Come Back Karl Marx: Comedy Musical in der Geburtsstadt des großen Denkers

Vor 200 Jahren wurde Karl Marx in Trier geboren. Und es war einiges los in Deutschlands ältester Stadt, um dieses Ereignis gebührend zu feiern. Eine große Landesausstellung, diverse kulturelle Events und ein erfolgreiches Stück im Theater Trier, das eigens fürs Jubiläum geschrieben wurde. Die Volksrepublik China hat gar eine Statue gestiftet, die nun überlebensgroß in der Innenstadt angestrahlt wird. Es wurde also viel geboten. Doch das mag auch dazu geführt haben, dass die Menschen aus Trier und Umgebung übersättigt sind, was das Thema Karl Marx angeht. Die Aufführungen des Musicals „Come Back Karl Marx“ in der Europahalle Trier standen jedenfalls unter keinem guten Stern, zumindest was die Zuschauerzahlen angeht. Wenn man die Zahlen der drei Aufführungen zusammenfasst, hätte man die Leute auch in einer Vorstellung untergebracht. Schade, denn es wurde ein durchaus amüsantes Spektakel geboten – mit drei großen Namen als Zugpferde und mit einem hervorragenden jungen Musicalensemble, das die Hauptarbeit leistete, um für gute Unterhaltung zu sorgen.

Das Stück wurde von Tobias Künzel (Die Prinzen), Maximilian Reeg und Steffen Lukas geschrieben. Es spielt übrigens in London am Grab von Karl Marx. Damit schlägt man von Trier aus gekonnt den Bogen über das Leben des Philosophen. Allerdings spielt der gute Karl nicht selbst mit. Es handelt sich nämlich im Grunde um eine typische Verwechslungskomödie mit allerlei Slapstick und skurrilen Momenten.

Die Geschichte: Der Finanzjongleur Dr. Manfred Acreman ist es leid, dass es immer wieder zu zyklischen Finanzkrisen kommt. Doch er kann einfach nicht von den Geldspielereien lassen und vernachlässigt dabei die pubertierende Tochter Jenny. Ein dubioser Berater namens Rasputin Mammonson verspricht Hilfe. Im Gegenzug für eine Heirat mit Jenny will er Karl Marx auferstehen lassen, damit dieser seine Theorien widerruft und das Kapital in Zukunft freie Bahn hat. Rasputin organisiert eine große Show am Grab von Karl, doch am Ende wird der dort lebende Obdachlose Marc S. für den auferstandenen Marx gehalten. Dieser ist in Jenny verliebt – und das Chaos nimmt mit Intrigen und Fantastereien seinen unheiligen Verlauf, bis am Ende gar ein Mord passiert und die Protagonisten nach dem Motto „Wer nix wird, wird Wirt“ eine Bar eröffnen.

An vielen Stellen war es mir zu viel Klamauk und das philosophische Gedankengut blieb weitestgehend auf der Strecke. Songs wie „Steck dir dein Flugzeug in den Hintern“, „Au, Au, Aufmerksamkeit“ und „Blubberblasenparty“ zeugten auch nicht gerade von hochgeistigem Hintergrund. Trotzdem machte das Ensemble seine Sache sehr gut. Was blieb ihnen auch anderes übrig? Man muss mit den Texten leben, die man bekommt. Tanja Bunke gab eine hervorragende Jenny Acreman mit sehr viel Spielfreude, gefühlvollem Gesang und mit sichtlich viel Spaß an der Rolle. Alles in allem war sie ja auch die einzig Normale in dem Reigen der Protagonisten. An ihrer Seite Alexander Martin als der reichlich naive Marc S., der sich am Ende doch nicht von den Verlockungen des Geldes einkaufen lässt. Die beiden gaben ein typisches Musical-Liebespaar ab und machten ihre Sache hervorragend. Auf der Gegenseite standen Wolfgang Boos als Banker Acreman, sehr klein geraten, was für Lacher sorgte, wenn er seiner großen Tochter gegenüber stand, mit wohliger Reibeisen-Gesangsstimme und stets mit gefühlten Dollarzeichen vor den Augen, und Mathias Kusche als der diabolische Rasputin Mammonson, dem man seine Coolness und Boshaftigkeit jederzeit abnahm.

Dieses Ensemble sorgte für den Musical-Flair, gemeinsam mit den Tänzerinnen Emilia Korth und Clara Marie Hendel, die reichlich Glamour auf die Bühne brachten, und mit der Ein-Mann-Band Max Solo. Letzterer eine kostengünstige Lösung: Im Slash-Outfit hatte er mit E-Gitarre und programmierten Musikstücken per Keyboard das musikalische Geschehen fest in der Hand und war mehrfach Teil des Bühnengeschehens. Einen klasse Job hatten Musiker, Schauspieler, Sänger und Tänzer gemacht. Im dezenten Bühnenbild: links das Grab von Karl, rechts die Kulisse der Bank.

Und dann waren da noch die Zugpferde der Show. Große Namen, mit denen man werben kann. Tony Marshall! 80 Jahre alt, zu Beginn im Rollstuhl, später aber ansatzweise das Tanzbein schwingend, gab den Buchhalter Mortimer Pickledigger mit gefühlt einer sich ständig wiederholenden Textzeile. Er war fast durchgehend auf der Bühne – Fans bekamen also zumindest seine Anwesenheit geboten. Es gab aber nur einen Song, nämlich als er die Rolle wechselte und gemeinsam mit Tobias Künzel ein schwules Polizistenduo zum Besten gab. Grenzwertig war das auf jeden Fall, denn hier wurde mit Klischees gespielt und für den Verlauf der Story machte dieser Auftritt kaum Sinn. Aber es waren ja nicht die einzigen Zoten, die tief geflogen kamen. Sexuelle Anspielungen und Baggereien jenseits jeder Subtilität sorgten immer wieder für Lacher.

Eine größere Rolle spielte auch Rebecca Simoneit-Barum als Putzfrau Mrs Abroomowitch mit osteuropäischem Akzent. Die Frau, die wohl immer Iffy Zenker aus der Lindenstraße bleiben wird, kann singen und artistische Einlagen bringen. Am Ende opferte sie sich und wurde ermordet, kam aber als Engel wieder zurück.

Brauchen wir ein Fazit? Die Story war lahm und vorhersehbar. Aber das ist bei vielen Musicals der Fall. Tobias Künzel hat einige Ohrwürmer geschrieben – das kann er gut. Die Textzeilen hingegen waren oft sehr gewollt und verkrampft. Die schauspielerische und sängerische Leistung fand ich durch die Bank stark, doch vor allem will ich Tanja Bunke, Wolfgang Boos und Mathias Kusche hervorheben. Außerdem Emilia Korth und Clara Marie Hendel, die von frivolen Tänzerinnen bis zu düsteren Bäumen eine große Palette darstellen konnten. Tony Marshall sah man die Freude am Spielen einfach an – auch (und vor allem) als er einen kurzen Auszug von „Heute hau’n wir auf die Pauke“ anstimmen durfte. Ein humorvoller Abschluss zum Karl-Marx-Jahr in Trier, der auf jeden Fall mehr Zuschauer verdient hätte.