Let The Good Times Roll

Ist es wirklich ein Verbrechen, mit dem sich Deep Purple da schmücken? Ein Verbrechen am Hardrock und der ganzen Musikwelt? Keineswegs! Fakt ist, dass die britische Rockband im vierundfünfzigsten Jahr ihres Bestehens den Rock’n’Roll neu für sich entdeckt hat. Nicht nur spaßeshalber innerhalb eines Songs, sondern so richtig – mit einem kompletten Album voller Klassiker, das das geschichtsträchtige Quintett von einer äußerst tanzbaren Seite zeigt.

„Turning To Crime“ ist das erste Studioalbum von Deep Purple, das ausschließlich aus Songs besteht, die nicht von der Band selbst geschrieben und zuvor von anderen Künstlern aufgenommen wurden. Mit dabei sind Titel von Love, Huey „Piano“ Smith, Fleetwood Mac, Mitch Ryder & the Detroit Wheels, Bob Dylan, Ray Charles & Quincy Jones, Little Feat, The Yardbirds, Lonnie Donegan / Johnny Horton, Bob Seger System sowie Cream. Ferner liegt ein Medley namens „Caught In The Act“ vor, bestehend aus Material von Freddie King, Booker T. and the M.G.’s, The Allman Brothers Band, Led Zeppelin und The Spencer Davis Group.

Der Start klingt ganz vertraut: „7 And 7 Is“ (im Original von Love) kommt als hart rockender Kracher, bei dem alle Protagonisten ihre Solo-Qualitäten zeigen können. Ohne instrumentale Ausschweifungen kommen in dem kurzen Track die Gitarren und Don Aireys Hammond-Orgel prominent ins Spiel. Doch schon mit dem zweiten Song startet die wilde Boogie-Woogie-Fahrt, bei der vom Piano zumindest noch „Smoke On The Water“ zitiert wird.

Ab jetzt lässt die Band ihren inneren Partylöwen raus und es heißt: „Let The Good Times Roll“. Fleetwood Macs „Oh Well“ kommt mit entspanntem Groove, „Jenny Take A Ride!“ animiert alle Tanzbeine und Dylans „Watching The River Flow“ wird zur schnellen Pianohymne im Wild-West-Saloon.

Am Ende ist es aber doch eine Erlösung, wenn „Lucifer“ die schwelgerischen Gitarrensoli zurückbringt und den Weg zum düsteren „White Room“ ebnet. Der Cream-Klassiker klingt in dieser Version exorbitant gut und könnte zu einem Livefavoriten werden. Sehr gelungen ist jedenfalls das fast 8minütige Medley „Caught In The Act“ zum Abschluss, das mit wenig Gesang auskommt und die instrumentalen Qualitäten im wilden Ritt durch die Zeit herausstellt. Led Zeppelins „Dazed And Confused“ gibt dem Retrosound nochmal Sinn und „Gimme Some Lovin'“ schließt das Album mit einem Augenzwinkern ab.

Fazit: Ich bin zwiegespalten. „Turning Into Crime“ könnte ein astreines Coveralbum einer genialen Rock’n’Roll-Band sein. Aber es sind nun mal Deep Purple, die hier ihren bisweilen düsteren und schweren Hardrock gegen eine gewisse Partytauglichkeit eingetauscht haben. Das Ergebnis allerdings ist in weiten Teilen überzeugend. Ian Gillans Charakter am Gesang und die meisterhafte instrumentale Interpretation machen das Album letztlich zu einem gelungenen Zwischenwerk. Die sogenannte Time-Trilogie wurde 2020 mit „Whoosh!“ beendet, doch Produzent Bob Ezrin bleibt vorerst mit an Bord. Man darf gespannt sein, wohin die Reise nun geht.

Bei Unsicherheiten hat man Zugriff auf ein umfangreiches Pre-Listening:

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