Am vergangenen Samstag fand das neunte Cardinal Sessions Festival in einer neuen Location in Köln statt. Und neue Location heißt in diesem Fall mehr Künstler*innen und mehr Bühnen! Während die Veranstaltung im Oktober 2018 noch in der wunderschönen Kulturkirche in Köln-Nippes stattfand, zog das Festival dieses Jahr in das Köln-Mülheimer Carlswerk Victoria um. Zwei Indoor-, eine Outdoor-Bühne, alles barrierefrei, zwölf Musiker*innen, Essen, Trinken und Merch, dazu ein überraschend gemischtes Publikum und gutes Wetter – ideale Bedingungen für einen schönen Abend voll schöner Musik.
Die Veranstalter*innen schreiben auf ihrer Homepage „Mehr Bands, mehr Geheimnisse, mehr Kulinarisches, mehr Lichter, mehr Menschen: Und trotzdem wollen wir das persönliche, intime Festival bleiben.“ – und das ist ihnen gelungen. Während die Zuschauer*innen auf dem Boden oder auf den bereitgestellten Stühlen sitzen, tanzen, an ihren Bio-Limos schlürfen und immer wieder von goldenem Lametta, das an alte Fahrradräder gebunden von der Decke hängt, gekitzelt werden, kommt im Außenbereich schon fast eine Gartenpartyatmosphäre auf. Ab 16 Uhr haben die Besucher*innen die Möglichkeit durch die geöffneten Tore der Location zu strömen. Gestartet wird die Veranstaltung von Jeannel, Fabrizio Cammarata und Maní Orrason.
Unser Besuch startet mit Tomberlin. Die US-amerikanische Singer/Songwriterin hat im August 2018 ihr Debütalbum „At Weddings“ veröffentlicht und kann uns direkt begeistert. Gemeinsam mit einem männlichen Kollegen steht Sarah Beth Tomberlin mit ihrer Akustikgitarre auf der Bühne, eigentlich geht es aber nur um sie. Ihr Outfit erinnert an einen langen Spaziergang über Wiesen und Felder und ihre Stimme an einen tiefen ruhigen See. Ihre sehr emotionalen Texte haben bei mir auf jeden Fall für einige Gänsehautmomente gesorgt – und das ist wunderschön. Tomberlin erzählt uns, dass es ihr erstes Mal in Europa sei und wann immer sie nicht singt, scheint sie wirklich aufgeregt zu sein. Sehr sympathisch! Kaum ist aber der erste Akkord von ihrer Gitarre erklungen, ist sie die Ruhe selbst. Meine Begleitung hat es ganz treffend beschrieben, als er sagt, dass sie sich wirklich in ihren Songs wohlfühlt. Sie ist noch bis Ende Juni auf Tour durch Europa und kommt dabei auch noch einige Male in Deutschland vorbei, zum Beispiel am 03.06.2019 in Münster oder am 15.06.2019 in Mannheim. Ich kann es nur wärmstens empfehlen hinzugehen! Für mich hat sich das Festival also schon zu diesem Zeitpunkt gelohnt, denn mit Tomberlin haben die Veranstalter*innen vermutlich eine meiner neuen Lieblingskünstlerinnen eingeladen. „Seventeen“ läuft bei mir rauf und runter.
Als zweiten Act schauen wir uns Moritz Krämer und Band an. Vielen ist er sicherlich von Die Höchste Eisenbahn bekannt. Auf jeden Fall ist es ein krasser Kontrast zwischen Tomberlin im Club Volta zu Moritz Krämer auf der Mainstage. Das spricht finde ich sehr für das Festival: Es ist abwechslungsreich und überraschend, sodass die Zuschauer*innen immer wieder begeistert werden können. Ich kannte Moritz Krämer vorher nicht und bin etwas skeptisch, als ich seine Stimme zum ersten Mal höre. Bei „Wir können nix dafür“ hat er mich dann aber abgeholt, ein sehr schönes Lied mit einer tollen Stimmung. Toll finden wir es auch, den Keyboarder zu beobachten, denn er fühlt die Musik wirklich und scheint riesigen Spaß daran zu haben, auf der Bühne zu stehen. Bei Moritz Krämer habe ich eher den Eindruck, dass das Publikum nichts an seinem Enthusiasmus ändern kann. Gerade im Vergleich zu Tomberlin, die mit ihrer Aufregung direkt sympathisch war, wirkt Moritz Krämer eher glatt – was aber auch nicht weiter verwunderlich ist, schließlich erschien sein erstes Album vor mittlerweile acht Jahren. „Hinterher“ ist mein Highlight des Konzerts von Moritz Krämer, denn es kommt Bewegung ins Publikum; es wird getanzt, gehopst und geschunkelt, einfach herrlich!
Als dritter Programmpunkt steht Tom Klose auf unserer Liste. Ihn schauen wir uns auf der Outdoor-Stage an. Und auch hier gibt es wieder eine völlig neue Atmosphäre mit einer ganz eigenen Stimmung. Tom Klose sitzt bereits mit Loop Station und Gitarre auf der Bühne, als wir hinauskommen. Der Kommentar meiner Begleitung zu ihm: „Ich finde, er sieht so normal aus.“ Und das stimmt, sobald er aber den Mund aufmacht, ist nichts mehr normal, denn so eine starke Stimme hätte man wohl nicht von ihm erwartet, wenn man ihn das erste Mal sieht. Witzigerweise schließt Tom Klose eine Anekdote, die er mit dem Publikum teilt, mit den Worten „Tja, ich bin halt nicht so fame.“ Und da habe ich mich gefragt: Was sagt das jetzt über mich und meinen Musikgeschmack aus, dass er der einzige Künstler ist, den ich auf dem ganzen Festival kenne? Wir sitzen sehr nah am Eingang zum Club Volta, weswegen wir parallel zu Tom Klose auch immer ein bisschen was von International Music hören, was uns aber nicht allzu sehr stört. Wen es aber vielleicht von Tom Klose abgelenkt hat, die*der hat am 19.11.2019 die Möglichkeit ihn noch einmal in Köln, diesmal im Blue Shell, bei seiner ersten Tour seit drei Jahren mit Band anzuschauen.
Schön finde ich auch, dass sich die Künstler*innen, die bereits gespielt haben, unter das Publikum mischen. Moritz Krämer steht quatschend mit ein paar Leuten vor dem „Hunger“-Stand, Tomberlin sitzt an einem Tisch direkt vor uns. Und das ist möglich, ohne dass direkt 100 Leute auf sie zustürmen – dank der intimen Atmosphäre, die die Veranstalter*innen hier für uns geschaffen haben. Wer nach Dillon – Piano Solo, Tristan Brusch, Findlay und The Slow Show immernoch nicht genug Cardinal Sessions hat, kann ab 23:15 Uhr noch mit DJ Schmusewelt (über den Namen lässt sich sicherlich streiten) durch die Nacht tanzen, um dann verschwitzt und glücklich nach Hause zu wandeln.
Für das Festival nächstes Jahr sollten die Veranstalter*innen vielleicht darüber nachdenken noch mehr Wegweise-Schilder anzubringen, denn wer schonmal auf einem Konzert in der Location war weiß, wie verwirrend es dort ist. Auch innerhalb des kuscheligen Festivalgeländes hätte es mir als Orientierungslegasthenikerin geholfen, wenn über dem Club Volta und dem Victoria mit der Mainstage Schilder gehangen hätten. Doch auch trotz ein paar Minuten Orientierungslosigkeit zu Beginn, haben wir uns sehr wohl gefühlt und würden definitiv empfehlen, nächstes Jahr zum 10-jährigen Jubiläum vorbeizuschauen!