Jochen Distelmeyer und die Reduktion auf das Wesentliche

Nach 17 erfolgreichen Jahren kam das Ende von Blumfeld im Jahr 2007. Die Popband, welche die Hamburger Schule maßgeblich beeinflusste, stand ganz vorne in der Riege deutscher Indie-Vertreter. Schmerzlich also, dass Jochen Distelmeyer die Auflösung voran trieb. Aber seine kreative Ader war zumindest noch nicht gebrochen, denn bereits zwei Jahre später erschien das deutschsprachige Soloalbum „Heavy“. Ein neuer Start als Singer/ Songwriter – ganz im gewohnten Stil der Band Blumfeld.

Doch dann wurde es ruhig um Jochen Distelmeyer. Sehr ruhig. Sechs Jahre hörten wir nichts. Und dann die Ankündigung, dass es ein Coveralbum mit englischsprachigen Titeln geben wird. Ist das Pulver verschossen? Eine Schreibblockade vielleicht? Das Jahr 2015 zeigte zumindest, dass Distelmeyer seinen künstlerischen Schwerpunkt verlagert hatte und brachte uns im Februar einen Roman mit dem Titel „Otis“.

Jetzt – ein Jahr später – also das Album „Songs From The Bottom“. Der Zusatz „Vol. 1“ lässt zudem vermuten, dass das musikalische Schaffen wie auch immer weiter gehen wird. Doch was soll man nun von dem Werk halten? Das Cover mit der lässig-lasziv qualmenden Dame lässt im ersten Moment auf eine Scheißegal-Mentalität schließen. Und die Tracklist, die mit „Toxic“ gar einen Britney Spears-Song enthält, reißt auch nicht unbedingt vom Hocker.

Doch was die Titel zusammen hält, ist Distelmeyers gewohnt eindringliche Stimme. Man wähnt sich in einer Bar, der Meister an der Klampfe oder dem Piano in der Ecke, dann ein Streifzug durch die Musikgeschichte. Wie geil bitteschön klingt The Verves „Bitter Sweet Symphony“ aus seinem Mund? An der Stelle, wo Coldplay ihr Streicher-Stakkato aufriefen, füllt Distelmeyer die Lücke mit lautem Pfeifen. Das nenne ich mal genial.

„Just Like This Train“ von Joni Mitchell und Lana Del Reys „Video Games“. Der Sänger reduziert die Titel auf ihr Skelett und baut sie in akustischer Ausrichtung wieder ganz neu zusammen. Das Ergebnis macht aus dem Sammelsurium zwischen Nick Lowe und Al Green ein in sich geschlossenes Album, das zu Herzen geht. Man wähnt sich in besagter Bar, vergisst die ganzen Katastrophen rundherum und konzentriert sich auf das Wesentliche: die Musik.