Aus Schottland direkt ins Herz

Die Simple Minds zählen seit über vier Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Rock-Bands der britischen Inseln. Anfangs geprägt von Punk und New Wave und später von hymnischem Rock gelangen der schottische Band um Sänger Jim Kerr internationale Top-Platzierungen in den Single- und Album-Charts. Zwischenzeitlich ist es etwas ruhiger geworden um die Schotten. Gerade Ende der 90er Jahre und zu Beginn des neuen Jahrtausends gab es einige seltsame Auswüchse mit einem pseudomodernen Elektro-Sound.

Live waren die Simple Minds aber immer eine Bank. Manchmal spielten sie ihre Tourneen zwar nach den großen Stadien in recht kleinen Hallen, doch spätestens seit „Acoustic In Concert“ geht es wieder aufwärts. Die größten und beliebtesten Songs wurde auf ein Grundgerüst reduziert – man verband nostalgische Klänge mit neuen Ideen. 2022 konnte ich ihre verspätet angesetzte Jubiläumstournee zum 40jährigen bewundern und war überrascht von der zurückgekehrten Liveenergie der Protagonisten, allen voran Jim Kerr und Charlie Burchill. Dass mit Sarah Brown seit inzwischen 13 Jahren neben den obligatorischen Background-Ladies eine Sängerin den Frontmann vokal unterstützt – geschenkt. Die neue Stimme bringt definitiv Bewegung in die Songs.

Fotocredit: Dean Chalkley

Und so gibt es nach „Walk Between Worlds“ (2018) bereits das zweite magische Album mit neuen Songs in Folge. Die meisten Tracks wurden in Sizilien geschrieben, wo sowohl Jim Kerr als auch Charlie Burchill leben. Da sie aufgrund der Quarantänebestimmungen nicht nach Großbritannien gehen konnten, wurde das Album in den Hamburger Chameleon Studios aufgenommen und auch produziert. Vielleicht erklärt diese Vorgehensweise den recht europäischen Sound, der dem ähnelt, womit die Simple Minds zu ihren Glanzzeiten die Popmusik auf eine neue Ebene hoben.

„Direction of the Heart“ besteht aus acht neuen Songs und einem The Call-Cover zum Abschluss. In der ersten Hälfte dominiert Burchills typische Gitarrenarbeit, in der zweiten Hälfte drückt er im Wechsel mit Ged Grimes ebenfalls den Songs seinen Stempel auf, sorgt aber auch für eine spannende Keyboard-Programmierung, die bisweilen an den Neoprog der 80er Jahre erinnert.

Das modernste Element des Albums mag die Schreibweise der Songs sein, die zwischen den Wörtern statt einer Leerstelle ein neckisch gesetztes > einfügt. Ansonsten ist alles vertraut, beginnend mit „Vision Thing“, das von Jims vertrauter, kaum gealterter Stimme dominiert wird. Rockig beschwingt geht es weiter mit „First You Jump“, wobei die Vocals hier leicht elektronisch verfremdet wurden. Vermutlich der Abwechslung geschuldet – naja. Eingängig und wie ein künftiger Smashhit erklingt „Human Traffic“, während „Who Killed Truth“ so sehr den Simple Minds Ende der 80er / Anfang der 90er ähnelt, wie das lange nicht mehr der Fall war. Das mag auf der Retrowelle schwimmen, ist aber äußerst wirkungsvoll.

„Solstice Kiss“ wartet mit einem feinen Instrumentalpart aus Gitarren und schwebenden Keys auf. Sängerin Sarah Brown agiert nicht nur im Background sondern ergänzt sich gut mit Kerr. Und die schnellen Keyboardläufe liefern energische Momente wie auch bei „Act Of Love“. Scheint fast so, als hätte die Band eine Verjüngungskur mitgemacht. Nach diesen fröhlichen Popsongs ist „Natural“ zwar etwas eintönig, doch „Planet Zero“ kommt mit starken Rhythmen um die Ecke und wieder harmoniert Sarahs Rockröhre genial mit Jims sonorer Bariton-Stimme. Eine schöne Hymne, bei der man den Frontmann förmlich über die Bühne tanzen sieht.

Das The Call-Cover „The Walls Came Down“ ist okay. Es klingt ganz nett, aber dieses ansonsten sehr solide und in Teilen geniale Album hat einen solchen Lalala-Abschluss eigentlich nicht verdient. Live wird der Song aber sicherlich gut funktionieren, wenn das Publikum mitzieht.

Jim Kerr sagt zur Platte: „Wie macht man eine Electro-Rock-Platte zum Wohlfühlen, und das in den schlimmsten Zeiten? DIRECTION OF THE HEART ist das Ergebnis dieser Herausforderung. Wer hätte gedacht, dass wir so viel Spaß daran haben würden, es zu machen?” Und wer hätte gedacht, dass es so viel Spaß macht, das Ergebnis zu hören.

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