Der Weg auf die Bestsellerliste – leicht gemacht

Heutzutage reicht oft ein gut platziertes Zitat in einem Social Media-Meme, um Aufmerksamkeit zu erlangen. So reicht ein Zitat von Harald Schmidt, das sie aktuelle Regierung als Schauspieltruppe verunglimpft und Merkels Rückkehr herbei sehnt, um den Verkaufserfolg des aktuellen SPIEGEL zu steigern. Dabei geht es in dem Interview (natürlich) nicht um Tagespolitik. Ebenso funktioniert das neue Werk des Entertainers Jürgen von der Lippe, nämlich frei nach dem Motto „sex sells“. Der Titel lautet „Sex ist wie Mehl“ und in diversen Interviews wird von der Lippes Abneigung gegen das allgegenwärtige Gendern in der neuen Schreibkultur kolportiert. Das sorgt für Medieninteresse und Schlagzeilen, doch der Autor hat in seinen „Geschichten und Glossen“ weder einen Sexratgeber noch eine antifeministische Streitschrift verfasst.

Was er allerdings getan hat, ist ein kurzweiliges Lesevergnügen aus kleinen Kapiteln zu schaffen, in denen er sich mit Alltäglichkeiten, skurrilen Gedankengängen und kleinen philosophischen Ideen beschäftigt. Es sind gesammelte Glossen und Kolumnen, die Jürgen von der Lippe für diverse Publikationen geschrieben hat. Man muss also gar nicht erst versuchen, einem roten Faden zu folgen. Im Prinzip sind es Anekdoten und bisweilen frivole Geschichten, die er mit seinem trockenen Humor an die Leserin und den Leser bringt. Nicht jeder Funke zündet. Von Kopfschütteln bis zu herzhaftem Lachen ist bei mir alles dabei, aber das habe ich auch nicht anders erwartet.

Was ist eine 5-Euro-Sängerin, warum ist Sex wie Mehl und wer sagt „Geh deine Oma melken“? Aus welcher Küche stammt Heiliges Geschnetzeltes, was ist Manna-Hamham und was macht ein Mönch mit einem Saxophon? Solche Fragen, die man sich noch nie gestellt hat, werden mit viel Humor und skurrilen Ideen beantwortet. Glück im Spiel, Tod und Trauer, Helene Fischer, neue Flirttechniken, Märchen heute, Schimpfkunde, gesellschaftliche Strömungen, Paare im Bett, Musik… Das Sammelsurium an Themen ist unerschöpflich.

Zum Ende hin spielt auch die Pandemie eine Rolle in Form eines „Coronanachtrags“. Hier beschäftigt sich der Autor mit Aerosolen, die beim Pupsen entstehen, mit den Enttäuschungen des De-facto-Berufsverbots und mit dem Tragen von Masken im Bordell. Das ergibt einige vergnügliche Momentaufnahmen, die das Buch hochaktuell machen.

Vor 48 Jahren stand Jürgen von der Lippe zum ersten Mal auf der Bühne, hat mehr Alben produziert als die Beatles und hat seit 41 Jahren nebenbei ein wenig Fernsehgeschichte geschrieben. Außerdem hat er 15 Bücher veröffentlicht und damit seine Wortgewandheit auch im gedruckten Bereich bewiesen. Die kleinen Geschichten sind ein nettes Lesevergnügen, keine Frage. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass die Worte noch besser zur Geltung kommen, wenn der Meister sie vorliest. Zum Glück gibt es auch eine Lesung auf CD und Livetermine. Die aktuellen Daten findet ihr HIER.

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