Stolt, Hasse Fröberg und Tomas Bodin sind sogar bereits seit 1995 Kern der Truppe. Mit ihrem elegischen Retro-Prog stellten sie sicherlich einen starken Kontrast zu Haken dar. Trotz lediglich 7 Tracks (in 90 Minuten) auf der Setlist boten die Flower Kings einen Querschnitt über einen Großteil ihrer Karriere, was mir als “Teilzeitfan” durchaus zusagte. Während “Paradox Hotel” ging der letzte Schauer des Tages auf dem Gelände nieder. Kein Wunder, wo doch der erste Track des Sets – “Last Minute On Earth” – vom Album “The Rainmaker” stammte. Während des abschließenden “I Am The Sun” (!) wurde es jedoch langsam wieder heller, und zum Ende des Sets glaubte man tatsächlich die Sonne zwischen den Wolken hervorlugen zu sehen (was sie kurze Zeit später tatsächlich tat und fortan blieb es trocken und sonnig).
Insgesamt merkte man sicherlich, dass ihr Zusammenspiel nach der langen Pause noch nicht perfekt war, aber dennoch gelang den Schweden ein – im positiven Sinne – solider Auftritt beim Notprog VII.
Als ich das endgültige Lineup für das diesjährige Festival zum ersten Mal sah, dachte ich sofort, dass Katatonia (19:14 – 20:41) ein Fremdkörper sein würden. Auch wenn ich die Band nur grob über die Jahre verfolgt hatte, so war ich mir doch sicher, dass der Prog-Gehalt ihres Oeuvres eher in Promille denn in Prozent zu messen ist, zumal auch im Vergleich mit ihren schwedischen Kumpels von Opeth. Letztere hätten m.E. ganz hervorragend in das diesjährige Lineup gepasst. Der mangelnde Prog-Gehalt war jedoch nicht der alleinige Grund für meine Skepsis. Ich hatte Katatonia 2010 schon einmal live gesehen (hauptsächlich wegen der Kombination mit dem damaligen Support Long Distance Calling) und mein damaliges Fazit war, dass es sich – zumindest an dem damaligen Abend – um die langweiligste Liveperformance die ich je auf einer Bühne gesehen habe, gehandelt hat. Insbesondere die (mangelnde) Bühnenpräsenz von Bassist und Sänger Jonas Renkse (der zusammen mit Mikael Akerfeld “echten” Deathmetal bei der Band Bloodbath macht) empfand ich als sehr ermüdend und langweilend. Ganz so schlimm war es an diesem Abend nicht, aber dennoch war ich spätestens nach dem dritten Song gelangweilt, weil subjektiv alles doch sehr ähnlich klang, weshalb ich den Rest des Sets auch weitgehend für einen Rundgang über das Gelände nutzte. Deutlich unter 2000 Leute waren anwesend. Was für den Veranstalter sicherlich weniger erfreulich war, hatte für die Besucher jedoch den Vorteil, dass man wirklich problemlos über das Gelände schlendernd konnte. Auch die Wartezeiten an den Essens- und Getränkeständen waren minimal. Katatonia spielten derweil sicherlich ein ordentliches Set und ein Gutteil des Publikums ging auch mit. Ich persönlich fand sie jedoch bei einem *Prog*-Festival fehlbesetzt.
Das Festival abschließen sollte in diesem Jahr Steve Hackett mit seiner Band (21:16 – 22:59), der zum zweiten Mal nach 2009 beim NotProg Festival vertreten war. Die Besetzung der Band unterschied sich nur bei der Bassposition. Diese wird in Hacketts Band traditionell je nach Verfügbarkeit von verschieden Personen besetzt. Statt Nick Beggs, der zwischenzeitlich hauptsächlich mit Steven Wilson unterwegs ist, wurde der Fünf(!)saiter – wie auf der Hallentour im vergangenen Herbst – von Phil Mulford bedient. Im Gegensatz zu eben dieser Hallentour war Amanda Lehmann jedoch nicht von der Partie, was wohl auch dazu führte, dass von “Shadow Of The Hierophant” nur der instrumentale Schlussteil gespielt wurde. Eine kleine Enttäuschung für mich persönlich war die Tatsache, dass das Set statt der angekündigten 2 Stunden nur etwas über 100 Minuten dauerte. Zwar sind die Curfew-Regelungen auf der Loreley inzwischen scheinbar extrem streng (0 Uhr am Samstag, 23 Uhr am Sonntag), mit etwas gutem Willen (des Bühnenpersonals) hätte Hackett sein Set aber auch schon um 21 Uhr beginnen können. Andererseits war die Songauswahl sicherlich sehr gelungen. Frühe Solowerke fügten sich mit Genesis-Klassikern und Songs der letzten Soloalben zu einem erstaunlich harmonischen Ganzen zusammen. Für das Publikum dieses Prog-Festivals waren die Genesis-Titel – performed vom damaligen Gitarristen – alleine die Reise zur Loreley wert. Insbesondere “Firth Of Fifth” (mit dem legendären Solo) und “Los Endos” führten zu Standing Ovations im weiten Rund des Amphitheaters. Zur abschließenden Zugabe “Watcher Of The Skies” wurde ein Gastsänger auf die Bühne geholt, Nad Sylvan von Agents Of Mercy (und Unifaun). Stimmlich war dieser dem Original (Peter Gabriel) sicherlich näher als der Hackett-Drummer (und Sänger) Gary O’Toole; das extravagante Styling und Verhalten von Sylvan lenkte jedoch etwas stark von seiner ansprechenden stimmlichen Leistung ab.
Insgesamt also ein würdiger Abschluss des diesjährigen Festivals. Es bleibt zu hoffen, dass die eher enttäuschenden Besucherzahlen den Veranstalter nicht davon abhalten, auch im kommenden Jahr wieder ein Festival auf der Loreley auf die Beine zu stellen.
Bereits zum siebten Mal hatten Wiv-Entertainment zur “Night oft the Prog” geladen. Die Freilichtbühne auf dem Loreley-Felsen ist einfach die perfekte Location für diese Veranstaltung. Der Wettergott war uns gnädig und erfreute die Prog-Fans mit strahlendem Sonnenschein. Das Line-up ließ mal wieder Großes erwarten: Progressive Rock aus Skandinavien, Deutschland, Großbritannien, den USA und Kanada. Es ist das Konzept dieses Festivals, eine möglichst große Bandbreite zu zeigen – und das ist Winfried Völklein auch in diesem Jahr gelungen.
Der weiten Anreise geschuldet kamen wir erst zu den Klängen von Airbag auf dem Festivalgelände an. Die Norweger gründeten sich ursprünglich als Pink Floyd-Coverband. Das kann man auch heute noch ahnen, denn flächige Keyboards und eine floydige Atmosphäre bestimmen das Klangbild. Ihr Live-Debüt auf deutschem Boden ist in jedem Fall gelungen und das aktuelle Album “All Rights Removed” hat sicher einige Abnehmer gefunden.
Dann kamen die Hamburger Sylvan (16:20-17:46), die ihrem Status als Platzhirsche des Progressive Rock aus deutschen Landen mal wieder alle Ehre machten. Grund genug, sich von dem schnuckeligen Biergarten mit Blick auf den Rhein zu trennen und die Open-Air-Arena zu betreten. Das weite Rund war locker gefüllt und die Stimmung unter den Fans hervorragend. Sylvan hatten viel neue Musik zu bieten. Das Album “Sceneries” ist erst kürzlich erschienen und nahm dementsprechend breiten Raum ein. Es besteht aus fünf Kapiteln, die sich jeweils einem Bandmitglied widmen. Ein sehr introvertiertes Album mit vielen ruhigen Passagen. Live ist so etwas schwierig an die Leute zu bringen – doch mit Marco Glühmann verfügen Sylvan über einen Ausnahme-Vokalisten, der diese Kunst aus dem Effeff beherrscht und (nicht alle, aber viele Anwesende) mitzureißen vermochte. Ganze drei Chapter aus dem sperrigen neuen Werk wurden gespielt – und dann noch zur Freude aller zwei Songs von Sylvans Meisterwerk “Posthumous Silence”, das als komplexes Konzeptalbum noch immer das Maß aller Dinge für die Band ist.
Auf Arena (18:10-19:30) war ich ganz besonders gespannt – bin ich doch seit den Anfangszeiten der Band im Jahr 1995 großer Fan und verfolge alles, was die Truppe um Mick Pointer und Clive Nolan so macht. Vor allem gab es über die Jahre einige Wechsel am Mikro und Paul Manzi (der den schmierigen Rob Sowden ersetzt) ist ganz neu mit dabei. Lange mussten die Fans auf ein neues Album ihrer Neo-Prog-Heroen warten. Kürzlich erschien (nach sechs Jahren Pause) das neue Werk “The Seventh Degree Of Separation”. Die stilistische Bandbreite bleibt zwischen Symphonic Rock und härteren Elementen. Doch man muss sagen, dass das Album eher Richtung Hard Rock als in die reine Prog-Schiene läuft. Weniger Bombast, spärliche Keyboards, stattdessen ab und an derber Hau-drauf-Rock. Paul Manzi ist absolut geeignet dafür – er hat eine sehr rockige Stimme und singt die neuen Songs in Höhen und Tiefen perfekt. Ein Frontmann, der perfekt zu Arena passt – das bewies er auch auf dem Loreleyfelsen. Allerdings war schon zu bemerken, dass er mit den älteren Songs große Schwierigkeiten hatte. Vor allem die Tracks aus den 90ern, die im Set eingebaut waren, wollten bei ihm nicht so recht funktionieren. Darüber hinaus war das Konzert aber absolut stimmig. John Mitchell und der zurückgekehrte John Jowitt sind ein Dreamteam an den Gitarren und die Setlist umfasste mit “A Crack In The Ice”, “(Don’t Forget To) Breathe” und “Valley Of The Kings” einige Highlights. Allerdings gab es nur einen Song aus den Anfangstagen – und das war für mich absolut zu wenig. Schade.
Die nächste Band mit neuem Frontmann war Spock’s Beard (20:04-21:48), frisch eingeflogen zum exklusiven Deutschlandkonzert aus den USA. Für viele waren sie das Highlight des Festivals, denn man wollte sehen, wie sich der neue Sänger Ted Leonard gegenüber den extrovertierten Bandmitgliedern Alan Morse und Ryo Okumoto behaupten kann. In der Prog-Szene war er bisher als Fronter von Enchant in Erscheinung getreten und Fans wissen daher um seine charismatischen, gefühlvollen Vocals. Dennoch muss er als Nachfolger von Neal Morse (unter dessen Ägide Spock’s Beard ihre Hochphase hatten) und Nick D‘Virgilio (der weiland wie Phil Collins vom Schlagzeuger zum Mann am Mikro aufrückte) in große Fußstapfen treten. Das gelang ihm mit Bravour. Ted Leonard tritt frisch, dynamisch und unverbraucht auf. Die große Fanschar hatte er schnell im Griff. Und dazu gab es eine Setlist, von der sich jeder mitreißen ließ. Zunächst einige kurze Highlights wie “On A Perfect Day” und “Day For Night”, zwei gänzlich neue Songs, die Großes für das elfte Album (vermutlich Frühjahr 2013) erwarten lassen – und zwei epische Progwerke, die jedes Fanherz höher schlagen ließen: “The Doorway” und “The Light”. Ted meisterte alle stimmlichen Hürden, Ryo gab wie immer den Keyboard-Clown und Alan spielte ein souveränes Solo ums andere. Wer Spock’s Beard kennt, weiß, dass alle Bandmitglieder gerne mal sängerisch tätig werden und es oft chorische Passagen in den Songs gibt. In der Vergangenheit kam das live nicht immer perfekt aus den Boxen. Doch seit Jimmy Keegan an den Drums sitzt und man Ryo Okumoto in diesen Momenten das Mikro etwas leiser dreht, sind die mehrstimmigen Passagen sehr schön anzuhören. Einziger Wermutstropfen am Abend: Während “The Light” kam es zu einem Pfeifgeräusch am Keyboard-Monitor, das die Band sehr irritierte und dieses wichtige Stück leider leicht beeinträchtigte. Trotzdem ein Kompliment für das Neoprog-Flaggschiff aus den USA: Der Drops ist noch lange nicht gelutscht.
Der Abend neigte sich dem Ende zu und mit Saga (22:12-23:58) durfte der Headliner des ersten Abends ran. Diesmal kein neuer Sänger, sondern ein zurückgekehrter. Blöd für Rob Moratti, der drei Jahre lang als Lückenbüßer fungierte, in meinen Augen einen Superjob machte, aber der großen Fanschar Michael Sadler nicht ersetzen konnte. Das Album “The Human Condition” bot guten Prog. Morattis Stimme klang ganz anders als die des Vorgängers, was auch eine gute Wahl war. Jetzt muss er sich wohl vorkommen wie Ray Wilson damals bei Genesis: Der Meister will zurück zu uns – du hast deine Schuldigkeit getan. Also Schlussstrich. Es gibt ein neues Album – vielleicht eines der besten in der langen Diskographie. Der Titel “20/20” ist mehrdeutig: Das zwanzigste Album der Band. Gleichzeitig medizinischer Begriff für perfekte Sehkraft und damit ein Wunsch für Jim Gilmour, der während der letzten Tour ausfiel und fast sein Augenlicht verlor. Ich muss gestehen, dass ich den Auftritt mit gemischten Gefühlen erwartete. Im vergangenen Jahr bei der Co-Headliner-Tour mit Marillion sah es so aus, als lebten Saga ausschließlich in der Vergangenheit und spulten ein reines Best-of-Programm ab. Auf der Loreley hingegen (gerade in einem Setting, in dem viele Bands nur ihre Hits spielen) gab es einen abwechslungsreichen und gut durchdachten Querschnitt durch viele Alben, sogar unter Berücksichtigung des selten gespielten “Generation 13”. Und tatsächlich zwei Tracks vom neuen Werk! “Six Feet Under” und “Anywhere You Wanna Go” zeigten uns eine wieder erstarkte Truppe mit markanten Gitarrenriffs, gewagtem Synthesizer-Einsatz und den ach so typischen Vocals. Prägnanter geht es kaum. Sadler ist nun mal ein begnadeter Sänger und was die anderen drum herum spinnen, ist handwerklich perfekt.
So endete der erste Tag dann doch mit einem Highlight und ich war schon etwas traurig, dass ich den Sonntag in diesem Jahr leider nicht mitnehmen konnte. Einen Bericht bekommt ihr trotzdem – vom Kollegen Karsten Bier. Und ich freue mich auf die achte Auflage des Festivals, die schon terminiert ist: “Night Of The Prog VIII” steigt am 13. und 14. Juli 2013.