Ein düsterer Strom und Brücken des Optimismus
1978 war es, dass sich die beiden Kraftwerk-Fans George Andrew „Andy“ McCluskey und Paul David Humphreys im Teenageralter in Wirral vor den Toren Liverpools zusammentaten, um als Orchestral Manoeuvres In The Dark ihre ganz persönliche Vision von elektronischer Popmusik in die Tat umzusetzen.
Das Synthie-Pop-Duo hat in den 80ern mit Hits wie „Maid Of Orleans“ die Musiklandschaft geprägt. Ihre Relevanz hatte nicht den Bestand wie bei Depeche Mode oder den Pet Shop Boys, doch es ist nicht zu spät, um ihre Form moderner Musik zu entdecken. Wer heute LCD Soundsystem oder The Killers hört, kann nicht verleugnen, dass OMD zu ihren Vorbildern gehören.
Nach 14 Jahren Sendepause zum Jahrtausendwechsel gab es im Jahr 2010 mit „History Of Modern“ ein neues Studioalbum. Und anscheinend ist man wieder auf den Geschmack gekommen, denn schon 2013 ging es mit „English Electric“ weiter und 2017 erschien das Werk „The Punishment Of Luxury“. Der 3-4Jahresrhythmus wurde leicht durchbrochen, denn 2019 gab es mit „Souvenir“ eine Best-of-Collection. Doch jetzt geht es auf zu neuen Ufern und „Bauhaus Staircase“ enthält wieder brandneue Tracks.
Das Albumcover hat man passend zum Titel gewählt. Die Kunst am Bauhaus zeichnete sich durch klare Linien, Funktionalität und die Verwendung moderner Materialien aus. Innovation ist seit jeher das Stichwort in der Musik von OMD und man muss nur den Titeltrack hören, um die stringente Linie zu erkennen. „Ich bin ein großer Liebhaber der visuellen Künste, insbesondere der Bewegungen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts“, kommentiert Andy McCluskey dazu.
„Der Song ist eine Metapher für Stärke und künstlerische Leidenschaft im Angesicht von Kritik und Widrigkeiten. Wenn die Zeiten hart sind, neigen die Regierungen dazu, die die Mittel für Kreativität zu kürzen, gerade dann, wenn die Kunst am meisten gebraucht wird um unsere Seelen zu nähren. Es scheint passend, dass der Song und sein gleichnamiges Album während der Pandemie entstanden sind.“
Die Songtitel sind diesmal sehr kryptisch. „Anthropocene“ behandelt in einem 6minüter die gegenwärtige Ära in der Entwicklung der Erde. Dafür gibt es futuristische Instrumentals und eine Roboterstimme. Kraftwerk lassen grüßen. „Kleptocrazy“ protestiert mit hektischen Synthie-Klängen gegen die Politik von Selbstdarstellern wie Trump, Johnson und Putin.
Doch es gibt auch ruhige, balladeske Klänge mit radiotauglichem Pop-Charakter. „Look At You Now“ klingt wie eine persönliche Standortbestimmung – mit chorischen Elementen und opernhafter Stimme im Hintergrund. „Where We Started“ will Mitgefühl und Trost vermitteln. Und die heilenden Worte von „Healing“ beenden das Album: Sehr sphärisch mit Tropfgeräuschen liefert es Momente besinnlicher Ruhe.
Das Album klingt fröhlich, obwohl es sensible Themen behandelt und den Untergang prophezeit. Der düstere Strom fließt unter den optimistischen Klängen, die wie Brücken sind. Politische und soziale Standpunkte treten in den Texten deutlich zu Tage und man setzt sich lyrisch mit den Themen der Zukunft auseinander.
Eigentlich müssten sich Orchestral Manoeuvres In The Dark im Halbruhestand befinden. Stattdessen haben sie ein faszinierendes Album geschaffen, das ihrem Œuvre absolut würdig ist. Auch wenn OMD froh waren, Hilfe bei dem Album bekommen zu haben, ist „Bauhaus Staircase“ doch unverkennbar das Werk eines Duos, das auch 45 Jahre nach seinem ersten Auftritt im legendären Liverpooler Club Erics immer noch perfekt aufeinander eingespielt ist. “Ich bin sehr glücklich mit dem, was wir auf dieser Platte gemacht haben„, resümiert McCluskey. „Ich fühle mich wohl, falls dies das letzte Statement von OMD sein sollte.“