Ryan Adams – „Wednesdays“ – eine Woche voller Mittwoche

Fast drei Monate nach der digitalen Veröffentlichung erscheint das neue Album von Ryan Adams nun auch in physischen Formaten. Somit kommt endlich das fantastische Cover zur Geltung und es gibt ein Booklet mit den Songtexten. Lest hier die ursprüngliche Review vom 29. Dezember 2020. Unsere Empfehlung bleibt natürlich bestehen:

Jeder kennt doch sicher das Gefühl, wie man an den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr im Nichts versinkt. Man vergisst, welches Datum wir gerade schreiben, welcher Wochentag ist… irgendwie ist jeder Tag ein Mittwoch. Nicht Anfang, nicht Ende.

So muss es vermutlich auch Ryan Adams gegangen sein, als er mitten in der Pandemie sein neues Album „Wednesdays“ fertigstellte. Fuck – sogar das Cover zwischen Düsterheit und Melancholie passt in dieses Bild: Sind es ankommende Züge, abfahrende Züge, eine Welt im Stillstand? Adams sagt dazu: “Schwebezustand. Das ist es, was ein Mittwoch manchmal sein kann. Vielleicht ein Eingang. Vielleicht eine Brücke. Diese Platte, zwischen den Stapeln anderer Platten, die ich aus diesen zerbrochenen Teilen von mir gemacht habe, hat es nicht geschafft Staub anzusammeln. Es fühlte sich für mich so an, als ob sie raus wollte, nein, vielleicht raus musste. Während des Schreibens änderte sich die Bedeutung und selbst jetzt bin ich mir nicht so sicher, was sie sein könnte. Aber es ist an der Zeit loszulassen. Ich gebe diese Musik nun weiter an jeden, der sie braucht, mit Liebe und Demut, in der Hoffnung, dass jeder dadurch etwas Schutz in diesen stürmischen Zeiten findet.” 

Fotocredit: Eric Ryan Anderson

Das erste Album des US-Songwriters seit drei Jahren ist rein, roh, verletzlich und ehrlich. Die Musik nimmt den Hörer mit auf eine tiefe Reise und erkundet das komplexe Herz von Ryan Adams zwischen Liebe und Herzschmerz. Es schafft so mühelos eine unmittelbare Verbindung zu jedem, der jemals verlorene Liebe erlebt hat, die einen für lange Zeit verfolgt. Es gibt emotionale Schichten der Trauer, aber auch der glücklichen und zeitlosen Erinnerung. Selten konnten Adams‘ Musik und seine Stimme so berühren.

Die letzten beiden Jahre waren nicht einfach für Ryan Adams. Der Vorwurf sexuellen und seelischen Missbrauchs steht im Raum. Daher wurde nichts aus der Veröffentlichungs-Initiative, die der Sänger, der zudem an der Vertigo-Erkrankung „Morbus Menière“ leidet, für 2019 angekündigt hatte. Auch die angekündigte Europatour wurde ersatzlos gestrichen. Ob die Vorwürfe, die unter anderem von seiner Ex-Frau Mandy Moore kommen, haltbar sind, muss ein Gericht klären.

„Wednesdays“ klingt wie der Versuch eines Neuanfangs. Für den Songwriter ist es der erste Teil einer Trilogie und eine „back to basics songwriter experience“. Die Idee entstand schon vor einigen Jahren, bei der Arbeit zu einem anderen Album. Der produktive Singer-Songwriter konnte hier beim Komponieren die unendlichen Möglichkeiten von Klavier und Gitarre erforschen, seine Seele entblößen, die Erfahrung einfach passieren lassen und so annehmen wie sie war. Die Erzählungen sind persönlich und intim. Sein rauer, kraftvoller Gesang und seine brutal ehrlichen Texte werden in seinem eigenen, unnachahmlichen Stil präsentiert. Es sind durchgehend ruhige und melancholische Songs von klarer Schönheit. Keine Rock-Attitüde, kein Selbsthass, keine Aggressivität. Einfach wunderschöne Melodien, die zu Herzen gehen.

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