Sylvan: Ein Konzeptalbum zum Thema „Künstliche Intelligenz“

Es gab eine Zeit, da kam man an SYLVAN nicht vorbei, wenn es um deutschen Prog und Artrock ging. Im Prinzip ist das auch heute noch so. Ihren Status als „Platzhirsche des deutschen Progressive Rock“ wird ihnen so schnell keiner nehmen. Aber sechs Jahre seit dem letzten Album sind schon eine lange Zeit. Fans dürfen sich aber freuen, dass „One To Zero“ mal wieder ein Konzeptalbum geworden ist. Im Erzählen fantastischer Geschichten liegt eine große Stärke der Hamburger Band. Man denke nur an das Meisterstück „Posthumous Silence“. Doch auch die songdienlichen Alben haben gut funktioniert: “Sceneries” (2012) besteht aus fünf Kapiteln, die sich jeweils einem Bandmitglied widmen. Ein sehr introvertiertes Werk mit vielen ruhigen Passagen. „Home“ (2015) erzählt thematisch von der Suche nach Heimat und Identität. Das ist sehr episch und orchestral gehalten – erinnert bisweilen an Bands wie Marillion und Porcupine Tree.

Jetzt also „One To Zero“. Wow. Das ist mal wieder eine Story im Breitwand-Format. Das Album erzählt die Geschichte einer KI aus ihrer eigenen Sicht. Das gibt natürlich genug Raum für elektronische Spielereien und codierte Passagen. Da es SYLVANS zehntes Album ist, bietet sich das Spiel mit der 1 und der 0 ohnehin an. Aber es ist keineswegs ein Synthie-Album. „One To Zero“ lebt von der unbändigen Energie der Band. Es gibt Balladen und guten Alternative Rock. Bisweilen nimmt ein Piano breiten Raum ein und gerade in den Longtracks entsteht ein opulenter und dramatischer Sound, der Marco Glühmanns eindringliche Vocals wie immer gut zur Geltung bringt.

Die Geschichte der KI ist keine wirre Dystopie, sondern vielmehr eine emotionale Schilderung, die man von einem Computer nicht erwartet hätte. Auch elektronische Herzschläge sind Herzschläge. Und so geht es durch ein Wechselbad der Gefühle mit Neoprog-Keyboards, erzählenden Gitarren, chorischen Passagen und rhythmischen Überraschungen. Prog vom Feinsten, der viele Epochen zusammenfasst und im Longtrack „Not A Goodbuy“ endet, der die KI am Scheideweg sieht: Letztlich ist es der Mensch, der alles kaputt macht. Und so entscheidet sich die Maschine zum Reset. Neustart. Beim nächsten Mal wird alles besser.

SYLVAN sind längst zu einer der Topadressen des europäischen Artrock aufgestiegen, beweisen müssen sie also niemandem mehr etwas. Und doch tun sie es mit jedem Album auf ein Neues. Nach fast einem Dutzend höchst erfolgreicher Veröffentlichungen, zwanzig Jahren in der Szene sowie Liveshows auf der ganzen Welt, ist diese gestandene Band niemandem mehr einen Beleg ihrer Qualität schuldig. Dieser Freiheit ist es zu verdanken, dass SYLVAN eine überwältigende Musik kreieren, welche künstlerische Virtuosität mit intellektuellem Anspruch, Mut und Spielfreude paart.

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