HANS Hamburger Musikpreis Fotos – Markthalle in Hamburg 2014
HANS Hamburger Musikpreis 2014 Fotos Hamburg, Markthalle
Hier gibt es unseren Bericht zur Verleihung des HANS Hamburger Musikpreis 2014
HANS Hamburger Musikpreis 2014 Fotos Hamburg, Markthalle
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Rolling Stone Weekender Festival 2014 Fotos, Weißenhäuser Strand – Samstag
Hier gibt es unseren Bericht zum Rolling Stone Weekender Festival 2014
Rolling Stone Weekender Festival 2014 Fotos, Weißenhäuser Strand – Freitag
Hier gibt es unseren Bericht zum Rolling Stone Weekender Festival 2014
Zum sechsten Mal lud das Rolling Stone Weekender Festival Anfang November an den Weißenhäuser Strand. Ein Festival im November – geht das? Ja, das geht sehr gut. Das Festival bezeichnet sich selbst auch als „Indoor-Komfort Festival an der Ostsee“. Der Weißenhäuser Strand ist eine Bungalow-Ferienanlage direkt am Ostsee-Strand. Die Konzerte finden in den Räumen der Ferienanlage statt. Die Mainstage befindet sich in einem eigens aufgebauten großen Zirkuszelt.
Für mich persönlich ist das Rolling Stone Weekender immer der Abschluss der jährlichen Festivalsaison. Und auch dieses Jahr hat FKP Scorpio wieder ein wunderbares Line-up aufgefahren. Den Festival-Freitag eröffneten die Herren von Triggerfinger gekonnt im großen Zelt. Anschließend musste man sich entscheiden: Die grundsätzliche Crux bei Festivals ist auf der einen Seite das vielfältige Angebot, auf der anderen Seite parallel laufende Konzerte. Ich entschied mich für den australischen Experimental-Pop von D.D Dumbo im sehr schönen Rondell. Diese beiden Beispiele illustrieren bereits das breite Spektrum an Künstlern, das dieses Festival dem Publikum präsentiert.
Rockig ging es auf der Mainstage mit The Undertones weiter. Erfahren füllten sie das große Zirkuszelt mit ihrer Musik. Anschließend führte mein Weg mich in den Baltic Saal. Hier kommt man sich wie in einem Club mittlerer Größe vor: Die Bühne liegt relativ tief und bietet den Künstlern auch nicht allzu üppig Platz. Hierdurch kommen jedoch Künstler und Zuschauer näher zusammen. Und da ich ein großer Fan von Club-Konzerten bin, fühle ich mich hier sehr wohl. Auf der Bühne spielt Annie Clark aus New York alias St. Vincent. Sie war auf jeden Fall einer meiner persönlichen Entdeckungen und Highlights auf dem diesjährigen Weekender. Und das ist auch etwas, was dieses Festival ausmacht: Die Veranstalter kramen immer wieder tolle Überraschungen aus ihrer großen Künstler-Kiste hervor und bringen sie auf die Bühnen am Weißenhäuser Strand.
Anschließend ging es zurück zur Mainstage, auf der der amerikanische Singer-Songwriter Sam Beam von Iron & Wine einen Soloauftritt präsentierte. Für mich wirkte er in dem doch recht dimensionierten Zirkuszelt und auf der festivaltypischen, sehr großen Bühne etwas verloren. Seine Singer-Songwriter-Qualitäten sind hervorragend – hätten jedoch besser auf eine kleinere Bühne gepasst.
Der nächste Künstler war mit seiner Band Kettcar vor zwei Jahren ein Headliner auf der Mainstage des Festivals. In der Zwischenzeit hatte die Band beschlossen zu pausieren. Markus Wiebusch startete ein Solo-Projekt unter eigenem Namen. Im April dieses Jahres veröffentlichte er das Debüt-Album unter dem Titel „Konfetti“ und erntete zu recht hervorragende Kritiken. Und Markus Wiebusch zeigt auf dem Album und auch auf der Bühne des Baltic Saals, dass das Solo-Projekt musikalisch nicht einfach nur die Fortsetzung von Kettcar ist, sondern tatsächlich etwas Neues.
Musikalisch beschloss Selig auf dem Mainstage den Freitag. Man merkte, dass Jan Plewka die Bühne liebt und sich dort mit sichtlichem Vergnügen austobt. Man hatte den Eindruck, dass er die Bühne gar nicht mehr verlassen und immer weiter spielen wolle. Als ich ihn bei anderer Gelegenheit traf und auf die tolle Show beim Weekender ansprach, klang noch immer große Begeisterung bei der Erinnerung an diesen Abend in seiner Stimme.
Am Vormittag des nächsten Tages konnte man ein weiteres Highlight des Festivals genießen: Den Weißenhäuser Ostsee-Strand. Es hatte etwas wie Urlaub, den Strand kilometerweit entlang zu laufen.
Wer dem Festivalprogramm am Samstag folgen wollte, konnte bereits ab 12 Uhr Lesungen verschiedener Autoren im Witthüs beiwohnen. Ich begann meinen Festival-Samstag bei der dritten Lesung mit Sven Regener. Er las aus seinem neuen Buch „Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt“. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Und es war ein großes Vergnügen diesem Multitalent bei seiner Lesung zuzuhören. Sven Regener ist eben ein sagenhafter Geschichten-Schreiber und –Erzähler – sei es live oder auf Papier, Vinyl oder Zelluloid.
Musikalisch begann der Samstag mit Sea Wolf aus den USA. Und ich liebe es, wenn der zweite Festival-Tag mit schönem und melodischem Indie-Rock beginnt und die müden Tanzbeine ganz langsam wach werden können. Auch hierfür ein Dankeschön an das Weekender für die tolle Programmgestaltung. Anschließend gab es einen kleinen Abstecher zu dem Wohnzimmerkonzert in einem Bungalow mit John Allen aus Hamburg. Er ist der nette Kerl, mit dem man gerne mal einen Whisky in einem Pub trinken geht. Wenn er jedoch anfängt zu singen, füllt eine unglaubliche Präsenz den Raum. Ungefähr 70 ausgeloste Zuhörer kamen in den Genuss dieses besonderen Gigs.
Nach diesem Abstecher ging es zu den Levellers (UK) im Baltic Saal. Schöner, handgemachter Folk-Rock mit sozialkritischen Inhalten ist ihr Markenzeichen. Sie sind mit ihrer kraftvollen Musik eindeutig eine Live-Band und rissen das Publikum mit. Die Mainstage eröffneten am Samstag Augustines (USA). Und auf die Mainstage gehören sie mit ihrem intensiven Alternative-Rock auch.
Während das Stage-Hopping bei den großen Festivals immer mittelgroße Wanderungen erfordert, sind die Wege beim Weekender wirklich kurz und man kann schnell mal schauen, was auf den anderen Bühnen gespielt wird. Ein Vorteil eines Indoor-Festivals, bei dem die Bühnen nicht zur akustischen Trennung weit auseinander liegen müssen.
Im Baltic Saal tritt Gisbert zu Knyphausen und die Kid Kopphausen Band auf. Wer die musikalische Entwicklung von Gisbert zu Knyphausen inklusive dem persönlichen und musikalischen Einschnitt durch den Tod seines Freundes und Wegbegleiters Nils Koppruch beobachtet, erlebte nicht nur ein wundervolles Konzert. Es ist bemerkenswert, wie er das Arrangement der Lieder weiter entwickelt hat und sie an dem Abend in einer besonderen Interpretation präsentierte.
Zurück zur Mainstage ging es mit dem Duo Blood Red Shoes aus Brighton mit druckvollem Punk weiter. Wenn das Tanzbein bis jetzt noch nicht wach war, wurde es spätestens hier von der Musik der beiden wach gerüttelt. Im Baltic Saal präsentierte das Festival mit Jeff Tweedy ein musikalisches Urgestein. Seine Ausstrahlung ist beeindruckend, seine Stimme geht unter die Haut und seine Texte verleiten zum Zuhören.
Die Mainstage gehörte anschließend Live aus den USA. In den 1990er Jahren gegründet und 2009 aufgelöst, meldete sich die Band 2012 mit dem neuen Sänger Chris Shinn zurück. Mit kraftvollem Alternative-Rock füllen sie musikalisch das Zelt und liefern eine ordentliche Show auf der Bühne ab.
Den Abschluss des Festivals sollen die Editors aus Großbritannien bestreiten. Kurz vor dem Auftritt kommt die Nachricht, dass der Gitarrist Justin aus Krankheitsgründen nicht nach Deutschland reisen kann. Die Band bietet jedoch an, sich spontan in ihr Studio zu begeben und innerhalb von 24 Stunden ihre Stücke neu zu Akustik-Versionen zu arrangieren und so den Auftritt zu retten. Alleine diese Aktion der Band verdient absoluten Respekt. Und so präsentierten die Editors zum Abschluss des Rolling Stone Weekenders 2014 ein wirklich fantastisches und einzigartiges Akustik-Konzert. Oder mit den Worten der Band: „A rare unusual version of an Editors live show, maybe never to be repeated, and we’ll all enjoy doing something different and special together!!“. Es ist ihnen gelungen.
Die Musiker Fabian Kalker und Ian Fisher kommen aus unterschiedlichen musikalischen Ecken und sind in verschiedenen Projekten unterwegs. Eher zufällig kreuzten sich vor ein paar Jahren ihre Wege in Berlin. Das Ergebnis ist die Band Junior und die musikalische Fusion aus Songwriter-Texten und elektronisch geprägter Musik.
Wir hatten die Gelegenheit Fabian und Ian in Hamburg zu einem Interview zu treffen.
Euer erstes Album trägt den Titel ‚Self fulfilling prophets‘. Was möchtet ihr uns gerne darüber erzählen?
Fabian: Eigentlich könnte man sagen, dass wir uns über drei musikalische Ecken kennengelernt haben. Wir haben zusammen im Studio gesessen und das hat sehr, sehr gut funktioniert. Und dann haben wir irgendwie Lust bekommen etwas zusammen zu machen. Der Schaffensprozess ging plötzlich relativ schnell, weil wir, ohne uns lange zu kennen, sehr eingespielt waren. Und dann waren plötzlich diese Songs fertig. Und die waren auch so eine Einheit für uns, und das hat sich ganz gut angefühlt. Also quasi zu zweit so ein Ding so schnell hinzustellen.
Ian: Diese Platte war, meiner Meinung nach, ein Experiment für uns. Wie Fabian gesagt hat, kommen wir musikalisch gesehen von zwei sehr verschiedenen Welten. Und dieses Album ist wie ein Schnittpunkt dieser beiden Welten, aus denen wir kommen. Und das ist das, was ich am interessantesten an diesem Projekt fand. Weil die Lieder, die Strukturen sehr klassisch sind, mehr wie die Struktur von einem Folk-Lied, das ich normalerweise schreiben würde. Aber die Farbe ist so anders wegen, …
Fabian: … wegen der Produktion, wegen dem Ansatz, wie wir das produziert haben. Auf der einen Seite ist halt dieser sehr traditionelle Songwriter-Ansatz, und auf der anderen Seite ist etwas sehr funktionelles, fast elektronisches dabei. Und irgendwie hat das sehr gut gepasst, weil sich die Fragen sehr gut beantworten ließen: „Okay, was machen wir jetzt da?“ „Hm… wir machen das! Und dann nehmen wir das und das!“
Wie definiert ihr einen ‚Self fulfilling prophet‘?
Ian: Gute Frage. Mir fiel dieser Titel ein, als ich über den ganzen Therapie-Kram nachgedacht habe, und die Dinge, die ich gemacht habe. Ich realisierte, dass viele von den Songs, die auf dem Album sind, gedanklich viel damit zu tun haben. Das ist wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Kennst du diesen Ausdruck? Und so hat es für mich Sinn gemacht, das Album so zu nennen. Denn viele von den Songs handeln von diesen Ideen, die auf Büchern von Erich Fromm und ähnlichem basieren. Und einige von den Songs geben einem Hoffnung, meiner Meinung nach. Es ist wie sich den Weg aus der Depression zu singen. Wie deinen eigenen Weg zu singen und dabei eine Art Wahrheit zu formulieren. Und ja, mir gefällt die Idee, dass aus uns wird, worüber wir singen.
Also im Prinzip, dass man sich selbst erfüllt? Also ist ein ‚Self fulfilling prophet‘ jemand, der sich selbst erfüllt?
Fabian: Also, dass man sich selbst erfüllt, ist vielleicht etwas zu blumig. Eher, dass man selber, durch das was man tut, die Wandlung oder die Evolution vollzieht, die man sich wünscht zu vollziehen.
Ich habe ein Studio in Berlin Kreuzberg, ich wohne da auch, und wir haben dort auch in der Zeit gelebt. Wir sind zwischen den Arbeiten viel dort durch die Gegend gelaufen und haben gesehen, wie andere Leute dort leben. Im Grunde leben wir ein super privilegiertes Leben, und darüber haben wir sehr viel reflektiert. Und unsere Probleme oder die Fragen, die wir ans Leben haben, halt daran ein wenig gespiegelt. Das war häufig so ein Motor für diese Songs. Man kann sich viel über die Dinge aufregen und sich lustig darüber machen. Aber in Wirklichkeit sind wir genauso oder sind genau da drin quasi…
Man ist ein Teil von dem Ganzen.
Fabian: Ja genau, wir sind einfach Teil von dem Ganzen. Und natürlich ist auch immer der Wunsch da, irgendwie nicht ein Teil davon zu sein. Sondern etwas mehr zu sein, etwas größeres. Und dieses Spannungsfeld zwischen der sehr realistischen Einschätzung, dass man einfach nicht besser oder nicht mehr ist. Auf der anderen Seite halt der Versuch, vielleicht ein bisschen darüber hinauszuwachsen. Und das nicht auf eine arrogante oder selbstverherrlichende Art, sondern etwas zu schaffen, das Bestand hat. Für mich ist das auch so eine Art Standortbestimmung, von uns als Personen sozusagen, innerhalb dieses Kosmos.
Was haltet ihr vom ‚Gesetz der Anziehung‘ (law of attraction)?
Ian: Ja, das ist genau die Idee der selbsterfüllenden Prophezeiung. Wie zum Beispiel, wenn du denkst, dass du etwas nicht schaffst, dann wirst du es auch nicht schaffen. Es ist dasselbe.
Fabian: Ja, und vielleicht ist das Album oder die Tatsache, dass das Album so heißt, im Grunde genommen auch so ein bisschen wie das Gefühl von „Wow!“. Wir haben da so etwas Drittes geschaffen, was ganz klar er alleine niemals machen würde und ich alleine niemals machen würde. Wir haben da etwas Drittes geschaffen, was in sich relativ viel Bestand hat. Und dass vielleicht auch die Lust da ist, das weiter zu treiben.
In dem Song ‚Bad Habit‘ singt ihr über Menschen, die lieber auf die Erlösung warten, als die Dinge selbst zu verändern. Warum tun sich die Menschen eurer Meinung nach so schwer damit?
Ian: Weil es einfacher ist, zu warten und jemand anderem die Schuld zu geben. Das ist meine Meinung. Ich denke, dass die Leute gelernt haben, faul zu sein. Und sie wollen den einfachsten Weg finden, um etwas zu tun.
Fabian: Ich empfinde manchmal, dass Religion so eine gewisse Instanz ist, Dinge zu externalisieren, und die Verantwortung abzugeben. Und ich glaube es gibt Menschen, für die ist das ein großes Bedürfnis, mit ihrem Leben nicht selber in der Verantwortung zu stehen. Ich empfinde das ein bisschen anders, aber ich verstehe auch diesen Wunsch, im Prinzip sich selbst aufzugeben und jemand anderem die Verantwortung übernehmen zu lassen.
Das ist ja auch einfacher.
Fabian: Ja klar.
Ian: Und ich denke, die Zeit, in der wir getextet haben – und für mich im Speziellen, da ich von der Lyrik-Seite komme – war eine Art Übergang von jemanden wie in ‘Bad Habit’ zu jemanden davor in einem Lied wie ‘I don’t listen much’. Denn wenn du die Zeile später in dem Song hörst, ich glaube im Refrain: „ I shouldn’t love you because I need you… usw“. Wenn du diese Lyrics hörst, ist dort ein fundamentaler Unterschied in der Art des Denkens. Dieses Album steht für mich an einer Art Grenze zwischen diesen Veränderungen. Ich meine, dass ich immer noch einige von diesen Ansätzen von früher in mir habe, andere Leute und Dinge für meine Probleme verantwortlich zu machen. Aber die Lieder sind ein Hinweis dafür, dass ich versuche, diese Verhaltensweisen loszuwerden. Und es ist gut, dass ich sie loswerde. Aber man sollte sich auch bewusst sein, dass man immer noch ein Mensch ist.
Kämpft ihr selbst gegen schlechte Angewohnheiten an, oder akzeptiert ihr sie als Teil von euch selbst?
Fabian: Ich glaube, es ist letzten Endes so eine Mischung aus beidem. Ich habe immer so ein Bild im Kopf, dass wenn man sich vorstellt, man rennt gegen Wände an, ob es jetzt die eigenen Unzulänglichkeiten oder andere sind, ist man glaube ich relativ gut bedient, wenn man herausfindet, welche Wände man wirklich einrennen kann, und welche nicht. Also es gibt halt auch welche, da kann man sich dran totlaufen. Da wäre es vielleicht einfacher drum rum zugehen. Deswegen finde ich halt, dass ich schon langsam den Eindruck bekomme, dass ich mich insoweit kenne, dass ich weiß, was ich für schlechte Angewohnheiten habe. Oder vielleicht nenne ich die selber auch gar nicht schlechte Angewohnheiten. Aber ich glaube es ist so eine Art sich selbst zu akzeptieren. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass das im Grunde genommen ein großer Teil von auch weiter gehen zu können ist. Sich selber zu akzeptieren, wie man ist; mit seinen schlechten, oder einfach mit dem Set an Angewohnheiten oder Verhaltensweisen, die man hat. Das heißt nicht, dass man nicht lernen kann, sich nicht weiterentwickeln kann. Also ich glaube, ich bin schon dabei mich so ein bisschen so zu nehmen, wie ich bin. Und das ist eigentlich befreiend.
Ian: Ich glaube die Hauptsache ist, dass man sich selbst akzeptiert. Das ist der beste Weg. Ich glaube es ist nicht so wichtig alles Schwarz und Weiß zu sehen. Ich denke einfach, dass es wirklich, wirklich wichtig ist, in der Lage zu sein, sich selbst zu akzeptieren. Wenn du einige von diesen schlechten Angewohnheiten hast, die du aufgeben willst, bekämpfe sie. Aber gehe nicht zu dogmatisch damit um. Das wäre nicht sonderlich gesund.
Fabian: Am Ende kannst du nur du selbst sein. Du kannst nicht eine Idee leben, das ist unmöglich.
Ian: Aber die Texte dieser Lieder haben nicht die Aufgabe, etwas zu predigen oder den Leuten etwas zu lehren. Sie drücken eher aus, was in meinem Kopf vorgeht und beschreiben die Gefühle, die ich in dieser Zeit hatte. Das letzte, was ich tun will, ist jemandem meine Gedanken aufdrücken.
Die Leute fühlen sich durch deine Gedanken ja auch angestoßen. Oder vielleicht auch ermutigt, den Weg, den sie gehen, weiter zu verfolgen.
Fabian: Im besten Fall ist das so.
Ian: Das ist Kunst.
Fabian: Letzten Endes sitzen wir eh alle im gleichen Ding drin. Und vielleicht gibt es ja eine Resonanz bei irgendwem. Bei den vier Worten oder fünf Worten vielleicht – die für die, die sie hören, ja eine ganz andere Bedeutung haben, als für uns. Sogar für uns beide haben die Worte eine ganz unterschiedliche Bedeutung. Und es war auch ein schöner Prozess.
‚I don’t listen much‘ ist die erste Single von eurem Album. Ihr beschreibt darin die Gedankenwelt, die gegen die Gefühle arbeitet, bzw. diese unterdrückt. Was glaubt ihr, kann man machen, um sich von seinen eingefahrenen Gedanken zu lösen und wieder mehr auf seine Gefühle zu hören?
Fabian: Ich glaube ein großer Teil ist vielleicht der Kampf, einfach im Moment sein zu können. Also für mich persönlich gibt es zwei Lebensmodi: Es gibt einen reflektierenden und einen aktiven. Und ich glaube, die schönste Aufgabe ist, dass das eins wird. Dass man vielleicht auch in Echtzeit denkt und fühlt. Denn das macht sozusagen die Gefühle und die Gedanken irgendwie so ein bisschen verbindlicher. Wenn ich lange genug Zeit habe über etwas nachzudenken, kann ich das wunderschön denken oder aber normalerweise so richtig scheiße denken. Aber wenn es irgendwie so eine Art Realitätsbezug hat, einen Zeitbezug – jetzt im Moment, ich bin da und sehe das, ich empfinde das, ich nehme das wahr – dann wird es irgendwie ein bisschen verbindlicher, da bekommen Gefühle und Gedanken eine engere Verknüpfung. Da habe ich das Gefühl, ich bin mehr bei mir, mehr bei der Situation. Und das wäre das, was man machen kann.
Ian: Es gibt vier Arten von Schritten auf dem Weg zu einer Handlung. Als erstes tauchen die ersten Gedanken oder Gefühle auf, die man dann in seinem Kopf verbalisiert. Dann verbalisiert man nach außen, und dann setzt man es um. Und was oft passiert ist, dass die Wörter in deinem Kopf vor dem eigentlichen Gedanken oder Gefühl entstehen. Und in der Lage zu sein, zu differenzieren zwischen den Wörtern in deinem Kopf, die dort von der Gesellschaft und von außen eingepflanzt wurden und dich irritieren, und den Gedanken und Gefühlen, die wirklich in dir sind. Du musst Dich sehr gut kennen und Vertrauen zu Deiner inneren Stimme haben. Es ist ein Gefühl oder ein Gedanke. Und ich denke, es ist sehr hart für Menschen, die sehr verbal orientiert sind. Weil sie viel im Kopf in Worte fassen, wie ich es tue. Manchmal leiten dann die Wörter Deine Gedanken und Gefühle in eine Richtung, die nicht Deinen eigentlichen Gefühlen und Gedanken entspricht. Und ich denke, wie es Fabian auch sagt, hat jeder einen anderen Weg, um zwischen der hervoreilenden Stimme und der wahren Stimme zu unterscheiden. Aber ich denke, es benötigt Gewissenhaftigkeit, Praxis und Weisheit – alles Dinge, von denen ich wenig besitze.
Ihr habt ja schon erzählt, dass ihr euch über drei Ecken kennengelernt habt. Mögt ihr da ein bisschen was zu erzählen, wie euer Kennenlernen von Statten ging?
Ian: Ich habe vor vier Jahren in Berlin bei einem Freund übernachtet. Er heißt Simon Bauer und wir haben viel Musik zusammen gespielt. Und ich war in der Küche und habe glaube ich einen Kaffee getrunken. Und da stand Fabian und wir haben „Hallo“ gesagt. Und zwei Jahre später haben wir eine Band gegründet.
Fabian: Das entspricht ziemlich genau der Wahrheit. Die Wohnung ist nämlich auch meine Wohnung gewesen.
Und wie kam der Entschluss zustande, zusammen ein Projekt zu machen?
Fabian: Ich hatte zu der Zeit so eine Art Produzenten-Team; übrigens mit dem Simon Baumann zusammen, der den Remix von „I don’t listen much“ gemacht hat. Und wir wollten ein Album mit ganz vielen Gast-Künstlern machen, so deutsche Pop-Leute waren dabei. Und dann hatte mein Mitbewohner mir halt Ian vorgestellt und was die zusammen machen. Und dann haben wir gedacht: „Hm, vielleicht wäre es cool ihn zu fragen, ob er auch Lust hat.“ Und dann haben wir uns im Studio getroffen und haben nicht einen Song gemacht, sondern zwei, und das lief ziemlich gut. Das hatte ziemlich viel Spaß gemacht, weil es…
Ian: … die hatten keine Texte und ich habe die Lieder in 14 Minuten geschrieben …
Fabian: … aufgenommen fertig, war super! …
Ian: … in einer Stunde oder so.
Fabian: Und dann haben wir im Studioflur gesessen und gedacht: „Hey komm, das läuft so gut.“ In der Zeit wollte ich ein Solo-Album machen und wollte ihn fragen, ob er mir mit Lyrics schreiben hilft. Und ein Jahr später oder so haben wir uns dann getroffen und haben uns Musik vorgespielt. Es war relativ schnell klar: Wir machen jetzt nicht irgendwie meine Musik und meine Ideen. Und dann sagte er: „Wir machen was zusammen, was Neues.“
Was prägt eure musikalische Zusammenarbeit?
Ian: Geschwindigkeit!
Fabian: Ja, Geschwindigkeit. Definitiv.
Ian: Wir arbeiten in einem hohen Tempo zusammen. Alle Lieder von der Platte haben wir an einem Tag gemacht. Also ein Tag – ein Lied.
Fabian: Und nicht nur geschrieben. Sondern geschrieben, aufgenommen, produziert. Das ist halt so wie wir arbeiten. Der Kompositionsprozess, die Produktion und das Schreiben haben wir alles gemeinsam gemacht.
Ian: Und das war ein Teil von dem Konzept. Diese Platte, die vocals, sind nicht perfekt, alles ist nicht perfekt. Aber das gefällt mir. Diese ungeschliffenen Kanten.
Fabian: So ein bisschen Dreckigkeit halt.
Ian: Ich finde es ehrlicher.
Ja, als wenn das so extrem nachbearbeitet wird, und eigentlich nachher nichts mehr mit dem zu tun hat, was eigentlich gemacht wurde.
Ian: Ja, es ist sehr gerade, sehr einfach.
Fabian: Ich habe das halt richtig studiert, Komponieren und Schreiben. Man übt ja super viel, man macht Dinge ganz viel, um die dann gut zu können. Aber irgendwie gibt es in so einem Prozess halt so ein Ding, so ein Flash-Fenster, das geht auf und dann geht es wieder zu. Und das dauert ganz kurz, 5 Minuten, 14 Minuten, ne halbe Stunde. Und in der Zeit muss ich für mich die tragfeste Grundlage von einem neuen Stück Musik gelegt haben. Wenn es länger dauert, kann ich es wieder wegschmeißen. Das heißt nicht, dass ich danach nicht weiter daran arbeiten kann, aber es muss irgendwie in so einem ganz kurzen Prozess zu etwas werden, was wirklich Bestand hat. Und da haben wir uns halt tierisch gut ergänzt, weil es für ihn genauso ist.
Wie geht es mit Junior weiter? Habt ihr schon etwas geplant?
Ian: Wir haben viele Pläne.
Fabian: Wir haben ja die Platte quasi ohne Label rausgebracht, mit einer Promo-Agentur – „Pop up Records“. Das war glaube ich die richtige Entscheidung für uns, das so zu machen.
Ian: Super nette Leute.
Fabian: Super nette Leute. Schön, was die gemacht haben. Es scheint irgendwie ein Modell zu sein, das cool ist. Und ich glaube, jetzt wollen wir erstmal schauen, wie es läuft. Das ist jetzt der Plan. Ein bisschen Shows spielen und gucken, was sich dabei ergibt, wie die Band zusammenwächst. Wir wissen ja noch nicht mal, was für ein Publikum wir haben. Wir wissen gar nicht, wer Junior eigentlich mag, und ob überhaupt jemand kommt.
Zum Abschluss baten wir Fabian und Ian noch 3 Karten mit jeweils einem Begriff aus einem Sack voller Karten zu ziehen und etwas zu den Begriffen zu malen.
Die beiden zogen folgende Begriffe:
Wörter
Emotion
Bewegung
Das Ergebnis:
Das Interview führte Veronika Reichel. Die Fotos sind von Stefan Simrock.
Wir bedanken uns bei Sebastian von Popup Records für die Unterstützung und bei der Königsbohne, Hamburg, für die freundliche Aufnahme während des Interviews.
Die nächste Gelegenheit Junior live zu sehen:
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Letzte Woche veröffentlichten We Invented Paris ihr zweites Album. Wir trafen Flavian Graber und Stefan Schneider von der Band im Hamburger Literaturcafé zu einem spannenden Interview über Musik, das neue Album und das Leben auf fremden Sofas während ihrer Couchsurfing Tour.
Gerade ist euer zweites Album „Rocket Spaceship Thing“ erschienen. Was möchtet ihr uns gerne darüber erzählen?
Stefan: Dass es unser zweites Album ist und wir stolz drauf sind. Es hat echt Spaß gemacht. Um das Album fertigzustellen, war es ein langer und intensiver Prozess. Aber es war sehr gut! Wir haben in Basel immer wieder im Proberaum Vorproduktionen gemacht und dann sind wir für vier Wochen nach Dresden in das Schloss gegangen und haben dort die Platte aufgenommen. Und ich denke sie spiegelt sehr wieder, wo wir als Kollektiv stehen.
Das Cover des neuen Albums ziert eine fliegende Dampf-Maschine, die wie ein Herz aussieht: „The Rocket Spaceship Thing“, das dem Album den Titel gibt. Was drückt für euch diese Verbindung aus Luft, Herz und Maschine aus?
Flavian: Also es war schon wichtig, dass es fliegen kann. Das war sehr wichtig! Ich muss dazu sagen, dass das Artwork in Zusammenarbeit mit Stefan Fitzner entstanden ist, der ein Teil von unserem Kollektiv ist und der die Grafiken und die Videosachen macht. Wir haben uns sehr darüber unterhalten, was wir mit dem Album und den Songs aussagen wollen. Und diese Maschine soll das eigentlich widerspiegeln, dass wir eben wie Abenteurer aus dem 19. Jahrhundert etwas Verrücktes wagen, was unmöglich schien zu der Zeit. Vielleicht eben ein Flugzeug zu schaffen. Und deshalb war es wichtig, dass es fliegt. Und dass man auch irgendwo hin fliegt, wo man sich vielleicht gar nicht zutraut hinzukommen. Und das es aber eben eigentlich vom Herzen angetrieben ist. Das man vom Herzen getrieben ist.
Worum geht es denn zentral in eurem Album? Was möchtet ihr denn an Botschaft transportieren?
Flavian: Also ich glaube einerseits, dass der Hörer das auch selbst beurteilen darf, wenn er das Album hört, was es ihm sagt. Ich will das eigentlich gar nicht zu sehr interpretieren. Aber grundsätzlich wollen wir eigentlich schon den Leuten Mut machen, dass sie den Mut haben ihrem Herzen zu folgen. Das klingt kitschig, aber ich glaube das ist der Kitsch des Lebens. Darum geht’s irgendwie. Wir wollen dazu ermutigen, dass man seiner Leidenschaft folgen soll. Das versuchen wir mit der Musik, mit dem Weg, den wir gehen. Und ebenso vielleicht, dass es jemanden ermutigen kann, dass er es sich nicht bequem macht in der Sicherheit, es sich nicht bequem einrichtet und nur gerade das macht, was an ihn herangetragen wird. Sondern dass er auch den Mut hat Dinge in Angriff zu nehmen, die er sich gar nicht zutraut oder die vielleicht unerreichbar scheinen.
In euren Liedern geht es auch oft um Sehnsucht nach Vergangenheit und entfernten Orten. Das Hier und Jetzt erscheint zuweilen ein bisschen negativ behaftet. Seid ihr – was unsere Welt angeht – eher Optimisten oder Pessimisten?
Stefan: Also ich finde, dass viele Dinge momentan eigentlich eher schlecht ausschauen, aber ich möchte trotzdem optimistisch sein und irgendwie an das Gute in uns Menschen und in der Welt glauben. Damit wir eine Chance haben uns irgendwie noch auf die Zukunft zu freuen und zu gestalten.
Ihr widmet Auguste Piccard auf eurem Album einen eigenen Song. Was macht diesen Menschen für euch so besonders – was fasziniert euch an ihm?
Flavian: Also mich hat sehr an ihm fasziniert, dass er einerseits Schweizer war und dass das, was er gemacht hat, weiter ging. Dass sein Sohn Jacques Piccard auch Erfinder war und Abenteurer und jetzt sein Enkel Bertrand Piccard immer noch aktiv ist und ebensolche verrückten Dinge wagt. Was jetzt nicht so typisch ist für den Schweizer. Die sind eher zurückhaltend oder man traut sich eben selbst nicht so viel zu und entschuldigt sich eher als dass man einfach mal macht. Und ich fand das halt sehr inspirierend, wie das weiterging, wie er das angefangen hatte und dass das weitergehen konnte. Und das ist, was ich mir auch wünsche, dass das was ich mit meinem Leben mache auch Einfluss auf die hat, die nach mir kommen.
Und dass es weitergetragen wird.
Flavian: Genau, also auch wiederum dieser Mut das Verrückte zu wagen.
In „Everyone Knows“ singt ihr über die Zerstörung der Welt durch den Menschen, der sich mit Gott auf eine Stufe stellt und zu wissen meint, was richtig und gut ist. Was glaubt ihr kann der Mensch verändern, um wieder mehr bei sich anzukommen, ohne dabei seine Umwelt zu zerstören?
Stefan (lacht): Das ist eine große Frage. Also ich glaube dafür sind die Musiker nicht die richtigen Menschen um solche Fragen zu beantworten. Die sind vielleicht eher dazu da die Fragen zu stellen.
Hat man aber nicht eine gewisse Idee? Aber vielleicht ist es ja die Musik, mit der ihr das ausdrückt.
Flavian: Ich glaube das kann man nie ganz trennen. Es wäre falsch, wenn man die Musik und sein Leben trennt. Also ich glaube die Handlungen, die man macht, beeinflussen die Musik und die Musik beeinflusst auch unsere Handlungen in gewissem Sinne. Ich glaube man kann es runter brechen auf uns selbst und – so wie Stef das vorhin gesagt hat – dass er an das Gute im Menschen glaubt. Wie wir miteinander umgehen, das prägt uns als Gesellschaft glaube ich. Da fängt es an. Und die größeren Dinge sind nicht in unseren Händen glaube ich. Das müssen andere mitprägen.
Also dass jeder im Prinzip im Kleinen seinen Teil dazu beiträgt und auch so ein bisschen vorlebt damit es nachher im Großen und Ganzen gut werden kann?
Stefan: Also ich glaube das kann man im Allgemeinen sagen, dass jeder Mensch für sich einen kleinen Teil in der Hand hat, was mit unserem Planeten geschieht und was mit der Menschheit geschieht.
In dem Song „Zeppelins“ geht es um die Beeinflussung durch äußere Erwartungen. Wie glaubt ihr kann man es schaffen den gewählten Weg und somit auch sich selbst treu zu bleiben?
Flavian (lacht): Das hast Du aber sehr gut recherchiert… Jetzt muss ich mir noch mehr Gedanken über meine Songs machen. Ich glaube man muss sich immer wieder Zeit nehmen, um auf sich selbst zu hören, oder auch Ruhe finden um herauszufinden, was man eigentlich will. Ich glaube diese Einflüsse von Außen sind eh immer da. Und Schlussendlich ist die Frage, was wir damit tun, was wir daraus nehmen und was wir umsetzen wollen. Und welche Einflüsse wir für uns nehmen und bei welchen wir sagen „Das will ich jetzt nicht, diesen Weg.“. Aber ich glaube eben, man braucht immer wieder Ruhe und muss sich immer wieder Zeit nehmen, um eben darauf zu hören, was man will, wo es lang geht. Sich diese Zeit und Ruhe auch zu nehmen, empfinde ich als was, das sehr schwierig ist in unserer Zeit. Weil es immer schnell ist und alles voll ist von Informationen und so weiter. Ich muss mir diese Zeit bewusst nehmen. Sonst habe ich sie nicht.
Es ist sicherlich auch für viele Menschen sehr schwierig erstmal an diesen Punkt zu kommen. Dass man eigentlich Zeit für sich braucht, um nicht nur im Äußeren zu leben, sondern wirklich auch mal nach drinnen zu hören, was da eigentlich vor sich geht.
Flavian: Ja. Und ich finde es auch schwierig. Also es ist auch manchmal schwierig auf sich selbst zu hören. Ich erlebe es so.
„We invented Paris“ wurde 2010 gegründet; das erste Album erschien im Folgejahr. Jetzt präsentiert ihr euer zweites Album. Was hat sich in der Zwischenzeit bei euch verändert und wie prägt diese Veränderung das neue Album?
Stefan: Die erste Platte hat Flavian eigentlich als Solo-Künstler zusammen mit dem Produzenten aufgenommen. Die ganze Band ist erst später dazugekommen, um Konzerte zu spielen. Und da hat sich einfach in den letzten 3 Jahren doch sehr viel verändert und entwickelt und wir haben wahnsinnig viel zusammen gespielt. Und so ist auf der neuen Platte ein Stück von jedem drauf.
Flavian: Ja, ich glaube wir haben „We invented Paris“ in den drei Jahren erfunden. Also es hat sich selbst erfunden.
Stefan (lacht): Es hat sich selbst erfunden!
Das ist doch eigentlich auch das Beste, wenn es sich selbst erfindet, oder nicht?
Flavian (lacht): Jaja klar! Das war von Anfang an mein Wunsch, dass sich eben eine Eigendynamik entwickelt. Und die hat sich sehr stark entwickelt, was sehr gut ist. Mit allen Herausforderungen und allen Freuden, die es so mit sich bringt.
Ihr bezeichnet euch ja nicht als „Band“, sondern eher als „Kollektiv“, in dem Menschen aus verschiedenen kreativen Richtungen zusammenkommen. Wie sieht die Arbeit in einem solchen Kollektiv denn praktisch aus? Wie können wir uns das vorstellen?
Stefan: Schön chaotisch.
Flavian: Genau. Die Kommunikation ist nicht immer ganz einfach. Vor allem zwischen Deutschen und Schweizern, weil die Schweizer eher indirekt kommunizieren. Und das ist nicht immer so einfach. Praktisch machen wir das projektweise, dass wir halt konkret an ein Projekt gehen und dann sagen „Okay wer arbeitet mit?“. Und entweder treffen wir uns an einem Ort und arbeiten da daran oder schicken Dinge hin und her. So wie wenn es Grafiken sind, die schicken wir auch oft rum und gären dann darüber. Aber es ist auch nicht etwas Abgeschlossenes. Wir sehen das nicht als „So arbeiten wir und so muss es immer sein“. Sondern wir versuchen halt auch viel und probieren Dinge aus.
Was entsteht Positives durch diese Form der Zusammenarbeit und was ist schwierig dabei?
Stefan: Also schwierig ist sicher das Ganze organisiert zu kriegen, wie wir schon gesagt haben. Und das Schöne daran ist, dass wahnsinnig viele Dinge entstehen, die man alleine nicht machen könnte. Und dass man nicht einfach nur ein Albumdesign in Auftrag gibt und jemand macht das so wie er all seine anderen Dinge macht. Sondern man ist irgendwie zusammen im Team und berät das zusammen. Und ich finde dabei kommt was Schöneres raus.
Also es ist dann die gegenseitige „Befruchtung“?
Flavian: Ja und ich glaube es wird auch nicht so langweilig. Also wir haben nie die Gefahr, dass wir in einen Trott kommen oder so. Sondern es gibt immer genügend Herausforderungen und Dinge.
Und wie entstehen die Ideen für eure Songs?
Flavian: Ganz unterschiedlich. Also jetzt rein musikalisch gesehen, war es jetzt oft so, dass ich die Songs mit Gitarre oder Klavier geschrieben und dann in die Runde gebracht habe. Und jetzt beim zweiten Album haben wir die dann mit Stef und Bruce sozusagen vorproduziert, also arrangiert. Und dann haben wir die auf Tour live gespielt und dort hat es sich auch noch mal entwickelt. Und dann sind wir ins Studio gegangen. Bei anderen Dingen, wie Artwork, da kommt dann der Stefan Fitzner, der die Grafik macht, und spinnt mit Gedanken und Ideen rum. Oder wenn es jetzt auch um Ideen zu Vermarktung und solche Sachen geht, da ist eben unser Manager Julian Butz. Den zählen wir auch als Teil des Kollektivs. Und mit ihm brüte ich oft über Ideen und Sachen.
Ihr sucht sehr stark die Nähe zum Publikum; setzt euch auf Konzerten oft mitten ins Publikum. Warum ist euch das so wichtig? Wie wird eure Musik hierdurch beeinflusst?
Stefan: Unsere Musik wird dadurch vielleicht nicht unbedingt beeinflusst, aber es gehört einfach dazu. Wir sind ein Stück weit so groß geworden, dass wir vor sehr wenigen Leuten gespielt haben und es hat einfach eine andere Qualität so zu spielen. Und deswegen versuchen wir das bis heute immer, dort wo es geht, zu machen.
Flavian: Ja genau. Diese Zeiten, in denen wir in Wohnzimmern gespielt haben, eben auch jetzt bei größeren Konzerten wieder erlebbar zu machen. Auch so ein bisschen mit dieser Trennung zwischen Bühne und Publikum zu brechen. Ich finde, dass ist immer ein ganz spezieller Moment auf einem Konzert, auch für mich als Künstler. Weil ich die Leute ganz anders angucke. Es ist dann nicht so „Ich bin jetzt da auf der Bühne“, sondern man sieht sich sozusagen auf gleicher Ebene. Das hat was sehr Spezielles.
Die größtmögliche Nähe zum Publikum hattet ihr, wie ihr ja eben auch schon gesagt habt, durch eure Couchsurfing-Tour. Was habt ihr dabei erlebt? Gab es Dinge, die euch besonders beeindruckt haben?
Stefan: Ja, da ist eine ganz große Kiste an bunten Erinnerungen an diese Zeit. Das Beeindruckendste war vielleicht, …aber da war ich selbst gar nicht dabei… (lacht)
Falvian: Nee, das war nicht beeindruckend. Das war einfach abschreckend, gell?
Stefan (lacht): Das war abschreckend!
Flavian: Das muss ich erzählen… Da haben wir nach einem Konzert, das schrecklich war, bei jemandem übernachtet, der über einer Frittenbude gewohnt hat. Und man musste halt durch die Frittenbude, den Kühlschrank zur Seite schieben und dann kam da eine Treppe zum Vorschein, und da konnte man hoch. Und der war leider ein Messi. Und die Wohnung war komplett voll. Wir haben dann noch bis drei Uhr morgens mit einem Staubsauger ein paar Quadratmeter frei gemacht, wo wir unsere Schlafsäcke ausrollen konnten. Und das Schlimmste an der ganzen Sache war, dass er seine Fenster nicht öffnen konnte. Das heißt, die ganze Frischluft kam durch die Frittenbude hoch… also „Frischluft“… Aber sonst war er ein ganz netter Typ, das war ja so das Schlimme an der Sache! Aber es gab auch beeindruckende Momente in dem Sinne, dass wir auch echt überwältigt waren, wie großzügig Menschen zum Teil so sind. Wo ich selbst auch herausgefordert war und mich selbst gefragt hab „Würde ich das selbst machen?“ Wo Leute uns halt ihre Wohnung komplett zur Verfügung gestellt haben oder zu Freunden gegangen sind zum Übernachten, damit wir in ihren Betten schlafen können. Und einfach solche Dinge, die sehr beeindruckend waren und sehr schön. Und auch die Konzerte selbst. Wie sich die Leute Mühe gegeben haben, gekocht haben für uns. Das war schon was sehr Spezielles mit zwanzig Leuten in einem Raum ein Konzert zu spielen.
Habt ihr da dann auch so ein bisschen den Mut und die Hoffnung für das neue Album mitgenommen? Durch diese Nächstenliebe bzw. Gastfreundschaft, die da zutage gefördert wurde?
Flavian: Einerseits denke ich kam das sicher von der Couchsurfing Tour, der Mut. Aber auch grundsätzlich die Zeit danach, wo wir gemerkt haben, dass die Leute das sehr schätzen, was wir tun. Die an unsere Musik glauben oder die an uns glauben, dass wir diesen Weg gehen können als Künstler. Und halt wie immer mehr Leute zu den Konzerten kamen. Das war sehr Mut machend und ich glaube auf jeden Fall schon prägend für dieses zweite Album.
Der Mensch und die Inspiration durch Menschen ist ein wichtiges Thema bei euch. Könnt ihr jeweils einen Menschen nennen, der euch persönlich im besonderen Maße inspiriert hat?
Stefan: Also bei mir ist es definitiv ein Schlagzeuglehrer, bei dem ich vor ein paar Jahren mal Unterricht haben durfte. Der ist ein Jahr, nachdem ich bei ihm war, an Krebs gestorben. Und es war einfach ein wahnsinnig beeindruckender Mensch und Musiker. Und zu sehen, wie er damit umgegangen ist, dass er wusste, sein Körper wird zerfressen. Und was er trotzdem noch aus dem Leben ziehen konnte in der Zeit, die er noch hatte. Das war für mich sehr eindrücklich.
Flavian: Ja, für mich war es ein Freund, den ich in Kanada kennengelernt hatte. Also ich bin mit 19 für sechs Monate nach Kanada gegangen. Und habe da in Winnipeg gelebt. Da hab ich bei Leuten gewohnt, die sich eigentlich bewusst entschieden hatten, in diesen Stadtteil zu ziehen, der eigentlich so ziemlich der schlimmste Stadtteil war. Immer wenn ich Downtown war, haben die Leute gefragt „Was, Du wohnst da?! Das ist doch viel zu gefährlich!“ Aber die haben sich eben bewusst entschieden dort zu leben. Mit Prostituierten und Drogensüchtigen und so weiter, ihren Alltag zu teilen und ihr Haus aufzumachen. Und die waren halt da fürs Abendessen und sind immer wieder gekommen. Und das hat mich stark beeindruckt, weil die gesagt haben „Hey, jeder hat eine Sucht, jeder hat ein Problem. Ob das jetzt offensichtlich ist, wie bei einem Drogensüchtigen. Oder bei jemanden, bei dem alles normal aussieht und es halt nicht so ist.“ Das hat mich sehr geprägt. In der Zeit habe ich mich auch entschieden, voll auf Musik zu setzen, und die haben mich sehr in diese Richtung gepusht. Auch habe ich das kanadische Songwriter-Dasein kennengelernt.
Ja cool! Sehr schöne Sachen auf jeden Fall! Mit welchem Künstler würdet ihr gerne zusammen ein Projekt machen?
Flavian: Mit Georges Méliès, wenn er noch leben würde….
Stefan: Genau… Mit Oliviero Toscani, italienischer Fotograf. Der ist berühmt für die Benetton-Plakate. Das wär mal was.
Flavian: Aber ich schätze es eigentlich eben auch mit Künstlern zusammenzuarbeiten, die noch nicht erfolgreich und berühmt und so sind. Weil wir da irgendwie auf der gleichen Ebene arbeiten und man noch gemeinsam diesen Weg vom Künstlerdasein geht. Und das eben zu schaffen, das man davon sein Lebensunterhalt bestreiten kann. Da kann man sich oft viel teilen.
Das Jahr ist noch jung – was habt ihr euch für 2014 vorgenommen bzw. worauf freut ihr euch?
Flavian: Also ich freue mich riesig darauf einfach unglaublich tolle Konzerte zu spielen. Auch wieder neue Songs zu schreiben für das dritte Album.
Stefan: Ja das ist genau das Ding. Wir haben letztes Jahr sehr viel in der stillen Kammer gearbeitet und das ist immer schön, wenn man damit wieder rausgehen und spielen kann. Darauf freuen wir uns riesig!
Da ihr ja Assoziationen so gerne mögt, haben wir uns gedacht, dass wir euch drei Begriffe nennen und ihr was Schönes daraus macht. Wir haben gedacht, die drei Begriffe passen ganz gut zu euch und ihr könnt was damit anfangen. Die Begriffe lauten: Freiheit – Wirklichkeit – Mensch.
Flavian (lacht): Da habt Ihr euch ja was „einfaches“ ausgedacht. … Da fordert ihr uns aber heraus!
Flavian und Stefan nehmen sich drei Blätter, Stifte und das ein oder andere Hilfsmittel, und erstellen zu jedem Begriff ein Bild:
Das Interview führte Veronika Reichel. Die Fotos sind von Stefan Simrock.
Wir bedanken uns bei Anke Baumann von Revolver Promotion für ihre Unterstützung!
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We invented Paris auf Tour:
Für einige Hamburger war dieser Freitag sicherlich ein Konzerthöhepunkt in diesem Jahr. Nachdem Cäthe im Sommer ihr zweites Album „Verschollenes Tier” veröffentlichte, folgte nun die Tour. Am 22. November spielte Cäthe im Hamburger Knust. Desiree Klaeukens, begleitet von Florian Glässing, eröffnete den Abend. Mit ihren gefühlvollen Songs stimmte sie das Publikum ein.
Unter großem Jubel betraten Cäthe und ihre Band dann die Bühne und stimmten das Lied „Waffen niederlegen” an. Schon bei diesem ersten Song schienen die Fans Erlösung in der Musik zu finden: Sie begannen zu tanzen und sangen die Texte, die sich in ihre Köpfe eingebrannt haben, endlich gemeinsam mit Cäthe mit.
Nach dem Song „Tiger-Lilly” tauschten Musiker und Fans die Rollen – das Publikum sang Cäthe ein nachträgliches Geburtstagsständchen. Nach einem leicht verlegenen, aber freudigen Hüpfer, bedankte sich Cäthe ganz gerührt bei ihren Fans.
Und dann ging es auch schon weiter mit den Stücken von ihrem neuen Album. Geschickt wurden auch ältere Lieder mit in diesen Abend integriert wie z.B. „Ding”. Und spätestens hier zeigte sich, wie sehr Cäthe ihre Zuschauer begeisterte. Der ganze Saal sang „Ich glaub ich bin ein Ding, wenn‘s in Bewegung ist macht‘s einen Sinn.”, während Cäthe auf der Bühne vor Lebensfreude umhertanzte und mit ihrem Mikro ganz fasziniert den Chor einfing.
Cäthe und ihre Jungs stellten an diesem Abend das neue Stück „September” vor. Ein wunderbar ruhiger Song, der die Herzen berührte. Und das nicht nur durch Cäthe’s gefühlvolle Stimme, sondern auch durch das sehr eingängige melancholische Gitarrensolo von Jens Nickel.
Man hatte das Gefühl, dass die Band Cäthe regelrecht mit ihren Instrumenten immer weiter anzutreiben schien. Denn Cäthe war auf der Bühne einfach nur pure Bewegung, Gefühl und Lebenslust. Und dies übertrug sich auf die Zuschauer. Die Stimmung im Saal kochte bei „Die Leute” und wurde noch weiter angeheizt. Der Abend gipfelte in „Unter meiner Haut” – Cäthe und ihre Jungs gaben noch einmal alles.
Doch die Fans verlangten nach mehr. Und so kehrte sie mit ihrer Band zurück auf die Bühne. Nach „Señorita” war Cäthe von ihrem Publikum einfach nur ergriffen und sprachlos: „Ich weiß gar nicht was ich sagen soll.” Und weiter ging es mit „Mein Herz mit dir bin ich frei” und „Ich muss gar nichts” welches vom Chor der Fans begleitet wurde. Unter tosendem Applaus endete ein sehr gelungener Konzertabend.
Nach dem Konzert nahm sich Cäthe viel Zeit für ihre Fans, signierte Poster, Platten und Stoffbeutel und sogar den einen oder anderen Hals.
Hier gibt es die Bilder von dem Konzert.
Cäthe ist im neuen Jahr noch bei ein paar Nachholterminen ihrer “Verschollenes Tier Live” Tour zu sehen. Zudem wird sie in der Zeit vom 17.02. bis 06.03.2014 im Rahmen von TV Noir mit Jonathan Kluth auf der Bühne stehen.
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Den ausführlichen Bericht zu der Preisverleihung gibt es hier.
Fotos von Cäthe im Knust Hamburg 2013
Die Telekom Street Gigs sind dafür bekannt Konzerte von namhaften Musikern an ungewöhnlichen Orten zu veranstalten. Biffy Clyro hat sich mittlerweile einen Namen als Stadionband gemacht – aber warum dann immer im Stadion spielen, wenn man ein Konzert auch in einem Stadionbad spielen kann? Und so hieß es „Pack die Badehose ein!” für die Fans von Biffy Clyro. Die Telekom Street Gigs luden am 18.10.2013 im Stadionbad in Hannover zur Pool-Party ein. Die Tickets für diesen Event waren nicht käuflich zu erwerben, sondern wurden im Vorwege verlost.
Um 18:15 Uhr öffneten sich die Tore des Schwimmbads für die glücklichen Gewinner. Diese verschwanden dann erst mal in den Umkleidekabinen, um in ihre Badesachen zu schlüpfen. Zum Teil bewaffnet mit Taucherbrillen, Wasserpistolen, Schwimmflügeln und Rettungswesten betraten die Fans die Schwimmhalle und diese schien wie von einer anderen Welt zu sein. Es war tropisch warm, ein leichter Nebel lag in der Luft. Bunte Lichtkegel tauchten die Wände in ein sanftes Licht. Leise Gitarrenklänge und Wassergeplätscher drangen ans Ohr.
Vor dem Nichtschwimmerbecken war eine Bühne aufgebaut. Auf dieser eröffnete um 19.30 Uhr „Mimi & the Mad Noise Factory” den Event. Das Londoner Kreativwunder spielte Songs wie „Smile” und natürlich durfte ihre aktuelle Single „Get me back” an diesem Abend nicht fehlen. Die Fans machten sich derweil im Nichtschwimmerbecken mit der ungewöhnlichen Konzertsituation vertraut.
Um 20:30 Uhr war es dann endlich soweit, die Stimmung war erwartungsschwanger und minutenlang stimmten die Fans sich mit „Biffy Clyro”-Rufen ein. Die Jungs aus Schottland ließen nicht lange auf sich warten. Sie stimmten die ersten Töne von „Different People” an – das Publikum war sofort gebannt. Durch die Wände des Hallenbads und das Wasser wurde der Sound enorm verstärkt, sodass ein extremer akustischer Druck entstand. Schon beim Refrain ließen sich die Fans davon mitreißen und veranstalteten nicht enden wollende Wasserschlachten. Bei dem Song „Bubbles” verwandelte sich das Nichtschwimmerbecken in ein kochendes Meer, die Fans waren nicht mehr zu halten. Das Publikum verschwand förmlich in dem Wasser, das zu allen Seiten spritzte. Und die Schotten untermalten dies mit Dampffontänen, die beim Höhepunkt des Songs direkt vor der Bühne in die Luft schossen.
Nach „Spanish Radio” verließ die Band die Bühne. Sänger Simon erklomm, bewaffnet mit einer Akustik Gitarre, das 5 m Sprungbrett und ließ die Herzen vieler Fans mit der Ballade „Folding Stars” höher schlagen. Dann ging es auch schon wieder auf der Bühne weiter. Textsicher sangen die Fans den ersten Refrain von „Many of Horror” alleine. Das Konzert gipfelte mit dem für diesen Abend treffenden Song „Captain”. Als die letzten Töne noch nachklangen, stürmte der Frontman auf das 10 m Sprungbrett und stürzte sich unter Applaus in das erfrischende Nass. Doch die Fans hatten noch nicht genug für diesen Abend und verlangten euphorisiert nach einer Zugabe. Und so kehrte Simon, frisch abgetrocknet, mit seinen Jungs zurück auf die Bühne. „Wow – that was fun!” sagte er. Dann gaben die „Biffy – Jungs” ihre aktuelle Singel „Opposite” zum Besten und heizten der Masse mit „Stingin‘ Bell” und „Mountains” noch einmal richtig ein. Man merkte, dass Biffy Clyro, genauso wie ihren Anhängern, diesen Abend als außerordentlich besonders empfunden hatten, denn die Band bedankte sich mehrfach für dieses Erlebnis.
Die Fans brauchen zum Glück nicht lange auf ein Wiedersehen warten, denn Ende November touren die Jungs noch einmal durch Deutschland. Dann allerdings wieder in normalen Hallen:
Im Juni dieses Jahres hat Cäthe ihr zweites Album veröffentlicht. Ab Oktober ist sie mit Band auf Deutschland-Tour.
In ihrem Album „Verschollenes Tier” singt die Hamburger Künstlerin über sehr persönliche Erlebnisse aus ihrem Leben. Und doch schafft sie es den Zuhörer immer mit einzubeziehen und ihm mit ihren Zeilen Mut zu geben. Cäthe vermittelt eine ungeheure Lebenslust in ihrer Musik. Doch wie mag es ihr mit dem „Verschollenen Tier” nun gehen? Wir treffen Cäthe in einem kleinen Café in Hamburg.
Am 14. Juni hast Du Dein neues Album „Verschollenes Tier” veröffentlicht. Was möchtest Du uns gerne darüber erzählen?
Da gibt es ja so viel zu erzählen. Diese Lieder sind für mich schon auf alle Fälle abschließend für einen Prozess. Ich bin auch jetzt schon wieder in einem völlig neuen Prozess, schreibe neue Lieder und gebe mich sozusagen neuen Gedanken hin. Und „Verschollenes Tier” war für mich schon eine Zusammenfassung, oder auf alle Fälle auf den Punkt kommen, was die letzten Jahre so mit mir angestellt haben. Und was ich durch das live Spielen mit den Jungs gelernt habe, ist auch eingeflossen. Es ist organischer geworden, und dass ich einerseits zwar direkter geworden bin, aber auch verspielter.
Das hört man auch auf jeden Fall, dass es ein deutlicher Unterschied zu dem ersten Album ist.
Ich habe gemerkt, dass ich mir da vertrauen kann, wenn ich Lieder schreibe. Ich mache es ja auch so, dass ich zu Hause Lieder am Rechner schreibe und mir viel Zeit dabei lasse. Ich habe dann eine Distanz zu dem Material, wenn ich ins Studio gehe, so dass ich das gut einschätzen kann, ob ich das machen möchte, ob ich es sagen will, wie ich es sagen will und wie das musikalisch umzusetzen ist. Und ich war bei dem zweiten Album auf alle Fälle irgendwie viel sicherer als bei dem ersten Album. Ich habe schon viel klarer das Gefühl gehabt, wann etwas funktioniert und wann nicht. Und das war ein schönes Gefühl und mit dem Gefühl gehe ich jetzt auch gerne auf Tour.
War es für Dich schwer loszulassen und das Album auf den Weg zu schicken?
Das gar nicht. Also ich habe nicht gedacht, dass ich so schnell wieder etwas veröffentliche. Ich dachte wirklich, ich bräuchte noch ein Jahr mehr oder länger. Aber ich schreibe halt einfach so gerne und es hat sich so ergeben, dass ich sofort wieder angefangen habe aufzunehmen mit den Jungs. Und ich finde nicht, dass es zu schnell gewesen ist, dass es zu schnell gegangen ist, sondern es war genau richtig für mich. Ich darf auf alle Fälle nicht unter Druck stehen. Ich bin jetzt kein Mensch, der so wahnsinnig gut mit Druck umgehen kann. Es gibt ja auch einige, die kommen dann erst ins Rollen, wenn sie ein bisschen Druck spüren. Aber bei mir ist es echt so, dass ich meine Arbeit schon sehr von meinen Emotionen abhängig mache. Und wenn die unter Druck stehen, dann sind da ständig Löcher, in die ich reinfalle oder mich irgendwie ein Fallschirm davonträgt wo ich dann denke „Oh Gott! Wo bin ich denn jetzt schon wieder!”. Deswegen möchte ich nicht von außen Druck haben, sondern ich baue mir den dann schon selber auf.
Wie fühlst Du Dich denn jetzt, nachdem zwei Monate vergangen sind, seitdem das Album erschienen ist?
Wie fühle ich mich? Also es ist jetzt nicht mehr wie bei dem ersten Album, dass man halt denkt „Oh Gott! Jetzt weiß jeder Bescheid was in dir abgeht!”. Beim zweiten Album hatte ich jetzt nicht die Befürchtung, dass es irgendjemand Scheiße findet. Und wenn, dann muss ich es einfach hinnehmen. Aber ich weiß, dass ich es vom Herzen gemacht habe, dieses Album. Und dass ich dazu stehe. Also soweit bin ich jetzt und das ist schön. Das ist echt ein gutes Gefühl.
Ein guter Prozess auch.
Ja, so eine Unabhängigkeit davon zu entwickeln, was andere denken, das ist durch nichts zu ersetzen.
In dem Song „Alien” singst Du darüber wie es ist, auf Tour zu sein, und über Lampenfieber. Welche „Überlebensstrategien” hast Du für den Touralltag entwickelt?
Also Tour ist ja eigentlich gar nicht so spannend wie man sich das vorstellt. Klar, man lernt viele Leute kennen. Aber das ist alles schon sehr strukturiert. Du wachst immer mit den gleichen Menschen auf. Das ist so eine Truppe und das sind deine Kumpels. Und du weißt es geht um zwölf zum Essen. Da wird dann vielleicht so ein bisschen gemotzt, weil es keine Karotten gibt, sondern Tomaten oder so. Ansonsten ist da wirklich alles ziemlich gesetzt und das ist total super. Also ich genieße das richtig. Von den Städten kriegt man ja gar nicht so viel mit. Und die Leute mit denen ich unterwegs bin, das sind ja total entspannte Gestalten. Und das macht es eben auch so einfach. Das macht es für uns auch so familiär, dass wir so gut miteinander harmonieren. Sonst kann das natürlich total anstrengend sein. Weißt du, wenn du mit Leuten unterwegs bist, die eben selbst auch total anstrengend sind oder wo einfach diese Konstellation nicht stimmt und es irgendwie auch auf der Bühne fetzt. Aber wir verstehen uns eben auch privat sehr gut. Das macht es einfach zu einer schönen Zeit. Und diese Struktur auf Tour ist natürlich super, weil ich die im Alltag so nicht habe. Ich muss mir die immer selbst auferlegen und das ist nicht immer so einfach.
Gibt es ein Ritual, dass Du mit Deiner Band vor einem Auftritt praktizierst?
Ja, wir haben praktisch so unseren intimen Kreis. Wir bilden dann einen Kreis und bewegen unsere Hüften. Also wir shaken unsere Hüften, um ein bisschen körperlich zu sein. Und wir haben dann unsere Scherze „Heute shakest du aber nicht so besonders” oder „Bist nicht so sexy”, halt so diese Sprüche. Und ich mache meine Atemübungen. Ich bin ziemlich empfänglich für Farbtherapien. Also ich visualisiere Farben, die ich mir aus dem Boden ziehe, durch mich hindurch leite und abgebe an den Himmel und ziehe sie mir wieder zurück. Und das brauche ich halt zur Konzentration, weil ich sehr flatterhaft bin. Und wenn ich auf die Bühne gehe, dann will ich konzentriert sein. Das ist sehr gut dafür.
In dem Lied „Funken” erzählst Du von einer vergangen, komplizierten Beziehung.
Mich persönlich hat dieses Lied ziemlich fasziniert. Gibt es das rote Sofa, den Zylinder und die Zigarre wirklich?
Das rote Sofa gibt es. Der Zylinder war ein eher kleinerer Hut, aber ein gefühlter Zylinder. Und die Zigarre war einfach eine gedrehte Zigarette. Aber das hat mir nicht gereicht für dieses Bild, für diese Erwartung, die ich im Grunde in diesem Moment hatte. Also ich wollte das durch diese Zigarre und den Zylinder einfach größer erscheinen lassen. Und das ist ja im Grunde auch dasselbe, nur eben ein kleines bisschen anders.
Ich hatte erstaunlicherweise das erste Mal, als ich dieses Lied gehört habe, die Assoziation mit „Alice im Wunderland”.
Ich habe tatsächlich eine Verbindung mit Hasen. Das ist schon zum Schmunzeln. Aber immer wieder, wenn ich so einen Hasen sehe, dann immer in so einer Situation, wo man dann denkt „Äh… irgendwie spooky” oder „Irgendwie seltsam, dass ich da jetzt einen Hasen sehe…”. Es ist auf alle Fälle so ein Verbindungstier zwischen den Welten. Und das empfinde ich auch in meinem wahren Leben so.
Auf dem Coverbild bist Du als Kind zu sehen, das gerade mit dem Fahrrad gestürzt ist. Wann hast Du dann endlich richtig Fahrrad fahren gelernt?
Mein Opa hat mich natürlich erst mal immer schön angeschoben. Ich hatte ein grünes Fahrrad, das sieht man auf dem Bild gar nicht. Das war so ein „Trabantgrün”, so ein helles grün. Kennt ihr das noch? Dieses giftgrün? Und ich war sehr, sehr stolz auf dieses Fahrrad. Ich habe so mit 4 ½ angefangen und mit knapp 5 habe ich es dann hingekriegt. Also ich bin schon öfter hingefallen – also mehr als einmal. Und ich hatte auch keine Stützräder, sondern bin gleich in die Vollen gegangen.
Wenn Du an deine Kinderzeit zurückdenkst, was ist da Deine Lieblingserinnerung?
Da kommen wir wieder auf die Hasenberge zurück. Ich bin halt immer zu den Hasenbergen ausgebüchst und habe mir da die Tiere angeschaut und beobachtet. Die Bussarde, wie sie sich dann im Sturzflug Mäuse krallen. Und das war einfach so schön verwildert. Das Gras war enorm hoch und ich konnte mich wunderbar verstecken und meiner eigenen Phantasie folgen. Das hat mir einfach Spaß gemacht.
Das hört sich nach einem idealen Kinderparadies an.
Ja total. Es ist auch wirklich so. Ich hatte wirklich eine sehr idyllische Kindheit. Das kann man schon sagen. Auch wenn ich immer den Drang hatte irgendwie woanders hinzuwollen und zu müssen. Aber ich glaube, das liegt einfach in meiner Natur, diese Ungeduld und Rastlosigkeit.
Kannst Du Dich noch daran erinnern, welches Lied du als erstes auf Deiner Gitarre spielen konntest?
„Hey Mr. Tambourine Man”, damals von Melanie gesungen, war auf alle Fälle das erste Lied, das mich echt umgehauen hat. Diese Frau, die auf der Bühne sitzt und dieses Lied von sich gibt, als gäbe es nichts anderes. Das ist diese Aussage „Play a Song for me”. Das hat mich schon echt abgeholt. Und daraufhin habe ich eben auch Gitarre gelernt. Ich habe mich mit diesem Lied auf alle Fälle verbunden gefühlt und mit dieser Art auf die Bühne zu gehen und etwas los zu werden.
War das dann auch die bewusste Entscheidung bzw. der erste Auslöser für Dich Musik zu machen und auch diese Richtung einzuschlagen?
Das weiß ich gar nicht. Gesungen habe ich schon immer und auch genervt damit. Es gab sogar einmal so eine Situation, meine Mutter hat das mal erzählt: Es war schon ein bisschen dunkler so 19:00 Uhr. Es war Herbst oder Winter. Das Licht ging schon aus sozusagen, das Sonnenlicht. Eine Freundin von meiner Mutter lief nach Hause und da sprang ihr ein Kind entgegen. Das sang und machte irgendwelche Bewegungen und tanzte wild umher. Und das war ich. Das hat sie dann meiner Mutter erzählt: „Mensch dein Kind das treibt sich da rum und singt laut. Ist alles okay?” „Ach das macht die immer so”. Ich glaube das war immer so drin in mir, zu singen und mich zu bewegen. Dem, was mich beschäftigt, irgendwie Ausdruck zu verleihen. Auch wenn es unterbewusst ist, es einfach raus zu lassen. Ich glaube, weil ich mich so schnell unter Druck gesetzt fühle, muss ich es raus lassen.
Du hast ja vorhin schon erzählt, dass Du viel am Computer schreibst. Ist das immer Dein Lieblingsort, oder gibt es auch einen anderen Ort, den Du bevorzugst um zu texten?
Ich texte auch unterwegs, wenn ich im Bus oder in einem schönen Café sitze. Aber wenn ich am Rechner sitze und dann die Musik praktisch entsteht, dann merke ich auch, wie sich die Worte neu formen wollen. Und sie anders klingen auf einmal. Denn Sprache hat ja auch ihre Melodiebögen. Und ich muss dann manchmal neue Worte suchen, für das was ich meine. Deswegen ist es für mich immer besser zu wissen „Okay, um was geht es eigentlich, was möchte ich erzählen?” Und dann ganz spontan und naiv daran gehe. Wenn ich zu lange an den Worten feile, dann verlaufe ich mich. Dann klingt das irgendwann nicht mehr so richtig aus einem Guss.
Das nimmt dann vielleicht auch eine andere Bedeutung an?
Ja, es öffnen sich dann immer wieder neue Türen und ich gucke dann nur noch auf diese Türen, anstatt auf das ganze Haus zu schauen. Und da lerne ich extrem viel. Aber es ist halt manchmal für so ein Lied auch total hinderlich. Und manchmal zerstöre ich damit auch so eine Stimmung und merke „Okay, ich muss es zur Seite legen und einfach was Neues beginnen.”.
Und was inspiriert dich, wenn Du textest?
Was mich inspiriert sind glaube ich Zugänge. Wenn ich merke, ich habe einen Zugang zu etwas – ist es ein Mensch, ist es ein Ort oder einfach eine Begebenheit, die mich irgendwie an was erinnert oder mich irgendwie inspiriert.
Also lässt Du Dich da von Deinem Herzen treiben?
Ja. Aber es muss mich schon irgendwie an sich ranlassen, ohne dass ich das will. Also es muss einfach passieren, ohne dass ich jetzt zugreife und sage „Lass mich da ran!”. Sondern das muss einfach passieren. Wie Du schon sagst. Und theoretisch kann man sich da ständig für was öffnen. Egal wo man ist – für Menschen oder für eine Sicht. Aber die schönsten Momente sind tatsächlich die, wo es einfach passiert, ohne dass man es sich vornimmt.
Mit welchem Künstler würdest Du gerne zusammen ein Projekt machen? Und aus welchen Gründen?
Ich mag Urgesteine einfach, also ohne jetzt Namen zu nennen. Aber ich mag Menschen, die schon ihre gewisse Strecke hinter sich haben und die nichts mehr zu verlieren haben. Ich mag das. Und die das auch einfach irgendwie genießen. Es gibt natürlich auch viele Künstler, die so im Werdegang sind und bei denen man das Gefühl hat, die gucken zu sehr darauf, dass sie nicht missverstanden werden und in welche Richtung sie sich entwickeln. Und das ist manchmal sehr anstrengend. Ich meine, da zähle ich ja selbst dazu. Und deswegen glaube ich, würde ich eher mit jemanden zusammenarbeiten wollen, der sich total zurücklehnt und sagt „Mach mal.” oder „Lass uns doch einfach mal machen.”, ohne uns zu sehr Gedanken darüber zu machen, in welche Richtung das zu laufen hat. Denn das ist meistens das Produktivste. So ist es auch zu Hause, wenn ich Lieder schreibe und mir nicht vornehme, es muss schnell sein, es muss sprudeln, oder es muss mal ruhiger angegangen werden. Wenn ich mir das nicht vornehme, und dann zum Teil dieses Verspielte habe, dann bin ich meistens am Ende glücklicher mit den Ideen und mit dem Resultat.
Also den Weg als Ziel?
Ja genau, es ist wirklich so. Es ist auch echt nicht zu unterschätzen, wie der erste magische Moment einen irgendwie leitet. Weißt du, wenn du dann einen Text hast – vielleicht bist du damit gar nicht so glücklich. Aber du hast diese Emotion dazu und die ist pur und ganz. Die bröckelt noch nicht, du hast noch nicht zu sehr darüber nachgedacht, wohin dich diese Emotion bringt oder was sie zu bedeuten hat. Und wenn ich diese Momente habe und das dann einsinge, ist es meistens so, dass ich es stehen lasse und da gar nicht mehr dran rumschraube oder denke „Muss ich das jetzt so und so interpretieren?”. Und darüber bin ich dann immer sehr stolz. Also Stolz kann man schon sagen, dass ich das dann mit Abstand sehen kann und sage „Okay, ich lasse es jetzt stehen. Ich zerstör das jetzt nicht!”
Worauf können wir uns in nächster Zeit von Dir und Deinen Jungs freuen?
Wir haben jetzt am Wochenende ein Konzert gespielt, wo ich gemerkt habe, dass so eine Leichtigkeit in mein Leben gekommen ist, die jetzt auch auf der Bühne total Platz findet. Ohne dass ich jetzt denke „Vielleicht nehmen mich dann die Leute nicht mehr ernst…” Das ist mir eigentlich schnuppe. Man kann sich auch echt zu ernst nehmen. Und ich merke, ich will einfach Freude haben auf der Bühne. Ich möchte Energie weitergeben und die Leute mitreißen und auch von den Leuten mitgerissen werden. Es ist ja auch so, dass ich mir die Leute auch anschaue, mit wem ich es zu tun habe. Diese Leichtigkeit nimmt auf alle Fälle gerade mehr Platz ein. Leichtigkeit nicht im Sinne von Schwerelos oder so was, sondern einfach ein bisschen mehr Pepp.
Und ein bisschen befreiter?
Ja, ich glaub ja.
Mich überrascht genau das was Du gerade gesagt hast. Wenn ich Dich beschreiben müsste, würde ich sagen „Cäthe ist die Leichtigkeit auf der Bühne”. Und Du sagst, du möchtest noch mehr dahin.
Es ist halt auch wahnsinnig anstrengend. Weil diese ganzen Extreme mich manchmal auch schon überfordern. Auf der Bühne macht es manchmal total Sinn, und manchmal ist es eben auch trotzdem anstrengend. Auch dass es andere Leute vielleicht merken könnten, dass es anstrengend ist. Und ich habe gestern von einer Freundin eine DVD bekommen von Joni Mitchell. Da spielt sie ein Konzert. Und es ist unfassbar. Ich sitze in der Küche und schaue mir dieses Konzert an und sehe diese Frau, wie sie immer so Funken sprüht, immer wieder. Wo du so denkst „Och mein Gott!”. Du musst schon richtig weggucken, weil es einfach so ansteckend ist. Es ist so ansteckend! Und sie spielt so damit. Also sie hinterfragt das gar nicht so sehr, sondern sie weiß, dass es richtig ist! Punkt! „Es ist richtig! Ich tue es ja aus guten Beweggründen. Warum sollte es dann irgendwie in einen falschen Hals kommen?” Und da habe ich gemerkt, dass ich auf alle Fälle auch die Tendenz habe mich eher so zu entwickeln.
Aber es kommt ja bei den Menschen auch viel mehr an, wenn es natürlich und aus dem Herzen herauskommt, statt die ganze Zeit nur daran zu denken, wie man auf die anderen wirkt und ob man auch das transportiert, was man transportieren möchte.
In dem Moment wenn ich auf der Bühne stehe, kann ich mir gar keine Gedanken darüber machen, weil die Zeit gar nicht da ist. Aber danach lasse ich es natürlich Revue passieren „Was war bei dem Abend?” und „Wer war ich?” Und ich merke, dass es total egal ist, ob ich mir diese Fragen stelle oder nicht, weil ich die gewesen bin, die ich war. Daran kann ich nichts ändern und es ist vielleicht auch genau richtig so. Und die, die ich morgen sein werde, woher will ich das wissen? Keine Ahnung! Aber wenn ich es versuche zu sehr zu lenken, dann stolpere ich vielleicht über was, was ich vielleicht so viel klarer gesehen hätte und vielleicht auch angenommen hätte. Also mich selbst höchstwahrscheinlich.
Erwischst Du Dich auch manchmal, dass Du zu viel versuchst zu kontrollieren?
Ich kontrolliere sehr viel. Das gebe ich auch offen und ehrlich zu. Ich bin schon ein Kontrollfreak. Aber das ist halt so, weil ich so detailverliebt bin. Und um mir Punkte zu suchen, an denen ich mich festhalten kann, an denen ich vielleicht auch wachsen kann.
Wie wichtig ist es Dir eine Erwartung zu erfüllen?
Ich hab schon hohe Erwartungen an mich. Und ich habe auch hohe Erwartungen an die Menschen um mich rum. Das heißt jetzt nicht, dass ich sauer bin, wenn etwas nicht klappt. Aber ich glaube schon, dass man immer das Bestmöglichste aus sich herausholen sollte. Und was das ist, ist dann ja auch Ansichtssache. Und ich glaube, da muss man dann ein bisschen ein Auge zudrücken. Also da glaube ich, nicht so streng zu sein, wie das auszusehen hat. Aber schon zu wissen, dass es das Bestmögliche zu sein hat. Es gibt viel zu lernen und wir haben alle nicht ganz so viel Zeit für all das was wir eigentlich zu lernen haben. Es ist so unfassbar viel.
Welche Rolle spielt in diesem Prozess das Innehalten?
Das gibt dem Ganzen die Farbe glaube ich, das Innehalten. Es ist ja wie bei einem Bild. Du weißt, um was es eigentlich geht. Du weißt was zu malen ist. Aber in welchen Farben? Das ist das Innehalten glaube ich. Lässt du es irgendwie aggressiv erscheinen oder lässt du es… hach…. jetzt werde ich sehr kreativ… Ist der Hase jetzt schwarz und hat rote Feueraugen? Oder ist es ein weißer Kuschelhase mit blauen süßen Babyaugen? Aber es ist ein Hase – das eine und das andere auch. Und darum geht’s glaube ich. Vielleicht ist es auch beides zur gleichen Zeit… ich weiß es nicht… Oh Gott, jetzt werde ich auch noch philosophisch…
Aber genau, schöne Überleitung!
Da Du so gerne malst, haben wir uns überlegt, dass Du Dich hier ein wenig ausleben darfst und ein Bild gestaltest. Dazu haben wir drei Begriffe ausgesucht, die in dieses Bild einfließen sollen: Das Sein – Das Nichts – Die Liebe.
Stolz präsentiert Cäthe ihr Kunstwerk:
Cähte zeigt auf den Kreis oben links „Das Nichts ist das.”. Dann zeigt sie auf die Baumgruppe unten links „Und das Sein ist das”. Sie weist auf die Gestalt rechts im Bild „Und die Liebe ist wahrscheinlich die Selbstliebe. Mit dem Nichts ist man bestenfalls auf Augenhöhe. In der Schönsten Vorstellung möchte ich das Sein von einem Berg aus betrachten. Mit Ruhe und Gelassenheit. Und trotzdem eben in einer Aufbruchsstimmung. Das heißt, wenn sie gar nicht von einem Selbst kommt sondern eben die Energie aus einem heraus.”
Vielen Dank für dieses tolle Bild und das wunderbare Interview.
Das Interview führten Veronika Reichel und Stefan Simrock. Die Fotos sind von Stefan Simrock.
Nach dem Interview stellte sich Cäthe noch für ein kurzes Foto-Shooting zur Verfügung. Die Fotos vom Interview und dem Shooting findet ihr hier.
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Tour Herbst 2013
Die Fotos entstanden während eines Interviews und anschließendem kurzen Foto-Shootings mit der Hamburger Musikerin Cäthe im August 2013.
Das vollständige Interview findet ihr hier.
Ein lauer Sommerabend. Die Sonne geht langsam unter und taucht den kleinen Beachclub an der Spree in ein warmes, rotes Licht. In der Mitte lodert ein kleines Lagerfeuer. Hocker und Kissen im Sand warten auf Besucher. Eine kleine Bühne ist aufgebaut und die Instrumente stehen für die Musiker bereit.
Die Location bildet an diesem Abend die Kulisse für die Aufzeichnung eines exklusiven Konzertes mit David Lemaître im kleinen Kreise. Veranstaltet von “musicmix – powered by Sennheiser“, einem TV-Musikmagazin im Internet, das alle 14 Tage mit Berichten, Interviews und solch intimen und exklusiven Konzerten online geht. Die Aufzeichnung mit David Lemaître wird dort ab dem 30. Juli zu sehen sein.
Noch läuft der Soundcheck auf der Bühne und der Regisseur gibt letzte Instruktionen an die Kameraleute, Tontechniker und Helfer. Ab 21:30 Uhr trudeln die ersten Gäste ein. Es sind vornehmlich glückliche Gewinner einer Verlosung.
Um 22:30 Uhr ist es dann soweit. Der Regisseur erklärt den Anwesenden zunächst den Ablauf des Abends. Es ist zugleich eine kleine Lehrstunde darin, wie Fernsehen funktioniert. Um das ganze Geschehen später aus verschiedenen Kameraperspektiven zeigen zu können, wird die Setlist dreimal hintereinander gespielt. Wie beim Film üblich fällt die Klappe und mit großem Applaus begrüßt das Publikum David Lemaître und Band auf der Bühne.
David Lemaître ist in La Paz, Bolivien, aufgewachsen, begab sich mit Anfang 20 auf eine Reise durch Europa und ließ sich nach zahlreichen Stationen in Berlin nieder. Es sind besonders die Eindrücke dieser Reise zwischen zwei Welten, die das Debut-Album „Latitude” prägen und auf dem er mit seinen Liedern viele kleine Geschichten erzählt.
Mit David Lemaître stehen Joda Foerster und Sebastian Schlecht auf der Bühne. Die Instrumente reichen von Gitarren und Violinen über Synthesizer bis hin zu selbst gebauten Rhythmus- und Klanginstrumenten aus allerlei Materialien. Die Setlist musste leider der Länge der späteren Sendung Tribut zollen und so werden in der Sendung nur die Stücke „Spirals”, „Megalomania” und „Jacques Cousteau” zu sehen sein.
Das erste Set ist gespielt und erfolgreich aus der Totalen eingefangen. Die Kameras werden neu positioniert und die Vorbereitungen für den zweiten Durchgang getroffen. Plötzlich ist deutliche Unruhe bei der Crew spürbar und der Grund schnell erkennbar: Zwei Polizisten erklären den Veranstaltern, dass es eine Beschwerde aus der Nachbarschaft wegen Lärmbelästigung gäbe. Alle Versuche, sich auf einen Kompromiss mit gedrosselter PA zu einigen, scheitern.
Es herrscht große Betroffenheit und Ratlosigkeit bei Veranstaltern und Künstlern. Niemand will die Veranstaltung abbrechen. Es sind noch nicht alle Sequenzen im Kasten und man will auch die Zuschauer nicht enttäuschen. Alle Beteiligten einigen sich auf einen weiteren Durchlauf ohne jegliche Verstärker. Für Musiker und Techniker eine besondere Herausforderung, die mit bemerkenswerter Souveränität gemeistert wird. Die Anspannung der Crew ist jedoch nicht zu übersehen.
Es folgt ein komplettes Akustikset. Und was zunächst aus der Not entsprang, entwickelt sich zu einem Höhepunkt des Abends. Die Zuhörer sitzen andächtig auf Kissen und im Sand. Das Ambiente wird dezent von zahlreichen Kerzen erleuchtet. Und der pure Klang von Instrumenten und Stimmen, ohne technische Verstärkung, lässt Künstler und Publikum noch enger zusammenrücken.
Nach diesem Set müssen die Veranstalter das Konzert endgültig beenden. Die ersten Leute treten den Heimweg an. Die Techniker beginnen das Equipment abzubauen. Von den meisten unbemerkt nimmt David Lemaître seine Gitarre, setzt sich an das Lagerfeuer und fängt einfach an zu spielen. Sebastian Schlecht gesellt sich mit seiner Geige hinzu und langsam bildet sich ein Kreis von andächtig lauschenden Menschen um das Feuer herum. Es ist eine unglaubliche Stimmung am späten Abend: Der Platz von dem Licht des Lagerfeuers erhellt, die Luft von den Klängen der Instrumente und des Gesangs erfüllt und das Knistern des Feuers als akustischer Hintergrund.
Es war ein Abend voller Überraschungen, bei dem die ursprünglichen Planungen mächtig über den Haufen geworfen wurden und der letztendlich zu einem ganz besonderen Ereignis wurde.
Man darf auf das Ergebnis der Aufzeichnung gespannt sein. Und man sollte die Augen offen halten, um vielleicht selbst mal glücklicher Gewinner bei musicmix zu sein und einen solchen besonderen Abend live miterleben zu können.
Bis die Aufzeichnung des Konzertes am 30. Juli bei “musicmix -powered by Sennheiser” zu sehen sein wird, hier schonmal ein kleiner Leckerbissen – aufgenommen am späten Abend am Lagerfeuer: David Lemaître spielt „Olivia”.
Ein Foto mit einem kleinen Kind, vom Fahrrad gefallen und auf dem Boden liegend, ziert das neue Werk der Hamburger Künstlerin Cäthe. Genauso rätselhaft wie das Coverbild ist auch der Titel des Albums. „Verschollenes Tier”. In krakeliger Kinderschrift geschrieben, ist er auf dem Cover zu lesen.
Das Bild ist bereits ein deutlicher Hinweis, dass Cäthe auf dem Album sehr intime Momente aus ihrem Leben preisgibt. Denn auf dem Foto ist sie selbst zu sehen, nachdem sie mit ihrem Fahrrad hingefallen war. Sie war total schockiert darüber, dass sie gerade in dieser misslichen Situation fotografiert wurde: „Auf keinen Fall sollte das jemand mitkriegen. Ich wollte immer ganz schnell ganz viel können und alles wissen.”
Cäthe hat ihr „verschollenes Tier” wiedergefunden, ausgebuddelt, aufgepäppelt und auf dem Album in Musik verpackt. Sie schreibt dazu: „Das Tier steht für die Verbindung mit dem Ursprünglichen, dem Instinktiven in mir. Im Alltag ist es oft verschüttet und versteckt sich. Aber wenn ich mich mit mir befasse, Musik mache oder auf der Bühne stehe, kommt es raus und kann atmen. Auf diesem Album komme ich dem verschollenen Tier, also mir selbst, sehr nah. Es fühlt sich an wie ankommen.”
Und das Cäthe mehr bei sich selbst angekommen ist, ist in den neuen Songs deutlich zu spüren. Sie erzählt in den Liedern persönliche Geschichten. Es ist ihr gelungen den Bogen so zu spannen, dass man sich als Zuhörer stets von ihr einbezogen fühlt. Cäthe fordert den, der ihrer Musik lauscht, sich auf die Reise zu sich selbst zu begeben. Wie ein roter Faden zieht sich diese Aufforderung durch das ganze Album. „Du musst was riskieren” singt sie in „Kleingeld”. In diesem Song berichtet sie über einen Künstler, der nichts aus seinen Gaben macht, obwohl sich alles in ihm danach sehnt. Ob sie hier gar sich selbst meint, lassen wir mal dahingestellt sein.
Cäthe versucht dem Zuhörer Mut und Hoffnung zu geben. Sie erinnert uns daran, dass es sich immer lohnt zu kämpfen. Fliegt man mal auf die Schnauze, sollte man wieder aufstehen und weiter machen. Und nach dem Hören dieses Albums freut man sich, dass Cäthe wieder aufgestanden ist und weitergemacht hat – und dieses sehr schöne Werk geschaffen hat.
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