Das dritte Album von Tonbandgerät zeigt die Band aus Hamburg erwachsener und gereifter. Der etwas naive Indiepop der ehemaligen Schulband ist einem schwungvollen Deutschpop gewichen. Doch im Prinzip hat sich nicht soviel geändert: Es bleiben die schönen Wortspiele und die melodische Musik. Ein Song wie “Deine kleine Schwester” mag dafür symptomatisch sein. Die Welt der Erwachsenen wird aus einer Eigen- und einer Fremdperspektive beschrieben. Und das Gefühl, dass alle Zeitgenossen einen dabei rasant rechts überholen, kennt wohl jeder Mittzwanziger.
Tonbandgerät geben den Texten viel Raum. Sie erzählen von Übergängen, von Ungewissheit und Übermut. Und das mit zwölf höchst eingängigen Popsongs, die federleicht euphorisieren und tiefgründig nachschwingen. Bereits der Titel zeugt von der klugen Poesie dieses super sympathischen Vierers: „Zwischen all dem Lärm“.
„Lärm muss ja nichts Negatives sein“, sagt Sophia Poppensieker, Gitarristin und Songschreiberin bei Tonbandgerät. „Zwischen all dem Lärm“, das habe für sie etwas Schwebendes. Im Transit. Von der Freibadwiese der Kindheit über Korn und Brause als Teenager bis zu der erwachsenen Erkenntnis: „Tschüs Karriereleiter / ich nehm die Graustufen.“
Songs wie “Beckenrand” und “Blau” erklingen optimistisch und motivierend. “Für die, die bleiben” schlägt auch mal nachdenklichere Töne an. In „Reisegruppe Angst und Bange“ wird Ole Spechts warmer, nahbarer Gesang kontrastiert mit der Wutstimme von Turbostaat-Sänger Jan Windmeier. Die Band ist Fan der Flensburger Punkrocker und hoch beglückt über die Kooperation. Das Ergebnis ist eine zart-brachiale Nummer mit Bombastgitarren.
Song für Song erlebt der Hörer, wie jede Veränderung ihr eigenes Tempo hat: Ein Aufbruch braucht Anlauf, eine Liebe schleicht sich heraus. Und dann sind da noch jene, die einfach in einem anderem Takt leben. „Tourist“ handelt von einer Frau, die das Flüchtige feiert. Wenn alle ausrasten, aber die innere Konfettikanone nicht zünden will – von diesem Gefühl erzählt „Der Letzte der Nacht“: Textzeilen wie „Und die Laternen gehen aus / ich geh’ auf Scherben nach Haus” können das Gefühl nach dem Konzertende perfekt vorwegnehmen. Vermutlich der perfekte Rausschmeißer für die Tour, die im Oktober startet.
Das wollen uns Ole, Sophia, Isa und Jakob (TONBANDGERÄT) sagen:
Es gibt besondere Zeiten, die besondere Mittel erfordern. Zeiten, in denen die Stimme und die Unterstützung jedes Einzelnen gefordert ist, um denjenigen, die mit ihrem Hass, ihrer Gewalt und ihrem Stumpfsinn auf sozialen Netzwerken, vor Flüchtlingsheimen und auf den Straßen Morgenluft wittern, die Stirn zu bieten. Wir sind Tonbandgerät und wir sind eine Popband.
Unsere Texte sind nicht explizit politisch und das sollen sie auch nicht sein, weil es genug Bands gibt, die diesen Job deutlich besser machen, als wir es würden. Aber wenn vermeintlich politische Diskussionen sich so hochschaukeln, dass daraus Hass und Menschenverachtung entsteht, ist auch für uns der Zeitpunkt gekommen uns einzuschalten und ganz klar zu sagen: Da sind wir und unsere Fans entschieden dagegen.
Was wir da gerade erleben ist die weltweit größte Flüchtlingskrise seit dem zweiten Weltkrieg. Dass es dazu kommen würde, war schon seit Jahren abzusehen, doch die Politik hat die Augen davor verschlossen. Und jetzt sind sie da: Hunderttausende Menschen, die unter unglaublich schweren Umständen, auf der Flucht vor Krieg und lebensunwürdigen Bedingungen, zum Teil unter Einsatz ihres Lebens, den Weg nach Deutschland gefunden haben.
Auf der Suche nach einer besseren Zukunft und einem sicheren Zuhause. Die Realität vor Ort sieht anders aus: Die Unterkünfte sind hoffnungslos überfüllt, die Zustände chaotisch, Privatsphäre oft nicht gegeben und Isolation und eine fehlende Zukunftsperspektive erschweren den Alltag. Die Hoffnung auf ein neues sicheres Leben, eine neue Heimat und eine sichere Zukunft ist auf Grund von bürokratischen Hürden, Widerstand in der Bevölkerung gegen den Bau von dringend benötigten Unterkünften und der lähmenden Überforderung von Bund, Ländern und Kommunen gering. Jetzt ist die Stimme und die Hilfe jedes Einzelnen gefragt, da anzupacken, wo er konkret helfen kann.
Wir haben uns schon lange Gedanken darüber gemacht, wie wir helfen können und haben uns dafür entschieden dem Thema die größtmögliche Aufmerksamkeit unserer Fans und Beobachter zu geben, die wir als Band zu bieten haben: Mit einem Musikvideo und – um den Bildern auch Taten folgen zu lassen – mit einem Benefizkonzert am 13.12.2015 in der Großen Freiheit 36 in Hamburg.
Das Musikvideo haben wir zu unserem Song „Ich Komm Jetzt Heim“ gedreht. Ein Lied, das davon handelt schon viel zu lange unterwegs zu sein und dem Wunsch, an einen Ort anzukommen, wo man sich willkommen, geliebt und zuhause fühlt. Eine Situation, die viele Flüchtlinge so erleben. Und genau aus diesem Grund war es uns auch ein Anliegen dieses Video nicht über die Flüchtlinge zu machen, sondern mit ihnen. Weil es ihr Thema ist und es uns wichtig war, dass wir anfangen mit ihnen zu reden anstatt über sie.
Deshalb haben wir uns für eine ganz besondere Aktion entschieden: Wir sind mit 100 Plakaten, unzähligen Stiften, Farbtuben und Pinseln zu einer großen Hamburger Erstaufnahmestelle gefahren und haben die Bewohner gefragt, was für sie Zuhause bedeutet, mit ihnen darüber geredet und gemeinsam Plakate gemalt. Was wir da erlebt haben, war nicht nur eine unglaublich tolle Resonanz und Engagement bei diesem Projekt mitzumachen, sondern wir haben auch wirklich interessante, mutige und beindruckende Menschen aus aller Welt und ihre Geschichten kennengelernt.
Die Plakate wurden großartig und neben gemalten Landschaften, Flaggen, einem globalen Zusammengehörigkeitsgefühl, religiösen Sprüchen oder Wut gegenüber der Ohnmacht war vor allem ein Begriff besonders oft zu lesen: LOVE. Zuhause ist da, wo man geliebt wird. Zuhause ist kein Ort, sondern ein Gefühl. „Und dann die Elbbrücken. Es geht mir nicht um diese Stadt. Du bist mein Zuhause und ich habe es zu dir geschafft.“ Tonbandgerät – Ich Komm Jetzt Heim
Mit genau diesem Gefühl wollten wir ein Zeichen setzen und sind mit den Plakaten an öffentliche Plätze in Hamburg, Berlin, Köln und München gefahren. Wir haben Passanten aufgefordert entweder die Plakate der Flüchtlinge in die Kamera zu halten oder selbst eine Botschaft an sie zu schreiben. Auch hier war die Resonanz unglaublich groß: Kinder, Familien, Jugendliche, Erwachsene und auch Rentner beteiligten sich. Eine Aussage war omnipräsent: Ihr seid willkommen!
Dieses Videoprojekt hat uns unglaublich viel Spaß gemacht. Wir haben so viel Neues erfahren, so viele tolle Menschen kennengelernt und vor allem eins gelernt: Kommt miteinander ins Gespräch! Baut eure Berührungsängste ab! Lasst uns gemeinsam die Situation für alle verbessern!
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Vor weniger als einem Jahr spielten sie noch vor gut 80 Leuten. Heute sind es an die 900 Fans, die Tonbandgerät in dem komplett ausverkauften Uebel & Gefährlich sehen wollen. Der Auftritt gehört zu einer Reihe von Club-Konzerten, mit denen Tonbandgerät auf ihr Debüt-Album vorbereiten. Es ist für April angekündigt und wird den Titel „Heute ist für immer” tragen.
Den Abend eröffnen Patrick Richardt und seine Band. Der Applaus zeigt, dass der Krefelder für das Publikum kein Unbekannter ist. Er und seine Jungs schaffen es während ihres 30 minütigen Auftritts mit sehr rockigen Tönen und deutschen Texten das Publikum sichtlich zu begeistern und werden ihrer Aufgabe als Einheizer mehr als gerecht. Die kurze Umbaupause bietet Gelegenheit, den Blick in den Saal schweifen zu lassen. Das Uebel & Gefährlich ist bis zum letzten Platz gefüllt. Der Gang zum Tresen oder zur Toilette wird zu einem Parcourlauf. Man begegnet einem jungen Publikum und es fällt der relativ hohe Anteil weiblicher Fans auf.
Gegen 21 Uhr ist es dann soweit. Jubelnd werden Isa, Jakob, Ole und Sophia von Tonbandgerät begrüßt. Mit dem Song „Leerstand” legt die Band gleich mit einem temporeichen und gut tanzbaren Stück los. Dieser Einstieg verfehlt seine Wirkung nicht und bereits nach wenigen Takten schwappt die Stimmung von der Bühne auf den Saal über. Im Folgenden singt Frontmann Ole Specht von Aufbruch, Sehnsucht und das Verwirklichen von Träumen. Und auch von den Veränderungen, die damit einhergehen. Man spürt, dass das auch die Themen sind, die die Band aktuell bewegen. Und so erscheint es sehr passend, dass gerade der Titel „Heute ist für immer” aus diesem Block dem geplanten Album den Namen gibt.
Tonbandgerät geben in ihren Stücken Gesang und Text viel Raum. Und gerade diese mit zahlreichen schönen Wortspielen gespickten deutschen Texte sind das Markenzeichen der Band. Präsentiert werden sie mit gut arrangierter, melodischer Popmusik, die jedoch alles andere als langweilig klingt. Es wird ruhiger und melodischer, wenn es um Trennung und Verlust geht, bei Liedern wie „Halbmond” und „Niemand”. Und auch diese Themen verpacken Tonbandgerät in wunderschöne Texte, die ein echter Ohrenschmaus sind. Aber lange hält die Melancholie nicht an. Mit „Hirngespenster” wird es wieder rockiger. Es folgt „Irgendwie anders”, die Single aus dem vergangenen Jahr.
Ole Specht ruft ins Publikum „Singt mit, wenn Ihr den Text kennt”. Aber das Publikum macht dies eigentlich schon die ganze Zeit. Nicht nur die eingefleischten Fans in den ersten Reihen und nicht nur bei den Refrains. Der Saal intoniert textsicher komplette Lieder zusammen mit der Band. Es folgt das Lied „Auf Drei” über die Sehnsucht nach dem puren Leben. Die Stimmung in dem Saal ist auf dem Höhepunkt. Ole zündet – inzwischen auf Konzerten bei diesem Lied fast obligatorisch – eine Konfettikanone und viele kleine, bunte Papierschnipsel rieseln nieder, während inzwischen wohl alle im Saal tanzen und mitsingen. Nach ungefähr einer Stunde geht das Set mit dem Song „Raus hier” zu Ende.
Doch das Publikum ist nicht bereit, Tonbandgerät nach Hause zu entlassen. Mit anhaltendem Applaus holt es die Band nochmal für vier Songs auf die Bühne. Es folgt ein Block ruhigerer und nachdenklicherer Lieder. Und wieder singen alle mit. Die Band ist sichtlich beeindruckt. Und so bekennt Ole: „Ich finde das so verrückt, dass Ihr alle mitsingen könnt, obwohl das Album noch nicht draußen ist”. Tonbandgerät haben im Uebel & Gefährlich eine fantastische Show abgeliefert und es in beeindruckender Weise geschafft, den kompletten Saal mitzureißen.