Duo-Art: Entschleunigung mit Landgren und Lundgren – „Kristallen“

Mit etwas Verspätung möchte ich mich noch dem Album zweier fantastischer Jazzmusiker zuwenden: „Kristallen“, das schon im Januar erschienen ist aber perfekt in die momentane Zeit der absoluten Entschleunigung passt. Endlich hat man die Muße, sich diesem entspannten Album zu widmen, das zwei Ausnahmetalente gemeinsam eingespielt haben.

Das Konzept nennt sich Duo-Art: Es ist die reduzierteste Form des miteinander Musizierens. Nicht minder reichhaltig und, wenn es gelingt, die kleinste Bigband der Welt – zwei auf sich allein gestellt, spontan und intensiv. Mit „Kristallen“ stellen sich die beiden Schweden Nils Landgren und Jan Lundgren dieser Herausforderung. Sie liefern ruhig und gelassen dahinfließender Kammerjazz, der nicht nach Aufmerksamkeit schreit, sondern demjenigen seine wahre Schönheit offenbart, der genau hinhört. Das Ganze wird meist instrumental dargeboten. Doch es hat seinen besonderen Reiz, wenn bei Stücken wie „Didn’t We“, „We Will“ und „Lovers Parade“ Landgrens charismatische Vocals erklingen.

Schon der Opener „Blekinge“ setzt den Ton des Albums, eine Reminiszenz an die beschauliche Provinz, aus der Jan Lundgren stammt. Zwischen erhabener Leichtigkeit und melancholischem Sinnieren entsteht eine subtile Klanglandschaft, die sich aus schwedischer Volksmusik und Blue Notes speist. „Byssan Lull“ schließt nahtlos daran an. Die andächtig vorgetragene Melodie wird in einem beschwingten Blues fortgeführt. Im Wechselspiel von Posaune und Klavier ertönt „Hornlåtar“, das verschiedene kurze Hornsignale, wie sie traditionell in Schweden gespielt werden, kunstvoll verarbeitet.

Zwei weitere Stücke haben eine tiefe persönliche Bedeutung für Landgren: „Olu“ findet sich bereits auf dem Album „Gotland“ (1996) wieder, aufgenommen mit dem 2018 verstorbenen polnischen Trompeter Tomasz Stańko. Und „Värmlandsvisan“ schließlich ist eine Hommage an Landgrens Heimat. Neben seinen Eigenkompositionen hat sich Jan Lundgren bei der Titelauswahl bei zwei für ihn einflussreichen Pianisten bedient: „Country“ stammt aus der Feder von Keith Jarrett und „The Wedding“ von Abdullah Ibrahim. Stücke aus dem Great American Songbook und Musik der Beatles komplettieren das Repertoire.

Hier haben zwei zueinander gefunden, die in denselben musikalischen Kategorien denken und fühlen. Genüsslich schwelgen sie in den Melodien der Fremd- und Eigenkompositionen: Nordisches Gemüt, tiefe romantische Empfindung, impressionistische Färbung und das Bekenntnis zur amerikanischen Jazztradition machen den Zauber von „Kristallen“ aus – ein musikalischer, in vielen Farben leuchtender Diamant, behutsam geschliffen in vertrauter Zweisamkeit. Es mag sehr bereichernd sein, dieses Album in Ruhe mit einem Glas Rotwein zu genießen.