Hilde Knef, die Grande Dame des Deutschsprachigen Chansons, hätte am 28.12.2015 ihren 90. Geburtstag gefeiert. Leider erlebt sie ihn nicht mehr, aber ein Geschenk gibt es dennoch: 20 verschiedene deutsche Bands und Musiker nehmen sich ihrer Lieder und Texte an und interpretieren sie für das einzigartige Tribute-Album “für Hilde” ganz neu und zeitgemäß.
Das Ergebnis ist so eigen, wie Hilde Knef selbst es gewesen ist, und so vielseitig wie die Künstler, die zu diesem Album beigetragen haben. Die Fantastischen Vier machen aus “Im 80. Stockwerk” einen perfekten Rap, bei Mark Forster wird “Halt mich fest” zur eindringlichen Pop-Ballade und das Quartett Salut Salon kleidet das ruhige “Lass mich bei dir sein” in ein wunderschönes kammermusikalisches Gewand. Beinahe zeitlos wirkt Cosma Shiva Hagens atmosphärische Interpretation von “Der Mond hatte frei”. Cluesos “Ich bin zu müde um schlafen zu gehen” bleibt anfangs nah am ursprünglichen Chanson, bevor es mit Groove in die Strophe geht, und Selig rockt mit “Ich hab noch einen Koffer in Berlin” dann so richtig ab.
Vor allem aber zeigt sich durch das ganze Album hindurch, wie relevant Hildes Gedanken heute noch sind. Beeindruckend authentisch wirkt etwa Sammy Deluxe mit “Von nun an ging´s bergab”, bei dem die Knef selbst immer wieder mit der Titelzeile eingespielt wird. Und das von Miss Platnum kraftvoll interpretierte “Meine Lieder sind anders” ist ein heutzutage wieder bitter nötiges Statement gegen erzwungene Konformität. Ebenso zeitlose Weisheit findet sich in den drei bisher unveröffentlichten Texte, die eigens für dieses Album vertont wurden – ob im philosophisch von Nisse besungenen “Doch du drehst dich um”, den von Jupiter Jones artikulierten “Intrigen, Intrigen” oder dem nachdenklichen Duett “Wohin ich blicke” von Bela B. und Bonaparte.
Mit dem beinahe unvermeidlichen “Für mich soll´s rote Rosen regnen” beschließt Sängerin Alina schließlich dieses musikalische Geburtstagsgeschenk, an dem Hilde Knef sicher ihre helle Freude gehabt hätte. So ist es nun eine Freude für alle Hörer und ein einzigartiges Andenken an eine großartige Künstlerin.
Catharina Sieland, alias Cäthe, bekam mit zwölf ihre erste Gitarre und gab mit vierzehn ihr erstes Konzert. Früh übt sich, wer Erfolg haben will. Musik- und Gesangsausbildung folgten erst im Anschluss. Inzwischen lebt die selbstbewusste junge Sängerin in Berlin. Nach den ersten beiden Alben war sie Gast beim “MTV unplugged” der Scorpions – jetzt folgt mit “Vagabund” ihr drittes Studioalbum.
Während “Verschollenes Tier” eine Reihe elektronischer Momente aufzuweisen hatte, schaltet Cäthe für die dritte CD wieder einen Gang zurück und zeigt sich wie im Debüt sehr keck und bodenständig mit handgemachter Musik. Die neuen Lieder lassen sich zurückführen auf ihre frühesten musikalischen Einflüsse, als sie in ihren Teenagerjahren die Musik der Woodstock-Ära für sich entdeckte. Mehr Singer-Songwriter-Preziosen, weniger Rockelemente, dafür mehr Schönklang in ihrer Stimme und geradlinigere, wohltemperierte Melodien.
Der organische Klang ist ein Markenzeichen von Cäthe. Der rauchige Unterton in ihrer Stimme nimmt mich als Hörer mit. Trotzdem habe ich oft das Gefühl, es sei zu viel des Guten. Sie klingt oft getrieben und leicht hysterisch. Da würde eine Entschleunigung in Form entspannter Balladen manchmal gut tut. Doch das ist nicht ihr Ding – Powersong folgt auf Powersong und die Emotionen stehen stets im Mittelpunkt.
Selbstreflexion und die Möglichkeit sowie Unmöglichkeit der Liebe stehen im Mittelpunkt der Texte. Die Mischung aus Songwriter-Stücken und Chansons belebt den deutschsprachigen Pop und führt ihn in verschiedene Bereiche der Welt, mit dem Höhepunkt “Müder Drache” im Tango-Stil. Cäthe klingt mal lasziv extrovertiert (“Glaub mir, Honey”), mal sehr in sich gekehrt wie beim nachdenklichen “Foto im Portemonnaie”.
“Vagabund” ist mal wieder ein energisches, starkes Album. Leise Töne, die für mehr Abwechslung sorgen würden, fehlen weitestgehend. In der Liveperformance wird das kein Nachteil sein, wenn Cäthe rastlos und schwungvoll die Bühne stürmt. Erste Termine stehen bereits:
04.11.15 Dresden – Beatpol
05.11.15 München – Ampere
06.11.15 Berlin – Postbahnhof
07.11.15 Köln – Luxor
08.11.15 Hamburg – Mojo Club
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Für einige Hamburger war dieser Freitag sicherlich ein Konzerthöhepunkt in diesem Jahr. Nachdem Cäthe im Sommer ihr zweites Album „Verschollenes Tier” veröffentlichte, folgte nun die Tour. Am 22. November spielte Cäthe im Hamburger Knust. Desiree Klaeukens, begleitet von Florian Glässing, eröffnete den Abend. Mit ihren gefühlvollen Songs stimmte sie das Publikum ein.
Unter großem Jubel betraten Cäthe und ihre Band dann die Bühne und stimmten das Lied „Waffen niederlegen” an. Schon bei diesem ersten Song schienen die Fans Erlösung in der Musik zu finden: Sie begannen zu tanzen und sangen die Texte, die sich in ihre Köpfe eingebrannt haben, endlich gemeinsam mit Cäthe mit.
Nach dem Song „Tiger-Lilly” tauschten Musiker und Fans die Rollen – das Publikum sang Cäthe ein nachträgliches Geburtstagsständchen. Nach einem leicht verlegenen, aber freudigen Hüpfer, bedankte sich Cäthe ganz gerührt bei ihren Fans.
Und dann ging es auch schon weiter mit den Stücken von ihrem neuen Album. Geschickt wurden auch ältere Lieder mit in diesen Abend integriert wie z.B. „Ding”. Und spätestens hier zeigte sich, wie sehr Cäthe ihre Zuschauer begeisterte. Der ganze Saal sang „Ich glaub ich bin ein Ding, wenn‘s in Bewegung ist macht‘s einen Sinn.”, während Cäthe auf der Bühne vor Lebensfreude umhertanzte und mit ihrem Mikro ganz fasziniert den Chor einfing.
Cäthe und ihre Jungs stellten an diesem Abend das neue Stück „September” vor. Ein wunderbar ruhiger Song, der die Herzen berührte. Und das nicht nur durch Cäthe’s gefühlvolle Stimme, sondern auch durch das sehr eingängige melancholische Gitarrensolo von Jens Nickel.
Man hatte das Gefühl, dass die Band Cäthe regelrecht mit ihren Instrumenten immer weiter anzutreiben schien. Denn Cäthe war auf der Bühne einfach nur pure Bewegung, Gefühl und Lebenslust. Und dies übertrug sich auf die Zuschauer. Die Stimmung im Saal kochte bei „Die Leute” und wurde noch weiter angeheizt. Der Abend gipfelte in „Unter meiner Haut” – Cäthe und ihre Jungs gaben noch einmal alles.
Doch die Fans verlangten nach mehr. Und so kehrte sie mit ihrer Band zurück auf die Bühne. Nach „Señorita” war Cäthe von ihrem Publikum einfach nur ergriffen und sprachlos: „Ich weiß gar nicht was ich sagen soll.” Und weiter ging es mit „Mein Herz mit dir bin ich frei” und „Ich muss gar nichts” welches vom Chor der Fans begleitet wurde. Unter tosendem Applaus endete ein sehr gelungener Konzertabend.
Nach dem Konzert nahm sich Cäthe viel Zeit für ihre Fans, signierte Poster, Platten und Stoffbeutel und sogar den einen oder anderen Hals.
Cäthe ist im neuen Jahr noch bei ein paar Nachholterminen ihrer “Verschollenes Tier Live” Tour zu sehen. Zudem wird sie in der Zeit vom 17.02. bis 06.03.2014 im Rahmen von TV Noir mit Jonathan Kluth auf der Bühne stehen.
30.01.2014 Cottbus / Bebel, VERSCHOLLENES TIER LIVE
31.01.2014 Jena / F-Haus, VERSCHOLLENES TIER LIVE
01.02.2014 Leipzig / UT-Connewitz
17.02.2014 – 06.03.2014 – CÄTHE geht mit TV Noir auf Tour, unplugged
08.05.2014 Frankfurt / Woman of the World Festival, CÄTHE mit Wallis Bird
19.07.2014 Gera / 360Grad Festival
26.07.2014 Dresden / Konzertplatz “Weißer Hirsch” VERSCHOLLENES TIER LIVE
Auf diesem Album sind 17 deutsche Songwriter von Tom Liwa über Gysbert zu Knyphausen bis zu Jan Plewka zu hören – allerdings nicht als Sänger, sondern als Erzähler. Der Hamburger Musiker Wolfgang Müller konnte sie überzeugen, für sein Projekt “Es war einmal und wenn sie nicht” ihre Lieblings-Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm vorzulesen. Das Ergebnis ist ein ganz besonderes Hörbuch passend zum Grimm- Jahr 2013.
Die Spannbreite reicht von beliebten Märchen wie “Der Wolf und die sieben Geisslein”, “Dornröschen” oder “Der Froschkönig” bis zu fast unbekannten Geschichten wie “Der faule Heinz”, “Der Wolf und der Fuchs” oder “Vom Tode eines Hühnchens”. Letztere haben natürlich einen höheren Unterhaltungswert, aber es tut auch gut, die heutzutage ja hauptsächlich durch Märchenfilme oder in verniedlichter Bilderbuchform verbreiteten Klassiker mal in der Originalfassung zu hören. Zudem sind alle Geschichten gut erzählt und zum Teil sogar sehr dramatisch interpretiert.
Olli Schulz etwa verleiht in “Rapuzel” seinen Figuren ein stimmliches Eigenleben, und auch Ingo Pohlmann trägt mit viel Spannung durch das lange Märchen “Der Teufel mit den drei goldenen Haaren”. Aber ebenso die trockene Art von Clickclickdecker mit die “Kluge Else” oder die angenehm ruhige Erzählweise von Cäthe in “König Drosselbart” überzeugen.
Zwischen den Märchen gibt es passende kurze Instrumentalstücke, die vom begabten Gitarristen Dinesh Ketelsen geschrieben und eingespielt wurden. Sie tragen nicht unwesentlich zur Wirkung des Hörbuchs bei, da sie immer etwas von der Stimmung der vorhergehenden Geschichte aufgreifen und dem Hörer gleichzeitig eine Konzentrationspause gönnen. So kann man auch schon mal mehrere Märchen am Stück anhören, ohne zu ermüden.
“Es war einmal und wenn sie nicht” ist ein gelungenes Projekt, das Erwachsenen – und durchaus auch Kindern ab dem Grundschulalter – den Märchenschatz der Gebrüder Grimm neu erschließen kann. Und mancher bekommt vielleicht sogar Lust, das alte Märchenbuch selbst in die Hand zu nehmen und zu lesen…
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Im Juni dieses Jahres hat Cäthe ihr zweites Album veröffentlicht. Ab Oktober ist sie mit Band auf Deutschland-Tour.
In ihrem Album „Verschollenes Tier” singt die Hamburger Künstlerin über sehr persönliche Erlebnisse aus ihrem Leben. Und doch schafft sie es den Zuhörer immer mit einzubeziehen und ihm mit ihren Zeilen Mut zu geben. Cäthe vermittelt eine ungeheure Lebenslust in ihrer Musik. Doch wie mag es ihr mit dem „Verschollenen Tier” nun gehen? Wir treffen Cäthe in einem kleinen Café in Hamburg.
Am 14. Juni hast Du Dein neues Album „Verschollenes Tier” veröffentlicht. Was möchtest Du uns gerne darüber erzählen?
Da gibt es ja so viel zu erzählen. Diese Lieder sind für mich schon auf alle Fälle abschließend für einen Prozess. Ich bin auch jetzt schon wieder in einem völlig neuen Prozess, schreibe neue Lieder und gebe mich sozusagen neuen Gedanken hin. Und „Verschollenes Tier” war für mich schon eine Zusammenfassung, oder auf alle Fälle auf den Punkt kommen, was die letzten Jahre so mit mir angestellt haben. Und was ich durch das live Spielen mit den Jungs gelernt habe, ist auch eingeflossen. Es ist organischer geworden, und dass ich einerseits zwar direkter geworden bin, aber auch verspielter.
Das hört man auch auf jeden Fall, dass es ein deutlicher Unterschied zu dem ersten Album ist.
Ich habe gemerkt, dass ich mir da vertrauen kann, wenn ich Lieder schreibe. Ich mache es ja auch so, dass ich zu Hause Lieder am Rechner schreibe und mir viel Zeit dabei lasse. Ich habe dann eine Distanz zu dem Material, wenn ich ins Studio gehe, so dass ich das gut einschätzen kann, ob ich das machen möchte, ob ich es sagen will, wie ich es sagen will und wie das musikalisch umzusetzen ist. Und ich war bei dem zweiten Album auf alle Fälle irgendwie viel sicherer als bei dem ersten Album. Ich habe schon viel klarer das Gefühl gehabt, wann etwas funktioniert und wann nicht. Und das war ein schönes Gefühl und mit dem Gefühl gehe ich jetzt auch gerne auf Tour.
War es für Dich schwer loszulassen und das Album auf den Weg zu schicken?
Das gar nicht. Also ich habe nicht gedacht, dass ich so schnell wieder etwas veröffentliche. Ich dachte wirklich, ich bräuchte noch ein Jahr mehr oder länger. Aber ich schreibe halt einfach so gerne und es hat sich so ergeben, dass ich sofort wieder angefangen habe aufzunehmen mit den Jungs. Und ich finde nicht, dass es zu schnell gewesen ist, dass es zu schnell gegangen ist, sondern es war genau richtig für mich. Ich darf auf alle Fälle nicht unter Druck stehen. Ich bin jetzt kein Mensch, der so wahnsinnig gut mit Druck umgehen kann. Es gibt ja auch einige, die kommen dann erst ins Rollen, wenn sie ein bisschen Druck spüren. Aber bei mir ist es echt so, dass ich meine Arbeit schon sehr von meinen Emotionen abhängig mache. Und wenn die unter Druck stehen, dann sind da ständig Löcher, in die ich reinfalle oder mich irgendwie ein Fallschirm davonträgt wo ich dann denke „Oh Gott! Wo bin ich denn jetzt schon wieder!”. Deswegen möchte ich nicht von außen Druck haben, sondern ich baue mir den dann schon selber auf.
Wie fühlst Du Dich denn jetzt, nachdem zwei Monate vergangen sind, seitdem das Album erschienen ist?
Wie fühle ich mich? Also es ist jetzt nicht mehr wie bei dem ersten Album, dass man halt denkt „Oh Gott! Jetzt weiß jeder Bescheid was in dir abgeht!”. Beim zweiten Album hatte ich jetzt nicht die Befürchtung, dass es irgendjemand Scheiße findet. Und wenn, dann muss ich es einfach hinnehmen. Aber ich weiß, dass ich es vom Herzen gemacht habe, dieses Album. Und dass ich dazu stehe. Also soweit bin ich jetzt und das ist schön. Das ist echt ein gutes Gefühl.
Ein guter Prozess auch.
Ja, so eine Unabhängigkeit davon zu entwickeln, was andere denken, das ist durch nichts zu ersetzen.
In dem Song „Alien” singst Du darüber wie es ist, auf Tour zu sein, und über Lampenfieber. Welche „Überlebensstrategien” hast Du für den Touralltag entwickelt?
Also Tour ist ja eigentlich gar nicht so spannend wie man sich das vorstellt. Klar, man lernt viele Leute kennen. Aber das ist alles schon sehr strukturiert. Du wachst immer mit den gleichen Menschen auf. Das ist so eine Truppe und das sind deine Kumpels. Und du weißt es geht um zwölf zum Essen. Da wird dann vielleicht so ein bisschen gemotzt, weil es keine Karotten gibt, sondern Tomaten oder so. Ansonsten ist da wirklich alles ziemlich gesetzt und das ist total super. Also ich genieße das richtig. Von den Städten kriegt man ja gar nicht so viel mit. Und die Leute mit denen ich unterwegs bin, das sind ja total entspannte Gestalten. Und das macht es eben auch so einfach. Das macht es für uns auch so familiär, dass wir so gut miteinander harmonieren. Sonst kann das natürlich total anstrengend sein. Weißt du, wenn du mit Leuten unterwegs bist, die eben selbst auch total anstrengend sind oder wo einfach diese Konstellation nicht stimmt und es irgendwie auch auf der Bühne fetzt. Aber wir verstehen uns eben auch privat sehr gut. Das macht es einfach zu einer schönen Zeit. Und diese Struktur auf Tour ist natürlich super, weil ich die im Alltag so nicht habe. Ich muss mir die immer selbst auferlegen und das ist nicht immer so einfach.
Gibt es ein Ritual, dass Du mit Deiner Band vor einem Auftritt praktizierst?
Ja, wir haben praktisch so unseren intimen Kreis. Wir bilden dann einen Kreis und bewegen unsere Hüften. Also wir shaken unsere Hüften, um ein bisschen körperlich zu sein. Und wir haben dann unsere Scherze „Heute shakest du aber nicht so besonders” oder „Bist nicht so sexy”, halt so diese Sprüche. Und ich mache meine Atemübungen. Ich bin ziemlich empfänglich für Farbtherapien. Also ich visualisiere Farben, die ich mir aus dem Boden ziehe, durch mich hindurch leite und abgebe an den Himmel und ziehe sie mir wieder zurück. Und das brauche ich halt zur Konzentration, weil ich sehr flatterhaft bin. Und wenn ich auf die Bühne gehe, dann will ich konzentriert sein. Das ist sehr gut dafür.
In dem Lied „Funken” erzählst Du von einer vergangen, komplizierten Beziehung.
Mich persönlich hat dieses Lied ziemlich fasziniert. Gibt es das rote Sofa, den Zylinder und die Zigarre wirklich?
Das rote Sofa gibt es. Der Zylinder war ein eher kleinerer Hut, aber ein gefühlter Zylinder. Und die Zigarre war einfach eine gedrehte Zigarette. Aber das hat mir nicht gereicht für dieses Bild, für diese Erwartung, die ich im Grunde in diesem Moment hatte. Also ich wollte das durch diese Zigarre und den Zylinder einfach größer erscheinen lassen. Und das ist ja im Grunde auch dasselbe, nur eben ein kleines bisschen anders.
Ich hatte erstaunlicherweise das erste Mal, als ich dieses Lied gehört habe, die Assoziation mit „Alice im Wunderland”.
Ich habe tatsächlich eine Verbindung mit Hasen. Das ist schon zum Schmunzeln. Aber immer wieder, wenn ich so einen Hasen sehe, dann immer in so einer Situation, wo man dann denkt „Äh… irgendwie spooky” oder „Irgendwie seltsam, dass ich da jetzt einen Hasen sehe…”. Es ist auf alle Fälle so ein Verbindungstier zwischen den Welten. Und das empfinde ich auch in meinem wahren Leben so.
Auf dem Coverbild bist Du als Kind zu sehen, das gerade mit dem Fahrrad gestürzt ist. Wann hast Du dann endlich richtig Fahrrad fahren gelernt?
Mein Opa hat mich natürlich erst mal immer schön angeschoben. Ich hatte ein grünes Fahrrad, das sieht man auf dem Bild gar nicht. Das war so ein „Trabantgrün”, so ein helles grün. Kennt ihr das noch? Dieses giftgrün? Und ich war sehr, sehr stolz auf dieses Fahrrad. Ich habe so mit 4 ½ angefangen und mit knapp 5 habe ich es dann hingekriegt. Also ich bin schon öfter hingefallen – also mehr als einmal. Und ich hatte auch keine Stützräder, sondern bin gleich in die Vollen gegangen.
Wenn Du an deine Kinderzeit zurückdenkst, was ist da Deine Lieblingserinnerung?
Da kommen wir wieder auf die Hasenberge zurück. Ich bin halt immer zu den Hasenbergen ausgebüchst und habe mir da die Tiere angeschaut und beobachtet. Die Bussarde, wie sie sich dann im Sturzflug Mäuse krallen. Und das war einfach so schön verwildert. Das Gras war enorm hoch und ich konnte mich wunderbar verstecken und meiner eigenen Phantasie folgen. Das hat mir einfach Spaß gemacht.
Das hört sich nach einem idealen Kinderparadies an.
Ja total. Es ist auch wirklich so. Ich hatte wirklich eine sehr idyllische Kindheit. Das kann man schon sagen. Auch wenn ich immer den Drang hatte irgendwie woanders hinzuwollen und zu müssen. Aber ich glaube, das liegt einfach in meiner Natur, diese Ungeduld und Rastlosigkeit.
Kannst Du Dich noch daran erinnern, welches Lied du als erstes auf Deiner Gitarre spielen konntest?
„Hey Mr. Tambourine Man”, damals von Melanie gesungen, war auf alle Fälle das erste Lied, das mich echt umgehauen hat. Diese Frau, die auf der Bühne sitzt und dieses Lied von sich gibt, als gäbe es nichts anderes. Das ist diese Aussage „Play a Song for me”. Das hat mich schon echt abgeholt. Und daraufhin habe ich eben auch Gitarre gelernt. Ich habe mich mit diesem Lied auf alle Fälle verbunden gefühlt und mit dieser Art auf die Bühne zu gehen und etwas los zu werden.
War das dann auch die bewusste Entscheidung bzw. der erste Auslöser für Dich Musik zu machen und auch diese Richtung einzuschlagen?
Das weiß ich gar nicht. Gesungen habe ich schon immer und auch genervt damit. Es gab sogar einmal so eine Situation, meine Mutter hat das mal erzählt: Es war schon ein bisschen dunkler so 19:00 Uhr. Es war Herbst oder Winter. Das Licht ging schon aus sozusagen, das Sonnenlicht. Eine Freundin von meiner Mutter lief nach Hause und da sprang ihr ein Kind entgegen. Das sang und machte irgendwelche Bewegungen und tanzte wild umher. Und das war ich. Das hat sie dann meiner Mutter erzählt: „Mensch dein Kind das treibt sich da rum und singt laut. Ist alles okay?” „Ach das macht die immer so”. Ich glaube das war immer so drin in mir, zu singen und mich zu bewegen. Dem, was mich beschäftigt, irgendwie Ausdruck zu verleihen. Auch wenn es unterbewusst ist, es einfach raus zu lassen. Ich glaube, weil ich mich so schnell unter Druck gesetzt fühle, muss ich es raus lassen.
Du hast ja vorhin schon erzählt, dass Du viel am Computer schreibst. Ist das immer Dein Lieblingsort, oder gibt es auch einen anderen Ort, den Du bevorzugst um zu texten?
Ich texte auch unterwegs, wenn ich im Bus oder in einem schönen Café sitze. Aber wenn ich am Rechner sitze und dann die Musik praktisch entsteht, dann merke ich auch, wie sich die Worte neu formen wollen. Und sie anders klingen auf einmal. Denn Sprache hat ja auch ihre Melodiebögen. Und ich muss dann manchmal neue Worte suchen, für das was ich meine. Deswegen ist es für mich immer besser zu wissen „Okay, um was geht es eigentlich, was möchte ich erzählen?” Und dann ganz spontan und naiv daran gehe. Wenn ich zu lange an den Worten feile, dann verlaufe ich mich. Dann klingt das irgendwann nicht mehr so richtig aus einem Guss.
Das nimmt dann vielleicht auch eine andere Bedeutung an?
Ja, es öffnen sich dann immer wieder neue Türen und ich gucke dann nur noch auf diese Türen, anstatt auf das ganze Haus zu schauen. Und da lerne ich extrem viel. Aber es ist halt manchmal für so ein Lied auch total hinderlich. Und manchmal zerstöre ich damit auch so eine Stimmung und merke „Okay, ich muss es zur Seite legen und einfach was Neues beginnen.”.
Und was inspiriert dich, wenn Du textest?
Was mich inspiriert sind glaube ich Zugänge. Wenn ich merke, ich habe einen Zugang zu etwas – ist es ein Mensch, ist es ein Ort oder einfach eine Begebenheit, die mich irgendwie an was erinnert oder mich irgendwie inspiriert.
Also lässt Du Dich da von Deinem Herzen treiben?
Ja. Aber es muss mich schon irgendwie an sich ranlassen, ohne dass ich das will. Also es muss einfach passieren, ohne dass ich jetzt zugreife und sage „Lass mich da ran!”. Sondern das muss einfach passieren. Wie Du schon sagst. Und theoretisch kann man sich da ständig für was öffnen. Egal wo man ist – für Menschen oder für eine Sicht. Aber die schönsten Momente sind tatsächlich die, wo es einfach passiert, ohne dass man es sich vornimmt.
Mit welchem Künstler würdest Du gerne zusammen ein Projekt machen? Und aus welchen Gründen?
Ich mag Urgesteine einfach, also ohne jetzt Namen zu nennen. Aber ich mag Menschen, die schon ihre gewisse Strecke hinter sich haben und die nichts mehr zu verlieren haben. Ich mag das. Und die das auch einfach irgendwie genießen. Es gibt natürlich auch viele Künstler, die so im Werdegang sind und bei denen man das Gefühl hat, die gucken zu sehr darauf, dass sie nicht missverstanden werden und in welche Richtung sie sich entwickeln. Und das ist manchmal sehr anstrengend. Ich meine, da zähle ich ja selbst dazu. Und deswegen glaube ich, würde ich eher mit jemanden zusammenarbeiten wollen, der sich total zurücklehnt und sagt „Mach mal.” oder „Lass uns doch einfach mal machen.”, ohne uns zu sehr Gedanken darüber zu machen, in welche Richtung das zu laufen hat. Denn das ist meistens das Produktivste. So ist es auch zu Hause, wenn ich Lieder schreibe und mir nicht vornehme, es muss schnell sein, es muss sprudeln, oder es muss mal ruhiger angegangen werden. Wenn ich mir das nicht vornehme, und dann zum Teil dieses Verspielte habe, dann bin ich meistens am Ende glücklicher mit den Ideen und mit dem Resultat.
Also den Weg als Ziel?
Ja genau, es ist wirklich so. Es ist auch echt nicht zu unterschätzen, wie der erste magische Moment einen irgendwie leitet. Weißt du, wenn du dann einen Text hast – vielleicht bist du damit gar nicht so glücklich. Aber du hast diese Emotion dazu und die ist pur und ganz. Die bröckelt noch nicht, du hast noch nicht zu sehr darüber nachgedacht, wohin dich diese Emotion bringt oder was sie zu bedeuten hat. Und wenn ich diese Momente habe und das dann einsinge, ist es meistens so, dass ich es stehen lasse und da gar nicht mehr dran rumschraube oder denke „Muss ich das jetzt so und so interpretieren?”. Und darüber bin ich dann immer sehr stolz. Also Stolz kann man schon sagen, dass ich das dann mit Abstand sehen kann und sage „Okay, ich lasse es jetzt stehen. Ich zerstör das jetzt nicht!”
Worauf können wir uns in nächster Zeit von Dir und Deinen Jungs freuen?
Wir haben jetzt am Wochenende ein Konzert gespielt, wo ich gemerkt habe, dass so eine Leichtigkeit in mein Leben gekommen ist, die jetzt auch auf der Bühne total Platz findet. Ohne dass ich jetzt denke „Vielleicht nehmen mich dann die Leute nicht mehr ernst…” Das ist mir eigentlich schnuppe. Man kann sich auch echt zu ernst nehmen. Und ich merke, ich will einfach Freude haben auf der Bühne. Ich möchte Energie weitergeben und die Leute mitreißen und auch von den Leuten mitgerissen werden. Es ist ja auch so, dass ich mir die Leute auch anschaue, mit wem ich es zu tun habe. Diese Leichtigkeit nimmt auf alle Fälle gerade mehr Platz ein. Leichtigkeit nicht im Sinne von Schwerelos oder so was, sondern einfach ein bisschen mehr Pepp.
Und ein bisschen befreiter?
Ja, ich glaub ja.
Mich überrascht genau das was Du gerade gesagt hast. Wenn ich Dich beschreiben müsste, würde ich sagen „Cäthe ist die Leichtigkeit auf der Bühne”. Und Du sagst, du möchtest noch mehr dahin.
Es ist halt auch wahnsinnig anstrengend. Weil diese ganzen Extreme mich manchmal auch schon überfordern. Auf der Bühne macht es manchmal total Sinn, und manchmal ist es eben auch trotzdem anstrengend. Auch dass es andere Leute vielleicht merken könnten, dass es anstrengend ist. Und ich habe gestern von einer Freundin eine DVD bekommen von Joni Mitchell. Da spielt sie ein Konzert. Und es ist unfassbar. Ich sitze in der Küche und schaue mir dieses Konzert an und sehe diese Frau, wie sie immer so Funken sprüht, immer wieder. Wo du so denkst „Och mein Gott!”. Du musst schon richtig weggucken, weil es einfach so ansteckend ist. Es ist so ansteckend! Und sie spielt so damit. Also sie hinterfragt das gar nicht so sehr, sondern sie weiß, dass es richtig ist! Punkt! „Es ist richtig! Ich tue es ja aus guten Beweggründen. Warum sollte es dann irgendwie in einen falschen Hals kommen?” Und da habe ich gemerkt, dass ich auf alle Fälle auch die Tendenz habe mich eher so zu entwickeln.
Aber es kommt ja bei den Menschen auch viel mehr an, wenn es natürlich und aus dem Herzen herauskommt, statt die ganze Zeit nur daran zu denken, wie man auf die anderen wirkt und ob man auch das transportiert, was man transportieren möchte.
In dem Moment wenn ich auf der Bühne stehe, kann ich mir gar keine Gedanken darüber machen, weil die Zeit gar nicht da ist. Aber danach lasse ich es natürlich Revue passieren „Was war bei dem Abend?” und „Wer war ich?” Und ich merke, dass es total egal ist, ob ich mir diese Fragen stelle oder nicht, weil ich die gewesen bin, die ich war. Daran kann ich nichts ändern und es ist vielleicht auch genau richtig so. Und die, die ich morgen sein werde, woher will ich das wissen? Keine Ahnung! Aber wenn ich es versuche zu sehr zu lenken, dann stolpere ich vielleicht über was, was ich vielleicht so viel klarer gesehen hätte und vielleicht auch angenommen hätte. Also mich selbst höchstwahrscheinlich.
Erwischst Du Dich auch manchmal, dass Du zu viel versuchst zu kontrollieren?
Ich kontrolliere sehr viel. Das gebe ich auch offen und ehrlich zu. Ich bin schon ein Kontrollfreak. Aber das ist halt so, weil ich so detailverliebt bin. Und um mir Punkte zu suchen, an denen ich mich festhalten kann, an denen ich vielleicht auch wachsen kann.
Wie wichtig ist es Dir eine Erwartung zu erfüllen?
Ich hab schon hohe Erwartungen an mich. Und ich habe auch hohe Erwartungen an die Menschen um mich rum. Das heißt jetzt nicht, dass ich sauer bin, wenn etwas nicht klappt. Aber ich glaube schon, dass man immer das Bestmöglichste aus sich herausholen sollte. Und was das ist, ist dann ja auch Ansichtssache. Und ich glaube, da muss man dann ein bisschen ein Auge zudrücken. Also da glaube ich, nicht so streng zu sein, wie das auszusehen hat. Aber schon zu wissen, dass es das Bestmögliche zu sein hat. Es gibt viel zu lernen und wir haben alle nicht ganz so viel Zeit für all das was wir eigentlich zu lernen haben. Es ist so unfassbar viel.
Welche Rolle spielt in diesem Prozess das Innehalten?
Das gibt dem Ganzen die Farbe glaube ich, das Innehalten. Es ist ja wie bei einem Bild. Du weißt, um was es eigentlich geht. Du weißt was zu malen ist. Aber in welchen Farben? Das ist das Innehalten glaube ich. Lässt du es irgendwie aggressiv erscheinen oder lässt du es… hach…. jetzt werde ich sehr kreativ… Ist der Hase jetzt schwarz und hat rote Feueraugen? Oder ist es ein weißer Kuschelhase mit blauen süßen Babyaugen? Aber es ist ein Hase – das eine und das andere auch. Und darum geht’s glaube ich. Vielleicht ist es auch beides zur gleichen Zeit… ich weiß es nicht… Oh Gott, jetzt werde ich auch noch philosophisch…
Aber genau, schöne Überleitung!
Da Du so gerne malst, haben wir uns überlegt, dass Du Dich hier ein wenig ausleben darfst und ein Bild gestaltest. Dazu haben wir drei Begriffe ausgesucht, die in dieses Bild einfließen sollen: Das Sein – Das Nichts – Die Liebe.
Stolz präsentiert Cäthe ihr Kunstwerk:
Cähte zeigt auf den Kreis oben links „Das Nichts ist das.”. Dann zeigt sie auf die Baumgruppe unten links „Und das Sein ist das”. Sie weist auf die Gestalt rechts im Bild „Und die Liebe ist wahrscheinlich die Selbstliebe. Mit dem Nichts ist man bestenfalls auf Augenhöhe. In der Schönsten Vorstellung möchte ich das Sein von einem Berg aus betrachten. Mit Ruhe und Gelassenheit. Und trotzdem eben in einer Aufbruchsstimmung. Das heißt, wenn sie gar nicht von einem Selbst kommt sondern eben die Energie aus einem heraus.”
Vielen Dank für dieses tolle Bild und das wunderbare Interview.
Das Interview führten Veronika Reichel und Stefan Simrock. Die Fotos sind von Stefan Simrock.
Nach dem Interview stellte sich Cäthe noch für ein kurzes Foto-Shooting zur Verfügung. Die Fotos vom Interview und dem Shooting findet ihr hier.
Ein Foto mit einem kleinen Kind, vom Fahrrad gefallen und auf dem Boden liegend, ziert das neue Werk der Hamburger Künstlerin Cäthe. Genauso rätselhaft wie das Coverbild ist auch der Titel des Albums. „Verschollenes Tier”. In krakeliger Kinderschrift geschrieben, ist er auf dem Cover zu lesen.
Das Bild ist bereits ein deutlicher Hinweis, dass Cäthe auf dem Album sehr intime Momente aus ihrem Leben preisgibt. Denn auf dem Foto ist sie selbst zu sehen, nachdem sie mit ihrem Fahrrad hingefallen war. Sie war total schockiert darüber, dass sie gerade in dieser misslichen Situation fotografiert wurde: „Auf keinen Fall sollte das jemand mitkriegen. Ich wollte immer ganz schnell ganz viel können und alles wissen.”
Cäthe hat ihr „verschollenes Tier” wiedergefunden, ausgebuddelt, aufgepäppelt und auf dem Album in Musik verpackt. Sie schreibt dazu: „Das Tier steht für die Verbindung mit dem Ursprünglichen, dem Instinktiven in mir. Im Alltag ist es oft verschüttet und versteckt sich. Aber wenn ich mich mit mir befasse, Musik mache oder auf der Bühne stehe, kommt es raus und kann atmen. Auf diesem Album komme ich dem verschollenen Tier, also mir selbst, sehr nah. Es fühlt sich an wie ankommen.”
Und das Cäthe mehr bei sich selbst angekommen ist, ist in den neuen Songs deutlich zu spüren. Sie erzählt in den Liedern persönliche Geschichten. Es ist ihr gelungen den Bogen so zu spannen, dass man sich als Zuhörer stets von ihr einbezogen fühlt. Cäthe fordert den, der ihrer Musik lauscht, sich auf die Reise zu sich selbst zu begeben. Wie ein roter Faden zieht sich diese Aufforderung durch das ganze Album. „Du musst was riskieren” singt sie in „Kleingeld”. In diesem Song berichtet sie über einen Künstler, der nichts aus seinen Gaben macht, obwohl sich alles in ihm danach sehnt. Ob sie hier gar sich selbst meint, lassen wir mal dahingestellt sein.
Cäthe versucht dem Zuhörer Mut und Hoffnung zu geben. Sie erinnert uns daran, dass es sich immer lohnt zu kämpfen. Fliegt man mal auf die Schnauze, sollte man wieder aufstehen und weiter machen. Und nach dem Hören dieses Albums freut man sich, dass Cäthe wieder aufgestanden ist und weitergemacht hat – und dieses sehr schöne Werk geschaffen hat.
Catharina Sieland ist ein gern gesehener Gast in TV-Sendungen. Sie war bei Inas Nacht, neoParadise und jüngst bei Harald Schmidt zu sehen. Und zu erleben, denn ihre raumgreifende Ausstrahlung macht selbst vor Mattscheiben nicht Halt. Umso erstaunlicher, dass das recht kleine Luxor in Köln bei weitem nicht ausverkauft ist. Der Begeisterung der Anwesenden an diesem Sonntagabend tut das zumindest keinen Abbruch.
Den Abend eröffnen Flimmerfrühstück. Die Leipziger haben auch schon mal auf einer richtig großen Bühne gestanden, als sie in der Kölnarena Sachsen-Anhalt beim Bundesvision Song Contest vertreten haben. Mit “Tu´s nicht ohne Liebe” konnten sie durchaus gefallen. Im intimeren Rahmen ist der Song aber letztlich besser aufgehoben. Auch der Austausch mit dem Publikum ist hier möglich, was Frontmann Lothar unter anderem dazu animiert, die Geschichte mit Judith Holofernes zu erzählen. Ihr Lied “Aurelie” hat ihn so fasziniert, dass er eine Fortsetzung mit gleichem Titel schrieb. Erst vor drei Tagen bekam er von der Wir sind Helden-Sängerin eine lang ersehnte Email, dass sie es zur Kenntnis genommen habe und das schon okay sei. Bei so viel Charme hätte sie auch kaum ablehnend reagieren können. Flimmerfrühstück sind auch bei Cäthe-Fans gut aufgehoben und werden warmherzig beklatscht.
Nicht minder herzlich wird der Hauptact um kurz vor 10 empfangen. Mit “Bleib Hier” wählt die Band einen sphärisch-sanften Einstieg, um direkt anschließend mit “Ding” richtig durchzustarten. Cäthe kann sich ihres so natürlich wirkenden Drangs zu tanzen nicht erwehren. Will sie auch gar nicht. Will niemand hier. Zu schön ist es, ihr dabei zuzusehen. Und es steckt an, wenn sie ihren Songs mit Leib und Seele Ausdruck verleiht. “Tiger Lilly” und “Wahre Liebe” heizen weiter ein, bevor mit “Kaugummi” eine melancholischere Phase eingeläutet wird. Die ist spätestens mit den extatischen Schreien in “Senorita” vorbei. Ich frage mich, ob der Mann am Soundboard in diesen Momenten das Mikro immer wieder nach unten regeln muss, denn Cäthe bremst sich nicht – kann und will sich nicht bremsen. Da muss man schon zweimal hinhören, wenn sie in einem neuen Song die Botschaft “Tu was du willst, aber tu es langsam” mantrahaft wiederholt. “Ewige Braut” ist ein Lied voller Gefühl, das auch live seine ganze Sehnsucht entfaltet.
Nicht alle Songs werden in ihrer Studioversion vorgetragen. “Nimm mich mit” wirkt mit kaum wahrnehmbarer Akustik-Gitarre fast zerbrechlich. Einer der neuen Songs, die von Beginn an zu gefallen wissen, ist “Tabula Rasa”. Falls noch jemand der Anwesenden im Dämmerzustand gewesen sein sollte (Gründe dafür gibt´s eigentlich keine), ist es spätestens mit “Spirituell” auch damit vorbei. Neben Cäthe sind auch Bassist Thomsen und Drummer Reiner “Kallas” in ihrer Spielfreude ein echtes Erlebnis. Sie harmonieren nicht nur in dieser Band hervorragend, sondern haben auch schon bei Pohlmann zusammen gespielt. Hier scheint freundschaftliche Bande durch, die sich bestimmt über die Auftritte hinaus erstreckt. Und Cäthe? Die strahlt zwischen den Songs von einem Ohr zum anderen und lebt so persönliche Songs wie “Unter meiner Haut” auf der Bühne aus. Der Abend wird beschlossen mit “Ich muss gar nichts”, dem Track, der auch Cäthe´s Album seinen Titel gibt. Fast wie ein gegenseitiges Versprechen singt die Band zusammen mit den Fans “Ich muss wirklich überhaupt gar nichts”. Schon gar nicht in der Liebe.