Opernheldinnen: Violetta, Lucia und Juliette

Junge und modern auftretende Künstlerinnen wie Elsa Dreisig und Nadine Sierra beweisen, dass die Oper kein Metier allein für distinguierte Rentner*innen ist, die alle musikalische Weisheit für sich gepachtet haben wollen. Längst sind wir weg vom divenhaften Getue und einer Gesangssprache, die nur unverständliche Koloraturen zu bieten hat.

Nadine Sierra fühlte schon als Kind, dass sie zum Opernsingen geboren ist. Nun legt die junge lyrische Sopranistin aus Florida ihr zweites Soloalbum vor. „Made for Opera“ heißt es – ein Titel, der ihr Selbstverständnis spiegelt. Verdis Violetta, Donizettis Lucia und Gounods Juliette hat sie für ihre Aufnahme ausgewählt und mit dem Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai und der Capella Cracoviensis unter der Leitung von Riccardo Frizza eingespielt.

Sierra beweist ihr Können in diesen schwierigen Partien. Zum Ausdruck bringt sie es in bravourösem Belcanto, aber auch im bewegenden Drama, denn in ihren Interpretationen offenbart sie das Seelenleben dieser Heldinnen aus „La traviata“, „Lucia di Lammermoor“ und „Roméo et Juliette“.

Die Künstlerin bietet makellosen Gesang, der bisweilen in höchste Sphären schwingt. Die Arien sind gewiss nicht leicht zu meistern, doch Nadine tut das mit einer so unbeschwerten Leichtigkeit, dass man die 33jährige nur bewundern kann. Hinzu kommt ein beseelt aufspielendes Orchester.

Die weiblichen Opernheldinnen wurden ganz bewusst ausgewählt: „Sängerinnen spielen in der Oper oft junge Mädchen, die nicht selbst über ihr Schicksal entscheiden dürfen – ein Schicksal, das regelmäßig in einer Tragödie endet“, sagt Sierra. „Figuren wie Violetta, Lucia und Juliette lehren uns etwas sehr Wichtiges über die Schönheit des Lebens, nämlich wie zerbrechlich sie ist, und dass ihr Lebensweg ganz anders hätte verlaufen können, wäre man nur ein wenig behutsamer, fairer und aufmerksamer mit ihnen umgegangen“, sagt Sierra. „Ich denke, Verdi, Donizetti und Gounod haben uns diese wundervollen Frauen geschenkt, damit wir sie bewundern können, und sie haben ihre Seelen auf eine Weise in Musik gefasst, die ihren Stimmen neue Kraft und Nachdruck verleiht.“

Nadine Sierra ist in dieser Spielzeit in drei Produktionen von Lucia di Lammermoor in der Partie der Lucia zu sehen. Sie steht seit dem 15. Januar 2022 auf der Bühne des Teatro San Carlo in Neapel. Im März geht sie an die Bayerische Staatsoper für Barbara Wysockas hochgelobte Produktion, bevor sie im April nach New York reist, um in der neuen Inszenierung von Donizettis Meisterwerk an der Metropolitan Opera zu singen.

Fotocredit: Gregor Hohenberg