Ein Festival ohne Krawall und Remmidemmi, geht das? Und wie das geht!
Noch bevor die ganz großen Festivals in diesem Jahr gestartet sind ging es beim ersten About Songs Festival im Hamburger Knust definitiv nicht um die Abfeierei, sondern um die Besinnung auf die Musik an sich. Das von Devilduck Records Inhaber Jörg Tresp initiierte Festival beruht auf der musikalischen Linie der bei dem Radiosender ByteFM monatlich ausgestrahlten Sendung “About Songs”, bei der sich der bekennende Seattle-Liebhaber Tresp seine ganz eigenen Indie-Perlen zusammenstellt. Neben den alle zwei Monate in der Hamburger Hasenschaukel stattfindenden About Songs Abenden ist es am Pfingstsonntag nun endlich soweit gewesen, das kleine und feine About Songs Festival ging zum ersten Mal im gemütlichen Hamburger Knust an den Start. Insgesamt bespielten sieben internationale Bands abwechselnd die Club- und die Barbühne während Jörg Tresp es sich nicht nahm, persönlich durch den gesamten Abend zu moderieren, da es sich ganz offensichtlich um eins seiner Herzensprojekte zu handeln scheint.
Für die ersten 50 eintreffenden Gäste gab es sogar eine About Songs Compilation als kleines Präsent, ein frühes Kommen hatte also durchaus seine Vorteile. Im Knust herrschte bereits zu Beginn eine angenehm entspannte Feiertagsatmosphäre, das Publikum war alters- und stilmäßig gut durchmischt, und ein Großteil der musikinteressierten Besucher kannte nicht nur den Veranstalter selbst, sondern sich ebenfalls untereinander.
Pünktlich um 19:00 Uhr begrüsste Jörg Tresp den noch überschaubaren Zuschauerkreis an der Clubbühne, auf welcher direkt im Anschluss die dänische Indie-Folk Band Dangers Of The Sea mit ihrem Set den Auftakt des Festivals bildete. Das Kopenhagener Quintett um Singer-Songwriter Andreas Bay Estrup hatte gerade erst zwei Tage zuvor ihr selbstbetiteltes Debütalbum herausgebracht und erklärte das About Songs Festival kurzerhand zu ihrer persönlichen Record Release Party. Sie verwöhnten das stets aufmerksame Publikum mit durchweg stimmungsvollen, vorwiegend ruhigen Songs voller Harmonie und melodischer Schönheit. Ihre teils ergreifenden Folk-Pop-Melodien mit mehrstimmigen Gesängen, chilligen Gitarrenklängen, Pianopassagen und vorwiegend dezenten Drums verleiteten die Zuhörer zum Träumen und sich dem sanften Rhythmus der Musik hinzugeben. Viel zu schnell war ihr Set auch schon vorbei, überglücklich bedankte sich der sympathische Frontmann mit dem blonden Wuschelschopf, dass sie beim Festival mit dabei sein durften.
Der Timetable ließ einem kaum eine Verschnaufpause, denn nach knappen fünf Minuten ging es um 19:45 Uhr auch schon an der Barbühne mit dem Wahl-Hamburger Tom Klose und seiner dreiköpfigen Band und wesentlich schwungvollerem Folk-Rock/Pop weiter. Mit Akustikgitarre, Cello und dem treibenden Schlagzeug brachten die jungen Hamburger Musiker das mittlerweile doch recht zahlreich erschienene Publikum schnell in Bewegung. Schade nur, dass sich keiner bis direkt vor die Bühne traute, daher standen alle im hinteren Bereich recht dicht gedrängt und ohne direkte Sicht zu der kleinen Eckbühne. Mit seiner großartig kräftigen und variationsreichen Stimme (von krächzig-rauh bis gefühlvoll sanft und verträumt) verlieh Tom seinen Songs eine gewisse Dramatik, sodass er sich zusammen mit seinem vorzüglich aufspielenden Musikerensemble beispielsweise mit “Born a Lion” nicht einmal hinter Mumford & Sons zu verstecken braucht. Zum Abschluss gab es noch den Titelsong von ihrem kommenden Album “From Weeds To Woods”, mit leicht verzerrtem Gesang und einer experimentellen Note zeigten sie uns stilistisch noch einmal einen ganz anderen Aspekt ihres Repertoires. Neben den ganz neuen präsentierten sie uns auch Songs von ihrer 2012 erschienenen EP “Come Closer”, insgesamt also eine ausgezeichnete Mischung aus dynamischem Indie-Pop und Folk-Rock sowie berührenden Balladen, die dem Publikum auch sichtlich gut gefielen und dementsprechend mit überschwänglichem Applaus honoriert wurden. Wir sind nun gespannt auf ihren ersten Longplayer, den sie uns bereits für Herbst 2013 angekündigt haben.
Direkt im Anschluss um 20:20 Uhr spielte auf der Clubbühne die von Jörg Tresp in Seattle entdeckte Band River Giant ihr allererstes Konzert in Deutschland bzw. Europa überhaupt, wobei leider offensichtlich viele gerade während diesem Slot die Zeit nutzten, um draußen frische Luft zu schnappen und eine kurze Pause einzulegen. Daher verpasste ein Großteil des Publikums das noch sehr schüchtern wirkende Trio um Frontmann Kyle Jacobson mit einer wirklich hörenswerten Soundkombination aus klassischem Rock, Indie-Rock, Country & Western, sowie unüberhörbaren 70-er Soul- und Blueseinflüssen, die wie eine Kreuzung aus Nirvana und den Fleetfoxes klang. Ihr ausdrucksstarker und recht hoher, zum Teil sogar mehrstimmiger Gesang prägte ihre Songs im Wesentlichen, die uns stellenweise an die guten alten Bee Gees erinnerten. Auch wenn durchaus etwas rockigere Songs dabei waren, so herrschten hier eher die sanften, für Seattle so charakteristischen Töne vor, welche dem About Songs Festival an dieser Stelle eine recht chillige Atmosphäre bescherten.
Der amerikanische Singer-Songwriter Denison Witmer war im Mai mit Rocky Votolato auf Tour und hat gerade sein selbstbetiteltes Album heraus gebracht. Er verzauberte ab 21:05 Uhr mit seiner gezupften Gitarre und seinen einfühlsamen Texten die von den wunderschönen Melodien gefesselten Zuhörer an der kleinen Bühne. Seine unglaublich warme Stimme mit den vorherrschenden weichen Melodien wurde von dem Publikum mit Genuss aufgenommen, viele saßen sogar vor der Bühne auf dem Boden und ließen sich von seiner verträumten Musik in eine andere Welt entführen. Mit Charme und Witz moderierte uns Denison durch seine “Fell-Asleep” Songs und hatte immer eine kleine nette Geschichte zum Thema parat. Den letzten Song, eine großartige Interpretation des Bob Marley Klassikers “Three Little Birds” als Schlaflied, widmete der junge Vater schließlich seinem Sohn. Das Publikum verabschiedete den sympathischen Solokünstler mit begeistertem Applaus und war irgendwie immer noch ganz in seine Melodien gehüllt.
Kurz bevor um 21:40 Uhr das auf Devilduck Records beheimatete Quartett Talking To Turtles an den Start ging, bedankte sich Organisator Jörg Tresp herzlich bei allen Beteiligten des Festivalteams. Zwischenzeitlich hatte sich das Knust erfreulicherweise auch richtig gut gefüllt, sodass man das About Songs Festival schon zu diesem Zeitpunkt als vollen Erfolg sehen konnte. Das Bandprojekt der Leipziger Indie-Folker Florian Sievers und Claudia Göhler nahm das Publikum bereits beim ersten Song direkt mit. Sie überzeugten uns mit ihren einfühlsamen zumeist zweistimmigen Melodien und oft spielerisch eingesetzten Instrumenten wie Xylopohon, Melodica-Synthie Sounds etc., E-Gitarren, Bass und rhythmische Drums rundeten ihre ausgetüftelten und detailverliebten Kompositionen ab, die von zart bis rockig die Zuhörer zur Begeisterung brachten. Vor allem bei ihrem Debütsong “Beam Me Up Scotty” kam noch mal richtig gute Stimmung auf, es wurde getanzt und sogar mitgesungen, es ist auch definitiv einer meiner Favoriten ihres Repertoires. Zum Abschluss wurden sie schließlich noch von Town Of Saints mit Geige und Gesang unterstützt, was einen hervorragenden Übergang zu deren Set um 22:35 Uhr bildete.
Das Holländisch-Finnische Trio Town of Saints legte direkt schwungvoll mit tanzbaren Indie-Folk mit Irish-Folk Einflüssen auf der Bar-Bühne los. Hier wurde dann auch richtig vor der Bühne getanzt, die Stimmung hatte nun offensichtlich ihren Höhepunkt erreicht. Sie schafften es mit Leichtigkeit, nur mit Schlagzeug, Geige, Akustikgitarre und Gesang die Stimmung zum Brodeln zu bringen, ebenso wie Frank Turner, der das Publikum absolut mitreißen kann. Aber sie hatten auch die ruhigen Töne richtig gut drauf, da überzeugte ihre minimalistische Instrumentierung auf der ganzen Linie. Der ganze Auftritt wirkte auf mich sehr leidenschaftlich, dieser Funke sprang natürlich dann auch auf das Publikum über, welches bei Town of Saints sichtlich viel Spaß hatte. Derzeit arbeiten sie schon an ihrem aktuellen Longplayer-Album, auf das wir sehr gespannt sein dürfen. Zum Ende ihres Sets kamen dann noch mal für einen Song Talking To Turtles mit auf die Bühne, es ist schön zu sehen, dass sich die Bands auch untereinander toll verstehen, das macht natürlich mit die schöne Atmosphäre dieses kleinen Festivals aus. Das Publikum forderte noch enthusiastisch nach Zugaben, welche uns das sympathische Trio leider nicht mehr geben konnte, da schon um 23:10 Uhr der aus Seattle stammende Rocky Votolato zusammen mit seinem Bruder Cody den krönenden Abschluss des Festivals bilden sollten.
Durch den recht knapp bemessenen Timetable betraten die beiden dann aber erst um kurz nach halb zwölf die Bühne, nachdem Jörg Tresp sich bei dem Publikum bedankte und sich sehr zufrieden über sein so erfolgreiches erstes About Songs Festival von uns verabschiedete. Das Singer-Songwriter Duo Votolato war ausschließlich mit Akustik- und E-Gitarre bewaffnet und eröffnete seinen Auftritt mit “Little Spring” vom aktuellen Album “Television Of Saints”. Erstaunlicher Weise kannten viele sogar die Texte, alle waren irgendwie angetan von dem gefühlvoll vorgetragenen Gitarren-Folk mit dem unüberhörbaren amerikanischen Country-Einschlag. Rocky´s leicht rauhe Stimme war sowohl in den ruhigeren als auch in den kräftigen Songs sein unverkennbares Markenzeichen, ergänzend hierzu spielte er ausgezeichnet Mundharmonika und erinnerte uns zeitweise an die großartige Musik von Bob Dylan. Neben dem zum Mitsingen geeigneten eingängigen “Fools Gold” spielten die beiden unter anderem das tanzbare “Alabaster” sowie das wunderschön ruhige “Goldfield”. Kurz nach Mitternacht hat das Publikum für Cody sogar noch ein Geburtstagsständchen gesungen und gegen halb eins verließen Rocky und Cody Votolato zum ersten Mal die Bühne, um jedoch unter stürmischem Applaus direkt noch mal für ihre Zugabe zurückzukommen.
Um zwanzig vor zwölf ging schließlich das wirklich gelungene About Songs Festival an diesem Pfingstsonntag zu Ende, von dem wir jede Menge musikalische Eindrücke mit nach Hause genommen haben. In entspannter Atmosphäre ließen sowohl Musiker als auch das Publikum das Festival im familiären Knust bei dem ein oder anderen Bier ausklingen.
Eigentlich lief alles perfekt, lediglich der Timetable könnte bezüglich der Pausen etwas mehr Spiel haben, ansonsten können wir uns schon jetzt auf das von Jörg Tresp angekündigte About Songs Festival im kommenden Jahr freuen und die Zeit bis dorthin noch in der Hasenschaukel bei den kostenlosen About Songs Abenden überbrücken.
Die wundervollen Fotos vom About Songs Festival von unserem Fotografen Stefan Simrock findet ihr unter diesem Link.