Kraftvoller Abschluss einer sehr persönlichen Trilogie
Seit Thorsteinn Einarssons letztem Album „INGI“ sind mittlerweile knapp drei Jahre ins Land gezogen. Eine Zeit, die der Künstler, trotz einer weltweiten Pandemie und damit einhergehenden Belastungen, nicht ungenutzt vorbeiziehen ließ. Im Gegenteil – der Singer/Songwriter nahm diverse Niederschläge zum Anlass, um daraus noch mehr Kraft für sich und sein musikalisches Schaffen zu generieren. Aus eben diesem Kraftschöpfen, dem Kampf mit inneren Dämonen und daraus resultierenden Befreiungsschlägen entstand mit „Einarsson.“ der bereits dritte Longplayer des gerade einmal 26-Jährigen Isländers, der quasi eine sehr persönliche Trilogie abschließt.
Enthalten ist übrigens mit „Bridges Burn“ auch ein Song, den man aus Olympia-Zeiten kennt: Die melancholische Hymne wurde vom ZDF zum Titelsong für die größte Sportveranstaltung der Welt auserkoren.
Das Album ist nur eine halbe Stunde lang, bietet aber ein entsprechend intensives Musikerlebnis. „Nighlight“ startet mit Piano-Stakkato und konzentriert sich ganz auf Thorsteinns tiefe und charismatische Stimme, bevor man in sphärische Klänge übergeht und beweist, dass der Ausnahmesänger auch in hohen Lagen bestehen kann. „Shackles“ klingt wie ein sonorer Country-Song, während „Miracle“ die poppige Seite des Nordlichts nach außen kehrt. Mir gefallen aber vor allem die akustischen Einlagen wie die Ballade „Suck At Life“ und das mitreißende „Hurt Like Hell“.
„Runaway“ funktioniert als rhythmischer Dance-Track mit 80er-Feeling. Solche Stücke betonen die Vielseitigkeit des Sängers aus Reykjavík, der sich nicht in die Schublade der nordischen Melancholie pressen lassen will. So darf „Spiritual“ mit einem rockigen Gitarrenriff beginnen und sich schließlich in Richtung New Wave entwickeln. Erst die Pianoballade „Papercuts“ bringt abschließend wieder ruhige und berührende Klänge.
Das Album wurde gemeinsam mit seinem Produzententeam komplett über diverse Videokonferenzen geschrieben – somit sind alle der zehn Tracks im rein digitalen Austausch entstanden, teilweise ohne sich jemals in Präsenz gesehen zu haben. Eine neue Herangehensweise, die erstaunlich gut funktionierte. Thorsteinn selbst beschreibt den Albumentstehungsprozess als eine Art Selbsttherapie.
Die einzelnen Tracks spiegeln seine emotionale Achterbahnfahrt wider, halfen ihm schlussendlich auf der Reise zum Beschreiten eines glücklicheren Weges und zu emotionaler Reife: „Ich habe einfach mehr zu sagen! Ich bin in den letzten Jahren gewachsen und konnte mir dafür auch die Zeit nehmen. Ich konnte mir eine klare Meinung zum Leben mit all seinen schönen, aber auch herausfordernden Aspekten bilden und so auch besser mit diesen umgehen.“
Als Konzeptalbum bezeichnet er seinen dritten Longplayer nicht, aber dennoch „sollte man beim ersten Mal das Album ganz durchhören – vom ersten bis zum letzten Track. Die Anordnung der Songs versprüht eine ganz spezielle Dynamik, auch wenn diese nicht zwingend aufeinander aufbauen.“ So kann der Hörer den Selbstfindungsprozess des Künstlers hautnah miterleben.