Wie man in Liedern seine Heimat findet

Miriam Hanika begleitet ihre Lieder selbst auf der Oboe. Ein klangvolles Alleinstellungsmerkmale in der Liedermacherszene, das ihren selbst geschriebenen Stücken eine emotionale Tiefe verleiht, die einzigartig ist. Kein Wunder, dass Konstantin Wecker sie für sein Label Sturm & Klang rekrutiert hat und sie schon mehrfach im Trio mit Sarah Straub und Tamara Banez aktiv war. Die Verwendung des Instruments erinnert an Tanita Tikarams Hit „Twist in My Sobriety“ (schon 35 Jahre her…), doch während selbige mit tiefer Altstimme singt, findet Miriam auch im hellen Sopran ein Zuhause.

Ihr erstes Album hatte Miriam Hanika noch unter dem Künstlernamen Miriam Green veröffentlicht, doch bereits mit Nummer 2 ging sie auf eine so persönliche Ebene, dass auch der reale Namen mit dazu gehört. „Louise“ erschien 2021 und war Miriams Urgroßtante gewidmet – ein Werk zwischen Kammermusik und Singer/Songwriter-Melodien. Miriam Hanika spielt Oboe, Englischhorn und Klavier. Zudem ist ihre Stimme voller Melancholie und Zartheit.

Es sind sehr schöne Texte, die Miriam uns zu Gehör bringt – philosophisch und poetisch. Der Titelsong und Opener ist mir schon seit langem positiv aufgefallen. Eine Schulfreundin von mir hat ein pädagogisches Ratgeberbuch mit dem Titel „Roots and wings“ geschrieben, dem ich diesen Song gern als Soundtrack mitgeben würde. Der Song handelt von der Sehnsucht nach der weiten Welt und zugleich von dem Ort, der einem die Basis gibt, ferne Orte zu erreichen. Das Album ist eine tiefsinnige Suche nach Heimat, nach Widersprüchen und Gegensätzen in unserer Zeit.

„Das selbe alte Lied“ bezieht sich auf die nach Jahrtausenden immer noch herrschende Kriegslust der Menschen. Ein Thema, das aktueller nicht sein könnte. „Zahlenkinder“ beschäftigt sich gesellschaftskritisch mit Statistiken und der Kluft zwischen Arm und Reich. Dem Song „Schuld“, der sich mit dem Klimawandel und der Flutkatastrophe beschäftigt, hat Miriam die Zahl 53520 voran gesetzt. Ja – tatsächlich gibt es einen Ort namens Schuld in der Eifel, nicht weit entfernt vom Nürburgring. Vielleicht kumulieren hier die Begriffe Natur, Zerstörung, Sintflut und menschliche Schuld.

Die erste LP-Seite wird mit dem Instrumental „Lila“ beendet. Das elfköpfige Ensemble, von dem Miriam ihre Stücke begleiten lässt, kommt jederzeit gut zur Geltung und glänzt mit pulsierenden Arrangements aber auch mit verträumten Streichern. Hier aber liefert sich die Oboe einen wunderschönen Dialog mit einer Harfe – ganz reduziert und in sich versunken.

Selbst wenn es wie in „Kreide auf Asphalt“ oder „Manchmal vergesse ich zu leben“ um heikle Themen wie Tod und Sterben geht, findet die Künstlerin Worte, die mit der Musik eine einzigartige Verbindung eingehen und eine zweite Ebene erschaffen, deren Sog man sich nur schwer entziehen kann.

Miriam Hanika philosophiert. Sie gibt sich nicht allwissend, aber genauso wenig lässt sie ihre Zuhörer alleine. „Träumern fällt immer etwas ein“ ist eines dieser Lieder, die uns auffangen, die uns umhüllen und beschützen, positiv und lebensbejahend. Dass Miriam Hanika auch eine begnadete Pianistin ist, zeigt sich unter anderem in ihrem Solostück „Spuren“, dem letzten Lied des Albums. Es ist ein beeindruckendes Ende
für ein ausdrucksstarkes Gesamtwerk. „Ich will nicht nur sein, ich will leben“ lauten die letzten Textzeilen. Das spürt man bei diesem Album in jedem Moment, mit jedem Satz, mit jeder Melodie. Einzigartig!

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