2014 waren Seether zuletzt in Deutschland unterwegs. Damals stellten sie ihr sechstes und immer noch aktuelles Studioalbum „Isolate And Medicate“ vor (lest hier unser CD-Review). Ich selbst habe sie damals bei Rock am Ring gesehen. Nun muss man wissen, dass Seether-Konzerte höchst unterschiedlich ausfallen können. Am Nürburgring wussten Sänger und Gitarrist Shaun Morgan, Bassist Dale Stewart sowie John Humphrey am Schlagzeug durchaus zu überzeugen. Zwei Jahre zuvor hatten sie einen enttäuschenden Gig im Kölner Bürgerhaus Stollwerck abgeliefert. Ganz anders als 2013. Da gastierte das Trio im Rahmen seiner Unplugged-Tour in der Kulturkirche im schönen Stadtteil Nippes und lieferte eine Show ab, von der viele heute wahrscheinlich noch glücksselig träumen. Nach dem Gesetz der Serie müsste im Gloria Theater also mal wieder ein Reinfall folgen. Ganz so schlimm wird es dann zwar nicht, allerdings nimmt ihr heutiger Besuch auf der „Konzerte-die-ich-nie-vergesse“-Skala leider auch keinen oberen Platz ein.
Die Vorgruppe schenken wir uns zugunsten eines Kaltgetränkes und geniessen stattdessen noch ein wenig den lauwarmen Sommerabend vor dem ehemaligen Kino in der Apostelnstraße. Das Gloria ist unbestritten eine der schönsten, wenn nicht sogar die schönste Konzertlocation in ganz Köln. Überraschenderweise besteht das Publikum auch aus einigen Vertretern älteren Semesters (geschätzte 50 aufwärts), die hier wohl nochmal in ihre Grunge- und Hardrock-Vergangenheit abtauchen wollen. Wir tauchen dann auch irgendwann in die Menge und danken dem Erfinder der Klimaanlage im stillen für seinen Erfindungsreichtum. Das Gefühl hält jedoch nicht lange an. Als Seether nämlich um Punkt 21 Uhr die Bühne betreten, beschliesst die Klimaanlage spontan ihren Dienst einzustellen. Die Folge: Schon beim Opener „Gasoline“ läuft der Schweiß langsam aber stetig vom Kopf über den Rücken in die Schuhe. Selbst die klebrigen Bierreste vom Vorabend lösen sich auf dem Fußboden in ihre Bestandteile auf.
Die Band, verstärkt von Bryan Wickmann an der zweiten Gitarre, spielt sich derweil scheinbar unbeeindruckt durch ihr Set. Und „unbeeindruckt“ ist hier dummerweise mit „lieblos“ gleichzusetzen. Eine Kommunikation mit den Fans findet dabei wie gewohnt nicht statt. Shaun Morgan steht am linken Bühnenrand und versteckt sich beim Singen grösstenteils hinter seinen Haaren. Dale Stewart übernimmt für ihn gekonnt die Rolle der Rampensau, während John Humphrey im Hintergrund die Felle bearbeitet. Zwischendurch darf er bei einem minutenlangen Solo zeigen, was in ihm steckt. Bryan Wickmann bleibt eher unauffällig. Er hat seinen grössten Auftritt, als er Shaun Morgan während „Fake It“ mehrmals einen Getränkebecher an den Mund hält, damit dieser trinken kann. Das wirkt auf den ersten Blick ziemlich skurril, macht auf der anderen Seite angesicht der mittlerweile subtropischen Temperaturen im Gloria aber durchaus Sinn.
Zwischen den Songs lässt die Band, ob nun gewollt oder ungewollt, eine Menge an ziemlich schrägem Gitarrengeschrammel hören. Ganz so, als müssten sie sich erst auf das nächste Stück einigen. Abgesehen davon, dass dadurch nicht wenig Zeit verschenkt wird, kommt es reichlich konzeptlos rüber. Immerhin entsteht daraus ein spontaner Jam des Los Lobos-Klassikers „La Bamba“. Dabei ist die Setlist eigentlich gut gewählt. Neben der aktuellen Single „Nobody Praying For Me“ finden sich darin solche Perlen wie „Driven Under“, „Rise Above This“, „Fine Again“, „Country Song“ oder zum Abschluss „Remedy“. Und mit „Broken“ liefert Shaun Morgan zwischendurch sogar noch ganz alleine an seiner Gitarre den emotionalen Höhepunkt des Abends. Beim letzten Song scheinen die Gefühle dann auch mit ihm durchzugehen. Bewaffnet mit seinem Instrument springt er von der Bühne, sucht den direkten Kontakt zu den Fans in der ersten Reihe und bedankt sich anschließend fast überschwänglich für deren Besuch im nicht ganz ausverkauften Gloria.
Nach etwas weniger als anderthalb Stunden geht das Licht wieder an. Erfreulicherweise beschließt auch die Klimaanlage ihre Arbeitsniederlegung an dieser Stelle zu beenden. Neben mir fragt jemand, der aussieht als habe man ihm einen Eimer Wasser über den Kopf geschüttet: „Die kommen doch nochmal raus, oder?“. Kommen sie aber trotz zaghafter Zugaberufe nicht. Einige Pfiffe sind zu hören. In Gedanken zähle ich exakt zwölf gespielte Songs. Bei einer Band wie beispielsweise Motorpsycho mag das für ein Drei-Stunden-Konzert reichen. Bei Seether führt es zu einem schalen Beigeschmack. Musikalisch hat die Band zweifellos eine Menge geiles Zeug auf Lager. An ihrer Live-Performance muss sie allerdings auch weiterhin noch arbeiten. Vielleicht klappt es ja dann beim nächsten Besuch in Köln wieder besser.
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