„Elvis – das Musical“: eine Zeitreise durch die Musik des King of Rock ’n‘ Roll

Ein Bühnenaufbau für vergrößerte Band und Backgroundsänger, zwei kleine Showtreppen, im Hintergrund eine LCD-Leinwand – und plötzlich stand er auf der Bühne: leibhaftig! Elvis lebt! Zumindest sein Doppelgänger Grahame Patrick aus Irland. Seines Zeichens gehört er zu den besten Elvis-Darstellern weltweit. Das passt vor allem dann wie die Faust aufs Auge, wenn er den älteren Elvis gibt. Im weißen Glitzeranzug und mit Speckröllchen um die Hüfte.

Doch halt – ist das ein Setting für ein Musical? Zu Beginn war ich schon etwas skeptisch. Die Saarlandhalle Saarbrücken war sehr gut gefüllt. Das Publikum bestand aus älteren Jahrzehnten, die sehr gespannt auf den Auftritt des King of Rock ’n’ Roll warteten. Und so war der Jubel auch große, als es endlich los ging. Doch das Setting hatte – gemessen am Bühnenaufbau und dem ersten Auftreten des Protagonisten – eher etwas von einer Tribute Show. Auch gut. Aber wo sollten die Musical-Elemente einfließen?

Der dramaturgische Kniff kam schon nach dem ersten Song. Auf der Leinwand wurde die Todesmeldung aus dem Jahr 1977 verbreitet und im Anschluss konnte es losgehen mit einer chronologischen Zeitreise, die den Werdegang des  20jährigen Mechanikers aus Memphis hin zum Weltstar erzählte. In einer dokumentarischen Rahmenhandlung kam ein junger Schauspieler zu Wort, der zunächst den Sun Records Inhaber Sam Philipps und später den RCA Manager Colonel Parker darstellte. So wurde die Story von Elvis Presley sehr realitätsnah erzählt.

Die Handlungselemente waren auch erforderlich, um Grahame Patrick immer wieder die Gelegenheit zu geben, sein Kostüm zu wechseln. Im Hintergrund liefen über Leinwand Film- und Fernsehaufnahmen des King, während Patrick im Vordergrund dem Künstler seine wundervolle Stimme gab und sich in der Kostümierung perfekt dem jeweiligen Aussehen von Elvis anpasste. Ein Punkt, der die Zeitreise so faszinierend machte. Und der andere Punkt war die unglaubliche Stimme des Iren, die dem Original so unfassbar nahe kommt. Grahame Patrick schafft alle Höhen und Tiefen von Elvis‘ Vocals und gibt den Zuschauern eine wundervolle Illusion, den King leibhaftig zu erleben.

Dass ein Gassenhauer den nächsten jagte, muss nicht extra erwähnt werden. Schließlich umfasste die Chronologie alle Phasen der Karriere, vom Rockabilly über Blues und Gospel bis hin zum deftigen Rock ’n’ Roll. Bei Hits von „Love Me Tender“ über „Jailhouse Rock“, „Heartbreak Hotel“, „Can’t Help Falling In Love“ bis „Suspicious Minds“ sang der ganze Saal mit.

Berührende Momente waren aber nicht die Gassenhauer, sondern die leisen Töne in der Produktion von Bernhard Kurz. Immerhin wurde Patrick vom legendären „Stamps Quartet“ begleitet, dessen ältestes Mitglied Ed Enoch schon zu Lebzeiten des King mit dabei war und mehr als 1000 Konzerte mit ihm spielen durfte. Die Gospel-Klänge dieser vier Männer waren eindringlich und faszinierend. Im Zusammenspiel mit dem Elvis-Darsteller boten sie „Bridge Over Troubled Water“ dar, was mitten in der Aufführung zu stehenden Ovationen führte. Ein sehr bewegender Moment. Die Intonation war wundervoll stimmig und verursachte Gänsehaut.

Doch auch der Glamour sollte in der Show nicht zu kurz kommen. Aufwändige Choreographien mit vier Tänzerinnen, zwei stimmgewaltige Background-Damen und die siebenköpfige „Las Vegas Showband“ – das waren schon Hausnummern, die der Revue aus Filmsequenzen, Projektionen und darstellerischen Elementen des letzten Schliff gaben.

Zudem schuf die schauspielerische Handlung die Möglichkeit, auch kritische Töne mit einfließen zu lassen. Es wurde deutlich, wie Philipps und Parker den Künstler manipulierten, Entscheidungen über ihn hinweg trafen und vor allem an den eigenen finanziellen Vorteil dachten. Als Beispiel sind nur die unendlich vielen seichten Kinofilme zu nennen, die dem Renommee von Elvis zeitweise gar nicht gut taten.

Das alles ist aber vergessen, wenn Grahame Patrick zum Ende der Show den gealterten Elvis als Lichtgestalt gibt und die großartige Vegas-Show nachspielt. Nach über zwei Stunden Show-Zeit war das Publikum ganz auf der Seite des Mannes im weißen Glitzeranzug. Er zog durch die Zuschauerreihen, ging auf Tuchfühlung, bekam Geschenke und vergab Küsse. Ein junger Mann im Vorschulalter, der das gleiche weiße Kostüm wie Elvis trug, wurde kurzerhand auf die Bühne gebeten. Dann ging das Schlendern durch die Ränge weiter und zum Abschluss feierte die Saarlandhalle zwei Personen: den verstorbenen King und die Lichtgestalt Grahame Patrick, die voll und ganz überzeugen konnte.

Ich gebe zu: Ich war skeptisch zu Beginn. Und ich hatte auch Probleme damit, die Show als Musical anzuerkennen. Eine Revue mit Doku-Elementen wäre wohl der objektiv korrekte Name, doch darüber sieht man gerne hinweg. Die Show lässt einen toten Künstler auferstehen und schafft eine schöne Illusion. Wer in der Region nach der nächsten Gelegenheit sucht: am 17. März gastiert das Ensemble in der Arena Trier. Es lohnt sich!