Kammermusikabend mit Duff McKagan im Kölner Gloria Theater
Den meisten sollte Duff McKagan als Bassist der ebenso berühmten wie berüchtigten Guns N‘ Roses bekannt sein. Zwischen 1985 und 1997 sorgte er für den passenden Unterton zu Slash’s Riffs und dem Gekreische von Axl Rose. Dass er seit 2016 wieder festes Mitglied der Band ist, sei dabei nur am Rande erwähnt, denn heute soll es um den Solokünstler McKagan gehen. Ende Mai hat der 55-Jährige sein zweites Album „Tenderness“ veröffentlicht, das auch in unserer Redaktionsstube gleich auf Heavy Rotation gesetzt wurde (hier findet ihr das dazugehörige Review). Ein Album, auf dem Duff McKagan, entgegen seiner sonstigen musikalischen Gewohnheit, überwiegend sanfte Klänge anstimmt. Man durfte also im Vorfeld seiner drei Deutschlandkonzerte durchaus gespannt sein, wie er es schafft, die Elemente seiner bisherigen Karriere und die neue Richtung auf der Bühne zu vereinen.
Köln ist dabei nach Berlin die zweite Station. In der Domstadt setzt der Sommer noch einmal zu einem intensiven Schlussspurt an. Trotz der knackigen Temperaturen, die eher zu einem Besuch im Biergarten einladen und dem undankbaren Montagabendtermin, ist das wunderschöne Gloria Theater bestens gefüllt und die Klimaanlage schafft es sogar die Innentemperatur konstant auf einem kreislaufschonenden Niveau zu halten. Zunächst darf sich Shooter Jennings mit seiner Band fünfzig Minuten lang daran versuchen die Fans in Stimmung zu bringen, was ihm mit seinem Stilmix aus Blues, Country und Psychedelic Rock auch gut gelingt. Der Kerl ist übrigens nicht zufällig mit auf Tour. Zum einen hat er das aktuelle Album von Duff McKagan produziert und zum zweiten fungieren er und seine vier Mitstreiter gleichzeitig als Backingband für den Mann aus Seattle.
Bevor Duff McKagan an der Reihe ist vergehen jedoch noch einmal stolze 30 Minuten, in denen man sich fragt, was wohl gerade backstage so alles passiert. Ein Bühnenumbau ist jedenfalls nicht der Grund, denn als um 21.30 Uhr das Licht endlich wieder ausgeht, nehmen Shooter Jennings am Keyboard, Bassist Ted Russell Kamp, Schlagzeuger Jamie Douglas, John Schreffler an der Lead-Gitarre und last but not least die großartige Geigerin und Sängerin Aubrey Richmond einfach ihre vorherigen Plätze wieder ein. Duff McKagan begrüsst die Kölner mit „Guten Abend Motherfuckers“ und startet dann mit dem Guns N‘ Roses-Cover „You Ain’t The First“ in sein Set. Der Sound ist genauso staubtrocken wie die Musik und das Quintett um ihn herum besticht durch exzellente Handwerkskunst. Wenn es dann doch mal zu einem technischen Problem kommt, wird das souverän und mit einer witzigen Improvisation namens „Italian Boots“ überspielt.
Die folgenden gut neunzig Minuten sind von den ruhigen Stücken des neuen Albums geprägt. Zwischendurch erscheint die Songauswahl etwas langatmig, aber immer dann, wenn die Stimmung zu sehr in Richtung Kammermusik zu kippen droht, streut McKagan eine fette Rocknummer wie „Dust N‘ Bones“ von Guns N‘ Roses oder das The Clash-Cover „Clampdown“ ein. Dabei zeichnet er sich nicht nur als toller Songschreiber aus, sondern auch als guter Sänger. Das überrascht allerdings eher weniger, denkt man an seine bisherigen Gesangseinlagen bei Guns N‘ Roses zurück, zum Beispiel an „You Can’t Put Your Arms Around A Memory“ von „The Spaghetti Incident“. Der emotionale Höhepunkt im Gloria ist „Feel“, das Duff McKagan seinen verstorbenen Kollegen Chris Cornell, Scott Weiland, Prince und Chester Bennington widmet. Zum Abschluss des Abends springt er während „Deepest Shade“, einem Song seines alten Weggefährten Mark Lanegan, in den Bühnengraben und schüttelt singend unzählige Hände, bevor er und die Band nochmal abrocken was das Zeug hält. Spätestens hier ist der eindrucksvolle Beweis erbracht, wie spielerisch ein Veteran der Rockgeschichte einen kleinen Club wie das Gloria für sich einnehmen kann. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Es ist aber nicht nur die Musik, sondern auch die Ausstrahlung von Duff McKagan, die Eindruck hinterlässt. Der Mann hat in den Achtziger Jahren wahrscheinlich alles in sich hineingeschüttet was man in sich hineinschütten konnte. Seit 25 Jahren ist er frei von Drogen und Alkohol, zweifacher Familienvater und wirkt geerdet und reflektiert. Das einzige, was im Gloria an die dreckige Rock’n’Roll-Attitüde seiner Stammkapelle erinnert, ist die Tatsache, dass er ab und zu auf die Bühne spuckt. Hier ist kein größenwahnsinniger Egomane am Werk, sondern ein sympathischer Typ, dem man ehrlich anmerkt, wieviel Spass ihm das macht was er da tut. Einem kleinen Jungen drückt er sogar persönlich ein Plektrum in die Hand. Auch seine Mitmusikanten bekommen ausreichend Gelegenheit um ihr Können zu zeigen. Duff McKagan setzt die Kontrapunkte zu einer aus dem Ruder geratenen Welt zwischen Amokläufen an Highschools, zerbrochenen Familien, Suchtproblemen, einer gespaltenen Gesellschaft und dem Anwachsen der Extreme. Was es da braucht ist Zärtlichkeit. In Köln gab es reichlich davon.