Pünktlich um 13.45 Uhr ging es los und das Team von ROCK AM RING hatte mal wieder ein absolut glückliches Händchen für den Opener. Querbeat aus Bonn bzw. Köln hatten ja quasi ein Heimspiel in der Eifel und brachten eine ordentliche Portion Karneval mit.
Wer feiern wollte, hatte natürlich schon zwei Tage lang Gelegenheit dazu, denn sowohl am „Rocksquare“ direkt neben dem Haupteingang und in der „Eventarena“ beim offiziellen „Camping am Nürburgring“ gab es schon Mittwoch und Donnerstag ordentlich Beschallung. Kochkraft durch KMA feierten gestern den totalen Abriss und stimmten das Publikum hervorragend auf das Festival ein. Ihre Songs sind laut und wie geschaffen fürs Feiern. Auch die politische Haltung, denn die AfD bekam unter dem Jubel des Publikums ordentlich ihr Fett weg.
Querbeat starteten heute vor einem schon sehr gut gefüllten Infield. Kein Wunder, bei diesem grandiosen Wetter. Blauer Himmel mit einigen Wolken, nicht zu heiß bei 17-18 Grad und kein Regen in Sicht. So soll es wohl bis Sonntag bleiben. Kaum zu glauben.
Querbeat legten mit viel Bläser-Power und dem Song „Ich schlaf nicht“ los. Gleich darauf gab es schon die Hymne „Nie mehr Fastelovend“ und die Menge war nicht mehr zu bremsen. So muss ein Festival starten. Es gab einige partytaugliche Cover und man schaffte es sogar, die Fans zum Massentanz „Freestyle“ zu bewegen. Doch insgesamt blieb es rockig und eine Flamingo-Tour übers Publikum wurde von „Fight for your right (to party)“ begleitet.
Weiter ging es unter großem Jubel mit „Kein Kölsch für Nazis“ und natürlich durfte der Song für Renate „Du und Deine Disco“ nicht fehlen, bevor es mit „Eisbär“ und „Randale & Hurra“ in den Endspurt ging. Der Auftakt ist geglückt – und weiter geht’s mit Guano Apes, Kerry King, Kreator, den Ärzten und Avenged Sevenfold. Wir werden berichten.
„Gute Laune ungerecht verteilt“, so lautet der Titel des neuen Kettcar-Albums. Am Donnerstag aber war von Ungerechtigkeit kaum etwas zu bemerken, sind doch die Fans einfach glücklich, dass die Hamburger Band nach langer Pause endlich wieder ein Album auf dem Markt hat (das sogar Platz 1 der deutschen Charts enterte) und sich zurzeit auf ausgiebiger Tour befindet. So war die Garage in Saarbrücken schon seit Monaten ausverkauft und es tummelte sich allerlei Publikum im großen Rund, das auch ältere Semester mit einschloss. Kettcar waren von Beginn an – seit 2001 – eine Band für alle Generationen.
Bevor aber Marcus Wiebusch & Co. loslegten, waren Kochkraft durch KMA als Support gefragt. Der Bandname ist schwer zu merken aber leicht zu googeln. Die Band um Sängerin Lana Giese stammt aus dem Großraum Köln und feiert sich mit interessanten Wortschöpfungen. So sehen sie sich als Vertreter*innen der „Neuen Deutschen Kelle“, einer Neuinterpretation von NDW. In diesem Sinne gibt es Punk mit Sprechgesang, schnell, laut und elektronisch.
Das neuste Album „Alle Kinder sind tot“ erschien bereits vor fast zwei Jahren. Die aktuelle Single „Mein Hund heißt wie Du!“ wurde gemeinsam mit Team Scheisse aufgenommen und beim Kettcar-Label Grand Hotel van Cleef veröffentlicht. So kamen die dynamische Frontfrau und ihr agiles Team vermutlich zu der Rolle als Support, die sie in 40 Minuten Konzertlänge glänzend ausfüllten. Viele werden Kochkraft durch KMA vermutlich an die laute Rockband erinnert haben, die Kettcar noch vor 23 Jahren waren.
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Pünktlich um 21 Uhr waren die Hamburger am Start. Aus der lauten Rockband ist eine nachdenkliche Truppe geworden, die mit ihrem Politpunk immer noch wichtige Geschichten erzählt, den Fokus aber mehr aufs Erzählen als aufs eingängige Abfeiern legt. Es war der offizielle Tourstart nach Clubkonzerten auf Helgoland und im Kölner Luxor. Und die Garage war der perfekte Ort dafür, konnten Marcus und Reimer doch von unzähligen Gigs in der Region schwelgen, beginnend mit dem kultigen Start 2003 im P-Werk Blieskastel.
„Auch für mich die 6. Stunde“ eröffnete den Set. Es geht darin um aktuelle Ereignisse und den damit einhergehenden Zynismus: „Sandstrand, Junge tot, Netflix, Abendbrot“. Besser kann man nicht erklären, warum unsere Welt kaputt ist. Dann „Benzin und Kartoffelchips“ vom Album „Ich vs. Wir“, das bald schon erschreckende sieben Jahre alt wird. Wiebusch lud zu einer kleinen Zeitreise ein von „Money Left To Burn“ (2001) über „Balkon gegenüber“ (2002) und „48 Stunden“ (2005), was der bislang höchste Charteinstieg der Band war. Grund genug, auch den Radiosender SR2 zu loben, der das Saarbrücker Konzert mitgeschnitten hat und es demnächst in verkürzter Form senden wird.
Weiter ging es politisch mit „Sommer 89“ und dem grandiosen „München“, das nach Meinung von Reimer Bustorff auch den Titel „Saarbrücken-Dudweiler“ tragen könnte, geht es doch um einen Menschen, der in Deutschland geboren ist aber für immer Ausländer bleiben wird. Die Setlist war insgesamt ausgewogen und – meiner Meinung nach – absolut großartig. So gab es die Ballade „Balu“, allein mit Gitarre und Piano begleitet, und „Doug & Florence“ gegen die liberale Zumutungspolitik.
Ob Musik etwas bewirken kann, wird Marcus oft gefragt – und kann es nicht mehr hören. Er sagt seine Meinung und schreit sie bisweilen laut heraus. So kann er Momente genießen wie die Performance seines formidablen Solosongs „Der Tag wird kommen“ über einen homosexuellen Fußballstar. Auch dieser fand seinen Platz im Set und verursachte mir und vielen anderen Gänsehaut – wie immer, wenn man das dazu gehörige Video sieht, das auch hier im Hintergrund ablief. Klar befindet man sich in einer Meinungsblase, aber das daraus entstehende Zusammengehörigkeitsgefühl kann jeden stärken.
Eine Premiere feierte der Song „Blaue Lagune, 21.45 Uhr“ den es bisher noch nirgends live gab. Als letztes im regulären Set folgte um 22.30 Uhr das umjubelte „Landungsbrücken raus“. Der Zugabenblock dehnte dann das Konzerte auf lockere zwei Stunden aus. Mein Highlight? Wie immer „Trostbrücke Süd“. Ein atmosphärischer Song über die Verlorenen im Frühbus, der in einem skurillen Moment an der Endstation gipfelt, wenn alle verbliebenen Fahrgäste auf ihre Sitze steigen und dem Busfahrer skandieren: „Wenn du das Radio ausmachst, wird die Scheißmusik auch nicht besser“. Wie geil ist das denn? Und wie perfekt wirkt dieser Song in später Konzertkulisse? „Auf den billigen Plätzen“, „Ich danke der Academy“ und „Deiche“ beendeten das grandiose Comeback-Konzert.
Wer Kettcar in der Region Trier nochmal live sehen will, hat dazu am 28. August Gelegenheit, wenn die Band den Brunnenhof neben der Porta Nigra mit guter Musik erfüllen wird. Die kompletten restlichen Tourdaten 2024 findet ihr ganz unten in diesem Text.
Setlist KETTCAR, Garage Saarbrücken, 11. April 2024
Auch für mich 6. Stunde
Benzin und Kartoffelchips
Money Left to Burn
Balkon gegenüber
48 Stunden
Sommer ’89 (Er schnitt Löcher in den Zaun)
München
Rettung
Notiz an mich selbst
Balu
Ein Brief meines 20-jährigen Ichs (Jedes Ideal ist ein Richter)