Wenn ich in der Vergangenheit die Musik von Miriam Hanika reviewt habe, standen vor allem ihre Stimme und ihre Lyrics im Mittelpunkt. Dabei war mir durchaus bewusst, dass sie vor allem eine grandiose Oboistin ist, denn sie begleitet viele Lieder selbst auf der Oboe. Ein klangvolles Alleinstellungsmerkmale in der Liedermacherszene, das ihren selbst geschriebenen Stücken eine emotionale Tiefe verleiht, die einzigartig ist. Kein Wunder, dass Konstantin Wecker sie für sein Label Sturm & Klang rekrutiert hat und sie schon mehrfach im Trio mit Sarah Straub und Tamara Banez aktiv war.
Es ist eine spannende Entscheidung der Liedermacherin, ihr neues Album „Schilflieder“ als reines Instrumentalalbum herauszubringen – und ebenso Konstantin hoch anzurechnen, dass das Werk ebenfalls bei Sturm und Klang erscheint. Absolut richtig, denn was Miriam hier liefert, ist ein grandioses Album voll stimmungsvoller Musik, bei der die Oboe die Stimme absolut gleichwertig ersetzt. Es geht nicht um das textliche Ausdrücken von Gefühlen – die Musikalität erfüllt hier den gleichen Zweck.
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Die einzelnen Tracks erzählen wundersame Geschichten von Fabelwesen („Faun“), lassen in „Tide“ die Stimmung von Ebbe zu Flut wechseln, klingen ganz melancholisch („Cie“, „Grenadill“) oder schmiegen sich um melodische Pianoläufe („Firneis“). Auch wenn die Oboe fast immer im Mittelpunkt steht, gibt es eine Reihe beteiligter Musiker*innen mit Violine, Cello, Gitarre, Piano, Bass und Drums.
Manche Stücke wie „Wanderlust“ oder „Ruhe im Sturm“ sind bereits auf früheren Alben erschienen und wurden neu aufgenommen. Die Homogenität der Schilflieder wird dadurch nicht gestört. Miriam Hanika bietet hier knapp 40 Minuten grandioser, bedächtiger Instrumentalmusik voller Aussagekraft. Wundervoll!
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Sarah Straub ist nicht nur eine begnadete Liedermacherin und Sängerin, sondern auch Psychologin und Autorin. Im Bereich der Demenzforschung hat sie sich inzwischen einen Namen gemacht und ein bewegendes Buch über die Demenzerkrankung ihrer Großmutter geschrieben. Bei Vorträgen verbindet sie die Liebe zur Musik mit dem Thema – und tut sehr gut daran. Vor einigen Monaten durfte ich eine Veranstaltung mit ihr in Trier besuchen und fand die Verbindung zwischen der Musik – in diesem Fall sang sie Stücke ihres Mentors Konstantin Wecker – und den Erzählungen aus ihrem Privat- sowie ihrem Arbeitsalltag sehr authentisch und berührend. Ohnehin weiß man inzwischen, dass Musik (und dabei vor allem bekannte Lieder aus der Vergangenheit) demenzkranke Menschen ein Stück weit aus ihrer entrückten Welt heraus holen kann.
Im neuen Album von Sarah geht es aber eher um Angst. Oder besser: „Keine Angst“. Auch hier wird gleich eine Assoziation geliefert, denn wer erinnert sich nicht an das Summen im dunklen Keller oder das berühmte „Pfeifen im Walde“, wenn man sich in einer Situation unwohl fühlt. Und gerade in der heutigen Zeit spielt Angst wieder eine große Rolle. Angst vor Krankheit, vor Krieg, vor Klimawandel, vor Einschränkungen im Leben. Dramatisch kommt hinzu, dass Parteien, die vermeintlich einfache Antworten auf diese Ängste geben, großen Zulauf bekommen.
Sarah möchte nun keine Angst machen, sondern Mut. Beim Schreiben ihrer dreizehn neuen Lieder wurde ihr klar, dass es im Leben keinen wahren Grund gibt, sich seinen Ängsten hinzugeben. Vielmehr sollte man sie liebevoll umarmen und ziehen lassen. Auf ihrem nunmehr sechsten Album finden sich einfühlsame und wütende Songs, mit denen sie sich mit dem Leben hoffnungsfroh versöhnt. Mit Titeln wie „Schokoeis mit Sahne“, „Du bist so schön, wenn Du lachst“, „Bumerang“ oder „D`Zeit hoilt alle Wunda“ packt sie beherzt die Themen Tod, Einsamkeit, Ungerechtigkeit und auch Missbrauch an. Dinge, die sie enttabuisieren möchte, mit tiefen Blicken in ihre Seele, mit gnadenlos offenen Worten, die sie mit den schönsten Melodien in die Freiheit entlässt.
Sarah Straub hat eine sehr facettenreiche Stimme. Sie kann einfühlsam und aggressiv sein. Tief ins Innere der Emotionen vorstoßen, aber wichtige Dinge auch so ganz nebenher erzählen. So ist es im Opener herzerfrischend, mit welchem Optimismus sie die Menschen anspricht und zum befreienden Lachen bewegt. Das „Einmachglas“ steht als Sinnbild für verborgene Sehnsüchte. „Ich dreh mich um dich“ ist die Versicherung des sich kümmernden Menschen an den Ängstlichen. „Lego“ beschäftigt sich mit der Seele unserer Kinder. Das „Liebeslied im alten Stil“ setzt einen Gegenpol zu Tik Tok und Instagram-Stories.
Gerne legt Sarah auch den Finger in die Wunde. Der „Pandemiewalzer“ zeichnet das melancholische Bild einer unwirklichen Welt, in der alles auf den Kopf gestellt war. Auch hier vergisst die Liedermacherin nicht die Einsamen, die im emotionsfreien Raum untergehen. Einige schöne Schmankerl tun sich in der Songliste auf. So gibt es „Das Spiel“ in der fantastischen Version, die schon auf dem Trio-Album von Miriam Hanika, Sarah Straub und Tamara Banez erschienen ist. „D’Zeit hoilt alle Wunda“ singt Sarah in der Mundart ihrer schwäbischen Heimat, wobei es um das sehr tiefgehende Thema sexueller Belästigung geht. Und ganz zum Schluss gibt es eine wunderschöne Liveversion des Stückes „Mein Glück“ mit Jo Barnikel am Piano, den viele aus seinem Zusammenspiel mit Konstantin Wecker kennen werden.
Fast eine Stunde wundervoller, emotionaler Musik bietet die Liedermacherin. Fast immer am Piano dargeboten, dabei aber gerne auch mal rhythmisch vertrackt wie bei „Bumerang“, wo Themen wie Demenz mit energischem Lamento behandelt werden. Sarah Straub spricht die schwierigen Themen an wie Konstantin Wecker und zeigt sich als große Liedermacherin. Es klang gut, wenn sie auf einem Album den Liedern Weckers zu neuer Blüte verhalf, doch ihre eigenen Stücke sind ebenso wertvoll. Ein einzigartiges Album!
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Mit ihrer neuen Elektropop Single „Entfreunde Dich“ trifft Tamara Banez einen Nerv: Voller Ironie besingt sie die Wirrungen der aktuellen Zeit und das für sie damit verbundene Ende einer Freundschaft.
Wie bereits bei ihrer Klima-Hymne „Mayday“ mixt die synthesizer-affine Songwriterin* eine starke Message mit elektronischem Sound – diesmal in Zusammenarbeit mit Berliner Kult-Producer monojo.
Das Ergebnis hat es in sich: Electro meets Balkan meets Pop – und irgendwie erinnert alles an ein skurrile Zirkusszenerie.
Angelehnt ist „Entfreunde Dich“ an die #unfollowme-Kampagne von „Laut gegen Nazis“ und stellt sich damit klar gegen rechte Propaganda und Vereinnahmungstendenzen.
Tourdaten 2022:
17.03.2022: Tamara Banez + Hanika Straub Banez, Rathaus, München
04.06.2022: Konstantin Wecker, Tamara Banez + Hanika Straub Banez, Circus Krone, München
03.07.2022: Konstantin Wecker, Tamara Banez + Hanika Straub Banez, Kloster Banz, Bad Staffelstein