Grönemeyer: neues Livealbum und Werkschau
Solche Momente bringen die Jugend zurück: Vom BAP-Konzert nach Hause fahren und erstmals das neue Livealbum von Herbert Grönemeyer hören. Fehlt nur noch, dass Marius um die Ecke steht.
„Live in Bochum“ hat Herbert das Ding genannt. Ein Konzert, das 2015 in Bochum aufgenommen wurde und mit etwas Verspätung das 30jährige Jubiläum des Albums „4630 Bochum“ aus dem Jahr 1984 feierte. Immer noch mein Lieblingsalbum des großartigen Musikers – und so muss ich sagen, dass ich enttäuscht bin von diesem Release. Enttäuscht deshalb, weil hier nur die großen Singlehits („Alkohol“, „Männer“, „Flugzeuge im Bauch“, „Bochum“) in Liveversionen vertreten sind. Also alles Titel, die man auch sonst auf den Konzerten hört. Die weiteren fantastischen Tracks (ich denke an „Für dich da“, „Jetzt oder nie“, auch an „Mambo“) fallen leider unter den Tisch. Wenn ich mich recht erinnere, sollte für dieses Konzert ein Schwerpunkt auf dem Bochum-Album liegen. Chance vertan. Zumindest das Livealbum lässt die weniger bekannten Tracks weg und man bekommt die üblichen Verdächtigen serviert.
Davon abgesehen ist „Live in Bochum“ aber ein schönes Konzerterlebnis, das einen wahren Hitreigen bietet. Neuere Stücke im Wechsel mit den großen Erfolgen. Grönemeyer ist überdreht und hörbar hibbelig, zugleich aber in Topform. Wir genießen auf CD 1 das „Steigerlied“ gefolgt von „Bochum“ und eine wundervolle Version von „Der Weg“. CD 2 geht dann in die Vollen mit „Musik nur wenn sie laut ist“, „Mensch“, „Halt mich“ und einer emotionalen Version des Volkslieds „Der Mond ist aufgegangen“. Die Arrangements wurden kaum modernisiert. Alles klingt, wie man es kennt. Bis auf „Flugzeuge im Bauch“, in dem sich etwas mehr Blues findet. Daran gewöhnt man sich schnell.
Fans brauchen in der Vorweihnachtszeit übrigens einen dicken Geldbeutel. Zu Herberts 60. Geburtstag veröffentlicht Grönland/Universal jetzt mit „Alles“ Herbert Grönemeyers erste, seine gesamte Karriere umfassende Werkschau — alle Studioalben, ausgewählte Live-Alben, die zwei Film-Soundtracks zu „The American“ und „A Most Wanted Man“, eine CD mit raren Tracks, eine Remix-CD sowie sein englischsprachiges Album „I Walk“ auf 23 CDs. Die streng auf 2.000 Exemplare limitierte und nummerierte Vinylausgabe enthält auf 25 Schallplatten alle remasterten Studioalben, sowie Download-Codes zu den Bonus-Alben zusätzlich zu den digitalen Versionen aller Alben.
Die luxuriös ausgestattete Box wurde von Walter Schönauer, dem legendären Art Direktor der Zeitschrift Tempo, Vanity Fair und Rolling Stone sowie zahlreicher Grönland-Veröffentlichungen gestaltet. Sein Design der POP 2000 Box (Grönland) wurde unter anderem mit dem New Yorker Clio Award ausgezeichnet. Das der Box beiliegende Buch enthält Texte und Essays von Joachim Hentschel, Frédéric Schwilden, Rainer Schmidt, Michael Lentz, Wolfgang Höbel und Pat Blashill sowie rare Fotografien von u. a. Anton Corbijn, Ellen von Unwerth, Jürgen Teller, Jim Rakete sowie dem kürzlich verstorbenen Daniel Josefsohn.
Nicht nur hat Herbert Grönemeyer alle Autoren und Fotos selbst vorgeschlagen — die gesamte Box, wie auch das Remastering historischer Studioalben wurde von Herbert Grönemeyer persönlich von Anfang bis Ende intensiv begleitet und überwacht. Das macht „Alles“ zu einer autobiografischen Veröffentlichung mit begehrenswertem Objektcharakter.