Turbostaat: „Uthlande“ – eine Reise nach Nordfiesland
„Uthlande“ ist ein alter Begriff für die Inseln, Halligen und Marschen vor dem nordfriesischen Festland. Die Band stammt ursprünglich aus Husum, also ganz aus der Nähe dieser „Außenlande“, und stellt damit ihre Heimatverbundenheit unter Beweis. Die Songs erzählen zwar keineswegs von Weite und Einsamkeit, doch man spürt, dass sie von Herzen kommen.
Turbostaat sind ein Role Model für eine ganze Generation von deutschsprachigen Post-Punk-Bands. Wer die Entwicklung der Band in den letzten 21 Jahren verfolgt hat, wird sagen, dass sie sich gleich im Beginn einen sehr soliden eigenen musikalischen Rahmen und Stil aufgebaut hat, der über die einzelnen Platten hinweg immer wieder etwas justiert und gut dosiert weiterentwickelt wurde. Im vergangenen Jahr erschien das Livealbum „Nachtbrot“ – und es ist eine Offenbarung, wie die Band es schaffte, das Livefeeling ihrer Konzerte (ich erinnere mich noch gerne an das „Angst macht keinen Lärm“ Open Air in Trier) auf einen Silberling zu pressen.
Dieses Gefühl spiegelt sich auch auf „Uthlande“ wider. Es geht um um die Landschaft des Nordens, aber auch um die Region für die Orte, an denen sich das soziale Wetter zusammenbraut. Und so hört sich „Uthlande“ an. Nach einer Insel, die verteidigt wird. Nach einer ganzen Inselgruppe. Ruppig und ungewöhnlich hart erklingen die neuen Songs – so wie das Leben an der Küste, die auf dem Albumcover noch recht friedlich daherkommt.
Die Gegend und die Menschen werden mit starken Worten beschrieben: „Rattenlinie Nord“ bezeichnet die Fluchtroute der Nazis Richtung Norden. Turbostaat sprechen vom Einzug neuer Henker, wo jetzt die alten Nazis sterben. „Stine“ beschreibt das Leben einer alten Bäuerin, eines nordfriesischen Originals. „Hemmingstedt“ beschreibt die Industrialisierung der Heimat durch eine Erdölraffinierie in deutlichen, herausgebrüllten Worten. Als Konzeptalbum mit dunklen Bilder und starken Emotionen beschreibt „Uthlande“ bildgewaltig die Welt des hohen Nordens – bis hin zum melancholischen „Stormi“ mit eingebautem Kinderchor.
Aufgenommen wurde dieses Selbstbild aus Frustration und emotionalen Ausbrüchen wie auch schon „Abalonia“ vom Turbostaat-Stammproduzent Moses Schneider im Berliner Hansa Studio. Pult-Legende Peter Schmidt mit Alex Sitnikov mischten. Wer die Vinyl-Ausgabe ordert, bekommt die CD gleich mitgeliefert. Feiner Zug!