Die Hamburger Band „Ride Lonesome“ kommt aus dem Stadtteil St. Pauli. Das Genre der Band ist Alternative-Country, Folk und Old Time Music. Eingeladen wurde zum Konzert in eine kleine charmante Galerie mit originellen Kunstwerken an den Wänden. Wild zusammengewürfelte Klappstühle versprühten eine angenehme Wohlfühlatmosphäre. So empfand man es gleich wie ein gemütliches Wohnzimmerkonzert unter Freund:innen.
Der Singer & Songwriter Thomas Piesbergen unterstrich zusätzlich seinen Gesang im Wechsel mit seiner Mandoline und einer Autoharp („Die Autoharp ist eine Kastenzither, die seit dem späten 19. Jahrhundert vorwiegend in den USA in der Bluegrass-, Folk- und Country-Musik verwendet wird“). Seine Bandkollegen begleiteten ihn: Mike Jokers an der akustischen Gitarre, Gerhard Eising an der Violine und Thomas Siebert am Bass.
An diesem Abend wurde das dritte Album BAD LULLABIES, erstmalig auf Vinyl im Atelierhaus, Nähe Hamburger Fischmarkt, in Form eines kleinen Release-Konzertes vorgestellt.
Die tiefsinnigen und gesellschaftskritischen Songtexte regten das Publikum zum Nachdenken an. Der Gesang, so eindrücklich und präsent, packte von Sekunde eins an und die Akustik betonte die Zerrissenheit der Songtexte. Ohne Mikrophon sang Thomas Piesbergen, was seine gute Stimme mehr hervorhob. Lediglich Bass und Gitarre hatten elektronische Verstärkung, die genau auf Gesang und Geige, sowie auf die Autoharp abgestimmt war.
Das neue Album zeigt das „Elend der Welt in zwölf Songs“,wie der Singer/Songwriter mit eigenen Worten das 3. Album der Band vorstellte. Die Songtexte zeigten schonungslose Realität, „What This Is About“ weist das Dilemma der heutigen Politik auf. Diese wurde kritisch hinterfragt und die Texte animierten dazu, Dinge in Frage zu stellen und nicht alles hinzunehmen.
Sichtbar wurde die Dramatik des täglichen Lebens: Pläne für das Leben werden geschmiedet, Katastrophen kommen dazwischen. Von einer toxischen Beziehung handelte der Song „Hardest Thing“. Die Violine/Geige ließ die Zerrissenheit spürbar werden, die Gitarre brachte die Melancholie der Texte besonders zum tragen. Der Bass brachte Ruhe in die stürmischen, aufwühlenden Lyrics und erdete das Publikum.
Die Band schaffte eine vertraute Ebene und die Interaktion mit dem Publikum gelang ihr mühelos. Jede Komposition war so kraftvoll, so melancholisch und so verdammt mitreißend. Es war ein Hörerlebnis der besonderen Art, das Zusammenspiel zwischen Stimme und den Instrumenten war sehr berührend.
Es war ein gelungenes Konzert, gerne mehr davon! Klare Empfehlung geht raus!
Am Freitag war nicht die Zeit für die Topacts. Seht hier die Fotos vieler kleiner Konzerte: BED, Chloe Slater, Conscious Pilots, Goodwin, Helena Luna, Merv xx Gotti, Otis Mensah, Pure Chlorine, Rowena Wise, TJE, Teenage Dads, THUS, Twin Tribes. Fotos: Julia Nemesheimer.
Donnerstags ging es spannend weiter in den Clubs und Open Air. Seht hier unsere Fotos von Kelvin Jones aka MUPANI, Mei Semones, CATTY, Holy Void, Lee Seung Yoon, No Frills, Paula Engels, The Bankes Brothers, The Sherlocks, Wah Wah Wah und Witch Post. Fotos: Julia Nemesheimer.
Ein Regentag muss in Hamburg natürlich dabei sein. In diesem Jahr war es der Donnerstag. Will aber auch heißen: Die übrigen Festivaltage glänzten mit strahlendem Sonnenschein. Also ist etwas niesliges Wetter mal für einen (halben) Tag verkraftbar.
Immerhin schien musikalisch die Sonne und es ging los mit Ellice am N-Joy Reeperbus. Der Radiosender bringt viele Acts des Festivals mit kleinen Gigs frei zugänglich an die Festivalbesucher. Ein kleines Interview und dann 3-4 Songs in akustisch reduzierter Form. Die 17jährige Newcomerin steht kurz vorm Abitur und lernt vermutlich im Tourbus für die Prüfungen. 2023 war sie im Finale von „The Voice Kids“. Inzwischen geht sie ziemlich souverän mit den technischen Problemen um, die so ein Auftritt zur musikalischen Konserve mit sich bringt. Bemerkenswert war ihre extrem hohe Stimmfarbe, wobei sie die Höhen erstaunlich gut beherrschte.
Im DOCKS lieferte Gizmo Varillas einen entspannten Sound, untermalt von Visual Arts für Reeperbahn Collide und aufgezeichnet von ARTE Concerts. Der in Großbritannien lebenden spanische Songwriter brachte Elemente von Latin-Grooves und Afro-Beats mit dem Feingefühl eines typischen Singer/Songwriters zusammen. Dazu Texte zwischen Leichtigkeit und Tiefgang. Das Publikum war begeistert.
Zum RBF gehört auch, dass es nicht nur musikalische Beiträge gibt. Selbst außerhalb des Konferenzprogramms finden Panels und Lesungen statt. Ich wollte jedenfalls Marina Buzunashvilli live erleben, die ich schon seit Jahrzehnten als Promoterin kenne. Sie las aus ihrer Biographie „Die Bossin“. Marina, 1981 in Wien geboren, wuchs als Tochter einer aserbaidschanisch-georgischen Familie in Berlin-Kreuzberg auf. 2004 begann sie in der Agentur Panorama3000 zu arbeiten, zuerst in der Buchhaltung, später dann in der Presse und im Künstlermanagement. 2012 gründete sie gemeinsam mit einer Agenturkollegin die Musik- und Filmagentur Musicism & Cinelove, aus der heraus 2017 DIE MARINA entstand, eine der einflussreichsten Künstleragenturen im deutschen HipHop. 2019 folgte der Wechsel zu Sony, wo sie zunächst als Head of PR und ab 2020 als Director of PR arbeitete, bevor sie sich 2024 erneut selbständig machte.
Penguin Verlag
Marina gilt als eine der einflussreichsten Größen im deutschen Musikbusiness, ihr Weg an die Spitze aber war alles andere als leicht. Aufgewachsen in Kreuzberg, war ihr Umfeld geprägt von Gewalt und Verbrechen. Einzig ihre Liebe zur Musik ermöglichte ihr den Aufstieg, gegen alle Widerstände. Sie war maßgeblich daran beteiligt, den Deutschrap von Kool Savas, Xatar oder Haftbefehl groß zu machen und arbeitet regelmäßig mit Künstlern wie Robbie Williams und Adele zusammen. Erstmals erzählt sie jetzt ihre ganze Geschichte und teilt die zwanzig Rules, die sie zum Erfolg geführt haben. Sehr emotional las sie in der Prinzenpaar jeweils ein Kapitel vom Anfang und vom Ende des Buches. Eine starke Persönlichkeit, die ihr Publikum mit jedem Wort erreichte und berührte.
Dann ging es nochmal zum Reeperbus. Soffie brachte mit ihrer Energie und Songs wie „Räuber“ das Publikum zum Tanzen. Dabei hat dieses Stück einen durchaus ernsten Hintergrund, denn es geht um (Selbst-)Zweifel, die auch davon genährt werden, dass der Hit „Für immer Frühling“ von Rechtspopulisten stark angegriffen wird und Soffie sogar Gewaltdrohungen bekommen hat. Bezeichnend jedenfalls, dass sich überhaupt ein Mensch an solchen Textzeilen anstoßen kann, die Soffie dann auch trotzig und fröhlich zum Besten gab:
In das Land, in dem für immer Frühling ist Darf jeder komm’n und jeder geh’n, denn es gibt immer ein’n Platz am Tisch Rot karierter Stoff, keine weißen Flaggen mehr Alle sind willkomm’n, kein Boot, das sinkt im Mittelmeer
Die in Brooklyn lebende Singer-Songwriterin Mei Semones gehörte dieses Jahr zu den Nominierten für den Anchor Award. Zu Recht, denn bei ihrem Auftritt im Mojo überzeugte sie mit einem ganz eigenen Sound und verspielten Arrangements. Zum besonderen Klangerlebnis trugen neben Meis warmen, aber auch vielseitigen Stimme vor allem ein Geiger und ein Bratschenspieler in ihrer Live-Band bei, die ihren Instrumenten teilweise ungewohnte Töne entlockten.
Ein bisschen schade, dass die auf der Bühne eher zurückhaltend wirkende Künstlerin auch mit ihren Ansagen sehr sparsam war. Ein paar Hintergrundinfos hätten zum Verständnis der teilweise auf japanisch gesungen Stücke beigetragen. So blieb den Zuhörern hauptsächlich das musikalische Erlebnis – dieses aber durchaus beeindruckend und auf hohem Niveau! Mei hat übrigens den ANCHOR Award am Ende auch gewonnen, der mit einem Voucher für Technik-Equipment in Höhe von 20.000 Euro dotiert ist.
Zu den Highlights am Donnerstag gehörte definitiv der Auftritt von Kelvin Jones, der im Docks sein aktuelles Projekt Mupani präsentiert. Der in Zimbabwe geborene, in London aufgewachsene und inzwischen in Deutschland lebende Künstler verbreitete vom ersten Song an gute Laune und brachte den ganzen Club zum Tanzen und Mitsingen! Auch optisch war der Auftritt etwas Besonderes, da die digitalen Hintergründe extra für dieses Projekt von den Visual Artists PFA Studios x Alessa Müller gestaltet wurden.
Mit einem kleinen Akustik-Block, den Kelvin Jones an der Gitarre mitten zwischen seinen Zuhörer*innen performte, wurde die Partystimmung kurzzeitig von einer sehr berührenden Atmosphäre abgelöst. Denn der Künstler kehrte hier nicht nur musikalisch zu seinen Wurzeln zurück, sondern verkündete auch, dass er mit diesem Projekt zu seinem Geburtsnamen Mupani zurückkehrt, unter dem er künftig auftreten wird. Die Setlist mit Songs wie „Piano“, „Call You Home“ und dem Lost Frequencies Kracher „Love To Go“ war jedenfalls einzigartig und mein magisches Highlight für diesen Konzerttag.
Ein weiteres Beispiel für wirklich ungewöhnliche Locations ist die Tatsache, dass selbst die Filiale der Hamburger Sparkasse (Haspa) zur Konzertlocation wurde. Hier hatte es sich der Hamburger Fredrik gemütlich gemacht, dessen EP „Verlernt zu fühlen“ Punkt Mitternacht erscheinen sollte. Grund genug also mit Stolz in der Heimatstadt zu performen. Fredrik tritt vielleicht so auf wie der junge Marius, lieferte aber in Tracks namens „Rotweinlippen“ und „Alle meine Lieder“ einen kraftvollen Sound, der vor allem die junge Generation und Fans von Urban Pop begeisterte.
Zurück im Imperial Theater gab es zum Abschluss Matilda Mann. Die junge Songwriterin aus London überzeugte mit modernem Indie-Folk. Ihr Debütalbum „Roxwell“ liefert unkonventionelle Klänge, wahlweise zum Tanzen oder zum Träumen. Einen Teil des Publikums hielt es trotz vorgerückter Stunde nicht auf den Sitzen. Und die akustische Ballade „The DayThat I Met You“ war ein wundervoller Abschluss für den zweiten Festivaltag.
Die Jury des Anchor – International Music Awards, bestehend aus Laurie Anderson, Bazzazian, Max Giesinger, Tayla Parx und Suzi Quatro, hat sich am Mittwoch und Donnerstag im Mojo Club die Shows der sechs Anchor-Nominees Cara Rose (GBR), Sorvina (USA/DEU), RIP Magic (GBR), Soft Loft (CHE), Mei Semones (USA) und Carpetman (UKR) angesehen, um bei der heutigen Anchor Award Show im St. Pauli Theater den internationalen Musikpreis zu verleihen.
Die Entscheidung fiel am Ende auf die Singer-Songwriterin Mei Semones, die mit ihrer Perfomance und ihren Songs die Anchor-Jury überzeugen konnte:
“Mei Semones’ performance was unlike anything we had seen before — unique, incomparable, and deeply challenging in the best possible way. Within its mystery lay an irresistible force that captivated us completely. We are convinced that this was not only an extraordinary moment on stage, but also the emergence of an artistic voice with the power to redefine what mainstream can mean.” – Die Anchor-Jury
Mei Semones erhält nicht nur die Auszeichnung selbst, sondern auch einen Voucher für Technik-Equipment in Höhe von 20.000 Euro, bereitgestellt von PRG, sowie die Nutzung eines Tourbusses von Pieter Smit für einen begrenzten Zeitraum.
Schon der Mittwoch bot ein vielseitiges Programm beim Reeperbahn Festival in Hamburg. Seht hier unsere Fotos von Nina Chuba, Mel D, Panda Lux, Sorvina, Emi X, Fliegende Haie und Widersacher aller Liedermacher. Fotos: Julia Nemesheimer.
Beim Reeperbahn Festival in Hamburg wurde am gestrigen Abend der VIA verliehen – der Kritiker*innenpreis der unabhängigen Musikbranche. Acht herausragende Künstler*innen, Musikunternehmer*innen und Projekte wurden vom Verband unabhängiger Musikunternehmer*innen (VUT) ausgezeichnet. Der VIA würdigt musikalische Qualität und Innovation unabhängig von kommerziellem Erfolg.
Die Preisträger*innen des VIA 2025:
Beste*r Newcomer*in: Vandalisbin
Bester Act: Masha Qrella
Bestes Album: Ebow – „FC Chaya“
Bestes Label: Grand Hotel van Cleef
Bestes Experiment: Holly Herndon & Mat Dryhurst – “The Call”
Best New Music Business: Aurismatic
Sonderpreis: Frank Bull
Indie-Axt: Helen Smith
Die feierliche Verleihung fand im Schmidts Tivoli statt – moderiert von Nina „Fiva“ Sonnenberg. Musikalisches Highlight des Abends war der Liveauftritt von Sofia Portanet, die 2021 mit dem VIA als „Beste Newcomerin“ ausgezeichnet wurde. Redebeiträge kamen unter anderem von Dr. Carsten Brosda, Hamburgs Senator für Kultur und Medien, sowie Dr. Birte Wiemann, Vorstandsvorsitzende des VUT.
Auch in diesem Jahr wählten sechs unabhängige Fachjurys – zusammengesetzt aus Expert*innen unterschiedlichster Hintergründe – die Preisträger*innen aus.
Die Preisträger*innen im Detail:
Die Münchner Künstlerin Vandalisbin wurde als Beste Newcomer*in ausgezeichnet. Überreicht wurde der Preis von Ueli Häfliger und Winson vom Musikpodcast „Goldstückli“ – selbst „riesengroße Fans“ der Künstlerin und ihrer Songs im Spannungsfeld zwischen queerer Sexualität, Liebe, Gewalt und Selbstermächtigung.
Den Preis für den Besten Act erhielt Masha Qrella. Illustrator und Maler Chrigel Farner, der mit Masha Qrella schon lange in musikalischer Verbindung steht, würdigte die Künstlerin in seiner Laudatio als großzügige Person, deren Konzerte immer besonders feierliche Anlässe seien.
Mit einem Album voller queerer Lovesongs zwischen RnB und Cloud-Rap gewann „FC Chaya“ der Rapperin Ebow den Preis für das Beste Album. In einer bewegenden Laudatio bezeichnete Rap-Kollegin Nebou vom Hamburger Kollektiv Bangerfabrique das Album als „Manifest“ und „Soundtrack des Lebensgefühls queeren migrantischen Lebens“.
Das Hamburger Label Grand Hotel van Cleef, gegründet 2002 von Marcus Wiebusch, Reimer Bustorff (beide Kettcar) und Thees Uhlmann (damals Tomte) wurde als Bestes Label ausgezeichnet. Laudator Oke Göttlich, u.a. Vereinspräsident des FC St. Pauli und Musikunternehmer, überreichte den Preis an das GHvC-Team.
Das Projekt „The Call“ von Holly Herndon und Mat Dryhurst wurde als Bestes Experiment ausgezeichnet. Es erhebt die Erstellung von KI-Systemen selbst zur künstlerischen Praxis: Indem 15 Chöre Daten generieren, die über ein bewusst gestaltetes Data-Trust-Modell gerechte Kontrolle und Mitgestaltung ermöglichen, verbindet „The Call“ künstlerische Experimentierfreude mit neuen Ansätzen ethischer Daten-Governance und kollektiver Kreativität. Die Künstler*innen meldeten sich per Videobotschaft aus Japan und bedankten sich bei der Jury während Matthias Strobel vom Verband MusicTech den Preis stellvertretend entgegennahm.
Aurismatic erhielt den VIA für Best New Music Business – das Unternehmen setzt mit seiner einzigartigen AI-basierten Monitoring-Lösung einen neuen Standard für Transparenz und Fairness im Live-Musikgeschäft. Durch die präzise Erkennung von Originalwerken, auch bei Cover- und Liveversionen, profitieren zahlreiche Akteur*innen der Branche von effizientem Reporting, gerechteren Ausschüttungen und einer verlässlichen Datenbasis. Den Preis überreichte Wolf-D. Schoepe (Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht) an Aurismatic-Gründer Oliver Pauly und sein Team.
Der VIA-Sonderpreis für besondere Verdienste für die unabhängige Musikbranche ging in diesem Jahr an Frank Bull (VOD-Records) für sein außergewöhnliches Engagement als Bewahrer und Chronist der unabhängigen Musikkultur. Laudator Ronny Krieger (VUT-Vorstand) erklärte, dass Bull seit über zwei Jahrzehnten mit visionären Editionen, unermüdlicher Leidenschaft und kritischer Stimme gegenüber der Branche das kulturelle Gedächtnis der DIY- und Independent-Szene prägt.
Die „Indie-Axt“ ging an Helen Smith, Vorstandsvorsitzende des Europäischen Independent-Verbands IMPALA, die seit vielen Jahren als strategische Brückenbauerin zwischen Politik, Branche und unabhängiger Musikwelt wirkt. Mit Klarheit, Mut und Beharrlichkeit schlägt Helen Smith Wege durch Machtstrukturen und Markt-Konzentration frei und stärkt so ein pluralistisches, faires und zukunftsfähiges Musikökosystem. VUT-Geschäftsführer Jörg Heidemann überreichte den besonderen Preis und erklärte, dass die einst eingestellte Kategorie „Indie-Axt“ nach 14 Jahren erstmals wieder verliehen wird, da Smith gerade in Zeiten der Konsolidierungen im Musik-Sektor wie kaum eine andere den Geist des Preises verkörpert.
Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien, Hamburg: „Der VIA steht wie kaum ein anderer Preis für Innovationsfreude und Vielfalt und für eine Musikkultur abseits von Kommerz. Er ehrt Künstler*innen, die den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit mit ihrer Kreativität und dem unbedingten Glauben an die Kraft der Kultur begegnen. Sie legen mit ihrer Musik die Grundlage für eine andere, eine bessere Welt und behaupten sich mit ihrer Innovationsfreude auf dem harten Musikmarkt. Die Preisverleihung ist damit auch ein Fest der unabhängigen Musikwirtschaft und ein Zeichen des festen Willens, getreu dem diesjährigen Motto des Reeperbahn Festivals ‚Imagine Togetherness!‘ gemeinsam die Zukunft zu gestalten.“
Dr. Birte Wiemann, VUT-Vorstandsvorsitzende: „Jemand, der*die sich als triskaidekaphil bezeichnet, liebt die Zahl 13. Spätestens seit gestern möchte ich mich ebenfalls als triskaidekaphil bezeichnen, denn die 13. Ausgabe des VIA war genau das, was die Numerologie der Zahl 13 zuordnet: ein Erfolg. Meine herzlichsten Glückwünsche auf diesem Wege noch einmal an alle Preisträger*innen, die auch in diesem Jahr wieder gezeigt haben, was wir meinen, wenn wir von Vielfalt im musikalischen Ökosystem sprechen. Danke für diesen wohltuenden jährlichen Reminder. Und wie immer eine große Verbeugung an die Jury, die diese Vielfalt, den Ideenreichtum und die unabhängige Umtriebigkeit mit Kompetenz und Herzblut für uns sichtbar macht.“
Detlef Schwarte, Director Reeperbahn Festival:„Der VIA ist ja so eine Art Sahnehaube des Zusammenhalts innerhalb der Szene der unabhängigen Musikunternehmer*innen. Darum schmücken die VIA Awards das Reeperbahn Festival, das in diesem Jahr mit dem Motto ‚Imagine Togetherness‘ unterwegs ist, auf ganz besondere Weise. Wir freuen uns jedes Jahr aufs Neue über diesen Schulterschluss und die auch 2025 großartigen Preisträger*innen und die erneut launische Show.“
Der VUT bedankt sich bei der Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg, den Hauptförderern Merlin und GVL, dem Reeperbahn Festival, der GEMA, Phononet sowie allen Unterstützer*innen, Medienpartnern (ByteFM, DIFFUS, Kaput Mag, MusikWoche) und dem anonymen Musikliebhaber aus Hamburg, durch dessen Unterstützung der VIA mit 10.000 Euro dotiert ist. Das Berliner Presswerk Objects Manufacturing schenkt dem*er Gewinner*in der Kategorie „Bester Newcomerin“ zudem eine Vinylpressung von 100 Exemplaren.
Am heutigen Mittwochabend wurde das 20. Reeperbahn Festival im Stage Operettenhaus Hamburg mit der Opening Show eröffnet. Nach einer Begrüßung durch die Radio- und Fernsehmoderatorin Clara Amfo begann das rund 60-minütige Programm mit einem Rückblick über die 20-jährige Entwicklung des Reeperbahn Festivals. Im Anschluss stellte Ingo Mix, Abteilungsleiter Kunst- und Kulturförderung bei dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, heraus, welchen Wert eine lebendigen Musikindustrie für alle Teilnehmenden darstellt und hob die Bedeutung des Reeperbahn Festivals als „Diplomatie ohne Grenzen“ hervor.
Das Alternative-Pop Quartett Florence Road (IRE) stellte den ersten Live-Act des Abends dar, bevor Festivalleiter Detlef Schwarte die anwesenden 1.200 Gäste auf das diesjährige Motto des Reeperbahn Festivals „Imagine Togetherness!” einstimmte, dass ein Aufruf zu mehr Gemeinsinn und Zusammenarbeit innerhalb des Ökosystems Musikindustrie ist. Herausforderungen durch tiefgreifende Veränderungen wie Digitalisierung, Monopolisierungstendenzen bei zunehmendem wirtschaftlichem Druck stellen besonders für kleinere, unabhängige Akteur*innen oft eine existenzielle Bedrohung dar und können nur mit gemeinsamem Lösungswillen bewältigt werden. Andererseits sind gerade die kleinen Clubs, Labels und Agenturen von enormer Wichtigkeit für die Entwicklungsmöglichkeiten der nächsten Generation musikalischer Talente. Deshalb liegt der Erhalt eines nachhaltigen Musikwirtschaftssystems im gemeinsamen Interesse aller Marktteilnehmenden.
Die Weltpremiere des Kollektivs Future Female Africa mit Sheebah Karungi, Femi One, Die P, Onejiru, Mayonde, Anna Bassy, Nicole Hadfield und mari.ama zeigte mitreißend, wie gut Pop nach wie vor gesellschaftlich relevante Themen transportieren kann, eine Tatsache, die Autorin Liz Pelly mit wissenschaftlicher Analyse zu untermauern wusste. Mit einem Trailer wurden die diesjährigen Anchor-Nominees Wettbewerbs vorgestellt, der am Freitagabend im St. Pauli Theater verliehen wird. Den Anfang machten am Mittwoch die Shows von Sorvina (USA/DEU), Cara Rose (GBR) und RIP Magic (GBR), während Mei Semones (USA), Soft Loft (CHE) und Carpetman (UKR) am Donnerstag im Mojo Club auftreten.
Anschließend überzeugte der stimmgewaltige Singer-Songwriter Calum Scott (GBR) beim ersten seiner beiden Auftritte, bevor Hamburgs Kultursenator Dr. Carsten Brosda eine glühende Rede über das verbindende Element von Kultur und Musik besonders in Zeiten wie diesen hielt, die mit dem Satz „When hope is fading, turn the music louder” eine treffsicher auf das diesjährige Reeperbahn Festival einstimmte. Astronaut André Kuipers berichtete in seiner Keynote, wie unerlässlich internationale Zusammenarbeit im All ist und zog damit eine treffsichere Parallele zur globalen Musikwirtschaft.
Am Mittwochabend begeisterte Surprise Act Nina Chuba bei ihrem von Amazon Music präsentierten Auftritt im Festival Village, Universal Music lud zu ihrem IGNITE Showcase in die Große Freiheit 36, wo Leon Thomas (USA), Jax Jones (GBR), Sebastian Schub (DEU), PARTYOF2 (USA) sowie Alessi Rose (GBR) auftraten. Das Exportförderungsprogramm German Music Talent | Wunderkinder zeigte die ausgewählten deutschen Acts Nilipek., h3nce, David Bay, Vianova und Power Plush.
Das Programm des Reeperbahn Festivals hält in den kommenden drei Tagen jede Menge weitere Highlights bereit. Insgesamt umfassen rund 800 Programmpunkte 450 Konzerte in 75 Spielstätten von 400 Acts aus 30 Nationen, für die erwarteten 5.000 Fachbesucher*innen sind 250 Programmpunkte mit rund 300 Speaker*innen vorgesehen. Die Booking-Quote der diesjährigen Ausgabe beträgt insgesamt 56 % FLINTA* und 44% männlich.
Die Veranstaltung wird gefördert von dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie der Freien und Hansestadt Hamburg.
Gegründet im Jahr 2005 bringen LE FLY aus Hamburg seit zwei Jahrzehnten eine gelungene Mischung aus Weltmusik, Rap, Rock, Reggae, Funk und Ska aufs Tapet. Ihre Alben tragen illustre Titel wie „St. Pauli Tanzmusik“, „Grüß dich doch erstmal!“ und „Kopf aus Fuß an“. Es geht um das Erzeugen guter Gefühle, denn dieses Geschäft versteht das nordische Quintett aus dem Effeff. Und weil das live am besten funktioniert, wurde es Zeit für ein Album mit dem Titel „LE FLY LIVE“.
Los ging es für die Band im 2005 mit ersten Konzerten auf WG-Partys. Öffentlich in Erscheinung getreten sind die St. Paulianer mit Hang zum hyperaktiven Unterhaltungsextrem erstmals auf einer Veranstaltung namens „Rock meets Rap“ im legendären Hamburger Kiez Club Molotow. 2008 folgten erste Festival-Shows und ab 2009 bis einschließlich 2025 spiel(t)en LE FLY als weltweit einzige Bands jedes Jahr auf dem Deichbrand Festival!
Neben den jährlichen ausschweifend zelebrierten Festival-Sommern sind LE FLY auch regelmäßig und immer wieder auf den Club-Bühnen in der ganzen Bundesrepublik und darüber hinaus zu sehen. Vereinzelt spielte man Konzerte im Ausland – in Russland, Dänemark, der Schweiz und Luxemburg. Geträumt wird von einer baldigen Konzertreise nach Südamerika. Als Support durften LE FLY bisher beispielsweise für ZSK, Panteon Rococo, The Offspring und die 257ers eröffnen.
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Schon auf ihren bislang vier Alben und zahllosen weiteren Singles, allesamt größtenteils im DIY-Verfahren aufgenommen, produziert und über das bandeigene Label St. Pauli Tanzmusik veröffentlicht, reihte sich eine Song gewordene Hüpfburg an die nächste. Den Fokus bilden Rock, Reggae und Rap mit sofort ins Ohr gehenden Hooks. So geht es auf diesem Livealbum ordentlich zur Sache und vor allem der Deichbrand-Gigs 2022 und 2023 wird ausgiebig gehuldigt.
Wahnsinn, was man hier für eine Stimmung verbreitet. Das feierwütige Publikum geht bei allen Tracks perfekt mit und so bekommt der geneigte Hörer einen guten Eindruck davon, was LE FLY können und wie sie eine Menge begeistern. Zur „ätzend fröhlichen Stimmung“ tragen auch die enthusiastischen Ansagen bei. Es wird klar: Hier geht es vor allem um Motivation und Party. Obwohl der Mitschnitt aus unterschiedlichen Konzerten zusammengestückelt ist, hat das Album einen absoluten Flow durch seine 16 Songs. Hier wird jeder abgeholt und mitgenommen.
Fotocredit: David Lössl
Die LP kommt als 180 Gramm Doppel-Vinyl in Weiß & Rot im aufklappbarem Cover inkl. „St. Pauli Tanzmusik“-Print. Die Schallplatten-Innenhüllen sind mit Fotocollagen bedruckt.
Tracklisting (Spielzeit 65 min)
Seite A:
LE FLY – Ätzend Fröhlich – Live auf dem Deichbrand 2022
LE FLY – Alessio – Live auf dem Deichbrand 2022
LE FLY – Klassenfahrt – Live auf dem Deichbrand 2023
LE FLY – Hand In Hand – Live auf dem Deichbrand 2022
Seite B:
LE FLY – Gepäckträger – Live auf dem Deichbrand 2023
LE FLY – Tanz – Live auf dem Open Flair 2023
LE FLY – Mutter Natur – Live auf dem Deichbrand 2022
LE FLY – L’amour – Live auf dem Deichbrand 2023
Seite C
LE FLY – Caroline – Live auf dem Open Flair 2023
LE FLY – Señorita Bam Bam – Live auf dem Deichbrand 2023
LE FLY – St.Pauli Tanzmusik – Live aus der Hamburger Markthalle 2023
LE FLY – Fliegen – Live aus der Hamburger Markthalle 2023
Seite D
LE FLY – 1001 Kneipe – Live aus der Hamburger Markthalle 2023
LE FLY – Wir Wollen Nach Rio – Live aus der Hamburger Markthalle 2023
LE FLY – Wir Sehen Sehr Gut Aus – Live aus der Hamburger Markthalle 2023
LE FLY – No Tan Solo – Live auf dem Deichbrand 2023″
Ob mit Tomte oder als Solokünstler hat Thees Uhlmann die Szene poetischer, deutschsprachiger Musik seit 1991 geprägt wie kaum ein anderer. Der 1974 in Niedersachsen geborene Künstler startete die Indierockband Tomte vor allem im Hamburger Untergrund. Nach großen Erfolgen zu Beginn des neuen Jahrtausends liegt die Band seit 2012 faktisch auf Eis, obwohl sie offiziell nie aufgelöst wurde. Doch Fans werden seither live und mit Studioalben von Thees solo versorgt, also kein Grund für Fans, sich zu grämen.
Die Compilation „Sincerely, Thees Uhlmann“ fasst die Karriere auf zwei Longplayern zusammen. Nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern bunt durchmischt mit Songs beider Epochen. Und gleich wird nochmal bewusst, wie prägend Uhlmanns Sprache für die Musiklandschaft war und ist. Voll Melancholie erklingt Tomtes „Ich sang die ganze Zeit von Dir“ mit seinem emotionalen Refrain. Ebenso das hymnische „Die Schönheit der Chance“, das von Träumen und Hoffnungen berichtet. Die Ballade „Der letzte große Wal“ mit ihrer berührenden Thematik ist ebenso vertreten wie das übermütige „Korn & Sprite“ und der Song über den Sehnsuchtsort „New York“. Viele der Tomte-Titel sind zurecht zu Klassikern der Indie-Musik geworden und erfahren hier eine schöne Würdigung.
Ebenso stark stehen aber die Solotitel daneben. Natürlich „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“ mit seiner philosophischen und nachdenklichen Grundidee, das atmosphärische „Die Toten auf dem Rücksitz“ und die Hommage an den schwedischen DJ „Avicii“. „Fünf Jahre nicht gesungen“ hatte 2019 das Ende einer Schaffenspause mit dem immer noch Album „Junkies und Scientologen“ eingeläutet und klingt ebenso groß wie die Würdigung von Bruce Springsteen in „Danke für die Angst“.
Viele dieser 29 Songs – aber auch viele mehr, von den frühesten Anfangstagen bis zu den ganz frischen Sachen – wird es zwischen dem 03.-07.01.2025 auf speziellen Konzerten im St. Pauli-Theater zu hören geben. Und auch wer nicht dabei sein kann, kann „Sincerely, Thees Uhlmann“ als Ausgangspunkt nehmen, sich mal wieder mit der Musik zu beschäftigen, die einen die ganzen Jahre durchgebracht hat.
Als Booklet gibt es übrigens keine Lyrics, informativen Liner Notes oder statistische Aufzählungen, sondern eine Art Poster, dass in recht persönlich gehaltenen Statements die Gegenstände beschreibt, die auf dem Albumcover zu sehen sind und Wegmarken in Thees‘ Karriere darstellen.
Tracklist „Sincerely, Thees Uhlmann – Das Beste von Tomte bis heute“ (Vinyl-Aufteilung)
01. Für immer die Menschen (2003)
02. Zugvögel (2013)
03. Der letzte große Wal (2008)
04. Korn & Sprite (2000)
05. Danke für die Angst (2019)
06. Ich sang die ganze Zeit von dir (2006)
07. Im Sommer nach dem Krieg (2013)
08. In Köln und dann in meinem Zimmer (1998)
09. Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach Hip Hop Videodrehs nach Hause fährt (2019)
10. Die Schönheit der Chance (2003)
11. Die Toten auf dem Rücksitz (2010)
12. Pflügen (1998)
13. Geigen bei Wonderful World (2006)
14. Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf (2010)
15. Kaffee & Wein (2013)
16. Römer am Ende Roms (2010)
17. Fünf Jahre nicht gesungen (2019)
18. Egal was ich tun werde, ich habe immer an dich gedacht (2023)
19. Das hier ist Fussball (2006)
20. New York (2006)
21. Schreit den Namen meiner Mutter (2003)
22. Es brennt (2013)
23. Wie sieht’s aus in Hamburg? (2008)
24. Was den Himmel erhellt (2006)
25. Avicii (2019)
26. Wilhelm, das war nichts (2000)
27. & Jay-Z singt uns ein Lied (2010)
28. Von Gott verbrüht (2003)
29. Nichts ist so schön auf der Welt, wie betrunken traurige Musik zu hören (2008)
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Es war ein recht nostalgischer Abend im Trierer Brunnenhof, direkt neben der altehrwürdigen Porta Nigra. KETTCAR waren endlich mal wieder in Trier und schwelgten (wie vermutlich viele Fans) in Erinnerungen ans Exhaus. Das Jugend- und Kulturzentrum wurde 2019 geschlossen und harrt seitdem vergeblich der längst fälligen Sanierung. Ob wirklich was draus wird? Man darf seine Zweifel haben, wenn man sich die marode Finanzsituation der ältesten Stadt Deutschlands anschaut.
Mit Blick aufs Publikum am 28. August waren da viele Menschen anwesend, die in den Jahrzehnten zuvor regelmäßig das Exhaus bevölkert und sicherlich ihre ganz eigene Geschichte mit Bands wie KETTCAR mitgebracht haben. Und es hatte viel Wahres, wenn Marcus Wiebusch rückblickend sagte, dass die Auftritte im Exhaus – beispielsweise ihr drittes Konzert ever als Support von TOMTE – Meilensteine in der Karriere der Band gewesen sind. Das ging den Anwesenden natürlich runter wie Öl und schaffte ein Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Hamburg und Trier.
Marcus und Reimer waren in bester Erzähllaune und kabbelten sich von Beginn an mit ihren Ansagen wie ein altes Ehepaar. Start war bereits um 20 Uhr ohne Vorgruppe, das die Location in der Altstadt ein Ende für 22 Uhr vorschrieb. Diese zwei Stunden wurden aber perfekt genutzt. Für Musik – aber auch, um über den Mut der Stadt zu staunen, im Wohnhaus von Karl Marx einen 1-Euro-Shop zuzulassen. Da der Brunnenhof auch in Rufweite der Karl-Marx-Statue liegt, wird der alte Herr sicher ein wenig über diese Bemerkung geschmunzelt haben.
Wiebusch erzählte gern von seiner Mama und ihrem vermeintlichen Einfluss auf die Band. Ihr wart lange nicht in Trier? Man hat euch nicht gefragt? Dann wart ihr vermutlich nicht gut genug. „Klarheit vor Harmonie“ benannte Marcus das Familienmotto. Und als es um den Song „München“ ging, wurde nochmal die Mutter herangezogen. Sollen wir so politisch werden? Ja, seid der Sand im Getriebe der Welt!
Ich liebe die fantastischen Ansagen. Mal voll skurriler Geschichten, wenn Marcus vom Proberaum unterm Swingerclub erzählt und wie er sich manchmal vorgestellt hat, dort „Balu“ auf der Minibühne zu singen, oder melancholisch, wenn es zu „Landungsbrücken raus“ immer wieder heißt: „In Städten mit Häfen haben die Menschen noch Hoffnung“. Ja, alte Hansestadt – bewahre dir diese Hoffnung.
Was die Setlist angeht, will ich gerne auf meinen Bericht zum Konzert in Saarbrücken hinweisen. Das ist gerade mal vier Monate her und auch damals stand das aktuelle Album „Gute Laune ungerecht verteilt“ im Mittelpunkt. Lest HIER die komplette Review.
Kaum eine Band schafft es, über Jahrzehnte textlich so scharf und tiefgründig zu bleiben wie KETTCAR. Oft kommen mir deren Album wie eine Sammlung von Sinnsprüchen vor, ohne dabei irgendwie platt zu wirken. Darum hier jetzt mal eine etwas andere Setlist zum Konzert am 28.8.2024 im Brunnenhof Trier mit mir ganz subjektiv wichtigen Textzeilen wiedergeben:
Es gibt keine coole Lösung, wenn man selber das Problem ist (Auch für mich 6. Stunde) Nicht schlafen bevor wir hier heute Nacht das Meer sehen (Benzin und Kartoffelchips) Guten Morgen, Liebe meines Lebens (Rettung) Und da sah ich das Heer der leeren Flaschen auf dem Balkon verteilt (Balkon gegenüber) Nein, Werk und Autor bleiben jetzt mal schön beisammen (Kanye in Bayreuth) Du gehst tränenreich in eine höhere Liga (48 Stunden) Mein Herz ist ein totgeschlagenes Robbenbaby (München) Er nahm seinen alten Ford Granada und ward nie mehr gesehen (Sommer ’89) Frieden ist wenn alle gleich sind (Balu) Du weißt nicht wie das ist, wenn man immer eine Maske trägt (Der Tag wird kommen) Zeig mir einen dem das egal ist und ich zeig euch einen Lügner (Money Left to Burn) Zu erkennen, dass man glücklich ist, ist Kunst (Anders als gedacht) Lieber peinlich als authentisch (Kein Außen mehr) Wie aus romantischen Komödien entsprungen (Ankunftshalle) In deinem ausgesuchten Leben, vollgestopft mit Privilegien (Ein Brief meines 20-jährigen Ichs) Es ist auch nur die Angst, die bellt, wenn ein Königreich zerfällt (Im Taxi weinen) Ein letztes mal winken und raus (Landungsbrücken raus) Und nicht alle in Hamburg woll’n zu König der Löwen (Einkaufen in Zeiten des Krieges) So lang die dicke Frau noch singt, ist die Oper nicht zu Ende (Ich danke der Academy) Nur weil man sich so dran gewöhnt hat, ist es nicht normal (Deiche) Und am besten auf dich reimt sich immer noch mich (Mein Skateboard kriegt mein Zahnarzt)
Im Live-Konzertprogramm des Reeperbahn Festivals gibt es Neuzugänge zu vermelden, allen voran Sängerin und Produzentin Noga Erez, die mit ihren Alben „Off The Radar“ und „Kids“ bereits eindrucksvoll gezeigt hat, dass ihr moderner Pop mit R’n’B, Hip-Hop und Electro-Anleihen die Trends von morgen setzt, als ihnen zu folgen und nun mit ihrem neuen Album „The Vandalist“ ein weiteres Meisterwerk voller Hooks und kritischen Lyrics bereithält.
Von Songwriterin, Schauspielerin und ehemaligen ANCHOR-Jurorin Kate Nash (GBR) darf man behaupten, dass es keine mediale Disziplin zu geben scheint, in der sie nicht zu brillieren wüsste. In ihrer musikalischen Karriere schlug sie mit Alben wie „Made of Bricks“, „Yesterday Was Forever“ meisterhaft unerwartete Haken zwischen Alt-Pop, Indie, R’n‘B oder Folk oder der schieren Punk-Power früher Riot-Grrrl-Bands. Auch ihr neuestes Werk „9 Sad Symphonies“, eine smoothe Songsammlung von orchestraler Schönheit und Eleganz, liefert konsequent Unerwartetes und präsentiert völlig neue künstlerische Facetten.
Mit ihrem Bollwerk aus Breakbeats, Hip House, Dance-Pop und Techno, gepaart mit Erotik und vor Style triefender Selbstermächtigung im allerbesten Sinne, gilt Performerin, heimliche Ikone und Rap-Diva mit Punk-Attitüde M¥SS KETA (ITA) als eine der innovativsten Künstler*innen Italiens. Live ein echtes Naturereignis!
Mit Zaho de Sagazan (FRA) beehrt uns eine Multiinstrumentalistin und Songwriterin neuen Formats, der die virtuose Verschmelzung unterschiedlichster Stilrichtungen von French Pop über Minimal Synth und Electro bis zu Chansons mühelos gelingt, wie ihr 2023 erschienenes Debüt „La symphonie des éclairs“ beweist – in ihrer Heimat wird sie bereits als große Hoffnung des Nouvelle chanson française gehandelt.
AUSSERDEM BESTÄTIGT:
MC WINDHUND (DEU), The Joy (ZAF), Anna B Savage (GBR), El Perro del Mar (SWE), MISO EXTRA (GBR), Bongeziwe Mabandla (ZAF), The Hi-Hats (DEU), Folk Bitch Trio (AUS), Suzan Köcher’s Suprafon (DEU), Ami Warning (DEU), Tanner Adell (USA), Letters Sent Home (DEU), Bleeker (CAN), Housewife (CAN), Ditty (DEU/IND), Dominique Fils-Aimé (CAN), Hotel Mira (CAN/USA), Jesse Roper (CAN), Katie Tupper (CAN), Pallmer (CAN), BLUAI (BEL), Czeslo (DEU), Slow Spirit (CAN), Peter aus der Mozartstraße (DEU), metty (DEU), Pablu (DEU), So Soon (DEU), Yikes (SWE), Florence Besch (DEU/LUX), Aysanabee (CAN), Maho G (TUR), PLAIINS (DEU), Lina Bó (DEU), Suzan (DEU/TUR), Betti Kruse (DEU), Sebastian Gaskin (CAN), Ben Goldsmith (USA), Ammoye (CAN), Altered by Mom (CAN), Marta Knight (ESP), Musgö (ESP), Eva Ryjlen (ESP), Gilipojazz (ESP), Ila Barker (CAN), Devarrow (CAN), Tara MacLean (CAN), Ajukaja & Mart Avi (EST), Manna (EST), Night Tapes (EST), You Thant (SWE), Neumatic Parlo (DEU), Defences (GBR), Rita Ray (EST), Lazarvs (HUN), Grimelda (CAN), Clothing Club (DNK), KUSK & Óviti (ISL), Soeckers (DEU), Cockhouse (SWE).
„Gute Laune ungerecht verteilt“, so lautet der Titel des neuen Kettcar-Albums. Am Donnerstag aber war von Ungerechtigkeit kaum etwas zu bemerken, sind doch die Fans einfach glücklich, dass die Hamburger Band nach langer Pause endlich wieder ein Album auf dem Markt hat (das sogar Platz 1 der deutschen Charts enterte) und sich zurzeit auf ausgiebiger Tour befindet. So war die Garage in Saarbrücken schon seit Monaten ausverkauft und es tummelte sich allerlei Publikum im großen Rund, das auch ältere Semester mit einschloss. Kettcar waren von Beginn an – seit 2001 – eine Band für alle Generationen.
Bevor aber Marcus Wiebusch & Co. loslegten, waren Kochkraft durch KMA als Support gefragt. Der Bandname ist schwer zu merken aber leicht zu googeln. Die Band um Sängerin Lana Giese stammt aus dem Großraum Köln und feiert sich mit interessanten Wortschöpfungen. So sehen sie sich als Vertreter*innen der „Neuen Deutschen Kelle“, einer Neuinterpretation von NDW. In diesem Sinne gibt es Punk mit Sprechgesang, schnell, laut und elektronisch.
Das neuste Album „Alle Kinder sind tot“ erschien bereits vor fast zwei Jahren. Die aktuelle Single „Mein Hund heißt wie Du!“ wurde gemeinsam mit Team Scheisse aufgenommen und beim Kettcar-Label Grand Hotel van Cleef veröffentlicht. So kamen die dynamische Frontfrau und ihr agiles Team vermutlich zu der Rolle als Support, die sie in 40 Minuten Konzertlänge glänzend ausfüllten. Viele werden Kochkraft durch KMA vermutlich an die laute Rockband erinnert haben, die Kettcar noch vor 23 Jahren waren.
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Pünktlich um 21 Uhr waren die Hamburger am Start. Aus der lauten Rockband ist eine nachdenkliche Truppe geworden, die mit ihrem Politpunk immer noch wichtige Geschichten erzählt, den Fokus aber mehr aufs Erzählen als aufs eingängige Abfeiern legt. Es war der offizielle Tourstart nach Clubkonzerten auf Helgoland und im Kölner Luxor. Und die Garage war der perfekte Ort dafür, konnten Marcus und Reimer doch von unzähligen Gigs in der Region schwelgen, beginnend mit dem kultigen Start 2003 im P-Werk Blieskastel.
„Auch für mich die 6. Stunde“ eröffnete den Set. Es geht darin um aktuelle Ereignisse und den damit einhergehenden Zynismus: „Sandstrand, Junge tot, Netflix, Abendbrot“. Besser kann man nicht erklären, warum unsere Welt kaputt ist. Dann „Benzin und Kartoffelchips“ vom Album „Ich vs. Wir“, das bald schon erschreckende sieben Jahre alt wird. Wiebusch lud zu einer kleinen Zeitreise ein von „Money Left To Burn“ (2001) über „Balkon gegenüber“ (2002) und „48 Stunden“ (2005), was der bislang höchste Charteinstieg der Band war. Grund genug, auch den Radiosender SR2 zu loben, der das Saarbrücker Konzert mitgeschnitten hat und es demnächst in verkürzter Form senden wird.
Weiter ging es politisch mit „Sommer 89“ und dem grandiosen „München“, das nach Meinung von Reimer Bustorff auch den Titel „Saarbrücken-Dudweiler“ tragen könnte, geht es doch um einen Menschen, der in Deutschland geboren ist aber für immer Ausländer bleiben wird. Die Setlist war insgesamt ausgewogen und – meiner Meinung nach – absolut großartig. So gab es die Ballade „Balu“, allein mit Gitarre und Piano begleitet, und „Doug & Florence“ gegen die liberale Zumutungspolitik.
Ob Musik etwas bewirken kann, wird Marcus oft gefragt – und kann es nicht mehr hören. Er sagt seine Meinung und schreit sie bisweilen laut heraus. So kann er Momente genießen wie die Performance seines formidablen Solosongs „Der Tag wird kommen“ über einen homosexuellen Fußballstar. Auch dieser fand seinen Platz im Set und verursachte mir und vielen anderen Gänsehaut – wie immer, wenn man das dazu gehörige Video sieht, das auch hier im Hintergrund ablief. Klar befindet man sich in einer Meinungsblase, aber das daraus entstehende Zusammengehörigkeitsgefühl kann jeden stärken.
Eine Premiere feierte der Song „Blaue Lagune, 21.45 Uhr“ den es bisher noch nirgends live gab. Als letztes im regulären Set folgte um 22.30 Uhr das umjubelte „Landungsbrücken raus“. Der Zugabenblock dehnte dann das Konzerte auf lockere zwei Stunden aus. Mein Highlight? Wie immer „Trostbrücke Süd“. Ein atmosphärischer Song über die Verlorenen im Frühbus, der in einem skurillen Moment an der Endstation gipfelt, wenn alle verbliebenen Fahrgäste auf ihre Sitze steigen und dem Busfahrer skandieren: „Wenn du das Radio ausmachst, wird die Scheißmusik auch nicht besser“. Wie geil ist das denn? Und wie perfekt wirkt dieser Song in später Konzertkulisse? „Auf den billigen Plätzen“, „Ich danke der Academy“ und „Deiche“ beendeten das grandiose Comeback-Konzert.
Wer Kettcar in der Region Trier nochmal live sehen will, hat dazu am 28. August Gelegenheit, wenn die Band den Brunnenhof neben der Porta Nigra mit guter Musik erfüllen wird. Die kompletten restlichen Tourdaten 2024 findet ihr ganz unten in diesem Text.
Setlist KETTCAR, Garage Saarbrücken, 11. April 2024
Auch für mich 6. Stunde
Benzin und Kartoffelchips
Money Left to Burn
Balkon gegenüber
48 Stunden
Sommer ’89 (Er schnitt Löcher in den Zaun)
München
Rettung
Notiz an mich selbst
Balu
Ein Brief meines 20-jährigen Ichs (Jedes Ideal ist ein Richter)
Erstaunliche sechseinhalb Jahre ist es schon her, dass Kettcars letztes Studioalbum „Ich vs. wir“ erschien. Erstaunlich vor allem deshalb, weil es immer noch in Endlosschleife meine Playlist bereichert. Die EP-Resteverwertung „Der süße Duft der Widersprüchlichkeit“ hat mich dann 2019 nicht so ganz überzeugt, während die Live-CD „…und das geht so“ im selben Jahr eine absolute Offenbarung war.
Jetzt ist auch das schon fast fünf Jahre her und es wurde an der Zeit, die Band um Marcus Wiebusch und Reimer Bustorff aus dem selbst gewählten Winterschlaf zu wecken. „Kreative Pause“ mag man das nennen. Und wenn dann ein solch geniales Album dabei heraus kommt, darf die Pause gerne mal etwas lang werden. „Gute Laune ungerecht verteilt“ bietet die ganze schöpferische Kraft eines grandiosen Kettcar-Albums. Die Lyrics sind so stark, dass man sie umgehend in den eigenen Zitatenschatz aufnehmen möchte. „Unser politischstes Album seit… Oh bitte, ich bin ganz kurz eingeschlafen“ heißt es da schon so kraftvoll im Opener „Auch für mich die 6. Stunde“. Es geht um aktuelle Ereignisse und den damit einhergehenden Zynismus: „Sandstrand, Junge tot, Netflix, Abendbrot“. Besser kann man nicht erklären, warum unsere Welt kaputt ist.
„München“ erzählt mit eindringlichen Hardcore-Einwürfen von Chris Hell (Fjørt) von einem Menschen, der in München geboren ist und doch für immer Ausländer bleiben wird. Die Erzählung aus der Sicht zweier Protagonisten beherrschen Kettcar aus dem Effeff – und es bringt eine persönliche Geschichte wie so oft ganz nah.
„Doug & Florence“ beschäftigt sich mit der Situation von Krankenpfleger*innen und Paketzusteller*innen, den Helden einer Pandemie, die ansonsten aber in der Klassengesellschaft untergehen. Auch „Blaue Lagune, 21:45 Uhr“ beschäftigt sich mit unterschiedlichen sozialen Schichten von der Grundschule bis zum Tankstellenraub.
„Cancel Culture“ ist ein kontroverses Thema, das Kettcar in „Kanye in Bayreuth“ behandelt. Die Sammlung ist umfangreich von R. Kelly über Kevin Spacey bis Michael Jackson. Kann man Werk und Autor trennen? Werden alle den grünen Hügel raufgejagt? Die Antwort bleibt schwammig im Sprechgesang und am Ende doch eindeutig: „Gegen Wagner ist jedes Arschloch ein Pausenclown / Das ist subjektiv, meine Meinung, scheißegal“.
Tröstlich kommt „Was wir sehen wollten“ um die Ecke – und doch tieftraurig, wenn der Bettnachbar im Krankenhaus mit Blick aus dem Fenster das Paradies beschreibt, obwohl er nur in den kargen Hinterhof blickt. Auch „Einkaufen in Zeiten des Krieges“ erzählt eine solche Anekdote, wobei es hier um das tägliche Blutbad im Supermarkt geht und die zusammenfassende Weisheit „Nicht alle in Hamburg wollen zu König der Löwen / Und es ist alles schon gesagt, aber noch nicht von jedem“.
Kettcar haben sich wieder selbst übertroffen und ich freue mich auf die Liveumsetzung ab nächster Woche. Produktionstechnisch ist das Album erste Sahne, mit musikalischen Feinheiten zwischen Indierock, Sprechgesang und alternativen Pophymnen. Der Album-Closer stellt ein Zwiegespräch zwischen Marcus Wiebusch und seinem jüngeren Ich dar. Schonungslos geht er im Text mit sich selbst ins Gericht und kommt zum Schluss „Du hast immer noch die gleiche Angst wie ich“.
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Die Band North West stammt eigentlich aus Ostfriesland, hat aber schon längst ihre Liebe zu Hamburg entdeckt und sich dort niedergelassen. Also mag es absolut legitim sein, dass das Indie-Pop-Quartett sein Debütalbum mit dem Lieblingsort betitelt. Denn dort sind sie zur Band-WG geworden. “Wir als Band sind durch das Zusammenziehen viel mehr gewachsen. Wir haben Höhen und Tiefen erlebt und diese bezwungen. Hamburg ist ein klarer Meilenstein in unserer Entwicklung”, so Sänger Dennis.
Das Album startet mit dem Titelsong und stellt sogleich klar, dass man keineswegs auf Deutsch singt, sondern sich einen internationalen Touch gibt. Es sind hymnische Songs mit starken Emotionen, die hier geboten werden. Ein Track wie „I Just Like That“ kommt in epischer Breite wie eine musikalische Umarmung.
Fotocredit: Ralf Kornmann
Manche Songs wie „Trisha“ atmen eine ordentliche Portion Britpop, ohne sich anzubiedern. Die Vocals sind charismatisch und „Chemicals“ glänzt mit rhythmischen Finessen, wobei sich der Song trotz seiner drei Minuten stetig steigert.
Melancholisch und nostalgisch geht es dann in „1998“ zu. „Rosegold Heart“ stürmt im fröhlichen Uptempo nach vorne bevor sich das von rockigen Gitarrenriffs begleitete „Instagram“ gesellschaftskritisch mit der Geltungssucht und dem schönen Schein mancher Selbstdarsteller*innen auseinander setzt.
Bevor das Album nach einer guten halben Stunde endet gibt es mit „Don’t Wait“ einen kleinen Ausreißer mit elektronischem Grundgerüst. Alles in allem ist „Hamburg“ aber ein sehr organisches Album, das ich mir gern auf dem nächsten Reeperbahn Festival vorstellen möchte, das aber in seiner hymnischen Ausrichtung durchaus auch in ein Stadion passen würde. Warten wir ab, was die Zeit bringt.
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Der Freitag auf dem Reeperbahn Festival hatte einige Highlights aus dem Newcomer-Bereich zu bieten. Batbait aus Zürich sind eine all female Band mit kantigem Punkrock. Laute, schrammelnde Gitarren beschallten den Spielbudenplatz.
Das Reeperbahn Festval 2022 ist furios gestartet. Hier unsere zweite Fotogalerie mit ClockClock und Charles Watson (21.9.2022).
Mit „Brooklyn“ und „Sorry“ sind ClockClock natürlich die Band der Stunde. Im glanzvollen Spiegelzelt zeigte Sänger Bojan Kalajdzic eine große Nähe zum Publikum.
Jau, die Kids sind schon seit Jahren aus dem Deine-Freunde-Alter raus. In den Kinderzimmern regieren jetzt Olivia Rodrigo, Wincent Weiss, John Legend und irgendwelche Rapper mit seltsamen Abkürzungsnamen. Zumindest der Rap ist also geblieben. Und Deine Freunde irgendwie auch, denn die hört der Familienvater manchmal immer noch gern. Mit modernem Hip-Hop-Sound und frechen Texten begeistert das Trio seit zehn Jahren nicht nur im Kinderzimmer und in kleinen Clubs, sondern auch im Familienwohnzimmer und in großen Konzerthallen.
Florian Sump, Markus Pauli und Lukas Nimscheck fanden damals in Hamburg zusammen und kamen mit Rolf Zuckowski in Kontakt, der sie von Beginn an förderte. Flo war mal Schlagzeuger der Durchstarter ECHT und zugleich als Erzieher in einer Kita tätig. Er nahm Kontakt zu Pauli auf, seines Zeichens Live-DJ bei Fettes Brot. Und Lukas als Dritter im Bunde ist inzwischen auch als Moderator („Tigerenten Club“) bekannt. Der pädagogische Anteil ihrer zum Teil durchaus sozialkritischen Texte ist also durchaus hoch. Und trotzdem hat der Coolness Faktor sie bis heute nicht verlassen.
Der Hit „Schokolade“ vom Debüt „Ausm Häuschen“ wird bis heute gefeiert. Inzwischen sind sechs Studioalben (inklusive Xmas-Release) erschienen, wobei die Musik mit den Fans ein Stück weit gewachsen ist. „Hausaufgaben“, „Deine Mudder“ und viele andere Songs haben sich in die Herzen von Eltern, Großeltern und Kindern im ganzen Land gerappt und sind zu echten Wegbegleitern durch den Familienalltag geworden.
Nach dem Opener „Wir sind die Kinderband“, der das Jubiläum feiert („Wo kommt die 1 her? Wo kommt die 0 her?“) gibt es den ultimaten Querschnitt durch eine Dekade Deine Freunde und mit „Hits! Hits! Hits!“ das passende Motto. Ganze 23 Tracks in 73 Minuten – so bekommt man den entsprechende Mehrwert. Und ich bin auch nach über einer Stunde Kindermusik noch immer nicht genervt. Passt!
Das Album enthält alles, um beim nächsten Konzert textsicher zu sein, denn ab Sommer 2022 sind Flo, Lukas und Pauli wieder live zu erleben. Geplant sind unzählige Open-air-Konzerte und eine große Hallentour durch ganz Deutschland.