„Bess demnähx“ im Amphitheater Trier – Konzertbericht BAP, 23.7.2022
Wie Wolfgang Niedecken ist auch sein Publikum inzwischen älter geworden. Kein Wunder also, dass die Innenfläche des kultigen Trierer Amphitheaters mit Stühlen ausgestattet war. Nur im hinteren Drittel gab es Stehplätze für die Hartgesottenen. Ja – BAP waren wieder in der Stadt. Oder besser gesagt: Niedeckens BAP. So hat der inzwischen 71jährige die Band nämlich im Jahr 2014 umbenannt, was der Tatsache Rechnung trägt, dass von den Urbesetzungen des letzten Jahrtausends nur noch der Frontmann selbst übrig ist.
Aber es ist eine fantastischen neunköpfige Band, die da in Trier am Start war. Mit Bläsersektion und „Allzweckwaffe“ Anne de Wolff wahlweise an Percussion, Violine oder Cello. Diese Besetzung gibt BAP einen ganz besonderen Drive, der über die Labels Kölschrock und Deutschrock hinausreicht. Das Publikum war zwar bunt durchmischt, doch altersmäßig eher Ü50 mit einigen Ausreißern nach unten. Zumindest konnte man vor allem die älteren Hits textsicher mitsingen.
Als Opener gab es ganz stilsicher „Hück ess sing Band in der Stadt“. Das trug der Tatsache Rechnung, dass hier viele Langzeitfans am Start waren – und auch Wolfgang Niedecken fühlt sich „zwischen Trier und Eifel“ seit Jahren zuhause. Also auch für ihn eine Art Heimspiel, das zum Glück nicht so verregnet war wie 2014er Auftritt an gleicher Stelle, den er noch gut in Erinnerung hatte. Diesmal war Sonnenschein angesagt.
Vom aktuellen Album „Alles fliesst“ gab es vor allem zu Beginn des Programms viele Songs zu hören wie „Jenau jesaat: Op Odyssee“ und „Volle Kraft voraus“, die dem Publikum nicht so geläufig waren, aber sich gut in die Setlist einpassten. Zum ersten Mal erhob sich alles von den Sitzen, als das eingekölschte The Troggs-Cover „Wahnsinn“ angestimmt wurde („do jommer och hin“) und in die Hymne „Waschsalon“ aus dem Jahr 1981 überging. Alle sangen einträchtig „wischwasch wischwasch“ und die Stimmung fand ihren ersten Höhepunkt.
Mit „Musik die nit stührt“ vom Album „Radio Pandora“ beklagte Niedecken das Easy Listening im heutigen Mainstreamradio mit Songs, die vor allem eins wollen: nicht auffallen. Zu dieser Richtung haben BAP nie gehört und werden es hoffentlich auch nie. Lovesongs Marke Niedecken richten sich an markante Frauen wie „Alexandra, nit nur do“.
Doch auch in Trier gab es einen Block von „Liebesliedern im Sitzen“, zu dem sich die filigrane Band im Halbkreis nach vorne setzte und Anne zum Cello griff. Den Anfang machte das melancholische „Jraaduss“, danach folgten Songs für den „Schutzengel“ (seine Frau Tina), nämlich „Paar Daach fröher“ und für seine Tochter Josie („Mittlerweile Josephine“). Auch den Klassiker „Jupp“ gab es zum Mitsingen mit Cello-Begleitung, doch nach einem genialen Gitarrensoli von Ulrich Rode waren die rockigen Klänge zurück.
Wie zu BAP-Konzerten üblich waren unzählige Fans des 1. FC Köln im Publikum und machten sich lauthals bemerkbar, als Wolfgang eine Lobeshymne an den FC und seinen Trainer Steffen Baumgart startete. Eine untrügliche Eigenschaft des Kölner Fußballs ist ja der stetige Wechsel von Freud und Leid. Da im Moment wieder Freude angesagt ist, konnte Niedecken dem FC und seinen Fans mit stolzer Brust „Nix wie bessher“ widmen.
Viele ältere Songs hatten den Weg in die Setlist gefunden, wie der unverwüstliche „Müsli Män“, der mit einem Blockflöten-Intro eingeleitet wurde. Doch nicht alle Texte waren eitel Sonnenschein. Im zweiten Amtsjahr von Trump hatte Niedecken das Stück „Ruhe vor’m Sturm“ als Warnung vor Populisten, Nazis und der AFD geschrieben. Und natürlich musste dies in das eindringliche „Kristallnaach“ übergehen und die umjubelte Aufforderung „Arsch huh, Zäng ussenander“.
Nach zwei Stunden war das Konzert längst zum Stehkonzert geworden und der Zugabenblock begann zu einem Zeitpunkt, wenn andere Bands die Leute schon längst heimgeschickt haben. „Wenn et bedde sich lohne däät“ hatte ursprünglich das beste BAP-Livealbum „Bess demnähx“ aus dem Jahr 1983 eingeleitet, das den Ruhmeszug der Band durch die Republik begleitete. Jetzt stand es zu Beginn eines gut 45minütigen Zugabenblocks und folgte direkt auf „Jeisterfahrer“. Zum Abschluss des ersten Blocks gab es (endlich) „Verdamp lang her“. Der zweite Block startete ruhig mit „Do kanns zaubere“, wobei die Lightshow im Amphitheater eine wundervolle Atmosphäre schuf.
Wolfgang Niedecken und seine hervorragende Band hatten ein überaus nostalgisches Konzerterlebnis abgeliefert, das aber auch die aktuellen Songs nicht vernachlässigte. Man verabschiedete sich in die dunkle Trierer Nacht und konnte nur hoffen: „Bess demnähx“.