Steve Wilson – mit „To The Bone“ vom Prog Guru zum Pop Gott

Da hat Steven Wilson in den Interviews der vergangenen Wochen ja einige interessante Aussagen getätigt. Er will nicht länger der Guru des Progressive Rock sein und stattdessen lieber David Bowie beerben. Ob da der Größenwahn mit ihm durchgeht? Doch er hat allen Grund, an sich und seine Qualitäten zu glauben. Gott und die Welt – zumindest im Bereich des Prog – bitten ihn, ihre Alben neu abzumischen und zu perfektionieren. Seien es Jethro Tull, Marillion, King Crimson oder ELP. Mit Porcupine Tree hat er schon vor Jahrzehnten Legendenstatus erlangt. Und auch seine Soloalben „The Raven That Refused To Sing“ und „Hand. Cannot. Erase.“ wurden in Artrock-Kreisen abgefeiert.

Was soll das also nun mit der Hinwendung zum Pop? Eigentlich ist das auch gar nicht so neu bei Steven Wilson. Immerhin hat auch sein Projekt Blackfield mit dem israelischen Popstar Aviv Geffen einige mainstream-taugliche Melodien zu bieten. Viel mehr übrigens, als Wilsons aktuelles Album „To The Bone“.

Obwohl dieses nämlich ein modernes Pop-Album geworden ist, kann man kaum von Radiotauglichkeit sprechen. Sicher gibt es einige Ohrwurmmelodien und akustische Gitarrenklänge, doch es bietet weitestgehend futuristisch angehauchte Rockmusik und viele sphärische Passagen. Wilson wirft hier alles in die Waagschale, was er zu bieten hat: kleine Soundspielereien, Klangvisionen, kreativen New Pop. Vergleiche mit Peter Gabriel, Tears For Fears und besagtem David Bowie sind da gar nicht so weit her geholt. Und wer zur Jahrtausendwende Porcupine Tree mit „Lightbulb Sun“ gehört hat, weiß, dass derlei melodische Ideen auch für Wilson nicht ganz neu sind.

Textlich bewegen sich die elf neuen Stücke zwischen Chaos und Paranoia der postfaktischen Ära, schleichenden Selbstzweifeln im Technologie-Zeitalter und präzisen Beobachtungen von religiösen Eiferern.

Spannend mag sein, dass das Album es in die Top 3 der deutschen und britischen Charts schaffte. Trotzdem werden ihn die Otto Normal-Radiohörer kaum kennen. Der unbekannteste Superstar Großbritanniens? Das ist Steven Wilson definitiv. Bleibt zu hoffen, dass er nicht immer ein Geheimtipp bleiben wird. „To The Bone“ ist ein wundervolles Album, dass man immer und immer wieder hören kann, um ständig Neues zu entdecken. Wilson findet nicht nur die Perlen in den Songs anderer Künstler – er kann auch sein eigenes Werk mit einigen Perlen versehen, die man erst nach mehrmaligem Hören entdeckt.