Kraftklub – Randale beim Finale
Kraftklub sind wieder zurück – und das mit der gleichen Intensität wie vor der Pause, die im März dieses Jahres mit der Ankündigung des neuen Albums „Kargo“ endete. Seitdem sind die fünf Musiker aus Chemnitz wieder fleißig unterwegs und halten weiterhin am bewährten Konzept fest: Eingängige Songs mit einer Mischung aus (Indie-)Rock, Rap und einer Prise Punkrock gepaart mit gesellschaftskritischen Songs, die live bestens funktionieren.
So ist es auch keine Überraschung, dass die ausverkaufte Mitsubishi Electric Halle in Düsseldorf am Sonntagabend kocht. Insbesondere im letzten Drittel entstehen gleich mehrere Moshpits in der vollgepackten Halle. Eigentlich aber hüpft, tanzt und crowdsurfed die gesamte Menge ausgelassen zum Beat der alten Klassiker, aber auch zu den neuen Songs des aktuellen Albums.
Dabei hätte das Konzert bereits am 21. November stattfinden sollen, war aber kurzfristig abgesagt worden. Sänger Felix packt beim Nachholtermin, der gleichzeitig das Finale der Kargo-Tour darstellt, dann auch aus, weshalb man zwei Stunden vor Konzertbeginn doch nicht spielen konnte: „Obwohl wir uns jede erdenkliche Impfung in unsere ostdeutschen Astralkörper gepumpt haben, stellte sich bei einem Schnelltest vor dem Soundcheck raus: Vier von uns fünf haben Corona.“
Das wurde zum Glück scheinbar gut weggesteckt, denn Kraftklub lieferten locker eine über zweistündige Show ab – inklusive Gastmusikerinnen, Besuchen im Publikum und teils langatmigen Ansagen.
Wenn Kraftklub auf die Bühne kommt, merkt man inzwischen, dass die Band größer geworden ist. Die Entfernung zum Publikum ist minimal, im Graben gibt es direkt an den Absperrgittern Plattformen, damit die Musiker hin und wieder zum Greifen nah sein können. Statt einer breiten Bühne mit gerade Front setzen die Fünf auf eine deutlich schmalere, dafür ins Publikum hereinragende Bühne, die vor Beginn, während Umbaupausen und zum Schluss von drei Seiten von weißen Stoffbahnen verdeckt war. Viel Nebel, jede Menge Licht und Strobo gehören seit jeher zum Konzept der Band.
Bei insgesamt 26 gespielten Titeln kann man dann auch entsprechend der gleichnamigen Tour alle elf Songs von „Kargo“ spielen – wobei man im Verlauf des gesamten Konzerts bestaunen kann, wie gut diese Band live funktioniert. Insbesondere Felix Kummer, der Frontmann geradezu auf die Stirn geschrieben hat, bekommt auch diesen Platz von seinen Bandkollegen. Die zeigen zwar ebenfalls (vor allem musikalische) Präsenz, wortführend bleibt jedoch er. Wobei man merkt, dass die fünf Jahre Pause dem Quintett gutgetan haben: Die Chemnitzer scheinen gemeinsam eine sehr gute Zeit zu verbringen.
Obwohl Programm eindeutig ausreichend vorhanden ist, lässt man es sich nicht nehmen, ein Glücksrad mit einzubauen: Welcher Song mag wohl überraschenderweise gespielt werden? Wobei es zumindest so scheint, als sei die Auswahl beim Finale in Düsseldorf deutlich größer als sonst: „Normalerweise gibt es da vier Möglichkeiten – und eine davon ist die Zigarettenpause.“ Jetzt jedoch ist das gesamte Rad vollgeklebt mit alten Songtiteln. „Liebe zu Dritt“ erdrehen dann die beiden Fans Johanna und Lea, sehr zum Leidwesen der Band, die es mit dem Outro des Songs versucht, der auf der 2017er Platte „Keine Nacht für Niemanden“ zu finden war. Als Trost gab es eine „Zaubereinlage“ von Gitarrist und Keyboarder Steffen.
Support-Act Dilla hat anschließend mit dem Icona Pop-Cover „I Love it” einen kurzen Gastauftritt im Hauptset, direkt gefolgt von Mia Morgan, die live wie auf Platte den Song „Kein Gott, kein Staat, nur du“ mit Kraftklub gemeinsam performen darf. Sie war bei einigen vorherigen Konzerten als Vorband mit dabei.
Nach einigen weiteren Songs kommen schließlich noch Nina und Lotta für „So Schön“ auf die Bühne. Beide sind zwei Drittel der Indie-Band Blond und die (Halb-)Schwestern von Felix und Till (Bass).
Eine kurze Pause erfolgt mit zwei ruhigeren Songs, bei denen es sich Kraftklub nicht nehmen lassen, diese direkt in der Menge zu performen: „Kein Liebeslied“ und das Kummer-Cover „Bei dir“ (Felix hat in der Kraftklub-Pause eine kurze, aber erfolgreiche Solo-Karriere verfolgt) erlebt das Publikum im Sitzen – und erhellt die gesamte Halle mit etlichen Handylichtern. Mit 500K geht es dann aber direkt voller Elan weiter; viel länger hätte sich ohnehin kaum jemand am Boden gehalten.
Zurück auf der Bühne folgen einige ältere Hits, Felix spricht sich dafür aus, Kritik auch dann zu üben, wenn man selbst nicht perfekt ist – und spielt damit auf die Klimaproteste an, die nur allzu oft mit vermeintlichen Doppelmoral-Anschuldigungen à la „Du stößt aber auch jeden Tag CO2 aus, da muss man sich gar nicht so aufspielen“ niedergebügelt werden. Der Song „Randale“ sei einer, so die Band, der ausschließlich live funktioniere, ein Überbleibsel aus der unbekannten Anfangszeit um 2009 herum, den eigentlich niemand kennt – außer das Live-Publikum, das ihn mit voller Ausgelassenheit feiert.
Drei Songs gibt es am Ende nochmal zur Zugabe, darunter „Ein Song reicht“, für den Kraftklub vor wenigen Tagen die 1Live-Krone als bester Alternative-Song gewonnen haben und natürlich den ewigen Klassiker „Songs für Liam“.
Für die ausverkaufte Halle war es ein Fest – dass das Finale der Kargo-Tour zudem noch Ausfall-bedingt nach Düsseldorf gelegt wurde, war ein Glückstreffer. Denn die fünf Kraftklub-Musiker wirkten gelöst und voller Vorfreude auf den nächsten Festivalsommer, wenn es dann wieder zurück auf die großen Bühnen geht.